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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Naumburg
Urteil verkündet am 13.12.2006
Aktenzeichen: 6 U 64/06
Rechtsgebiete: ZDG


Vorschriften:

ZDG § 34
ZDG § 34 Abs. 1
1. Ein Schadensersatzanspruch der Beschäftigungsstelle eines Zivildienstleistenden gegen diesen aus unerlaubter Handlung oder aus Amtshaftung wird durch die abschließende Regelung des § 34 des Gesetzes über den Zivildienst der Kriegsdienstverweigerer (ZDG) verdrängt.

2. Nach § 34 Abs. 1 ZDG kann nur der Bund als Dienstherr den Zivildienstleistenden bei vorsätzlicher oder grob fahrlässiger Pflichtverletzung auf Schadensersatz in Anspruch nehmen. Diese Regelung enthält eine Anspruchskonzentration.


OBERLANDESGERICHT NAUMBURG IM NAMEN DES VOLKES URTEIL

6 U 64/06 OLG Naumburg

verkündet am 13.12.2006

In dem Rechtsstreit

hat der 6. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Naumburg durch den Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht v. Harbou sowie die Richter am Oberlandesgericht Rüge und Handke auf die mündliche Verhandlung vom 22. November 2006 für Recht erkannt:

Tenor:

Dem Beklagten wird hinsichtlich der Berufungsbegründungsfrist Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gewährt.

Auf die Berufung des Beklagten wird das am 8. März 2006 verkündete Urteil der 11. Zivilkammer des Landgerichts Magdeburg - Einzelrichterin - abgeändert und die Klage abgewiesen.

Die Klägerin trägt die Kosten des Rechtsstreits.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Gründe:

I.

Die Klägerin, die eine Klinik betreibt, möchte den Beklagten, der bei ihr Zivildienst geleistet hat, für die Beschädigung eines ihrer Fahrzeuge in Anspruch nehmen.

Das Landgericht hat den Beklagten mit am 8. März 2006 verkündetem Urteil zur Leistung von Schadensersatz verurteilt. Zur Begründung ist ausgeführt, dass er den Schaden an dem Dienstwagen grob fahrlässig verursacht habe.

Der Beklagte hat gegen das ihm am 13. März 2006 zugestellte Urteil am 12. April 2006 Berufung eingelegt. Auf seinen Antrag hat der Senatsvorsitzende die Berufungsbegründungsfrist bis zum 12. Juni 2006 verlängert. Die Berufungsbegründung ging jedoch erst per Telefaxschreiben am 13. Juni 2006 ein. Sie war verbunden mit einem Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand. Zur Begründung trägt der Beklagte vor, dass sein Prozessbevollmächtigter am Abend des 12. Juni 2006 ab 22:55 Uhr mehrfach versucht habe, die nur zwei Seiten umfassende Berufungsbegründung an das Oberlandesgericht zu faxen. Eine erfolgreiche Fax-Übertragung sei jedoch bis Mitternacht nicht möglich gewesen.

In der Sache stünde der Klägerin gegen den Beklagten kein Anspruch zu. Nach § 34 ZDG könne lediglich der Bund als Dienstherr einen Zivildienstleistenden auf Schadensersatz in Anspruch nehmen.

Der Beklagte beantragt,

das am 8. März 2006 verkündete Urteil der 11. Zivilkammer des Landgerichts Magdeburg - Einzelrichterin - abzuändern und die Klage abzuweisen.

Die Klägerin beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie vertritt die Auffassung, dass ein Zivildienstleistender, der, wie hier der Beklagte, ein Fahrzeug der Beschäftigungsstelle außerhalb der Dienstzeit für eine Privatfahrt nutzt, im vollen Umfang hafte. Außerdem hätte der Beklagte den Schaden grob fahrlässig verursacht. Deshalb träte eine Haftung auch innerhalb der Dienstzeit ein.

Dem Senat ist bekannt, dass das Fax-Gerät des Oberlandesgerichts Naumburg am Abend des 12. Juni 2006 eine Störung aufwies. Auf die entsprechende Mitteilung der Poststelle des Oberlandesgerichts vom 13. Juni 2006 (Bl. 159 a d. A.) wird Bezug genommen.

II.

