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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Naumburg
Beschluss verkündet am 05.09.2001
Aktenzeichen: 6 U 56/01
Rechtsgebiete: AGBG, GmbHG, BGB


Vorschriften:

AGBG § 3
AGBG § 9
GmbHG § 30
GmbHG § 31
GmbHG § 32 b
GmbHG § 31 Abs. 5
GmbHG § 30 Abs. 1
GmbHG § 31 Abs. 1
BGB § 767
BGB § 765
BGB § 222 Abs. 1
BGB § 775 Abs. 1 Satz 1
BGB § 767 Abs. 1 Satz 3
1. Zur eigenkapitalersetzenden Bürgschaft eines Gesellschafter-Geschäftsführers einer GmbH.

2. Die 5-jährige Verjährungsfrist für Ansprüche der Gesellschaft auf Erstattung von verbotenen Rückzahlungen nach § 31 Abs. 5 GmbHG beginnt nicht mit dem Datum der Bürgschaftserklärung, sondern mit Ablauf desjenigen Tages, an dem der bürgende Gesellschafter von der Bürgschaft befreit wird.


OBERLANDESGERICHT NAUMBURG BESCHLUSS

6 U 56/01 OLG Naumburg

In dem Rechtsstreit

wegen Erstattung

hat der 6. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Naumburg durch den Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht von Harbou, die Richterin am Oberlandesgericht Joost und den Richter am Oberlandesgericht Rüge am 5. September 2001 beschlossen:

Tenor:

Der Antrag des Beklagten auf Gewährung von Prozesskostenhilfe für das Berufungsverfahren wird zurückgewiesen.

Die Entscheidung ergeht gerichtsgebührenfrei. Außergerichtliche Kosten werden nicht erstattet (§ 127 Abs. 4 ZPO).

Gründe:

I.

Der Beklagte ersucht um Prozesskostenhilfe für das Berufungsverfahren. Er wehrt sich mit der Berufung gegen das Urteil des Landgerichtes Stendal vom 31. Januar 2001, mit dem er zur Erstattung von DM 11.000,-- an die vom Kläger vertretene Gesamtvollstreckungsmasse der Gemeinschuldnerin verurteilt worden ist.

Der Beklagte war seit Januar 1993 Alleingesellschafter der Gemeinschuldnerin und ihr alleinvertretungsberechtigter Geschäftsführer. Er verbürgte sich am 3. November 1994 mit einem Höchstbetrag von DM 360.000,-- gegenüber der Kreissparkasse S. für alle "bestehenden und künftigen, auch bedingten oder befristeten Forderungen der Sparkasse gegenüber dem Hauptschuldner H. mit beschränkter Haftung ... aus ihrer Geschäftsverbindung (insbesondere aus laufender Rechnung, Krediten und Darlehen jeder Art und Wechseln)". Zum Zeitpunkt dieses Bürgschaftsversprechens beliefen sich die Verbindlichkeiten der Gemeinschuldnerin gegenüber der Sparkasse auf mindestens DM 210.000,--. Die Gemeinschuldnerin war seit mindestens Ende 1996 bilanziell überschuldet, bis schließlich auf Antrag des Beklagten vom 6. Februar 1998 (Eingang bei Gericht am 9. Februar 1998) am 26. Juni 1998 die Gesamtvollstreckung über das Vermögen der Gemeinschuldnerin eröffnet wurde.

Wenige Tage vor seinem Antrag auf Eröffnung der Gesamtvollstreckung, nämlich in der 6. Kalenderwoche 1998, veräußerte der Beklagte den Geschäftsbetrieb der Gemeinschuldnerin an den Verpächter des Betriebsgrundstücks. Den Verkaufserlös von DM 210.000,-- verrechnete die Sparkasse sogleich nach Gutschrift auf dem Konto der Gemeinschuldnerin mit ihren Forderungen gegen die Gemeinschuldnerin, wovon hiernach noch DM 105.000,-- verblieben.

Das Landgericht hat den Beklagten gemäß dem Antrag des Klägers auf Erstattung eines Teilbetrages von DM 11.000,-- aus DM 210.000,-- verurteilt, weil die Bürgschaft des Beklagten spätestens seit Ende 1996 eigenkapitalersetzenden Charakter gehabt und der Beklagte durch die Verminderung der Verbindlichkeiten der Gemeinschuldnerin gegenüber der Sparkasse in Höhe von DM 210.000,-- entgegen den Kapitalersatzregeln verbotenerweise um diesen Betrag von seiner Bürgschaftsverpflichtung befreit worden sei.

