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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Naumburg
Urteil verkündet am 19.12.2002
Aktenzeichen: 8 UF 163/02
Rechtsgebiete: RegelbetragsVO


Vorschriften:

RegelbetragsVO § 1
RegelbetragsVO § 2
Eine hälftige Anrechnung des Kindergeldes setzt voraus, dass die Unterhaltsleistung mindestens 135 % des Regelbetrages beträgt. Ist der Unterhaltsbetrag geringer, entfällt jede Anrechnung des Kindergeldes. Keiner Entscheidung bedarf es im konkreten Fall, ob der zu zahlende Unterhalt ins Verhältnis zu setzten ist zu § 1 oder § 2 der RegelbetragsVO.
OBERLANDESGERICHT NAUMBURG IM NAMEN DES VOLKES URTEIL

8 UF 163/02 OLG Naumburg

verkündet am: 19.12.2002

In dem Rechtsstreit

hat der 8. Zivilsenat - 2. Familiensenat - des Oberlandesgerichts Naumburg durch den Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht Dr. Friederici, den Richter am Oberlandesgericht Wiedenlübbert und den Richter am Oberlandesgericht Bisping auf die mündliche Verhandlung vom 21. November 2002 für Recht erkannt:

Tenor:

Das Urteil des Amtsgerichts Haldensleben vom 06.06.2002 wird abgeändert und zur Klarstellung wie folgt neu gefasst:

1. Der Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin rückständigen Kindesunterhalt für die Zeit von Juni 2001 bis einschließlich Dezember 2001 in Höhe von insgesamt 408,01 EUR nebst Zinsen in Höhe von 5 % über dem Basiszinssatz nach § 1 DÜG seit dem 10.04.2002 zu zahlen.

2. Der Beklagte wird verurteilt, an die am 21.08.1997 geborene Klägerin ab 01.01.2002 einen monatlichen Kindesunterhalt in Höhe von 116 % des jeweiligen Regelbetrages gemäß § 2 Regelbetrag-VO zu zahlen. Eine Kindergeldanrechnung erfolgt nicht.

3. Der Beklagte und Berufungskläger trägt die Kosten des Rechtsstreits.

4. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

5. Die Revision wird zugelassen.

Streitwert: 1.685,00 EUR.

Gründe:

I.

Die Eltern der Klägerin sind geschieden, das gemeinsame Sorgerecht wurde von den Eltern beibehalten, lediglich das Aufenthaltsbestimmungsrecht ist auf die Mutter übertragen worden. Die Parteien streiten um die Unterhaltsverpflichtung des Beklagten und Berufungsklägers für seine am 21.08.1997 geborene Tochter S. , die von der Kindesmutter betreut und vertreten wird. Die Klägerin hat mit der im Januar 2002 beim Amtsgericht eingegangenen Klage erstmalig die Titulierung ihrer Unterhaltsansprüche gegen den Beklagten begehrt. Sie verlangte für den Zeitraum von Juni 2001 bis Dezember 2001 insgesamt 408,00 EUR an Rückstand, wobei sich dieser Betrag auf einen monatlichen Anteil von je 58,29 EUR (114,00 DM) splittete. Dem liegt zu Grunde, dass der Beklagte monatlich 207,00 DM (105,84 EUR) auf seine Unterhaltsverpflichtung zahlt und die Klägerin von einer Unterhaltsverpflichtung von insgesamt 321,00 DM (164,12 EUR) ausgegangen ist. Für den Zeitraum ab Januar 2002 begehrte die Klägerin erstinstanzlich 123,5 % des Regelbetrages gemäß § 2 Regelbetrag-VO abzüglich eines anteiligen Kindergeldanteils in Höhe von 57,00 EUR monatlich.

