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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Naumburg
Urteil verkündet am 10.07.2003
Aktenzeichen: 7 U (Hs) 12/03
Rechtsgebiete: GKG, ADSp 1993, HGB, ZPO


Vorschriften:

GKG § 25 Abs. 2 S. 2
ADSp 1993 § 32
ADSp 1993 § 39
ADSp 1993 § 41 a
HGB § 449 Abs. 2
HGB § 453 Abs. 2
HGB § 467 Abs. 2
ZPO § 287 Abs. 2
ZPO § 540 Abs. 1 Ziffer 1
Zur Geltung der Haftungsersetzung durch Versicherungsschutz bei Rahmenverträgen über den 01. Juli 1998 hinaus.
OBERLANDESGERICHT NAUMBURG IM NAMEN DES VOLKES URTEIL

- Kammer für Handelssachen -

7 U (Hs) 12/03

verkündet am: 10.07.2003

In dem Rechtsstreit

wegen Lagergeldes

hat der 7. Zivilsenat des Oberlandesgerichtes Naumburg auf die mündliche Verhandlung vom 03. Juli 2003 unter Mitwirkung des Vorsitzenden Richters am Oberlandesgericht Dr. Zettel, des Richters am Oberlandesgericht Corcilius und des Richters am Landgericht Ehm

für Recht erkannt

Tenor:

I. Die Berufung der Beklagten gegen das am 14. Januar 2003 verkündete Urteil der 1. Kammer für Handelssachen des Landgerichtes Magdeburg wird zurückgewiesen.

II. Die Kosten des Berufungsrechtszuges hat die Beklagte zu tragen.

III. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Die Beklagte kann die Vollstreckung durch Sicherheits- leistung in Höhe von 209.000,00 Euro abwenden, wenn nicht die Klägerin vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

und beschlossen:

IV. Der am 14. Januar 2003 verkündete Beschluss der 1. Kammer für Handelssachen des Landgerichtes Magdeburg über die Festsetzung des Streitwertes für den ersten Rechtszug wird gemäß § 25 Abs. 2 S. 2 GKG von Amts wegen teilweise abge- ändert und zur Klarstellung insgesamt neu gefasst.

Der Streitwert für die Gerichtsgebühren und für die Gebühr gemäß § 31 Abs. 1 Ziffer 1 BRAGO ( Prozessgebühr ) wird auf 316.035,74 Euro ( 618.112,18 DM ), für die Gebühr gemäß § 31 Abs. 1 Ziffer 2 BRAGO ( Verhandlungsgebühr ) auf 310.712,80 Euro ( 607.701,41 DM ) und für die Gebühr gemäß § 31 Abs. 1 Ziffer 3 BRAGO ( Beweisgebühr ) auf 11.216,95 Euro ( 21.938,44 DM ) festgesetzt.

V. Der Streitwert für den Berufungsrechtszug wird auf 145.928,99 Euro festgesetzt.

Gründe:

Die Parteien streiten um die Berechtigung der Beklagten, mit Schadensersatzansprüchen gegen die unstreitige Lagergeldforderung der Klägerin aufrechnen zu können.

Wegen des Sachverhaltes wird gemäß § 540 Abs. 1 Ziffer 1 ZPO auf den Tatbestand des angefochtenen Urteiles Bezug genommen.

