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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Naumburg
Urteil verkündet am 13.11.2008
Aktenzeichen: 6 U 63/08
Rechtsgebiete: AVBWasserV, BGB


Vorschriften:

AVBWasserV § 4 Abs. 1
AVBWasserV § 4 Abs. 2
BGB § 315 Abs. 1
BGB § 315 Abs. 3
BGB § 558 Abs. 3
1. Einseitige Tariferhöhungen eines Trinkwasserversorgungsunternehmens nach § 4 Abs. 1 und Abs. 2 AVBWasserV unterliegen gem. § 315 Abs. 1 BGB gerichtlicher Billigkeitskontrolle (vgl. BGH Urteil vom 13. Juni 2007 - VIII ZR 36/06 - Rn 13 zitiert nach juris).

2. Bei der richterlichen Billigkeitskontrolle gem. § 315 Abs. 3 BGB können neben den öffentlich-rechtlichen Grundsätzen der Gleichbehandlung, der Äquivalenz und der Kostendeckung im Einzelfall ergänzend weitere Gesichtspunkte berücksichtigt werden, um den bei der Bestimmung nach billigem Ermessen eingeräumten Spielraum auszufüllen.

3. Eine entsprechende Anwendung des § 558 Abs. 3 BGB ist jedoch ausgeschlossen, weil es sich bei dieser Norm um eine nicht analogiefähige Spezialvorschrift des Mietrechts handelt und die Wasserpreise keine Entgelte für eine Gebrauchsüberlassung, sondern Kaufpreise sind.


OBERLANDESGERICHT NAUMBURG IM NAMEN DES VOLKES URTEIL

6 U 63/08 OLG Naumburg

Verkündet am 13.11.2008

In dem Rechtsstreit

hat der 6. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Naumburg durch die Richter am Oberlandesgericht Dr. Otparlik und Dr. Strietzel sowie den Richter am Amtsgericht Scholz auf die mündliche Verhandlung vom 12.11.2008 für Recht erkannt:

Tenor:

Auf die Berufung der Beklagten wird das am 25.04.2008 verkündete Urteil des Landgerichts Halle - 5 O 74/06 - abgeändert.

Die Klage wird abgewiesen.

Die Klägerin trägt die Kosten des Rechtsstreits.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Die Klägerin kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung i.H.v. 110 % des auf Grund des Urteils zu vollstreckenden Betrages abwenden, wenn nicht die Beklagte zuvor Sicherheit i.H.v. 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.

Gründe:

I.

Die Klägerin begehrt die Feststellung, dass die durch die Beklagte vorgenommene Anpassung des monatlichen Grundpreises für die Trinkwasserversorgung für den Zeitraum ab Januar 2006 gegenüber der Klägerin unwirksam ist.

Die Klägerin ist eine der größten Wohnungsbaugenossenschaften in N. , die Beklagte das einzige örtliche Trinkwasserunternehmen. Dieses stellt seinen Kunden einen monatlichen Grundpreis für die Bereitstellung von Trinkwasser sowie einen verbrauchsabhängigen Arbeitspreis in Rechnung. Bis zum 01.01.2006 ermittelte die Beklagte den Grundpreis nach Zählergröße und Durchflussmenge; für die Zeit danach (nur) für Haushaltskunden nach Anzahl der Wohneinheiten.

Die Klägerin hat vorgetragen, dadurch steige ihr Gesamtpreis um 70 %. Die Tarifänderung verletze den Gleichheitsgrundsatz und verstoße gegen das abgabenrechtliche Kostendeckungs- und Äquivalenzprinzip. Die Beklagte hat dem entgegengehalten, die Klägerin sei im Vergleich zu den Eigentümern von Einfamilienhäusern lediglich jahrelang zu Unrecht bevorzugt worden.

Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die tatsächlichen Feststellungen der landgerichtlichen Entscheidung verwiesen.

Das Landgericht hat der Klage stattgegeben. Zur Begründung hat es ausgeführt, die Preisbestimmung der Klägerin unterliege gem. § 315 Abs. 3 BGB einer Billigkeitskontrolle durch die Gerichte. Die Änderung der Tarifstruktur führe zu einer Erhöhung des von der Klägerin zu zahlenden Gesamtpreises um 70 % und sei daher unbillig, und zwar unabhängig davon, ob ein Verstoß gegen das Gleichheitsgebot, das Kostendeckungsprinzip oder das Äquivalenzprinzip vorliege. Insoweit könne § 558 Abs. 3 BGB entsprechend angewandt werden, wonach sich Wohnraummiete innerhalb von drei Jahren nicht um mehr als 20 % erhöhen dürfe.