Der Beklagte richtet seinen Berufungsangriff gegen die Verwendung der §§ 30 Abs. 1, 31 Abs. 1 GmbHG als Anspruchsgrundlage. Denn diese Ansprüche seien nach § 31 Abs. 5 GmbHG nach Verstreichen von fünf Jahren seit Abgabe des Bürgschaftsversprechens verjährt. Zudem sei der Bürgschaftsvertrag unwirksam, weil die verbürgten Forderungen nicht bezeichnet seien.

II.

Der Beklagte hat keinen Anspruch auf Prozesskostenhilfe, weil die im Berufungsverfahren beabsichtigte Rechtsverteidigung keine hinreichende Erfolgsaussicht bietet (§ 114 ZPO). Diese Voraussetzung gilt auch im Berufungsrechtszug für den Berufungskläger (arg. § 119 Abs. 1 ZPO).

Die Erfolgsaussicht seiner Berufung setzt voraus, dass der Beklagte auf Grund des bisher festgestellten Sachverhaltes und seines neuen Tatsachenvorbringens in der Sache selbst voraussichtlich obsiegen, das heißt, die Klage abgewiesen wird. Dafür sind keine Anhaltspunkte ersichtlich. Völlig zu Recht hat das Landgerichts auf der Grundlage seiner Tatsachenfeststellungen der Klageforderung vollständig stattgegeben.

1. Der Erfolg der Klageforderung beruht auf den §§ 30 Abs. 1, 31 Abs. 1 GmbHG, wie das Landgericht zutreffend festgestellt hat. Denn nach den vom Bundesgerichtshof aufgestellten Rechtsprechungsregeln sind die §§ 30, 31 GmbHG auch auf Bürgschaften von Gesellschaftern für der Gesellschaft von dritter Seite gewährte Kredite anzuwenden, die Eigenkapital der GmbH ersetzt haben. Zahlt die Gesellschaft den so verbürgten Drittkredit zurück, bevor ihr Stammkapital wieder durch Eigenmittel gedeckt ist, so muss ihr der dadurch von seiner Bürgschaft frei gewordene Gesellschafter das Geleistete erstatten (vgl. BGHZ 81, 252; BGH-Urteil vom 2. April 1990, BGHR GmbHG § 32 b Satz 2 , Höchstbetragsbürgschaft 1; BGH-Urteil vom 6. Juli 1998, BGHR GmbHG § 30, 31, Kreditsicherheit, revolvierende 1, vgl. zum eigenkapitalersetzenden Charakter der Bürgschaft eines GmbH-Geschäftsführers SchlH OLG, Urt. v. 27.11.1997 - 5 U 161/93 - zitiert nach juris).

Den eigenkapitalersetzenden Charakter seiner Bürgschaft zweifelt der Beklagte nicht an. Das kann er auch nicht, weil die Bürgschaft jedenfalls seit Ende 1996, der bilanziellen Überschuldung, die später nicht wieder ausgeglichen wurde, Eigenkapital dergestalt ersetzte, dass ohne die Bürgschaft des Beklagten oder bei deren Abzug die Gemeinschuldnerin die zur Aufrechterhaltung ihres Geschäftsbetriebes notwendigen Finanzmittel durch die Sparkasse zu marktüblichen Bedingungen nicht mehr hätte erlangen können. Die Aufrechterhaltung der Bürgschaft des Beklagten bedeutete Kredithilfe in Gestalt von Sicherheiten in einer Krisenlage der Gemeinschuldnerin, als sie ohne diese Hilfe nicht mehr kreditfähig gewesen wäre. Der Beklagte hat ihr damit anstelle von Eigenkapital auf andere Weise die zur Betriebsfortführung nötigen Mittel belassen.