Die 1. Kammer für Handelssachen des Landgerichtes Magdeburg hat die Beklagte durch das am 14. Januar 2003 verkündete Urteil zur Zahlung von 155.356,40 Euro nebst Zinsen verurteilt, die Primäraufrechnung als unzulässig angesehen und die Hilfswiderklage abgewiesen. Das Landgericht hat zur Begründung seiner Entscheidung ausgeführt, dass die Beklagte mit ihrer Primäraufrechnung aufgrund des Aufrechnungsverbotes sowohl in § 32 ADSp 1993 wie auch in Nummer 19 ADSp 1998 nicht durchdringe. Das Aufrechnungsverbot hindere es aber nicht, die Ansprüche in Form einer Hilfswiderklage geltend machen zu können. Die Klägerin sei für die Ansprüche der Widerklage aber nicht passiv legitimiert, denn sie könne sich auf eine Haftungsersetzung durch Versicherungsschutz nach § 41 a ADSp 1993 berufen. Danach sei der Spediteur von der Haftung frei, wenn er eine Speditionsversicherung nach § 39 ADSp 1993 in mindestens dem Deckungsumfang des Speditions - und Rollfuhrversicherungsscheins ( SVS/RVS ) geschlossen habe. Die Rechtsvorgängerin der Klägerin, die M. Lagerhaus - Gesellschaft mbH, habe auf der Grundlage der Speditionsvereinbarung vom 17. Juli 1996 ( Bl. I/8 - 14 d.A. ) die Speditionsversicherung mit dem Sondervertrag 01/8540/71549 ( Bl. I/129f d.A. ) über die O. KG - Zweigniederlassung B. - abgeschlossen. Der von der Beklagten geltend gemachte Schaden sei auch von diesem Versicherungsvertrag mit umfasst. Die Ausschlüsse in Ziffer 4 des Versicherungsvertrages griffen nicht durch.

Die Haftungsersetzung durch Versicherungsschutz greife auch für den streitgegenständlichen Schaden. Zwar sei dieses Prinzip nach dem Inkrafttreten des Transportrechtsreformgesetzes in den ADSp 1998 nicht mehr fortgeführt worden und die Parteien hätten ferner in Ziffer 16 Abs. 1 der Speditionsvereinbarung die Geltung der jeweils neuesten Fassung der ADSp vereinbart. Bei den ADSp handele es sich um Allgemeine Geschäftsbedingungen, die kraft Vereinbarung Vertragsinhalt würden und von denen dann aufgrund einer individualvertraglichen Vereinbarung abgewichen werden könne ( § 4 AGBG iVm Art. 229 § 5 EGBGB ). Eine solche Individualvereinbarung stelle Ziffer 16 Abs. 2 der Speditionsvereinbarung dar. In diesen Vertrag sei die Klägerin zum 01. April 1998 00.00 Uhr eingetreten. Auch nach dem Inkrafttreten des Transportrechtsreformgesetzes sei der Sondervertrag mit der O. KG aufrecht erhalten worden und die Prämie jeweils zur Hälfte von der Beklagten und der Klägerin gezahlt worden, so wie es die ursprüngliche Speditionsvereinbarung vorgesehen habe. Damit hätten die Parteien konkludent vereinbart, dass das Rechtsinstitut der Haftungsersetzung durch Versicherungsschutz auch nach dem Inkrafttreten des Transportrechtsreformgesetzes aufrecht erhalten bleiben solle. Anderenfalls hätte die Fortführung des Sondervertrages sowie die hälftige Tragung der Versicherungsprämien durch die Beklagte keinen Sinn ergeben.

Die Haftungsersetzung durch Versicherungsschutz lasse die Eigenhaftung des Spediteurs entfallen. Daran ändere sich auch nichts durch den Umstand, dass der Versicherer den Eintritt für den von der Beklagten geltend gemachten Schaden abgelehnt habe.

Gegen dieses der Beklagten am 21. Januar 2003 zugestellte Urteil hat sie am 20. Februar 2003 das Rechtsmittel der Berufung eingelegt und dieses durch einen am 18. März 2003 eingegangenen Schriftsatz begründet.

