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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Naumburg
Beschluss verkündet am 15.10.2001
Aktenzeichen: 8 UF 103/01
Rechtsgebiete: ZPO


Vorschriften:

ZPO § 233
ZPO § 115
ZPO § 519 b
ZPO § 127 a
ZPO § 91 Abs. 1
1. Wiedereinsetzung wegen Versäumung der Berufungsfrist ist nur dann zu gewähren, wenn die Frist unverschuldet versäumt wurde.

2. Wird rechtzeitig vor Fristablauf Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe gestellt liegt eine verschuldete Fristversäumung grundsätzlich nicht vor, wenn mit einer Bewilligung von Prozesskostenhilfe zu rechnen ist.

3. Hat das erstinstanzliche Gericht Prozesskostenhilfe bewilligt kann sich der Rechtsmittelführer nicht darauf verlassen, auch für das beabsichtigte Rechtsmittel Prozesskostenhilfe bewilligt zu erhalten, wenn die Bewilligung erstinstanzlich offenkundig unrichtig war.


OBERLANDESGERICHT NAUMBURG BESCHLUSS

8 UF 103/01 OLG Naumburg

In dem Rechtsstreit

...

hat der 8. Zivilsenat - 2. Senat für Familiensachen - des Oberlandesgerichts Naumburg durch den Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht Dr. Friederici sowie die Richter am Oberlandesgericht Wiedenlübbert und Bisping

am 15. Oktober 2001

beschlossen:

Tenor:

Der Antrag der Berufungsklägerin auf Wiedereinsetzung in den vorherigen Stand wegen Versäumung der Berufungsfrist wird zurückgewiesen.

Die Berufung der Klägerin wird als unzulässig verworfen.

Die Berufungsklägerin trägt die Kosten des Berufungsverfahrens.

Gründe:

I.

Erstinstanzlich verfolgte die Berufungsklägerin zum einen das Ziel, von dem Beklagten Trennungsunterhalt zu erlangen und darüber hinaus als Vertreterin für die beiden gemeinsamen minderjährigen Kinder Maximilian und Marketta Kindesunterhalt vom Beklagten zu erhalten. Ihr wurde vom Amtsgericht für beide Verfahren Prozesskostenhilfe ohne Ratenzahlung bewilligt. Das Amtsgericht hat den Beklagten zur Zahlung von Kindesunterhalt verurteilt und das Begehren der Klägerin auf Trennungsunterhalt abgewiesen. Zwei Tage vor Ablauf der Berufungsfrist hat die Klägerin sodann beim Oberlandesgericht einen Prozesskostenhilfeantrag eingereicht und zur Begründung dieses Antrages neben der Erklärung über die wirtschaftlichen Verhältnisse der Klägerin einen Berufungsbegründungsentwurf vorgelegt. Nach Ablauf der Berufungsfrist hat der Senat das Prozesskostenhilfegesuch der Klägerin abschlägig beschieden mit der Begründung, bei der Höhe des von der Klägerin behaupteten Einkommens des Beklagten hätte sie einen Anspruch auf Prozesskostenvorschuss gemäß § 127 a ZPO, welcher vor der Bewilligung von Prozesskostenhilfe Vorrang habe. Einen Tag nach Zustellung des ablehnenden Prozesskostenhilfebeschlusses des Senates legte die Klägerin beim Oberlandesgericht unbedingte Berufung ein und beantragte Wiedereinsetzung in den vorherigen Stand gegen die Versäumung der Berufungsfrist.

II.

Die mit Schriftsatz vom 06.07.2001, Eingang beim Oberlandesgericht am 09.07.2001, eingelegte Berufung ist nicht innerhalb der Berufungsfrist von einem Monat eingelegt worden und war deshalb gemäß § 519 b ZPO als unzulässig zu verwerfen. Der Klägerin ist das erstinstanzliche Urteil bereits am 17.05.2001 zugestellt worden, mithin lief die Frist zur Einlegung der Berufung am Montag, dem 18.06.2001 ab.