Das Amtsgericht hat dem Antrag entsprechend erkannt, allerdings eine Kindergeldanrechnung nicht vorgenommen. Hiergegen richtet sich die Berufung des Beklagten. Mit seiner Berufung rügt der Beklagte zum einen, dass das Amtsgericht entgegen dem Antrag der Klägerin eine Kindergeldanrechnung nicht vorgenommen hat, es sei dadurch mehr zugesprochen als beantragt und des Weiteren läge in der Nichtanrechnung ein Verstoß gegen die Bestimmung des § 1612 b Abs. 5 BGB. Darüber hinaus ist der Berufungskläger der Auffassung, dass er nicht in Höhe des tenorierten Betrages leistungsfähig sei. Denn er habe auf Grund seiner Tätigkeit als Leiharbeiter erhebliche Aufwendungen bzw. Fahrtkosten, die in unmittelbarem Zusammenhang mit seiner Arbeit stünden. Es ist seiner Auffassung nach deshalb nicht zutreffend, dass das Amtsgericht bei der Ermittlung seines unterhaltsrechtlich relevanten Einkommens von seinem Arbeitgeber gezahlte Aufwandsentschädigungen und Spesen mit 1/3 dem Einkommen hinzugerechnet habe. Darüber hinaus seien ihm Fahrtkosten von monatlich ca. 800,00 DM entstanden, die von seinem Einkommen noch abzuziehen seien. Deshalb sei er lediglich in Höhe von 60 % des jeweiligen Regelbetrages gemäß § 2 Regelbetrag-VO leistungsfähig. Eine Verurteilung zu Unterhaltszahlungen nur in der letztgenannten Höhe ist sein Berufungsziel.

II.

Die zulässige Berufung ist nur zu einem geringen Teil begründet. Der Berufungskläger ist entgegen der Auffassung des Amtsgerichts lediglich leistungsfähig in Höhe von 116 % des jeweiligen Regelbetrages gemäß § 2 Regelbetrag-VO. Hierbei ist davon auszugehen, dass der Berufungskläger ausweislich der von ihm vorgelegten Unterlagen ohne Berücksichtigung von Spesen und Aufwendungsersatzzahlungen ein Nettoeinkommen von ca. 2.146,00 DM monatlich im Durchschnitt verdient. Neben diesem Betrag erhält er Ersatz für auswärtige Unterbringung und Fahrgeld in Höhe von durchschnittlich rund 1.000,00 DM monatlich. Von diesem Betrag, der lediglich auswärtige Übernachtungen und erhöhten Verpflegungsaufwand abdecken soll, ist gemäß den Leitlinien des Oberlandesgerichts Naumburg 1/3 dem Einkommen hinzuzurechnen. Zwar sind diese Spesen vom Arbeitgeber zweckgebunden gezahlt, gleichwohl bringen sie Ersparnisse in der allgemeinen Lebensführung mit sich, so dass mangels näherer Anhaltspunkte von dem Grundsatz der 1/3-Anrechnung auch hier ausgegangen werden kann (vergl. hierzu OLG Naumburg, Beschluss vom 26.02.1998, 3 UF 78/97; OLG Hamm, Beschluss v. 05.10.1977, 3 UF 3/77). Es ist dem Beklagtenvortrag nicht zu entnehmen, ob, und wenn ja in welcher Höhe hier die pauschaliert gezahlten Spesen auch konkreten Aufwendungen gegenübergestanden haben. Es sind weder die konkreten Unterbringungsorte genannt noch erklärt, welche Aufwendungen tatsächlich entstanden sind; es fehlen Abrechnungsunterlagen oder entsprechende Belege. Das vom Beklagten vorgelegte Schreiben seines Arbeitgebers vom 19.11.2002 (Bl. 165 d. A.) "Stellung der Unterkünfte" bestätigt weder bestimmte Aufwendungen noch Kosten, sondern kann im Gegenteil auch so verstanden werden, dass die Kosten für auswärtige Unterbringung vom Arbeitgeber getragen werden.