Die Beklagte nimmt auf ihr erstinstanzliches Vorbringen Bezug und meint weiter, dass schon der Wortlaut der Ziffer 16 gegen die Annahme einer Individualvereinbarung spreche. Ziffer 16 Abs. 2 regele den wirtschaftlichen Umfang der Kostentragung der Versicherungspolice unter Berücksichtigung des damals geltenden § 41 a ADSp 1993. Dass die Vereinbarung mehr als den wirtschaftlichen Zusammenhang regeln solle, könne in Anbetracht von Ziffer 16 Abs. 1 und 3 nicht angenommen werden. Darüber hinaus habe es auch keine konkludente individualvertragliche Vereinbarung einer Haftungsersetzung gegeben. In Anbetracht der Rechtsprechung zur Einbeziehung der ADSp ( sog. Wissen - Müssen - Formel ) hätten die Parteien im Gegenteil eine ausdrückliche Vereinbarung darüber treffen müssen, dass nicht die neueste Fassung der ADSp habe einbezogen werden sollen. Die Teilung der Versicherungsprämie sei entgegen der Auffassung des Landgerichtes kein Indiz dafür, dass am Institut der Haftungsersetzung durch Versicherungsschutz habe festgehalten werden sollen. Im Zeitpunkt der Geltung des § 41 a ADSp 1993 sei es üblich gewesen, dass die Kosten auf den Auftraggeber abgewälzt worden seien. Mit der Kostenteilungsabrede seien die Parteien davon abgewichen, was bedeute, dass nicht mehr als die wirtschaftliche Frage der Kostentragung in die Abrede hineininterpretiert werden könne. Im Schreiben der R. AG & Co., der Muttergesellschaft der M. Lagerhaus-Gesellschaft mbH, an die Beklagte vom 01. Juli 1998 ( Bl. I/92 d.A. ) habe in der Fußzeile gestanden, den Geschäften die ADSp neuester Fassung zugrunde lägen und der SVS/RVS gezeichnet sei. Damit habe sie, die Beklagte davon ausgehen dürfen, dass weiterhin die neueste Fassung der ADSp hätten gelten sollen.

Die Beklagte beantragt,

unter Abänderung des am 14. Januar 2003 verkündeten Urteils des Landgerichts Magdeburg die Klägerin auf die Widerklage zu verurteilen, an die Beklagte 145.928,99 Euro nebst 2 % Zinsen über dem zum 20. September 1998 geltenden Diskontsatz der Deutschen Bundesbank aus 134.677,35 Euro seit dem 20. September 1998 sowie aus weiteren 11.251,64 Euro nebst 3 % über dem zum 20. Dezember 1999 geltenden Basiszinssatz der Deutschen Bundesbank seit dem 20. Dezember 1999 zu zahlen.

Die Klägerin beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Die Klägerin verteidigt das angefochtene Urteil, nimmt auf ihr erstinstanzliches Vorbringen Bezug und meint weiter, dass die Klägerin gemäß § 41 a ADSp 1993 in Verbindung mit dem Sondervertrag von jeglicher Haftung befreit sei. Die Parteien hätten ihr Vertragsverhältnis auf die Basis der Rechtslage vor dem 01. Juli 1998 gestellt. In Kenntnis der Änderung der Rechtslage zum 01. Juli 1998 hätten die Parteien an dem Institut der Haftungsersetzung durch Versicherungsschutz festgehalten. Den ADSp 1998 sei als Referenzpolice der von der O. KG entwickelte Speditions-, Logistik- und Lagerversicherungsschein ( SLVS ) angeschlossen gewesen. Im Schreiben der R. AG & Co. vom 01. Juli 1998 ( Bl. I/92 d.A. ) werde auf den SVS/RVS hingewiesen, bei dem es sich um die Referenzversicherung nach den alten ADSp handele. Der SVS/RVS bilde mit § 39 a ADSp 1993 ein einheitliches Regelungswerk. Damit handele es sich bei der Speditionsvereinbarung vom 17. Juli 1996 um einen der seltenen Fälle, in denen sowohl im Rahmen des Dauerschuldverhältnisses wie auch im Rahmen der Einzelverträge noch das alte Recht habe fortgelten sollen. Hätten die Parteien das neue Haftungsregime des SLVS vereinbaren wollen, so hätte es neue Verhandlungen über die Leistung und Gegenleistung geben müssen. Sowohl für den Spediteur wie auch für dessen Vertragspartner hätten sich Verschlechterungen durch das neue Recht ergeben. Die Parteien hätten auch keine Anstrengungen unternommen, um das Vertragsverhältnis auf das neue Recht umzustellen. So wäre eine körperliche Inventur erforderlich gewesen, um den Zuckerbestand aus den Kampagnen 1996 und 1997, für den noch der SVS/RVS gegolten habe, von dem Zuckerbestand aus den nachfolgenden Kampagnen, für den der SLVS gegolten habe, abzugrenzen.