1. Die Berufung ist zulässig.

Zwar hat der Beklagte die Berufungsbegründungsfrist versäumt, ihm ist jedoch Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu gewähren. Denn die Fristversäumung beruhte nicht auf einem Verschulden des Beklagten im Sinne des § 233 ZPO.

a) Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs und des Bundesverfassungsgerichts ist mit der Wahl eines anerkannten Übermittlungsmediums, der ordungsgemäßen Nutzung eines funktionsfähigen Sendegeräts und der korrekten Eingabe der Empfangsnummer das Erforderliche zur Fristwahrung getan, wenn so rechtzeitig mit der Übermittlung begonnen wird, dass unter normalen Umständen mit deren Abschluss bis 24:00 Uhr zu rechnen ist (BGH vom 30. September 2003, Az.: X ZB 48/02, zitiert nach juris Rn. 8 [= NJW-RR 2004, 216 f.; BVerfGE NJW 1996, 2857]).

b) Diese Voraussetzungen sind hier erfüllt. Da die Berufungsbegründung nur zwei Seiten umfasste, konnte die Prozessbevollmächtigte des Beklagten davon ausgehen, dass die Übermittlung per Telefax bis Mitternacht möglich sein würde.

c) Die Vorgehensweise ist durch ihre anwaltliche Versicherung, die einer Versicherung an Eides statt gleichsteht, glaubhaft gemacht. Außerdem ist das Sendeprotokoll eines fehlgeschlagenen Übermittlungsversuchs beigefügt (vgl. Bl. 156 d. A.). Der Vortrag ist auch angesichts des gerichtsbekannten Defekts des Faxgerätes glaubhaft.

d) Der Antrag auf Wiedereinsetzung ist fristgerecht gestellt und mit der Berufungsbegründung verbunden.

2. Die Berufung hat auch in der Sache Erfolg.

Ein möglicher Schadensersatzanspruch der Klägerin wird durch die abschließende Regelung des § 34 ZDG verdrängt.

Nach § 34 Abs. 1 ZDG kann der Bund als Dienstherr den Zivildienstleistenden im Fall des Vorsatzes und der groben Fahrlässigkeit in Anspruch nehmen. In der Rechtsprechung besteht - soweit ersichtlich - Einigkeit darüber, dass dieses Recht grundsätzlich nur dem Bund zusteht, die Vorschrift also zugleich eine Anspruchskonzentration anordnet.

Die Klägerin als Beschäftigungsstelle hat gegen den Beklagten unter keinem rechtlichen Gesichtspunkt einen Schadensersatzanspruch. Sie kann weder einen Amtshaftungsanspruch noch einen Anspruch aus unerlaubter Handlung nach § 823 Abs. 1 BGB gegen den Beklagten geltend machen.

a) Ein Amtshaftungsanspruch der Beschäftigungsstelle nach § 839 BGB scheidet aus.

Es entspricht der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs (BGH VersR 1983, 833), dass es sich bei der einem Zivilleistenden obliegenden Pflicht, das ihm dienstlich anvertraute Sacheigentum seiner Beschäftigungsstelle sorgsam zu behandeln, nicht um eine nach außen gerichtete erkennbar gerade dem Schutz der jeweiligen juristischen Person dienenden Amtspflicht handelt, sondern um eine im Innenverhältnis bestehende Pflicht, die die ordnungsgemäße Durchführung der von der Bundesrepublik Deutschland und der Beschäftigungsstelle gemeinsam zu erledigenden Aufgabe sicherstellen soll.

Der Zivildienstleistende tritt seiner Beschäftigungsstelle nicht wie einem normalen Staatsbürger entgegen, vielmehr bilden Staat und Beschäftigungsbehörde eine Einheit, sodass es an dem Merkmal der Verletzung einer drittgerichteten Amtspflicht fehlt (OLG Köln vom 15. Juli 1997, Az.: 7 U 215/96, zitiert nach juris, Rz. 2).

b) Auch ein Anspruch aus § 823 BGB kommt nicht in Betracht. Der Beklagte trat hier der Klägerin nicht als Bürger gegenüber. Stattdessen handelte es sich um einen innerdienstlichen Vorgang.

aa) Zwar hat der BGH die Frage, ob in dem Fall, dass der Anspruch aus § 839 Abs. 1 Satz 1 BGB daran scheitert, dass der Geschädigte nicht Dritter im Sinne dieser Bestimmung ist, ein Anspruch gegen den Beamten persönlich aus § 823 Abs. 1 BGB besteht, bislang ausdrücklich offen gelassen (BGH NJW 1984, 118).