Hiergegen wendet sich die Beklagte mit ihrer Berufung. Sie meint, die Billigkeitskontrolle nach § 315 Abs. 3 BGB dürfe nicht losgelöst von der abgabenrechtlichen Bewertung vorgenommen werden; § 558 Abs. 3 BGB sei hier als nicht analogiefähige Spezialvorschrift unanwendbar. Im Übrigen hätte das Landgericht selbst eine Preisbestimmung vornehmen müssen.

Die Klägerin verteidigt die angefochtene Entscheidung.

II.

Die zulässige Berufung hat in der Sache Erfolg, denn die von der Beklagten vorgenommene Änderung der Tarifstruktur ist nicht unbillig i.S.d. § 315 Abs. 3 BGB.

1. Einseitige Tariferhöhungen der Beklagten nach § 4 Abs. 1 und 2 AVBWasserV unterliegen gerichtlichen Billigkeitskontrolle nach § 315 Abs. 3 BGB (vgl. BGH, Urt. v. 13.06.2007, VIII ZR 36/06, Rn. 13, zitiert nach juris).

a) § 315 Abs. 3 BGB stellt eine Regelung des Vertragsrechts dar, der ein hoher Gerechtigkeitsgehalt zukommt, und wird daher durch den rein deliktischen Beseitigungs- und Unterlassungsanspruch aus §§ 19 Abs. 4 Nr. 2, 33 GWB nicht verdrängt (vgl. BGH, Urt. v. 13.06.2007, VIII ZR 36/06, Rn. 18, zitiert nach juris). Im Übrigen hat das Landeskartellamt trotz entsprechender Aufforderung durch die FDP-Fraktion im N. Stadtrat kein Missbrauchsverfahren eingeleitet, woraus zu schließen ist, dass auch kein Missbrauch einer marktbeherrschenden Stellung i.S.d. § 19 Abs. 4 GWB vorliegt.

b) Die Billigkeitskontrolle nach § 315 Abs. 3 BGB ist auch nicht durch die hier bestehende Bindung der Beklagten an die öffentlich-rechtlichen Grundsätze der Gleichbehandlung, der Äquivalenz und der Kostendeckung ausgeschlossen, vielmehr soll die Billigkeitskontrolle gerade sicher stellen, dass dem Bürger nicht Entgelte für Leistungen abverlangt werden, für die bei öffentlich-rechtlicher Ausgestaltung des Rechtsverhältnisses keine Abgaben erhoben werden dürften (vgl. BGHZ 115, 311, 318; BGH, NJW-RR 2006, 133, 134). Soweit der BGH in diesem Zusammenhang ausgeführt hat, es könne dahinstehen, ob bei öffentlich-rechtlicher Ausgestaltung die Entgelte als Gebühren verlangt werden könnten (BGHZ 115, 311, 319), bezog sich dies allein auf die Frage, ob überhaupt eine Billigkeitskontrolle nach § 315 Abs. 3 BGB durchzuführen ist.

c) Was deren Maßstab anbelangt, hat der BGH hingegen ausgeführt, die Bindung an die o.g. öffentlich-rechtlichen Grundsätze könne, jedenfalls soweit es dabei um Prinzipen gehe, denen - wie dem Gleichheitsgebot und den Äquivalenzgrundsatz - ihrerseits ein Gerechtigkeits- und Billigkeitsgehalt immanent sei, im konkreten Fall wesentlich zur Rechtfertigung der Billigkeitsentscheidung beitragen (vgl. BGHZ 115, 311, 319). Ausgehend von der Prämisse, dass der Bürger durch eine öffentlich-rechtliche Ausgestaltung nicht benachteiligt werden soll (siehe oben), kann der BGH mit seiner Aussage, es könne dahinstehen, ob bei öffentlich-rechtlicher Ausgestaltung die Entgelte als Gebühren verlangt werden könnten, daher nicht gemeint haben, dass der Bürger umgekehrt durch eine privatrechtliche Ausgestaltung wesentlich bevorzugt werden soll, sondern allenfalls, dass im Rahmen des nach billigem Ermessen auszufüllenden Spielraums, der Voraussetzung der richterlichen Billigkeitskontrolle gem. § 315 Abs. 3 BGB ist, neben den öffentlich-rechtlichen Grundsätze der Gleichbehandlung, der Äquivalenz und der Kostendeckung im Einzelfall ergänzend weitere Gesichtspunkte berücksichtigt werden können. Im konkreten Fall ging es insoweit darum, dass der Kunde - anders als vorliegend - nicht das Tarifsystem des Versorgungsunternehmens grundsätzlich infrage gestellt, sondern lediglich eine noch weitergehende einzelfallbezogene Differenzierung im Rahmen des billigen Ermessens erstrebt hatte (vgl. BGHZ 115, 311, 320). Im Ergebnis bedeutet dies, dass die Preisbestimmung des Versorgungsunternehmens regelmäßig billig i.S.d. § 315 Abs. 3 BGB ist, wenn sie die Grundsätze der Gleichbehandlung, Äquivalenz und der Kostendeckung beachtet. In diesem Sinne wird der BGH auch von der obergerichtlichen Rechtsprechung verstanden (vgl. BayOblG, Beschl. v. 20.12.2001, 5Z RR 398/01, R. 7, zitiert nach juris; KG, ZMR 2006, 38, 40).