Wegen des weiteren Vorbringens der Parteien wird im einzelnen auf den Inhalt der gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen, der gerichtlichen Sitzungsniederschriften und des erstinstanzlichen Urteils Bezug genommen.

II.

Die Berufung gegen das am 14. Januar 2003 verkündete Urteil der 1. Kammer für Handelssachen des Landgerichtes Magdeburg ist zulässig, insbesondere form- und fristgerecht eingelegt und auch begründet worden ( §§ 511, 513, 517, 519, 520 ZPO ).

Sie hat aber in der Sache keinen Erfolg.

III.

Der Klägerin steht gegen die Beklagte ein Anspruch auf Zahlung von 155.356,40 Euro gemäß §§ 453 Abs. 2, 467 Abs. 2 HGB iVm Ziffer 8 der Speditionsvereinbarung vom 17. Juli 1996 nebst Zinsen zu. Die Beklagte vermag gegen den unstreitigen Anspruch der Klägerin weder mit einem Schadensersatzanspruch aufzurechnen noch einen Anspruch im Wege der Hilfswiderklage geltend zu machen.

1.) Der Anspruch der Klägerin befindet sich nicht im Streite der Parteien.

2.) Der Beklagten steht ein Schadensersatzanspruch gegen die Klägerin nicht zu. Im Ergebnis zu Recht hat das Landgericht ausgeführt, dass sich die Klägerin zum Teil auf die Haftungsbefreiung gemäß § 41 a ADSp 1993 ( Haftungsersetzung durch Versicherungsschutz ) berufen kann. Der Beklagten ist es im Übrigen nicht gelungen, ihren Anspruch der Höhe nach schlüssig darzustellen.

a) Der Primäraufrechnung der Beklagten steht entgegen der Auffassung des Landgerichtes Nummer 19 ADSp 1998 nicht entgegen. Kein Einwand steht einem zur Aufrechnung gestellten Anspruch entgegen, wenn mit der Entscheidung über die Klageforderung ohne zusätzliche Prüfung des Streitstoffes zugleich - wie im konkreten Rechtsstreit - feststeht, dass die Gegenforderung nach Grund und Höhe existiert oder nicht existiert. In geltungserhaltender Auslegung steht einer Gegenforderung auch dann kein Einwand entgegen, wenn über sie im Termin der letzten mündlichen Verhandlung ohne eine weitere Beweiserhebung entschieden werden kann oder wenn in einer Beweisaufnahme einheitlich die Beweise sowohl über die Forderung wie auch die Gegenforderung erhoben werden können ( BGH NJW 1986, 1757 zum Aufrechnungsverbot in den AGB der Banken; BGH NJW-RR 1991, 995 [ 996 ]; Koller, Transportrecht, 4. Auflage, Nummer 19 ADSp RdNr. 3; Widmann, ADSp, 5. Auflage, § 32; Ulmer / Brandner / Hensen - Hensen, Anh. §§ 9 - 11, RdNr. 15ff; Schlünder, AGB - Gesetz in Leitsätzen, 2. Auflage, § 9 RdNr. 687; Helm, Auswirkungen des AGB - Gesetzes auf die Allgemeinen Deutschen Spediteurbedingungen in: Transportrecht und Gesetz über Allgemeine Geschäftsbedingungen ).