Der Antrag der Klägerin auf Wiedereinsetzung in den vorherigen Stand ist unbegründet. Gemäß § 233 ZPO ist Wiedereinsetzung in den vorherigen Stand dann zu gewähren, wenn eine Partei ohne ihr Verschulden verhindert war, eine Notfrist oder die Frist zur Begründung der Berufung einzuhalten. Diese Voraussetzung ist vorliegend nicht gegeben. Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs ist einer Partei nach Ablehnung eines innerhalb der Frist für die Einlegung eines Rechtsmittels eingebrachten Prozesskostenhilfegesuchs Wiedereinsetzung in den vorherigen Stand zu gewähren, wenn sie vernüftigerweise nicht damit rechnen musste, dass ihr Antrag aus wirtschaftlichen Gründen wegen fehlender Bedürftigkeit abgelehnt werden würde (BGH, NJW-RR 2000, 1387 m. w. N.). Musste sie hingegen mit der Ablehnung rechnen, weil sie selbst oder ihr Bevollmächtigter erkennen konnte, dass die wirtschaftlichen Voraussetzungen für eine Bewilligung der Prozesskostenhilfe nicht dargetan waren, so kann die Wiedereinsetzung nicht erteilt werden (BGH FamRZ, 1987, 1018). Wenn dem Rechtsmittelkläger für den ersten Rechtszug Prozesskostenhilfe bewilligt worden ist, so kann er bei im Wesentlichen gleichen Angaben zu den Vermögensverhältnissen erwarten, dass auch das Gericht des zweiten Rechtszuges ihn als bedürftig i. S. d. § 115 ZPO ansieht, wobei die Partei nicht damit zu rechnen braucht, dass das Rechtsmittelgericht strengere Anforderungen an den Nachweis der Bedürftigkeit stellt (BGH FamRZ 1987, 1018). Hier hat zwar das erstinstanzliche Gericht der Klägerin uneingeschränkt für das erstinstanzliche Verfahren Prozesskostenhilfe bewilligt und bei dem Antrag auf Prozesskostenhilfe vor dem Senat hat sie auch im Wesentlichen gleiche Angaben über ihre persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse gemacht, gleichwohl liegen die Voraussetzungen, nach denen Wiedereinsetzung in den vorherigen Stand zu gewähren ist, nicht vor.