2. Unter Zugrundelegung dieser Maßstäbe ergibt sich vorliegend Folgendes:

a) Die von der Beklagten vorgenommene Änderung der Tarifstruktur verstößt nicht gegen die Grundsätze der Kostendeckung, der Äquivalenz und der Gleichbehandlung.

aa) Ein Verstoß gegen das Kostendeckungsprinzip liegt nicht vor.

Es ist nicht ersichtlich, dass das Gesamtgebührenaufkommen der Beklagten die Gesamtkosten der Wasserversorgung übersteigt. Die Beklagte hat einen Bericht der P. Wirtschaftsprüfungsgesellschaft über die Kalkulation der Trinkwasserentgelte 2006-2008 vorgelegt, wonach durch den Grundpreis nicht einmal die Fixkosten abgedeckt sind (Anlage B 1 = Bl. 52 ff I d.A.). Die hiergegen erhobenen Einwände der Klägerin (Bl. 99-102 I d.A.) verfangen bereits deshalb nicht, weil unter den Fixkosten im Sinne des o.g. Berichts nur die kalkulatorischen Kosten (Abschreibungen und Zinsen) als Untergrenze der sich aus den Grundkosten und den kalkulatorischen Kosten zusammensetzenden gesamten Fixkosten zu verstehen sind (vgl. Bl. 53, 60 I d.A.). Die von der Klägerin erhobenen Einwände beziehen sich aber nicht auf die kalkulatorischen Kosten, sondern auf die Grundkosten. Im Übrigen könnten etwaige zu hohe Personalkosten von vornherein nicht über das Gebührenrecht korrigiert werden; vielmehr muss die Beklagte ihre Tarife unabhängig vom derzeitigen Personalbestand zumindest kostendeckend korrigieren (vgl. KG, ZMR 2006, 38, 40). Dass die unter den sonstigen betrieblichen Kosten aufgeführte Konzessionsabgabe i.H.v. 330.000,00 Euro (Bl. 57 I d.A.) deshalb real nicht als Kostenposition anfällt, weil die Beklage keinen Jahresüberschuss erwirtschaftet hat (Bl. 101 d.A.), vermag der Senat nicht nachzuvollziehen. Die übrigen Einwände betreffen nicht den Grund-, sondern den Arbeitspreis und sind daher vorliegend nicht entscheidungsrelevant.

bb) Die Bemessung von Grundgebühren für zu Wohnzwecken genutzte Grundstücke nach der Anzahl der Wohneinheiten verstößt auch nicht gegen das Äquivalenzprinzip, wonach kein Missverhältnis zwischen Leistung und Gegenleistung bestehen darf.