b) Die Parteien haben in der Speditionsvereinbarung vom 17. Juli 1996 ( Bl. I/8 - 14 d.A. ), die inhaltlich schon wegen der Verpflichtung zur Absackung eher ein Umschlagvertrag sein dürfte ( vergl. zur Definition Müglich, Transport- und Logistikrecht, 1. Auflage, S. 115ff ), in Ziffer 16 Abs. 1 die Geltung der ADSp in jeweils neuester Fassung vereinbart. Die bei Abschluss der Speditionsvereinbarung am 17. Juli 1996 geltenden ADSp 1993 sahen die Haftungsersetzung durch Versicherungsschutz vor, ein Rechtsinstitut, das bereits in der Urfassung der ADSp vom 10. August 1927 enthalten war. Mit dem Inkrafttreten des Gesetzes zur Neuregelung des Fracht-, Speditions- und Lagerrechts - Transportrechtsreformgesetz - vom 25. Juni 1998 ( BGBl. I, S. 1588 ) war eine Haftungsersetzung durch Versicherungsschutz nicht mehr möglich, weil die Haftung des Spediteurs abweichend von dem vorherigen Rechtszustand dem Grunde nach in Allgemeinen Geschäftsbedingungen nicht mehr zur Disposition stand, sondern unter bestimmten Umständen nur noch der Höhe nach ( § 449 Abs. 2 HGB; vergl. hierzu zuletzt BGH ZIP 2003, 576 zu Nummer 23.1.1 ADSp 1998 ). Das bedeutet, dass die ursprünglich gemäß § 16 Abs. 1 der Speditionsvereinbarung mit einbezogenen ADSp 1993 in Bezug auf die Haftungsfreistellung des Spediteurs gegen das HGB bzw. AGBG verstießen und mit dem Inkrafttreten des Transportrechtsreformgesetzes unwirksam waren.

Auf der anderen Seite waren sich die Parteien dieser Rechtsänderung nicht bewusst und haben insbesondere den von der O. KG vermittelten Sondervertrag 01/8540/71549 vom September 1996 ( Bl. I/129f d.A. ) fortgeführt. Entgegen der Auffassung der Klägerin kann in der Zusendung des Schreibens der R. AG & Co. vom 01. Juli 1998 ( Bl. I/92 d.A. ) nicht die individualvertragliche Vereinbarung der Fortsetzung der Haftungsersetzung durch Versicherungsschutz gesehen werden, allein weil das Briefpapier am unteren Rande folgende vorgedruckte Formulierung enthält "Unseren Geschäften liegen die Allgemeinen Deutschen Spediteur Bedingungen ( ADSp ) neueste Fassung zugrunde, der SVS/RVS ist gezeichnet". Im Ausgang zwingend ist zwar insoweit die enge Verzahnung von Transportrecht und Versicherungsrecht ( vergl. nur de la Motte, Die Speditionsversicherung: Rückblick und Ausblick, S. 179 in: Transportrecht- und Vertriebsrecht 2000, Festgabe für Rolf Herber zum 70. Geburtstag am 23. März 1999 ). Wenn als Versicherungsform der SVS/RVS genannt wird, können nur die ADSp 1993 gemeint sein. Zu den neuen ADSp 1998 gehört demgegenüber zwingend der SLVS oder die vergleichbaren Versicherungsmodelle der anderen Versicherungsunternehmen, weil anderenfalls der Versicherungsumfang und die gesetzliche Haftung des Spediteurs nicht aufeinander abgestimmt wären. Die von der Klägerin vertretene Auffassung verkennt aber zweierlei. Zum einen liegt die Vertretungsmacht der Rechtsabteilung der R. AG & Co. für und gegen die Klägerin nicht deutlich zutage, auch wenn der Senat nicht verkennt, dass sowohl die M. Lagerhaus - Gesellschaft mbH wie auch die Klägerin zum Konzern der R. AG & Co. gehören. Entscheidend ist aber der Umstand, dass die ADSp 1998 mit dem SLVS am 01. Juli 1998 trotz der Diskussionen in der Branche noch nicht veröffentlicht worden waren und es der R. AG & Co. von daher bereits verwehrt war, auf noch nicht existente AGB in ihrem Briefpapier Bezug zu nehmen. Schon nach den allgemeinen zivilrechtlichen Grundsätzen konnte die Beklagte aus der Verwendung des alten Briefpapieres von ihrem objektiven Empfängerhorizont her keinen Antrag auf Abschluss eines Vertrages über die individualvertragliche Vereinbarung der Fortführung des Institutes der Haftungsersetzung durch Versicherungsschutz sehen. Für eine Annahme des Antrages auf Abschluss eines solchen ausgehandelten Vertrages enthält der Akteninhalt sowieso keine Anhaltspunkte.