Den tragenden Grund für diese rechtliche Umqualifizierung der zunächst außerhalb einer Krise der Sparkasse versprochenen Bürgschaft des Beklagten in Eigenkapitalersatz liegt in der Finanzierungsfolgenverantwortung des Gesellschafters einer GmbH (vgl. dazu BGHZ 90, 381, 189; BGHZ 105, 168). Damit ist die Verantwortung des Gesellschafters für eine ordnungsmäßige Unternehmensfinanzierung gemeint, die ihn in der Krise zwar nicht positiv verpflichtet, fehlendes Kapital aus seinem Vermögen nachzuschießen, der er sich aber nicht in der Weise zum Nachteil der Gläubiger entziehen kann, dass er bei einer tatsächlich beabsichtigten Finanzhilfe, anstatt sie durch die objektiv gebotene Einbringung haftenden Kapitals zu leisten, auf eine andere, ihm weniger riskant erscheinende Finanzierungsform ausweicht (BGHZ 90, aaO). Erkennt der Gesellschafter, dass die Gesellschaft in Zukunft ohne seine Hilfe nicht mehr lebensfähig sein wird, so muss er ihr entweder seine weitere Unterstützung versagen und dadurch die Liquidation herbeiführen, oder er hat, wenn er sich zur Gewährung oder Fortsetzung seiner Hilfe entschließt, diese auf eigene Gefahr der Gesellschaft zu belassen, bis ihr Stammkapital wieder auf andere Weise gedeckt ist (BGHZ 81, 252, 257, vgl. auch BGH NJW 1995, 658-659). Diese Wahlmöglichkeit hat regelmäßig auch ein Gesellschafter als Bürge. Denn er kann, wenn sich die Vermögensverhältnisse der Gesellschaft wesentlich verschlechtert haben, entweder unmittelbar die Abwicklung betreiben oder sie mittelbar dadurch erzwingen, dass er von der Gesellschaft gemäß § 775 Abs. 1 Satz 1 BGB (vgl. BGH WM 1974, 214) Befreiung von seiner Bürgschaft verlangt (BGHZ aaO).

Damit haftet der Beklagte auch außerhalb des § 32 b GmbHG nach den Rechtsprechungsgrundsätzen zu §§ 30, 31 GmbHG der Gesamtvollstreckungsmasse auf Erstattung desjenigen Betrages von DM 210.000,--, um den er durch die Leistung der Gesellschaft von seiner Bürgschaftsverpflichtung befreit ist. Denn diese Befreiung hat er auf Kosten des Stammkapitals der Gemeinschuldnerin erlangt; sie stellt eine nach § 30 Abs. 1 GmbHG verbotene Einlagerückgewähr an den Beklagten dar, weil er in der Krise der Gesellschaft - statt Eigenkapital zuzuführen - seine Bürgschaft für Verbindlichkeiten der Gesellschaft aufrechterhalten hat. Zahlt nämlich der Gesellschafter selbst auf Grund der Bürgschaft an die Sparkasse, kann er gegen die Gesellschaft nach Forderungsübergang (§ 774 Abs. 1 Satz 1 BGB) keinen Rückgriff nehmen, weil dadurch haftendes Eigenkapital (§ 30 Abs. 1 GmbHG) angegriffen werden würde. Diese Lage darf sich für ihn nicht verbessern, wenn die Gesellschaft von sich aus den Gläubiger befriedigt und dadurch den Gesellschafter von seiner Bürgschaftsverpflichtung befreit. Er muss der Gesellschaft dann den - sozusagen für ihn verauslagten - Betrag erstatten (BGHZ 81, 252, 260; BGH, BGHR GmbHG § 32 b Satz 2 Höchstbetragsbürgschaft 1).

Dahinstehen kann danach, ob und mit welchen Rechtsfolgen die wenige Tage vor Antragstellung auf Gesamtvollstreckung vorgenommene Veräußerung des Betriebsvermögens durch den Beklagten schon deswegen verwerflich war, weil sie einerseits offensichtlich darauf abzielte, den Beklagten von seiner eigenen Bürgschaftsverpflichtung für die Gesellschaftsschulden weitgehend zu befreien und die Sparkasse "kurz vor ultimo" noch weitgehend zu befriedigen, und andererseits die künftige Masse zum Schaden der daraus zu befriedigenden übrigen Gesellschaftsgläubiger in ihrem Bestand wesentlich verringerte.

2. Der Beklagte kann die Erstattung auch nicht deswegen gemäß § 222 Abs. 1 BGB verweigern, weil der Anspruch des Klägers verjährt sei. Die Verjährung ist noch nicht eingetreten.

