Judicialis Rechtsprechung

Mit der integrierten Volltextsuche, die vom Suchmaschinenhersteller "Google" zur Verfügung gestellt wird, lassen sich alle Entscheidungen durchsuchen. Dabei können Sie Sonderzeichen und spezielle Wörter verwenden, um genauere Suchergebnisse zu erhalten:

Zurück

Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Naumburg
Urteil verkündet am 02.08.2006
Aktenzeichen: 6 U 176/05
Rechtsgebiete: WG LSA, BGB


Vorschriften:

WG LSA § 7
BGB § 134
1. Die Nutzung der Wasserkraft der Bundeswasserstraße Saale zur Gewinnung elektrischer Energie ist nicht gemäß § 7 des Wassergesetzes Sachsen-Anhalt (WG LSA) aF unentgeltlich. Ein Vertrag über die Zahlung von Entgelt für eine solche Nutzung der Wasserkraft ist deshalb nicht wegen Verstoßes gegen ein gesetzliches Verbot nach § 134 BGB nichtig.

2. Die Bestimmung des § 7 WG LSA, nach der der Eigentümer eines Gewässers für die Benutzung als solche, ausgenommen das Entnehmen fester Stoffe aus oberirdischen Gewässern, kein Entgelt fordern kann, betrifft nicht die Nutzung der Wasserkraft. Denn die Nutzung der Wasserkraft zur Gewinnung elektrischer Energie geht über die in § 5 geregelten Arten der Gewässerbenutzung, die nach § 7 WG LSA unentgeltlich sind, hinaus. Diese Nutzung der Wasserkraft ist keine Gewässerbenutzung als solche im Sinne des § 7 WG LSA.


OBERLANDESGERICHT NAUMBURG IM NAMEN DES VOLKES URTEIL

6 U 176/05 OLG Naumburg

verkündet am: 2. August 2006

In dem Rechtsstreit

hat der 6. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Naumburg auf die mündliche Verhandlung vom 12. Juli 2006 durch den Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht von Harbou und die Richter am Oberlandesgericht Manshausen und Handke für Recht erkannt:

Tenor:

Die Berufung gegen das am 12. Dezember 2005 verkündete Grund- und Teilurteil der 4. Zivilkammer des Landgerichts Magdeburg wird zurückgewiesen.

Die Beklagte trägt die Kosten des Berufungsverfahrens.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Gründe:

I.

Die Parteien streiten über die Wirksamkeit von Verträgen, die sie über die Nutzung von Wasserkraft geschlossen haben.

Die Klägerin ist Eigentümerin der Bundeswasserstraße Saale. An der Staustufe W. /Saale unterhält sie bei km 70 zwei feste Wehre. Die Beklagte betreibt am kleinen W. Wehr im Kraftwerkskanal eine Wasserkraftanlage, die sie von Dritten gepachtet hat. Die Wasserkraftanlage wird mit Wasser aus der Saale angetrieben.

Am 30. Juli 1996 schlossen die Parteien einen Nutzungsvertrag, der durch eine Nachtragsvereinbarung vom 21. Dezember 1999 ergänzt wurde. Nach diesem Vertrag hat die Beklagte für die Nutzung der Wehre und eines Grundstücksteils sowie für die Nutzung der Wasserkraft ein Entgelt zu entrichten. Die Höhe des geschuldeten Entgeltes ist für beide Nutzungsarten getrennt ausgewiesen.

Die Klägerin vertritt die Auffassung, dass sie aufgrund des Vertrages und ihres Eigentums an der Wasserstraße für die Jahre 1999 bis 2003 das vereinbarte Entgelt fordern dürfe. Sie begehrt daher mit der ersten Stufe einer Stufenklage Auskunft darüber, welche Einnahmen die Beklagte durch den Verkauf der im Kraftwerk erzeugten elektrischen Energie im Zeitraum vom 30. Juni 1999 bis zum 31. Dezember 2003 erzielt habe.

Die Beklagte vertritt die Auffassung, dass die Nutzung der Wasserkraft gem. § 7 des Wassergesetzes des Landes Sachsen-Anhalt (im Folgenden: WG LSA), in der zum Zeitpunkt des Vertragsschlusses geltenden Fassung (heute: § 3 WG LSA) unentgeltlich sei. Sie begehrt daher widerklagend die Feststellung, dass die Entgeltvereinbarung für die Nutzung der Wasserkraft in den genannten Verträgen nichtig sei.