(1) Vielmehr trägt sie als Wahrscheinlichkeitsmaßstab dem unterschiedlichen Umfang der Inanspruchnahme der Vorhalteleistungen hinreichend Rechnung. Sie ist von der zulässigen Erwägung getragen, dass das mögliche Maß der Inanspruchnahme der Einrichtung mit der Zahl der Wohneinheiten steigt. Der mögliche Trinkwasserbezug werden bei Wohngrundstücken, anders als bei einer sonstigen Nutzung, maßgeblich davon bestimmt, wie viele Personen sich auf einem angeschlossenen Grundstück für gewöhnlich aufhalten können. Diese Zahl lässt sich typisierend nach der Anzahl der Wohneinheiten bemessen. Dem liegt die Erfahrungstatsache zu Grunde, dass die Zahl der Personen, die sich üblicherweise auf einem Grundstück aufhalten können, größer ist, je mehr selbständige Haushalte in einem Wohnzwecken dienenden Gebäude untergebracht werden können (vgl. OVG Sachsen-Anhalt, Urt. v. 01.04.2004, 1 K 93/03, Rn. 10, ziert nach juris; OVG Schleswig-Holstein, Urt. v. 22.09.1994, 2 L 93/93, Rn. 29; OVG Brandenburg, Urt. v. 22.05.2002, 2 D 78/00.NE, Rn. 95, zitiert nach juris). Der Maßstab der Wohneinheit stellt gegenüber dem bisherigen, ebenfalls zulässigen Maßstab der Zählergröße sogar den "feineren", zu einer größeren Gebührengerechtigkeit führenden Gebührenmaßstab dar (vgl. OVG Schleswig-Holstein, Urt. v. 22.09.1994, 2 L 93/93, Rn. 32; VG Potsdam, Urt. v. 13.11.2002, 8 K 6109/00, Rn. 64, 67; jeweils zitiert nach juris). Eine weitere Differenzierung nach der Größe der Wohneinheit oder der Anzahl der Wohnräume ist aus Rechtsgründen nicht geboten, weil es einen allgemeinen Erfahrungssatz, wonach die Anzahl der Bewohner mit der Größe der Wohnung steigt, nicht gibt (vgl. OVG Sachsen-Anhalt, a.a.O., Rn. 16; OVG Brandenburg, a.a.O., Rn. 96).

(2) Die Bemessung der Grundgebühr nach Wohneinheiten trägt entgegen der Auffassung der Klägerin auch dem unterschiedlichen tatsächlichen Nutzungsmaßstab bei Einfamilienhäusern einerseits und großflächigen mehrgeschossigen Mietwohnungsobjekten andererseits Rechnung, wobei die Vorhalteleistung unabhängig von der Belegungsdichte einer Wohneinheit erbracht wird (vgl. OVG Sachsen-Anhalt, a.a.O., Rn. 11).

(3) Soweit die Anwohner von Großwohnanlagen dadurch zu einer Kostenreduzierung beitragen, dass sie anstelle der Mieter herangezogen werden und damit eine Inkassofunktion wahrnehmen und zudem das Ausfallrisiko zu tragen haben, betrifft dies lediglich die laufenden Betriebskosten und lässt die Höhe der invariablen Kosten, welche die hier streitgegenständliche Grundgebühr abdeckt, weitgehend unberührt (vgl. OVG Sachsen-Anhalt, a.a.O., Rn. 13)

cc) Die Verteilung der invariablen Kosten nach Wohneinheiten verstößt auch nicht gegen den Gleichbehandlungsgrundsatz (Art 3 Abs. 1 GG). Während der Trinkwasserbezug bei Wohngebäuden maßgeblich von der Anzahl der Bewohner geprägt ist, wird die Wassermenge bei sonstigen Grundstücken durch die Art der Nutzung bestimmt, sodass eine Bemessung nach Wohneinheiten von vornherein unmöglich ist. Es ist deshalb sachgerecht, wenn die Beklagte nur insoweit weiterhin auf die Nennleistung der Wasserzähler abstellt (vgl. OVG Sachsen-Anhalt, a.a.O., Rn. 14; OVG Brandenburg, a.a.O., Rn. 97).

b) Der weitere Umstand, dass die Änderung der Tarifstruktur zu einer Erhöhung des Gesamtpreises der Beklagten um 70 % führt, begründet hier keine Unbilligkeit i.S.d. § 315 Abs. 3 BGB.

aa) Eine Analogie zu § 558 Abs. 3 BGB ist nicht möglich, da es sich hierbei um eine nicht analogiefähige Spezialvorschrift des Mietrechts handelt. Die Wasserpreise sind im Verhältnis zur Beklagten auch kein Entgelt für eine Gebrauchsüberlassung, sondern Kaufpreis; im Verhältnis zum Wohnungsmieter als Endabnehmer handelt es sich ebenfalls nicht um Miete i.S.d. § 558 Abs. 3 BGB (vgl. BGH, Urt. v. 19.11.2003, VIII ZR 160/03, zitiert nach juris), sondern um Betriebskosten i.S.d. § 560 BGB.