c) Soweit die Klägerin Leistungen nach dem 30. Juni 1998 bis zur körperlichen Inventur am 03. September 1998 erbracht hat, geht der Senat davon aus, dass die ADSp 1998 auf die vertragliche Zusammenarbeit Anwendung finden. Der Senat folgt insoweit der Auffassung von Fremuth in TranspR 1999, 95.

aa) Das Transportrechtsreformgesetz enthält weder ein eigenständiges Überleitungsrecht, noch gibt es ein Einführungsgesetz zum Transportrechtsreformgesetz. Allein dessen Art. 12 Abs. 2 bestimmt das Inkrafttreten des Gesetzes mit einer im Absatz 1 bezeichneten Ausnahme zum 01. Juli 1998.

bb) Fehlt es also an speziellen Vorschriften, so ist auf Art. 170 EGBGB zurückgreifen, der über den eigentlichen Wortlaut hinaus einen allgemeinen Rechtsgedanken zu der Frage enthält, was anwendbar ist, wenn schuldrechtliche Normen ohne Übergangsvorschriften verändert werden. Danach unterfällt das Schuldverhältnis nach seinen Voraussetzungen, seinem Inhalt und seinen Wirkungen dem Recht, das zur Zeit der Verwirklichung seines Entstehungstatbestandes galt ( RGZ 53, 378 [ 380 ]; 55, 247 [ 254 ]; 65, 107 [ 112 ]; BGHZ 10, 391 [ 394 ]; 44, 192 [ 194 ]; BGH VersR 1971, 180; BGH VersR 1996, 259 [ 260 ]; BGH VersR 1998, 210 [ 211 ] ). Für Dauerschuldverhältnisse mit unbestimmter Laufzeit / Ladungsmenge, wie hier, in deren Rahmen Einzelverträge für die jeweiligen Ausführungsgeschäfte geschlossen werden, mag die Frage nach dem anwendbaren Recht nicht völlig zweifelsfrei zu beantworten sein ( Fremuth TranspR 1999, 95 [ 98 ]; Temme, Individualvereinbarung und Allgemeine Geschäftsbedingungen im neuen Transportrecht, S. 197 [ 206 ] in: Transportrecht- und Vertriebsrecht 2000, Festgabe für Rolf Herber zum 70. Geburtstag am 23. März 1999 ). Im streitgegenständlichen Fall haben die Parteien aber in Ziffer 16 Abs. 1 der Speditionsvereinbarung hinreichend klar vereinbart, dass für jeden Einzelvertrag die ADSp in der jeweils geltenden aktuellen Fassung Vertragsinhalt werden sollen. Anderenfalls ergäbe es keinen Sinn, dass die ADSp in jeweils der neuesten Fassung Anwendung finden sollten. Hätten die Parteien lediglich die Anwendbarkeit der im Zeitpunkt des Vertragsschlusses am 17. Juli 1996 ( Bl. I/14 d.A. ) geltenden ADSp vereinbaren wollen, so hätte Ziffer 16 Abs. 1 Satz 1 nicht das Wort "jeweils" enthalten dürfen.

