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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Naumburg
Urteil verkündet am 09.03.2001
Aktenzeichen: 6 U 63/00
Rechtsgebiete: ZPO


Vorschriften:

ZPO § 519
Leitsatz:

Es fehlt an einer § 519 ZPO entsprechenden Berufungsbegründung, wenn der Prozessvertreter des Berufungsführers die Berufungsbegründung zwar unterzeichnet hat, aber ausdrücklich erklärt, er arbeite lediglich als Korrespondenzanwalt und habe die Schriftsätze nicht geschrieben und auch nicht gelesen.

OLG Naumburg, Urt vom 09.03.2001, 6 U 63/00; vorgehend LG Magdeburg, Urt vom 09.02.2000, 10 O 3309/98


OBERLANDESGERICHT NAUMBURG IM NAMEN DES VOLKES URTEIL

6 U 63/00 OLG Naumburg 10 O 3309/98 LG Magdeburg

verkündet am: 09.03.2001

gez. Lindek, JAnge als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle

In dem Rechtsstreit

...

wegen Werklohnes

hat der 6. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Naumburg auf die mündliche Verhandlung vom 9. März 2001 durch den Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht von Harbou, die Richterin am Oberlandesgericht Joost und den Richter am Oberlandesgericht Rüge

für Recht erkannt:

Tenor:

Die Berufung des Beklagten gegen das am 9. Februar 2000 verkündete Grund- und Teilurteil der 10. Zivilkammer des Landgerichts Magdeburg wird als unzulässig verworfen.

Der Beklagte trägt die Kosten der Berufung.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Der Beklagte darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 15.000,00 DM abwenden, wenn nicht der Kläger vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

Der Wert der Beschwer übersteigt 60.000,00 DM.

Tatbestand

Der Kläger begehrt von dem Beklagten die Vergütung für die von ihm erbrachten und dem Beklagten in Rechnung gestellten Leistungen. Im Einzelnen:

1. Rechnung für Schutt und Erde (S. ) vom 05.12.1996 (K 1, GA I, 11) 4.057,00 DM

2. Rechnung für Erdaushub laden (Z. , C. ) vom 05.12.1996 (K 2, GA I, 12) 1.803,00 DM

3. Rechnung für Erdaushub Straßenbau vom 05.12.1996 (K 3, GA I, 13) 2.182,70 DM

4. Rechnung für Straßenunterbau L. Weg vom 05.12.1996 (K 4, GA I, 14) 42.245,25 DM

5. Rechnung - Wegebau zur Kiesgrube - vom 12.12.1996 (K 6, GA I, 16) 8.232,10 DM

6. Rechnung Erdaushub Baustelle vom 17.12.1996 (K 9, GA I, 19) 31.423,78 DM

insgesamt 90.034,80 DM

Der Kläger hat zu den einzelnen Rechnungen behauptet:

1. Der Auftrag sei ihm von dem Beklagten persönlich ein oder zwei Tage vor Ausführung der in Rechnung gestellten Arbeiten am 08.08.1996 erteilt worden (GA I, 138). Der Bauschutt habe von dem Grundstück des Beklagten entfernt werden sollen, weil er dort gestört habe. Der Bauschutt sei sodann auf dem von dem Beklagten gezeigten S. abgelagert worden.

2. Der Auftrag sei dem Kläger durch den Beklagten persönlich vor Ort in C. kurz vor Durchführung der Arbeiten erteilt worden. Die in Rechnung gestellten Leistungen habe er am 21./23.08.1996 ausgeführt.

3. Der Beklagte habe den Auftrag persönlich erteilt. Der Zeuge H. habe den Erdaushub auf der Baustelle des Beklagten gelöst, gefördert und auf die Halde gefahren.

4. Der Beklagte habe den Auftrag zunächst mündlich im Oktober 1996 und, nachdem die Arbeiten bereits ausgeführt worden seien, schriftlich ohne jeden GmbH-Zusatz (K 15, GA I, 97) bestätigt. Der Beklagte habe den Kläger und den Zeugen H. persönlich in die durchzuführenden Arbeiten eingewiesen. Die Arbeiten seien am 22./23./.24./25.10., 14./15./18. und 15.11.1996 durchgeführt worden. Die Transportleistungen habe die Firma H. durchgeführt. Diese habe den LKW-Einsatz nach Stunden abgerechnet (K 17 a - d, GA I, 92). Die Transportkosten seien als Fremdkosten in der Rechnung vom 05.12.1996 aufgenommen.