Das Landgericht hat die Beklagte mit am 7. Dezember 2005 verkündetem Grund- und Teilurteil zur Auskunft verpflichtet und die Widerklage abgewiesen.

Aufgrund der historischen Entwicklung sei das Wasserkraftnutzungsrecht ein selbstständiges Vermögensrecht des Bundes. Die landesgesetzliche Regelung des WG LSA sei zwar nicht nichtig, jedoch verfassungskonform dahingehend auszulegen, dass sie nicht die Wasserkraftnutzung an Bundeswasserstraßen umfassen sollte.

Gegen das ihr am 12. Dezember 2005 zugestellte Urteil hat die Beklagte am 23. Dezember 2005 Berufung eingelegt und diese am 23. Januar 2006 begründet.

Sie vertritt die Auffassung, dass nach Wortlaut, gesetzgeberischer Intention und Umfang des § 7 WG LSA diese Bestimmung die Erhebung eines privatrechtlichen Entgelts für die Nutzung der Wasserkraft untersage. Die Argumentation des Landgerichts betreffend einen "Sonderfall Bund" überzeuge in keiner Weise. Eine "verfassungskonforme" Auslegung der Verbotsnorm sei nicht erforderlich. Dies führe ohnehin zu zusätzlichen Problemen der Abgabengerechtigkeit und Gleichheit.

Die Beklagte beantragt,

das am 7. Dezember 2005 verkündete Grund- und Teilurteil des Landgerichts Magdeburg abzuändern und die Klage abzuweisen.

sowie

auf die Widerklage der Beklagten festzustellen, dass der Nutzungsvertrag vom 30. Juni 1999 insoweit nichtig ist, als Entgelte für die Nutzung der Wasserkraft - Mindestentgelt und bestimmte Entgeltanteile für die erzeugte Energie einschließlich hierauf bezogener Auskunftsrechte gefordert werden.

hilfsweise,

die Revision zuzulassen.

Die Klägerin beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie wiederholt ihre auch schon erstinstanzlich vertretene Auffassung, dass ein Verstoß gegen das landeswasserrechtliche Entgeltverbot des Wassergesetzes des Landes Sachsen-Anhalt nicht vorliege. Zwar beinhalte die Nutzung der Wasserkraft auch Benutzungstatbestände, welche im Wasserhaushaltsgesetz und in Landeswassergesetzen geregelt seien. Allerdings unterfiele die Nutzung der Wasserkraft an sich nicht diesem Benutzungsbegriff des Wassergesetzes. Im Übrigen wiederholt und vertieft sie ihren erstinstanzlichen Vortrag und verteidigt die angefochtene Entscheidung.

II.

Die Berufung ist zulässig, hat in der Sache aber keinen Erfolg.

Im Berufungsverfahren sind Entscheidungen des ersten Rechtszuges nach § 513 Abs. 1 ZPO nur noch darauf überprüfbar, ob die angefochtene Entscheidung auf einer Rechtsverletzung im Sinne des § 546 ZPO beruht, oder die nach § 529 ZPO zugrunde zu legenden Tatsachen eine andere Entscheidung rechtfertigen.

Das Landgericht hat der Klage mit einer Begründung stattgegeben, die - im Ergebnis - nicht auf einer Rechtsverletzung beruht. Die festgestellten Tatsachen rechtfertigen keine andere, als die angefochtene Entscheidung. Die Nutzung von Wasserkraft unterfällt schon in seinem Tatbestand nicht dem § 7 WG LSA a.F., weil sie sich nicht in Benutzungen im Sinne des § 5 WG LSA a.F. erschöpft.

1. Auf das Vertragsverhältnis ist gem. Art. 229 § 5 Satz 1 EGBGB das Bürgerliche Gesetzbuch in der vor dem 1. Januar 2002 gültigen Fassung anzuwenden. Denn die im Streit stehenden Nutzungsvereinbarungen sind vor dem 1. Januar 2002 abgeschlossen worden.