cc) Haben die Parteien somit für die Einzelverträge eine individualvertragliche dynamische Verweisung vereinbart, kommt es auf die kontrovers diskutierte Frage, ob auf die ADSp 1998 die alte Rechtsprechung mit der Wissen - Müssen - Formel überhaupt anwendbar ist, nicht an ( vergl. BGH ZIP 2003, 576; Brandenburgisches OLG TranspR 2001, 474; LG Passau TranspR 2001, 269; LG Memmingen NJW-RR 2002, 603; Philippi TranspR 1999, 375; Koller TranspR 2000, 1 und 2001, 359; Herzog TranspR 2001, 244; MüKo - Bydlinski, HGB, 1. Auflage, Aktualisierungsband zum Transportrecht, ADSp 1998 RdNr. 9 mwN; Hinz, Die ADSp 99 nach dem Transportrechtsreformgesetz in: Transport - Wirtschaft - Recht, Gedächtnisschrift für Johann Georg Helm, S. 119 [ 123 - 127 ] ).

dd) Nach diesen Grundsätzen gilt für den Zeitraum der vertraglichen Zusammenarbeit vom 01. September 1996 bis zum 30. Juni 1998 das Rechtsinstitut der Haftungsersetzung durch Versicherungsschutz. Für den Zeitraum vom 01. Juli 1998 bis zur ersten körperlichen Inventur in der Halle I am 03. September 1998 ( Bl. I/49 d.A. ) vermag sich die Klägerin auf dieses Rechtsinstitut nicht mehr zu berufen. Eine schlüssige Darstellung der Höhe des Schadensersatzanspruches für die nach Abzug der Inventurdifferenz in Verlust geratenen 199,550 t Zucker setzt demzufolge voraus, dass zwischen dem Zucker, der in dem zuerst genannten Zeitraum verschwunden ist und für den sich die Klägerin auf die Haftungsersetzung berufen kann, und dem Zucker, der in der Zeit vom 01. Juli 1998 bis zum 03. September 1998 verlustig gegangen ist, differenziert wird.

Entgegen der im Termin zur mündlichen Verhandlung geäußerten Auffassung der Beklagten vermag der Senat auch keine Schätzung der Schadenshöhe nach § 287 Abs. 2 ZPO vorzunehmen, denn eine solche hinge völlig in der Luft und wäre rein willkürlich ( Thomas / Putzo - Reichold, ZPO, 25. Auflage, § 287 RdNr. 11 ). Insbesondere ergibt sich aus dem Schreiben der D. - Zucker KG vom 15. Oktober 1996 ( Bl. I/62 d.A. ), dass die Waggons, in denen der Zucker von K. nach Mg. transportiert worden ist, in der Anfangsphase schlecht geleert worden sind, obwohl die Gewichte in den Bahnfrachtbriefen ohne eine erneute Wiegung von der Klägerin übernommen worden sind. Alleine in den beiden Waggons 082 3908-5 und 082 3423-5 befanden sich nach einem Umlauf noch ca. 1 Tonne Zucker. Da der Senat davon ausgeht, dass die unzureichende Leerung der Waggons und Schurren nach den Anlaufschwierigkeiten abgestellt worden ist, spricht eher mehr für einen erheblichen Verlust von Zucker in der Zeit, in der sich die Klägerin auf die Haftungsersetzung durch Versicherungsschutz berufen kann. Auf jeden Fall kann der Senat nicht gemäß § 287 Abs. 2 ZPO für den Zeitraum Juli und August 1998 ein rechnerisches Mittel aus dem Zeitraum von September 1996 bis August 1998 bilden.