Zutreffend ist das Amtsgericht davon ausgegangen, dass die von dem Berufungskläger eingewandten Belastungen für seine Wohnung und Versicherungen den allgemeinen Lebenshaltungskosten unterfallen und insofern vom Selbstbehalt gedeckt sind. Eine Anrechnung auf das unterhaltsrechtlich relevante Einkommen hat deshalb nicht zu erfolgen. Mithin ist von einem Einkommen in Höhe von rund 2.472,00 DM auszugehen. Von diesem Betrag sind lediglich 5 % an berufsbedingten Aufwendungen pauschal abzuziehen. Eine höhere Anrechnung kommt nicht in Betracht, insbesondere die von dem Beklagten behaupteten Fahrtkosten sind nicht in dem von ihm begehrten Umfang berücksichtigungsfähig. Grundsätzlich kommt eine Anrechnung von Fahrtkosten nur dann in Betracht, wenn sie zur Einkommenserzielung notwendig sind, was wiederum hier von dem Beklagten hätte dargelegt werden müssen. Dieser Nachweis ist ihm nicht gelungen. Seinem Vortrag ist nicht zu entnehmen, weshalb er teilweise erhebliche Entfernungen bei den Fahrten zwischen seiner auswärtigen Unterkunft und der auswärtigen Arbeitsstelle auch über einen längeren Zeitraum in Kauf genommen hat. Weshalb beispielsweise bei seiner Tätigkeit in R. die Entfernung zwischen Unterkunft und Baustelle 32 km betragen hat, wird nicht dargelegt; allein die Behauptung, der Arbeitgeber buche die Unterkünfte, vermag dies gerade bei einem längeren Aufenthalt nicht zu erklären. Die Notwendigkeit dieser Fahrtkosten ist mithin nicht erkennbar, zumal ihm während dieser Tätigkeit ausweislich der Lohnabrechnung für Mai 2000 260,00 DM Fahrtgeld erstattet worden sind. Dies gilt auch für den Zeitraum Oktober 2000 oder auch November 2000. Darüber hinaus ist zu beachten, dass der Berufungskläger zwar teilweise durch die jeweiligen Zusatzvereinbarungen zu seinem Arbeitsvertrag die jeweiligen Einsatzorte belegt hat, aber dass die von ihm behaupteten Entfernungen tatsächlich zurückgelegt worden sind, kann diesen Unterlagen nicht entnommen werden. Die hieran bestehenden Zweifel werden durch weitere Umstände bestärkt. Auf Grund der erheblichen Fahrtkosten, für den Fall, dass diese tatsächlich entstanden sind, dürfte dem Berufungskläger ein nicht unerheblicher Steuerrückerstattungsanspruch zustehen. Hierzu hat er zwar einen Steuerbescheid für das Jahr 2000 vorgelegt, aus dem sich ergibt, dass er lediglich eine Steuerrückerstattung in Höhe von rund 1.197,00 DM erhalten hat, gleichfalls ist jedoch aus dem Einkommenssteuerbescheid ersichtlich, dass an Werbungskosten bezüglich Aufwendungen für die Fahrten zwischen Wohnung und Arbeitsstätte kein Betrag geltend gemacht ist, obwohl nach seinem eigenen Vortrag monatlich hierfür über 800,00 DM angefallen sind. Erkennbar ist aber, dass gegenüber dem Finanzamt Kosten für eine doppelte Haushaltsführung in Anrechnung gebracht worden sind. Wenn man dann noch beachtet, dass die Zusatzvereinbarungen zu dem Arbeitsvertrag ausdrücklich den 1. Wohnsitz des Berufungsklägers benennen, bleiben nur erhebliche Zweifel daran bestehen, dass Fahrtkosten in dem von ihm behaupteten Umfang entstanden sind. Hierbei ist die Frage, weshalb bei einem doppelten Wohnsitz dann hier erhebliche Aufwendungen für wöchentliche Heimfahrten von seinem Einkommen abgezogen werden sollen, noch gar nicht angesprochen.