2. Die Klägerin hat gegen die Beklagte den zuerkannten Anspruch auf Auskunft über die Berechnung des vertraglich vereinbarten Nutzungsentgeltes für die Nutzung der Wasserkraft gem. § 259 Abs. 1 BGB a.F. in Verb. mit dem Nutzungsvertrag vom 30. Juni 1999 bzw. dem ersten Nachtrag vom 21. Dezember 1999.

Da im Nutzungsvertrag § 3 Abs. 3 für die Nutzung der Wasserkraft ein Entgelt vereinbart worden ist, dessen Höhe von dem Bruttoverkaufserlös der erzeugten elektrischen Energie abhängt, trifft die Beklagte als vertragliche Nebenpflicht die Pflicht, über die erzielten Bruttoverkaufserlöse Auskunft zu erteilen.

3. Die Entgeltvereinbarung des § 3 Abs. 3 oder der gesamte Nutzungsvertrag sind nicht wegen eines Verstoßes gegen ein gesetzliches Verbot gem. § 134 BGB a.F. nichtig. Die Entgeltvereinbarung verstößt nicht gegen die zum Zeitpunkt des Vertragsschlusses gültige Bestimmung des § 7 WG LSA. a.F..

a) Diese Vorschrift lautete:

"Der Eigentümer des Gewässers kann für die Benutzung als solche, ausgenommen das Entnehmen fester Stoffe aus oberirdischen Gewässern kein Entgelt fordern."

b) Die Nutzung der Wasserkraft erschöpft sich nicht in Benutzungen im Sinne dieser Vorschrift.

aa) Das Wort "Benutzungen" erfährt in § 5 WG LSA a.F. eine Legaldefinition. Diese Definition entspricht im Wesentlichen dem Begriff der Benutzung in § 3 Wasserhaushaltsgesetz. Sie findet daher ihre Grundlage in der Rahmengesetzgebung des Bundes über den Wasserhaushalt.

Nach der Systematik des Gesetzes ist die Legaldefinition der Benutzung erforderlich, da die Benutzung des Gewässers nach § 4 WG LSA a.F. einer behördlichen Erlaubnis oder Bewilligung bedarf.

Keine Legaldefinition erfährt dagegen das Wort "Nutzung". Es ist im Sinne des natürlichen Sprachgebrauches zu verstehen und bezeichnet daher jede Form des Gebrauchs von Wasser. "Benutzung" im Sinne des § 5 WG LSA ist daher auch eine Form der Nutzung, aber nicht jede Form der Nutzung ist Benutzung im Sinne dieser Vorschrift.

bb) In § 36 a Abs. 1 Satz 1 WasserhaushG ist von der "Nutzung der Wasserkraft" die Rede. Das WG LSA (1998) enthält eine vergleichbare Regelung nicht. Doch wird auch in diesem Gesetz das Wort Nutzung verwandt, ohne es zu definieren (vgl. zum Beispiel § 102 WG LSA a.F.).

Die Nutzung der Wasserkraft als solche ist selbst keine Benutzung im wasserrechtlichen Sinne, sondern erfüllt regelmäßig mehrere wasserrechtliche Benutzungstatbestände, die jeweils gesondert zu prüfen sind. Zwischen den Parteien besteht kein Streit darüber, dass im vorliegenden Fall die wasserwirtschaftlichen Benutzungstatbestände des Ableitens, Aufstauens und Einleitens erfüllt sind (vgl. Schriftsatz der Klägerin vom 29. März 2006; Bd. II Bl. 130 d. A.).

cc) Die Nutzung der Wasserkraft erschöpft sich allerdings in diesen wasserwirtschaftlichen Benutzungstatbeständen nicht. Denn durch die (wasserhaushaltsrechtlich geregelten) Benutzungsarten allein wird die Umwandlung von kinetischer Energie, die im Wasser enthalten ist, in elektrische Energie allein nicht erfasst. Sie geht über diese Form der Benutzung hinaus. So könnte man Wasser ableiten, aufstauen und wieder einleiten, ohne damit ein Wasserkraftwerk zu betreiben.