bb) Eine Analogie zu § 558 Abs. 3 BGB würde auch im Wertungswiderspruch zum öffentlichen Recht stehen. Insoweit stellt sich die Frage, ob die Beklagte - unabhängig davon, dass sie die Grundsätze der Kostendeckung, Äquivalenz und Gleichbehandlung beachtet hat (siehe oben) - deshalb öffentlich-rechtlich gehindert wäre, ihr Tarifsystem wie geschehen zu ändern, weil dies zu einer Erhöhung des Gesamtpreises um 70 % bei der Beklagten führt. Dies ist nicht der Fall. Die Erhöhung ist nicht unverhältnismäßig, denn das Äquivalenzprinzip stellt die gebührenrechtliche Ausprägung des allgemeinen Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes dar (vgl. BVerwG, Urt. v. 02.12.1988, 4 C 14/88, Rn. 27, zitiert nach juris) und das Äquivalenzprinzip wurde beachtet (siehe oben). Der Preiserhöhung stehen auch keine Vertrauensschutzgesichtspunkte entgegen, denn das im Gebührenrecht geschützte Vertrauen bezieht sich lediglich auf Fälle echter Rückwirkung, d.h. in der Vergangenheit abgeschlossene Sachverhalte (vgl. OVG Sachsen-Anhalt, Urt. v. 31.03.200, 1 K 12/00, zitiert nach juris), wohingegen das Vertrauen, auf Dauer nicht zu dem tatsächlichen Aufwand der Wasserversorgung herangezogen zu werden, nicht schützenswert ist (vgl. VG München, Urt. v. 30.01.1997, M10 K 95.4015, Rn. 26, zitiert nach juris). Würde man in Fällen wie dem vorliegenden eine Unbilligkeit i.S.d. § 315 Abs. 3 BGB annehmen, könnte ein Versorgungsunternehmen, das zur Erzielung einer größeren Einnahmesicherheit zulässigerweise seine Tarifstruktur ändern möchte (vgl. VG Potsdam, a.a.O., Rn. 64), dies nicht tun, wenn sich dadurch erhebliche Preissteigerungen für einzelne Kunden ergeben würden, und zwar selbst dann nicht, wenn nicht nur sämtliche speziell hierfür entwickelten öffentlich-rechtlichen Vorgaben befolgt werden, sondern die neue Tarifstruktur wie hier auch noch zu einer höheren Gebührengerechtigkeit führt (siehe dazu vgl. OVG Schleswig-Holstein, Urt. v. 22.09.1994, 2 L 93/93, Rn. 32; VG Potsdam, Urt. v. 13.11.2002, 8 K 6109/00, Rn. 64, 67; jeweils zitiert nach juris). Eine derartige Tarifstrukturänderung zu verhindern, kann nicht Sinn und Zweck einer Billigkeitskontrolle nach 315 Abs. 3 BGB sein. Insofern erscheint es auch nicht praktikabel, die Gebühren - wie es dem Landgericht vorschwebt - entsprechend § 558 Abs. 3 BGB schrittweise anzupassen. Da die Beklagte an das Kostendeckungsprinzip gebunden ist, muss sie die Wasserpreise zwingend kostendeckend kalkulieren. Stellt sie insoweit ihre Tarifstruktur auf einen zulässigen anderen und sogar gerechteren Maßstab um, stellt dies im Ergebnis ein Nullsummenspiel dar, bei dem sich einige Kunden besser, andere schlechter stellen als vorher. Würde man nun hinsichtlich der schlechter gestellten Abnehmer für eine Übergangszeit Kappungsgrenzen einführen, wäre das Gesamtaufkommen nicht mehr gedeckt und das Kostendeckungsprinzip verletzt. Unter Berücksichtigung aller Umstände des vorliegenden Falls ist daher allein die für die Klägerin mit der Tarifstrukturänderung der Beklagten verbundene Erhöhung des Gesamtpreises um 70 % nicht geeignet, eine Unbilligkeit i.S.d. § 315 Abs. 3 BGB zu begründen, zumal die Klägerin die Erhöhung an ihre Mieter weitergeben kann, für welche der erhöhte Wasserpreis auch nur einen Teil in ihrer Betriebskostenabrechnung ausmacht.

III.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 91 Abs. 1 ZPO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf §§ 708 Nr. 10, 709 S. 2, 711 ZPO.

Die Revision ist nicht zuzulassen, weil die Sache weder grundsätzliche Bedeutung hat, noch die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Bundesgerichtshofs erfordert (§ 543 Abs. 2 S. 1 ZPO).

Ende der Entscheidung

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