5. Der Beklagte persönlich habe den Kläger schriftlich beauftragt (GA I, 143). Die Menge des gelieferten Mineralgemischs ergebe sich aus dem Lieferschein der Firma R. D. (K 8, GA I, 18).

6. Im Dezember 1996 habe der Beklagte persönlich den Kläger vor Ort, L. Weg in W. , beauftragt. Die Transportleistungen durch die Firma H. Transporte seien nach Stunden (GA I, 105 - 107) abgerechnet worden.

Der Kläger hat beantragt,

den Beklagten zu verurteilen, an ihn 90.034,80 DM nebst 8 % Zinsen seit 10.02.1997 zu zahlen.

Der Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

Der Beklagte hat behauptet, Auftragnehmer sei nicht der Kläger persönlich, sondern das von dem Kläger und ihm gegründete Tiefbauunternehmen B. und Partner GmbH i.G. Auftraggeber sei auch nicht der Beklagte persönlich, sondern die B. GmbH. Die Aufträge seien nicht in vollem Umfang durchgeführt worden. Die Einheitspreise bei den Rechnungen (Anlagen K 2 - K 4, K 6 und K 9), seien nicht angemessen.

Die 10. Zivilkammer des Landgerichts Magdeburg hat nach Beweiserhebung zur Auftragserteilung und zum Umfang der erbrachten Arbeiten durch das am 09.02.2000 verkündete Grund- und Teilurteil den Beklagten zur Zahlung von 40.468,47 DM verurteilt. Zur Begründung hat es im Wesentlichen ausgeführt, der Kläger habe dem Grunde nach einen Anspruch gegen den Beklagten, da zwischen den Parteien den Rechnungen entsprechend Werkverträge abgeschlossen worden seien. Bezüglich der Rechnung vom 05. 12.1996 (K 4, GA I, 14) bestehe ein Anspruch in Höhe von 39.209,25 DM und bezüglich der Rechnung vom 17.12.1996 (K 9, GA I, 19) ein Anspruch in Höhe von 8.323, 10 DM.

Gegen dieses ihm am 02.03.2000 zugestellte Urteil hat der Beklagte am 31.03.2000 Berufung eingelegt und diese nach entsprechender Verlängerung der Berufungsbegründungsfrist am 31.05.2000 begründet.

Der Beklagte wiederholt und vertieft sein erstinstanzliches Vorbringen zur fehlenden Aktiv- und Passivlegitimation. Er hebt hervor, das erstinstanzliche Gericht habe zu der Rechnung vom 05.12.1996 (K 1, GA I, 11) das an die Tiefbauunternehmen B. GmbH i.G. gerichtete und von dieser angenommene Angebot vom 01.08.1996 (B 4, GA I, 69) der Bauunternehmung R. GmbH unberücksichtigt gelassen. Hilfsweise erklärt er die Aufrechnung mit Schadensersatzansprüchen gegen den Kläger. Hierzu behauptet er, der Kläger habe von dem Konto der Tiefbauunternehmens W. B. & Partner GmbH i.G. unberechtigt Gelder überwiesen über insgesamt 35.979,68 DM.

Der Kläger beantragt,

die Berufung des Beklagten als unzulässig zu verwerfen,

hilfsweise

die Berufung des Beklagten als unbegründet zurückzuweisen.

Der Kläger ist der Ansicht, gegen die Zulässigkeit der Berufung spreche, dass der frühere Prozessbevollmächtigte der Beklagten in einem anderen Rechtsstreit - LG Magdeburg - 8 O 713/00 - ausdrücklich erklärt habe, dass er alle Schriftsätze in dem hier geführten Verfahren, also auch die Berufungsschrift und die Berufungsbegründung, weder geschrieben noch gelesen habe. Im Übrigen verteidigt er die angefochtene Entscheidung.