Das heißt, bei der Feststellung des Bedarfs der Klägerin ist von einem Einkommen des Berufungsklägers in Höhe von 2.349,00 DM auszugehen nach pauschalem Abzug berufsbedingte Aufwendungen. Mit diesem Einkommen ist der Berufungskläger in die 1. Gruppe der Unterhaltsleitlinien des Oberlandesgerichts Naumburg einzustufen. Entgegen der Auffassung des Amtsgerichts ist der Berufungskläger aber nicht um zwei Einkommensgruppen, sondern lediglich um eine Einkommensgruppe höher zu stufen. Nach den Leitlinien des Oberlandesgerichts erfolgt die Höherstufung um eine Gruppe dann, wenn der Verpflichtete nur einem Kind und einem Ehegatten gegenüber unterhaltspflichtig ist. Hier ist der Verpflichtete, der Berufungskläger, lediglich der Berufungsbeklagten und keiner weiteren Person gegenüber unterhaltspflichtig, so dass möglicherweise eine angemessene Korrektur gemäß den Leitlinien zu erfolgen hätte. In Anbetracht des zeitlichen Aufwandes, den der Berufungskläger zur Einkommenserzielung betreibt, er hat neben seinen Fahrten zu auswärtigen Arbeitsstellen auch eine nicht unerhebliche Anzahl von Überstunden zu leisten, scheint es hier nicht angemessen, eine Höhergruppierung um zwei Stufen vorzunehmen. Mithin richtet sich der Bedarf der Berufungsbeklagten nach der 2. Gruppe der Tabellen des Oberlandesgerichts Naumburg. Da sich die Berufungsbeklagte in der 1. Altersgruppe befindet, sie wurde 1997 geboren, ist ihr Bedarf in Höhe von 392,00 DM (202,00 EUR) festzulegen. Dieser Betrag entspricht 116 % des Regelbetrages gemäß § 2 Regelbetrag-VO, der hier deshalb anzuwenden ist, weil sowohl die unterhaltsberechtigte Klägerin als auch der unterhaltsverpflichtete Berufungskläger ihren Wohnsitz im Beitrittsgebiet haben (Art. 5 § 1 KindesUhG i. d. F des Gesetzes vom 02.11.2000, BGB, I, S. 1479).

Da die Berufungsbeklagte für die Vergangenheit ohnehin von einem geringeren Unterhaltsbetrag ausgegangen ist, hat diese Abweichung von der erstinstanzlichen Entscheidung keine Auswirkungen auf den vom Amtsgericht ausgeurteilten Unterhaltsrückstand für den Zeitraum von Juni 2001 bis einschließlich 2001. Insoweit verbleibt es bei dem dort ausgeurteilten Betrag, wobei sich der Zinsanspruch aus § 291 BGB ergibt.