bb) Der erkennende Senat schließt sich insoweit der Auffassung des Oberlandesgerichts Hamm an, der diese Frage verneint (OLG Hamm vom 18. Dezember 2003, Az.: 27 U 163/02, zitiert nach juris Rn. 28 [= NJW 2004, 1883 f.]). Denn der Gesichtspunkt, dass für Ansprüche gegen den Zivildienstleistenden wegen fahrlässiger, auch grob fahrlässiger Beschädigung von Eigentum des Träger einer Beschäftigungsstelle im Interesse gleichmäßiger Inanspruchnahme der Dienstverpflichteten eine Anspruchskonzentration beim Bund gegeben sein soll, würde andernfalls unterlaufen. Es ist deshalb davon auszugehen, dass auch die anerkannten privatrechtlichen Beschäftigungsstellen nach § 4 ZDG unter haftungsrechtlichen Gesichtspunkten insoweit in vollem Umfang dem Dienstherren des Zivildienstleistenden zuzurechnen sind und keine eigenen Ansprüche gegen den Zivildienstleistenden wegen Schäden geltend machen können, die dieser ihm in Ausübung seines Dienstes in fahrlässiger Weise zufügt.

cc) Soweit sich die Klägerin auf eine andere Stimme in der Literatur beruft (Ratgeber Recht: Wehrdienst/Zivildienst, Suhrkamp-Verlag, S. 152), folgt ihr der Senat aus den genannten Gründen nicht.

dd) Hier gilt auch nicht deshalb etwas anderes, weil der Beklagte das Fahrzeug außerhalb der Dienstzeit beschädigt hat. Es liegt keine Schädigung nur "bei Gelegenheit der Dienstleistung" vor, sondern bei "Erfüllung" der Aufgaben des Beklagten.

Nach den im Rahmen des § 278 BGB entwickelten Grundsätzen scheidet eine Schädigung nur "bei Gelegenheit" aus, wenn die schädigende Handlung in keinem unmittelbaren (inneren) sachlichen Zusammenhang mit den zugewiesenen Aufgaben steht (vgl. BGH NJW 1993, 1704, (1705)).

Ein solcher innerer Zusammenhang ist hier zu bejahen. Der Beklagte hat das Fahrzeug zu einem dienstlichen Zweck, nämlich einem Krankentransport am nächsten Tag, erhalten. Durch die zweckwidrige Benutzung für private Zwecke verstieß er allenfalls gegen eine Dienstpflicht.

c) Der Senat kann hier die Frage offen lassen, ob der Klägerin Ansprüche gegen den Bund als Dienstherrn des Beklagten zustehen.

aa) In der Rechtsprechung wird u.U. ein Anspruch der Beschäftigungsstelle gegen den Bund aus dem öffentlich-rechtlichen Schuldverhältnis angenommen, einen etwaigen Innenregress des Bundes gegen den Zivildienstleistenden nach § 34 ZDB im Wege der Drittschadensliquidation geltend zu machen. Ggf. müßte sich der Bund im Verhältnis zur Beschäftigungsstelle so behandeln lassen, als ob er diesen Regress geltend gemacht hätte. (vgl. OLG Köln, a.a.O.).

bb) Dies rechtfertigt im vorliegenden Fall jedoch keine andere Entscheidung. Denn die Klägerin klagt aus eigenem Recht und nicht im Wege der gewillkürten Prozessstandschaft für den Bund. Eine entsprechende Prozessführungsbefugnis hat sie weder vorgetragen, noch nachgewiesen.

cc) Andere Stimmen in der Rechtsprechung halten einen Anspruch der Beschäftigungsstelle in solchen Fällen sogar für grundsätzlich ausgeschlossen.

Diese Anspruchsbeschränkung erscheine auch deshalb zumutbar, weil die Träger der Beschäftigungsstelle auf der anderen Seite die Dienstleistungen in Anspruch nehmen können, ohne hierfür die auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt übliche Vergütung aufwenden zu müssen (vgl. OLG Hamm a.a.O.).

III.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 Abs. 1 ZPO; die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit findet ihre Grundlage in den §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO. Eine Abwendungsbefugnis nach § 711 ZPO war gem. § 713 ZPO in Verb. mit § 26 Nr. 8 EGZPO nicht auszusprechen, da die Beschwer der Klägerin 20.000,00 Euro nicht übersteigt.

Ende der Entscheidung

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