Damit ergibt sich aus der Erfüllung der Benutzungstatbestände im Sinne von § 5 Abs. 1 WG LSA allein nicht, dass der Eigentümer auch ohne weiteres die Duldung von Gewinnung elektrischer Energie durch Nutzung der Wasserkraft unentgeltlich gestatten müsste.

dd) Auch aus dem Sinn dieser Vorschriften ist eine erweiternde Auslegung im Sinne der Beklagten nicht geboten. Allerdings würde eine Begrenzung der Duldungspflicht auf den reinen Benutzungstatbestand die Gefahr in sich bergen, dass der Gewässereigentümer durch Untersagung alle anderen Maßnahmen die Bewirtschaftungsentscheidung der Wasserbehörde ins Leere laufen lassen könnte. Insofern muss die wasserwirtschaftliche Duldungsvorschrift auch eine Duldungspflicht jener Maßnahmen nach sich ziehen, die für die Benutzung im wasserrechtlichen Sinne erforderlich sind.

Diese Duldungspflicht umfasst jedoch nicht die Erzeugung von elektrischer Energie durch Wasserkraft. § 7 WG LSA ordnet nur an, dass der Eigentümer für den Eingriff in sein Eigentum durch eine wasserrechtliche Gestattung keine Gegenleistung beanspruchen kann. Dies wird durch die Formulierung "Benutzung als solche" ausdrücklich hervorgehoben. Die Gewinnung elektrischer Energie durch Wasserkraft hat aber mit wasserhaushaltsrechtlichen und wasserrechtlichen Erwägungen, wie sie in § 2 WG LSA n.F. dargelegt sind, nichts zu tun. Das Wohl der Allgemeinheit erfordert nicht die kostenfreie Gewinnung von Energie aus Wasserkraft durch einen Einzelnen.

ee) Auch der Gemeingebrauch der Gewässer, der in § 75 WG LSA a.F. geregelt ist, umfasst die Nutzung der Wasserkraft nicht.

c) Der Annahme eines "Sonderfalles Bund" oder eines partiellen Verstoßes gegen Bundesrecht, wie vom Landgericht für notwendig erachtet, ist nicht erforderlich.

Aus den genannten Gründen verstößt daher § 7 WG LSA bereits tatbestandlich nicht gegen irgendwelche bundesrechtlichen Regelungen. Im Übrigen stellen die §§ 193, 196 WG LSA a.F. ohnehin klar, dass ältere Rechtstitel und insbesondere die des Bundes an Bundeswasserstraßen durch das Wassergesetz unberührt bleiben. Auch unter diesem Gesichtspunkt ist ein "Sonderfall Bund" nicht notwendig.

Gleichwohl stützen die vom Landgericht angestellten Erwägungen das gefundene Ergebnis. Aus dem Zusammenspiel von Wasserhaushaltsrecht auf der einen Seite und dem aus dem Staatsvertrag von 1921 sich ergebenden alleinigen Nutzungsrecht an der Wasserkraft des Bundes auf der anderen Seite zeigt sich, dass letztlich zwei unterschiedliche Rechtsmaterien betroffen sind.

d) Andere Nichtigkeitsgründe sind nicht ersichtlich.

III.

Die Voraussetzungen für die Zulassung der Revision gem. § 543 Abs. 2 ZPO liegen nicht vor. Da § 7 WG LSA a. F. bzw. § 3 WG LSA n.F. nur im Bereich des Oberlandesgerichts Naumburg gilt, ist eine einheitliche Rechtsprechung auch ohne Entscheidung des Revisionsgerichts sichergestellt. Eine grundsätzlich Bedeutung der Sache vermag der Senat nicht zu erkennen.

Eine Rechtssache hat grundsätzliche Bedeutung dann, wenn eine klärungsbedürftige Frage zu entscheiden ist, deren Auftreten in einer unbestimmten Vielzahl von Fällen zu erwarten ist (BGHZ 151, 221). Der Senat sieht hier keine Anhaltspunkte dafür, dass sich Streite über entsprechende Nutzungsentschädigungen häufen könnten.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO; die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit findet ihre Grundlage in den §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO. Eine Abwendungsbefugnis des § 711 ZPO war gem. § 713 ZPO in Verb. mit § 26 Nr. 8 EGZPO nicht auszusprechen, da die Beschwer der Klägerin 20.000,-- Euro nicht übersteigt.

Ende der Entscheidung

Zurück