Der frühere Prozessbevollmächtigte der Beklagten hat in dem weiteren vor dem Landgericht Magdeburg geführten Rechtsstreit - Aktenzeichen: 8 O 723/00 - zu Protokoll der mündlichen Verhandlung erklärt, er sei nicht verantwortlicher Rechtsvertreter des Beklagten in dem hier geführten Rechtsstreit. Er arbeite als Korrespondenzanwalt für eine Düsseldorfer Kanzlei. Auf seinen Antrag ist das Protokoll der mündlichen Verhandlung vom 06.09.2000, indem es zunächst hieß, "Ich habe dort in dem Verfahren zwar alle Schriftsätze unterschrieben. Ich habe sie zum Teil aber nicht geschrieben und nicht gelesen." dahingehend berichtigt worden, dass es nunmehr heißt: "Ich habe sie aber nicht geschrieben und gelesen."

Wegen der Einzelheiten des Parteivorbringens wird auf die vorbereitenden Schriftsätze nebst Anlagen sowie auf das angefochtene Urteil verwiesen.

Entscheidungsgründe

Die Berufung des Beklagten ist unzulässig.

Sie ist zwar an sich statthaft (§§ 511, 511 a ZPO); das Rechtsmittel ist aber nicht in der gesetzlichen Form und Frist eingelegt und begründet worden (§§ 516, 518, 519 ZPO).

Als bestimmender Schriftsatz muss die Berufungsbegründung nach § 519 Absatz 5 ZPO in Verbindung mit § 130 Nr. 6 ZPO die eigenhändige Unterschrift eines bei dem Berufungsgericht zugelassenen Rechtsanwalts tragen. Das Unterschriftserfordernis ist äußerer Ausdruck für die vom Gesetz geforderte eigenverantwortliche Prüfung des Inhalts der Begründungsschrift durch einen postulationsfähigen Rechtsanwalt. So verlangt das Gesetz, dass ein bei dem Berufungsgericht zugelassener und deshalb im Allgemeinen mit dem Berufungsverfahren vertrauter Rechtsanwalt dem Gericht und dem Gegner zu Beginn des Verfahrens des zweiten Rechtszuges den Sachverhalt unter bestimmter Bezeichnung der im einzelnen anzuführenden Anfechtungsgründe nach persönlicher Durcharbeitung des Prozessstoffs vorträgt. Die Berufungsbegründung muss in diesem Sinn Ergebnis der geistigen Arbeit des Berufungsanwalts sein. Dieser muss die Rechtsmittelbegründungsschrift zwar nicht unbedingt persönlich verfasst haben. Erforderlich ist lediglich, dass der Berufungsanwalt sich den Inhalt der Rechtsmittelbegründungsschrift zu Eigen macht und die Verantwortung dafür übernimmt (BGH NJW 1989, 394, 395). Schon dann rührt die Rechtsmittelbegründungsschrift von ihm her (BGHZ 97, 251, 253; BGH NJW-RR 1998, 574). Aus Gründen der Rechtssicherheit begnügt sich das Gesetz insoweit mit dem äußeren Merkmal der Unterschrift und behandelt dieses grundsätzlich als Nachweis dafür, dass der Rechtsanwalt den Prozessstoff selbst durchgearbeitet, das Ergebnis seiner Arbeit in dem Schriftsatz niedergelegt hat und die Verantwortung für den Inhalt des Schriftsatzes tragen will (BGH NJW-RR 1998, 574, 575). Dem liegt die Erwägung zugrunde, dass einem bei einem Berufungsgericht zugelassenen Rechtsanwalt bekannt ist, welche Pflichten ihm obliegen, wenn er eine Berufung zu begründen hat; deshalb kann in der Regel angenommen werden, dass er das angefochtene Urteil selbst überprüft hat und dass das, was er in einem mit seiner Unterschrift versehenen Schriftsatz zur Begründung des Rechtsmittels vorträgt, das Ergebnis dieser Prüfung ist und von ihm - in eigener anwaltlicher Verantwortung - geltend gemacht werden soll (BGH NJW 1989, 394, 395). In welchem Umfang und wie gründlich der Rechtsmittelanwalt den Prozessstoff tatsächlich selbst durchgearbeitet hat, ist für den Regelfall ohne Bedeutung.