Die Klägerin hat ihren Anspruch auf Trennungsunterhalt und auch den Anspruch der gemeinsamen Kinder auf Kindesunterhalt u. a. damit begründet, dass der Beklagte ein Nettoeinkommen von monatlich 13.698,00 DM erziele. Ausgehend von diesem Nettoeinkommen hat das Amtsgericht auch den Kindesunterhaltsanspruch positiv beschieden, das Urteil ist insoweit inzwischen auch rechtskräftig. Den Anspruch der Klägerin auf Trennungsunterhalt hat das Amtsgericht abgewiesen, weil die Klägerin das von ihr erzielte Einkommen nicht ausreichend dargelegt habe und insoweit eine Berechnung eines etwaigen Unterhaltsanspruchs für das Amtsgericht nicht möglich sei. In Anbetracht des unstreitigen Nettoeinkommens des Beklagten in Höhe von 13.698,00 DM, welches das Amtsgericht seiner Entscheidung selbst zu Grunde gelegt hat, ist die Gewährung von Prozesskostenhilfe, ohne die Möglichkeit eines Prozesskostenvorschusses auch nur zu erörtern, unzutreffend. Die amtsgerichtliche Entscheidung vermag zwar einen Vertrauenstatbestand derart zu begründen, dass sich an der Beurteilung der wirtschaftlichen Verhältnisse der Klägerin durch den Senat im Rahmen des Prozesskostenhilfeverfahrens nichts ändern werde, aber durch die völlige Außerachtlassung des Problems Prozesskostenvorschuss wird kein Vertrauenstatbestand derart begründet, der Senat werde ebenso verfahren. Durch das erstinstanzliche Verfahren und die entsprechende Entscheidung wird die prozessführende Partei nicht von der Verpflichtung entbunden, ihr Prozesskostenhilfebegehren insoweit kritisch zu hinterfragen, als im eigenen Vortrag keine offenkundigen schwer wiegenden Widersprüche enthalten sind, mithin zu prüfen, ob ihr Antrag schlüssig ist. Genau dies ist aber vorliegend nicht der Fall. Mit ihrer Berufung begehrt die Klägerin rückständigen Trennungsunterhalt für den Zeitraum bis April 1999 in Höhe von 4.597,00 DM monatlich und ab dem 01.05.1999 in Höhe von 3.896,00 DM monatlich. Sie legt bei diesem Begehren das auch vom erstinstanzlichen Gericht angenommene Einkommen des Beklagten von über 13.000.- DM monatlich zu Grunde. Mit Schriftsatz vom 21.06.2001 wird dieser Vortrag vertieft und unter detaillierter Berechnung des Einkommens des Beklagten der begehrte Trennungsunterhalt begründet. Erst nach der Prozesskostenhilfe versagenden Entscheidung des Senats trägt die Klägerin vor, dass ihr seit Ende 2000, d. h., zu einem Zeitpunkt als noch nicht einmal das Amtsgericht entschieden hatte, bekannt sei, dass der Beklagte das Einkommen von ca. 13.700,00 DM monatlich nicht mehr erziele, sondern nur von einem Einkommen von ca. 3.000,00 DM bis 5.000,00 DM monatlich auszugehen sei und erst mit ihrem Wiedereinsetzungsgesuch kündigt sie, unter Aufgabe ihres ursprünglichen Berufungsziels, diesem neuen Sachvortrag entsprechende Anträge an. Darüber hinaus hat erst dann die Klägerin auch vorgetragen, dass sie aus dem Verhalten des Beklagten, nämlich, dass er nicht bereit sei, Trennungsunterhalt zu zahlen, schließe, dass bei der Durchsetzung einer einstweiligen Anordnung auf Prozesskostenvorschuss möglicherweise Probleme entstünden, die die Gewährung von Prozesskostenhilfe rechtfertigen könnten. Unabhängig von der Frage, ob man auch bei Zugrundelegung des Vortrages, dass der Beklagte nunmehr nicht das ursprünglich vorgetragene Einkommen erziele, die Klägerin auf einen Prozesskostenvorschuss verweisen muss, hätte sie den nach Erlass der versagenden Entscheidung vorgetragenen Sachverhalt bereits mit ihrem Prozesskostenhilfeantrag vortragen können und müssen. Die hierzu maßgeblichen Fakten waren ihr bereits zum damaligen Zeitpunkt bekannt, sodass auch die erst mit dem Wiedereinsetzungsantrag angekündigten Anträge bereits ursprünglich hätten angekündigt werden können. Denn nur hierdurch ließe sich der offenkundige Widerspruch in ihrem Vortrag auflösen, nämlich auf der einen Seite von einem Einkommen in Höhe von über 13.000,00 DM monatlich auszugehen und andererseits Prozesskostenhilfe zu begehren, ohne zuvor mit dem Versuch Prozesskostenvorschuss zu erlangen gescheitert zu sein. Nur so hätte die Klägerin das offenkundige Risiko vermeiden können, mit ihrem Prozesskostenhilfegesuch zu scheitern, weil der Senat die Subsidirarität der Prozesskostenhilfe vor dem Prozesskostenvorschuss seiner Entscheidung zu Grunde legen würde. Da dieses Risiko seine Ursache auch nicht in einer unterschiedlichen Beurteilung der wirtschaftlichen Verhältnisse der Klägerin hat, sondern sich aus dem unvollständigen, bzw. unzureichenden Vortrag zur Begründung des Prozesskostenhilfeantrages ergibt, konnte die erstinstanzliche Entscheidung über die Prozesskostenhilfe auch keinen hier zu ihren Gunsten zu berücksichtigenden Vertrauenstatbestand bei der Klägerin begründen. Insofern hat sich bei der Prozesskostenhilfe versagenden Entscheidung des Senates auch lediglich das von der Klägerin schuldhaft selbst gesetzte Risiko verwirklicht.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 91 Abs. 1 ZPO.

Ende der Entscheidung

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