Eine Kindergeldanrechnung erfolgt nicht. Die grundsätzliche Regel des § 1612 b Abs. 1 BGB, nach der eine hälftige Anrechnung des Kindergeldes zu erfolgen hat, wenn an den barunterhaltspflichtigen Elternteil das Kindergeld nicht ausgezahlt wird, weil ein anderer vorrangig berechtigt ist, erfährt durch § 1612 b Abs. 5 BGB eine Einschränkung. Danach unterbleibt eine Anrechnung des Kindergeldes, "soweit der Unterhaltspflichtige außer Stande ist, Unterhalt in Höhe von 135 % des Regelbetrages nach der Regelbetrag-VO zu leisten". Das bedeutet, eine Anrechnung des Kindergeldes unterbleibt bereits dann, wenn der Unterhaltspflichtige außer Stande ist, Unterhalt in Höhe von 135 % des Regelbetrages nach der Regelbetrag-VO zu leisten (vgl. BGH Urteil vom 06.02.2002 in NJW 2002, 1269 - 1274). Anknüpfungspunkt für die Beantwortung der Frage, ab welchem Zeitpunkt der barunterhaltspflichtige Elternteil einen zivilrechtlichen Ausgleichsanspruch gegen den das Kindergeld beziehenden betreuenden Elternteil hat, ist deshalb nach dem Wortlaut des § 1612 b Abs. 5 BGB die Leistungsfähigkeit des den Barunterhalt zahlenden Elternteils. Erst wenn diese ihn in die Lage versetzt, 135 % des Regelbetrages zu leisten, kommt er in den Genuss der staatlichen Familienförderungsleistung, die durch die Anrechnung des Kindergeldanteils gewährt wird. Die gegenteilige Auffassung, nach der eine teilweise Anrechnung des Kindergeldes bis zu einer Leistungsfähigkeit des Unterhaltsschuldners von 135 % des Regelbetrages erfolgen soll, (OLG Naumburg, Beschluss vom 20.11.2002, Az.: 3 WF 227/02 m. w. N. - nicht veröffentlich; vgl. bezüglich der Einzelheiten der Anrechnungsmethode vgl. die Berliner Tabelle für die Zeit vom 01.07.2001; Vossenkämper in FamRZ 2000, 1547; Scholz in FamRZ: 2000, 1541), überzeugt nicht. Danach wird bei einer Leistungsfähigkeit von unter 135 % des Regelbetrages das hälftige Kindergeld verwendet, um den bis zur Grenze von 135 % tatsächlich fehlenden Unterhaltsbetrag aufzufüttern (Heger in FamRZ 2001, 1409). Diese Anrechnungsmethode wird damit begründet, dass der Gesetzgeber mit der Änderung des § 1612 b Abs. 5 BGB beabsichtigt hat, das Barexistenzminimum des minderjährigen Kindes zu sichern, welches gegenwärtig etwa bei einem Betrag in Höhe von 135 % des Regelbetrages liegt (BGH a. a. O. m. w. N.; Heger a. a O.; Bundestagsdrucksache 14/378, S. 7, 8). Wenn dieser Betrag nicht erreicht wird, soll deshalb der barunterhaltspflichtige Elternteil notfalls seinen Kindergeldanteil zur Unterhaltssicherung einsetzen und erst dann könne ein etwa verbleibender Kindergeldrest zu seinen Gunsten angerechnet werden. Hiergegen sprechen im Ergebnis überzeugende Bedenken. Zunächst bleibt festzuhalten, dass nach dem Wortlaut des § 1612 b Abs. 5 BGB Maßstab für die Anrechnung des Kindergeldanteils die unterhaltsrechtliche Leistungsfähigkeit des Unterhaltsschuldners ist. Diese wiederum bestimmt sich ausschließlich nach den §§ 1602, 1603 BGB. Da staatliches Kindergeld den unterhaltspflichtigen Eltern zur Erleichterung ihrer Unterhaltslast gewährt wird, soll durch die Gewährung des Kindergeldes nicht der Unterhaltsanspruch des Kindes erhöht werden (BGH a. a. O., BGH NJW 1997, 1919 - 1923) und darf deshalb auch nicht dem Einkommen des Unterhaltspflichtigen zugerechnet werden (BGH NJW 1997, 1919 - 1923) und kann insoweit nicht die unterhaltsrechtliche Leistungsfähigkeit des Unterhaltsschuldners erhöhen. Durch die oben beschriebene Anrechnungsmethode wird das staatliche Kindergeld zu Gunsten des unterhaltsverpflichteten Elternteils jedoch abhängig vom "Fehlbetrag" zur Erhöhung der Leistungsfähigkeit bis zu einer Leistungsfähigkeit von 135 % des Regelbetrages entgegen den unterhaltsrechtlichen Grundsätzen wie Einkommen angesetzt. Diese Vorgehensweise führt im Ergebnis dazu, dass unabhängig von der nach unterhaltsrechtlichen Regeln ermittelten Leistungsfähigkeit des Unterhaltsschuldners bei gleichbleibendem Nettozahlbetrag in der 1. Altersstufe ab einer Leistungsfähigkeit von 100 %, der 2. Altersstufe von 107 % und der 3. Altersstufe von 114 % des jeweiligen Regelbetrages ein Unterhaltsbetrag in Höhe von 135 % des jeweiligen Regelbetrages festgesetzt wird (vgl. OLG München MDR 2001, 939). Insoweit wird zum einen abweichend vom Wortlaut des § 1612 b Abs. 5 BGB nicht die Leistungsfähigkeit des Unterhaltsschuldners Maßstab für die Anrechnung des Kindergeldanteils und darüber hinaus wird an sich systemwidrig der Kindergeldanteil als Einkommen des Unterhaltsschuldners behandelt. Wenn man dann noch den eigentlichen Zweck der Regelung des § 1612 b Abs. 5 BGB beachtet, nämlich das Barexistenzminimum des unterhaltsberechtigten Kindes zu sichern, und dieser Betrag bei der eben genannten Anrechnungsmethode zwar fiktiv, tatsächlich aber gerade nicht erreicht wird, vermag diese Ansicht nicht zu überzeugen. Deshalb ist § 1612 b Abs. 5 BGB so zu verstehen, dass der Gesetzgeber bei der Abwägung zwischen dem Gebot, einem minderjährigen Kind das Existenzminimum zu sichern (BverfG FamRZ 2001, 1090 ff.), einerseits und dem Gebot, die unterhaltsverpflichteten Eltern von den hieraus resultierenden Belastungen zu entlasten, andererseits festgelegt hat, dass die Entlastung erst dann greift, wenn die unterhaltsrechtliche Leistungsfähigkeit des Unterhaltsschuldners zur Sicherung des Barexistenzminimus des Kindes ausreicht. Im Ergebnis kommt deshalb eine Kindergeldanrechnung nur dann in Betracht, wenn die Leistungsfähigkeit des Unterhaltsschuldners ausreicht, 135 % des Regelbetrages zu zahlen. Erst ab diesem Zeitpunkt ist das Barexistenzminimum des minderjährigen Kindes durch die Leistungsfähigkeit des Unterhaltsschuldners gesichert. Da im vorliegenden Fall der Unterhaltsschuldner lediglich in Höhe von 116 % des Regelbetrages leistungsfähig ist, kommt hier eine Kindergeldanrechnung auch nicht anteilig in Betracht. Ob Bezugsgröße 135 % des Regelbetrages nach § 1 oder § 2 RegelbetragsVO ist, kann im vorliegenden Fall dahingestellt bleiben, da der Unterhalt nach der Leistungsfähigkeit weder die - geringere - Grenze nach § 2 noch die höhere nach § 1 RegelbetragsVO erreicht oder überschreitet.