Ausnahmen von diesen Grundsätzen hat die Rechtsprechung nur unter zwei Voraussetzungen anerkannt, nämlich einmal für den Fall, dass der Anwalt seiner Unterschrift einen Zusatz beifügt, durch den er die Verantwortung für den Inhalt des Schriftsatzes ablehnt (RGZ 65, 81), und zum anderen dann, wenn Form und Inhalt des Schriftsatzes das Fehlen einer eigenverantwortlichen Prüfung durch den Rechtsanwalt klar erkennen lassen, dieser also den Schriftsatz erkennbar unbesehen unterschrieben hat (BGH VersR 1969, 617; NJW 1989, 394, 395). Spätere Erklärungen des Prozessbevollmächtigten können die Wirksamkeit der einmal erfolgten Begründung nicht mehr in Frage stellen (BGH NJW a.a.O.)

Unter Berücksichtigung dieser Grundsätze fehlt es an einer den Voraussetzungen des § 519 ZPO entsprechenden Berufungsbegründung. Der Prozessbevollmächtigte des Beklagten, der zwischenzeitlich das Mandat niedergelegt hat, hat in einem weiteren vor dem Landgericht Magdeburg geführten Verfahren zu Protokoll in der mündlichen Verhandlung erklärt, dass er nicht verantwortlicher Rechtsvertreter des Beklagten in dem hier geführten Rechtsstreit sei. Er arbeite als Korrespondenzanwalt für eine Düsseldorfer Kanzlei. Auf seinen Antrag ist das Protokoll der mündlichen Verhandlung vom 06.09.2000, indem es zunächst hieß, "Ich habe dort in dem Verfahren zwar alle Schriftsätze unterschrieben. Ich habe sie zum Teil aber nicht geschrieben und gelesen." dahingehend berichtigt worden, dass es nunmehr heißt: "Ich habe sie aber nicht geschrieben und gelesen." Bei dieser Sachlage hat der Prozessbevollmächtigte klar und unmissverständlich zu erkennen gegeben, dass er die Verantwortung für den Inhalt der Berufungsbegründung nicht übernehmen kann.

Dem steht auch nicht entgegen, dass sich die mangelnde Verantwortlichkeit nicht bereits aus der Berufungsbegründung selbst ergibt. Soweit der Bundesgerichtshof ausgeführt hat, dass spätere Erklärungen des Prozessbevollmächtigten die Wirksamkeit der einmal erfolgten Begründung nicht mehr in Frage stellen, bezog sich dies auf den Fall, dass der Prozessbevollmächtigte später erklärt hat, er habe aus Zeitmangel die Schriftsätze nur "überflogen" (BGH NJW 1989, 394, 396). Der Bundesgerichtshof hebt insoweit ausdrücklich hervor, dass er damit gerade nicht zu erkennen gegeben habe, dass er den Schriftsatz unbesehen unterzeichnet hätte. Hiervon unterscheidet sich die zu dem hier geführten Rechtsstreit abgegebene Erklärung des Prozessbevollmächtigten. Dieser hat ausdrücklich erklärt, er habe die Schriftsätze ungelesen unterschrieben und zwar gänzlich ungelesen, wie sich aus der Protokollberichtigung des Landgerichts Magdeburg vom 10.10.2000 ergibt. Dabei beruhte die Protokollberichtigung auf den Antrag des Prozessbevollmächtigten, mit der er den Wegfall der Formulierung "zum Teil" erstrebt hat.

Da aus diesem Grunde die Berufung bereits unzulässig ist, bedarf es einer Überprüfung, ob auch die Berufungseinlegung aus den genannten Gründen nicht fristgerecht erfolgt ist (§ 516 ZPO), nicht mehr. Einen weiteren Aufklärung, ob der Prozessbevollmächtigte mit Unterzeichnung der Berufungsschrift nicht jedenfalls Kenntnis von der Einlegung des Rechtsmittels genommen hat, bedarf es insoweit nicht.

Im Übrigen wäre die Berufung auch unbegründet. Die angefochtene Entscheidung erweist sich auch unter Berücksichtigung des Berufungsvorbringens als richtig.

Die prozessualen Nebenentscheidungen ergehen nach §§ 97 Absatz 1, 708 Nr. 10, 711, 546 Absatz 2 Satz 1 ZPO.

Ende der Entscheidung

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