Der Senat verkennt nicht, dass eine Darstellung der Höhe des Schadens für die Zeit nach dem 01.07.1998 von keiner der Parteien vorgenommen werden kann und sich der Rechtsstreit nur danach entscheidet, wem die Darlegungslast bezüglich dieses Punktes obliegt. Letztlich stellt sich die Frage danach, wer den Nachteil zu tragen, der sich aus der Unterlassung einer körperlichen Inventur aus Anlass des Inkrafttretens des Transportrechtsreformgesetzes zu tragen hat. Dies ist nach Auffassung des Senates die Partei, die für sich etwas Günstiges aus dem Wechsel der ADSp herleiten will.

Etwas anderes ergibt sich auch nicht im Hinblick auf die beiden Rückforderungsbescheide der Bundesanstalt für Landwirtschaft und Ernährung - Anstalt des öffentlichen Rechtes - vom 01. Dezember 1999 ( Bl. I/57f und I/59f d.A. ). Diese stellt zwar für jeden Monat der Förderung eine Mindermenge an Weißzucker fest. Da diese Menge aber in jedem Monat 2.781 dt/Ww beträgt, folgt daraus, dass sie ihren beiden Bescheiden einen rechnerischen Mittelwert zugrunde gelegt hat.

ee) Entgegen der Auffassung der Beklagten handelt es sich bei § 41 a ADSp 1993 nicht nur um eine verfahrensrechtliche Vorschrift, die nur im Zeitpunkt ihrer Geltung Anwendung findet. Deren materieller Kern ist der Ausschluss der Haftung des Spediteurs.

Danach ist wie erfolgt über die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Landgerichtes Magdeburg zu entscheiden.

IV.

1.) Die Entscheidung über die Kosten des Rechtsstreites beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO.

2.) Die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit folgt aus §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO.

3.) Die Festsetzung des Streitwertes für den ersten Rechtszug beruht auf § 3 ZPO iVm § 19 Abs. 1 S. 1 GKG. Die Klageforderung und die Hilfswiderklageforderung sind gemäß der zuletzt genannten Norm zu addieren, nachdem die Primäraufrechnung von dem Landgericht, wenn auch fälschlicherweise, als unzulässig angesehen worden ist. Obwohl die Forderung der Beklagten bei der Primäraufrechnung unberücksichtigt bliebe, findet sie als Hilfswiderklageforderung dennoch Berücksichtigung, weil es sich bei der Hilfswiderklage um eine echte Klage handelt ( Schneider / Herget, Streitwertkommentar, 11. Auflage, RdNr. 2487 mwN ). Der Streitwert für die Beweisgebühr beruht auf dem Umstand, dass sich der am 09. Juli 2002 verkündete Beweisbeschluss nur zu den Rückforderungsbescheiden der Bundesanstalt für Landwirtschaft und Ernährung - Anstalt des öffentlichen Rechts - verhält. Die Addition der Beträge aus den beiden Bescheiden vom 01. Dezember 1999 ergibt 21.938,44 DM. Warum die Beklagte meint, einen Anspruch in Höhe von 22.006,29 DM zu haben ( Bl. I/44 d.A. ), ergibt sich nicht schlüssig aus ihrem Vorbringen und ist somit von der Beweisanordnung nicht mit umfasst.

Die Festsetzung des Streitwertes für den Berufungsrechtszug beruht auf § 3 ZPO. Anders als das Landgericht meint der Senat, dass der Hilfsaufrechnung Nummer 19 ADSp 1998 nicht entgegensteht, so dass es an sich zunächst auf die Frage der Aufrechnung ankommen könnte. Entscheidend ist hier aber, dass die Klage nicht in den Berufungsrechtszug gelangt ist.

4.) Gründe für die Zulassung der Revision sind nicht ersichtlich. Weder haben die hier entschiedenen Rechtsfragen grundsätzliche Bedeutung, noch ist eine Entscheidung des Bundesgerichtshofes zur Fortbildung des Rechtes oder zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung erforderlich ( § 543 Abs. 2 S. 1 ZPO ).

Ende der Entscheidung

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