Aus der Rechtsnatur der Bestimmung des § 1612 b Abs. 5 BGB ergibt sich auch, dass das Amtsgericht nicht mehr zugesprochen hat als von der Klägerin beantragt wurde. Bei dem Anspruch auf Anrechnung des Kindergeldanteils handelt es sich um einen besonderen familienrechtlichen Ausgleichsanspruch, der sich zwar aus Vereinfachungsgründen meist über die Unterhaltszahlungen des barunterhaltspflichtigen Elternteils für das Kind vollzieht, gleichwohl handelt es sich hierbei um ein eigenes Recht des jeweiligen Elternteils, der den anderen auch unmittelbar auf Auszahlung des anteiligen Kindergeldes in Anspruch nehmen kann (vgl. BGH NJW 1997, 1919 - 1923). Das heißt, bei § 1612 b Abs. 5 BGB handelt es sich lediglich um eine Anrechnungsvorschrift, die die verfassungsrechtlich gebotene, auf einheitlichen Pauschalbeträgen beruhende Entlastung der unterhaltspflichtigen Eltern widerspiegelt und lediglich den zivilrechtlichen Ausgleich dieses Vorteils zwischen ihnen regelt (BGH NJW 2002, 1684 ff.). Begünstigter dieses Anspruchs ist mithin nicht der Unterhaltsberechtigte sondern der Barunterhaltsverpflichtete. Wenn somit der Barunterhaltsberechtigte bei seiner Antragsstellung auch die Anrechnung des Kindergeldanteils berücksichtigt, liegt hierin allenfalls eine Anregung, die Anrechnungsvorschrift des § 1612 b Abs. 5 BGB anzuwenden. Die konkrete Anwendung, d. h., die Berechnung, bzw. die Bestimmung des nach der Leistungsfähigkeit des Unterhaltsschuldners zu ermittelnden anzurechnenden Kindergeldanteils erfolgt dann durch das Gericht. Insoweit liegt in der Antragstellung der Klägerin lediglich eine Anregung, die das Gericht bei der Anwendung des § 1612 b Abs. 5 BGB nicht beschränkt.

Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 92 Abs. 2, 97 ZPO, die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit beruht auf §§ 708 Nr. 10 ZPO.

Die Revision gegen das Urteil wird zugelassen (§§ 543 ZPO, 26 EGZPO).

Die Anrechnung des Kindergeldes nach § 1612 b BGB wird von den Gerichten unterschiedlich beantwortet. Das Kindergeld beruht auf einer bundeseinheitlichen gesetzlichen Regelung. Die Rechtsfrage, ob § 1612 b Abs. 1 BGB als Grundsatz in Verbindung mit der Regelung des Absatzes 5 so zu verstehen ist, dass erst ab 135 % des Regelbetrages eine Anrechnung - nach Maßgabe des Absatzes 1 - erfolgt oder aber bei einem hinter 135 % zurückbleibenden Unterhalt eine anteilige Anrechnung zu erfolgen hat, erfordert zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Revisionsgerichts.

Ende der Entscheidung

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