Nach § 31 Abs. 5 GmbHG verjähren Ansprüche der Gesellschaft auf Erstattung von verbotenen Rückzahlungen in fünf Jahren, beginnend mit Ablauf des Tages, an dem die Zahlung, deren Erstattung beansprucht wird, geleistet ist. Die Verjährungsfrist begann im Streitfall mit Ablauf desjenigen Tages Anfang Februar 1998, an dem die Sparkasse den eingegangenen Verkaufserlös von DM 210.000,-- mit den Gesellschaftsschulden verrechnete. Denn hierdurch erloschen die Verbindlichkeiten der Gemeinschuldnerin bei der Sparkasse in dieser Höhe (§§ 387, 389 BGB) und mit ihnen erlosch insoweit die Bürgschaft, die gemäß §§ 765,767 BGB von dem Bestehen der Hauptschuld und deren Umfang dauernd abhängt (BGHZ 95, 88, 93). Die hierdurch bewirkte Befreiung des Beklagten von seiner Bürgschaftsverpflichtung entspricht wirtschaftlich der "Zahlung, deren Erstattung beansprucht wird" im Sinne des § 31 Abs. 5 GmbHG. Erst diese Befreiung bildete die verbotene Eigenkapitalrückgewähr an den Beklagten, deren Erstattung der Kläger begehrt. Der Zeitpunkt der Abgabe des Bürgschaftsversprechens hatte damit nichts zu tun; selbst der Zeitpunkt des Eintritts der Krise der Gemeinschuldnerin bewirkte nur die Umqualifizierung der - stehen gelassenen - Bürgschaft in eine kapitalersetzende Bürgschaft, nicht dagegen den Verjährungsbeginn.

3. Die Bürgschaft war auch wirksam.

a) Die Sicherungszweckerklärung in Ziff. 1 Satz 1 der »Bürgschaftsbedingungen«, wonach eine Bürgschaft übernommen wird »zur Sicherung aller bestehenden und künftigen, auch bedingten oder befristeten Forderungen aus ihrer Geschäftsverbindung (insbesondere aus laufender Rechnung, Krediten und Darlehen jeder Art und Wechseln)«, genügt den Erfordernissen der inhaltlichen Bestimmtheit nach § 765 BGB (BGHZ 130, 19, 21).

b) Die Wirksamkeit der Bürgschaft scheitert auch nicht gemäß § 3 AGBG. Der Bundesgerichtshof hat in diesem Zusammenhang ausgeführt, dass § 767 Abs. 1 Satz 3 BGB das Erfordernis einer Begrenzung der Bürgschaft enthält (BGHZ aaO, 26). Die Vorschrift bestimmt, dass die Bürgenverpflichtung nicht durch ein Rechtsgeschäft erweitert wird, das der Hauptschuldner nach Übernahme der Bürgschaft vornimmt. Diese Regelung ist nicht lediglich dann anzuwenden, wenn eine Begrenzung konkret vereinbart ist. Vielmehr setzt das Gesetz zum Schutze des Bürgen neben der Bestimmtheit der zu sichernden Forderungen eine summenmäßige Begrenzung der Bürgschaft als selbstverständlich voraus. Auf diese Weise soll verhindert werden, dass Hauptschuldner und Gläubiger den Umfang der Bürgschaft eigenmächtig ausweiten. Eine unbegrenzte Ausdehnung der Haftung durch rechtsgeschäftliches Handeln anderer widerspricht dem elementaren Schutz der Privatautonomie des Bürgen (Horn, Festschrift für Merz S. 217, 225; Wolf, in: Wolf/Horn/Lindacher § 9 Rdnr. B 214). Mit einer derartigen Abweichung vom dispositiven Gesetzesrecht rechnet dieser im allgemeinen nicht. Da die Bankverbindung eine inhaltlich offene Geschäftsbeziehung darstellt, reicht die sachliche Beschränkung der Bürgenhaftung auf Forderungen aus der bankmäßigen Geschäftsverbindung zum Schutz des Bürgen nicht aus (BGHZ aaO, 27; mHa Staudinger/Horn § 765 Rdnr. 10, 12; Pecher, in: MünchKomm § 765 Rdnr. 12).

Solcherart schutzbedürftig ist der Beklagte nicht gewesen. Als Alleingeschäftsführer während der gesamten Bürgschaftszeit und schon einige Zeit vorher wusste und bestimmte er genau, welche Verbindlichkeiten die Hauptschuldnerin, die GmbH, einging und erfüllte. Eine Beeinträchtigung seiner Bürgeninteressen in unangemessener Ausdehnung des Formulartextes wegen Überraschung (§ 3 AGBG) des Bürgschaftsvertrages ist damit ausgeschlossen.

c) Aus diesem Grunde ist auch eine unangemessene Benachteiligung des Beklagten gemäß § 9 AGBG durch die vorformulierten Vertragsklauseln von vornherein ausgeschlossen. Der Beklagte ließ sich nicht auf ungewisse Verbindlichkeiten ein, die ihn über Gebühr und entgegen aller Voraussicht belasten würden. Er selbst und er allein bestimmte über die Geschäftspolitik, die Eingehung und Erfüllung von Verbindlichkeiten der Gesellschaft, für die er zugleich als Gesellschafter bürgte. Er wusste alles und konnte alles bestimmen, was die Hauptschulden anbelangte.

Ende der Entscheidung

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