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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Naumburg
Urteil verkündet am 21.03.2002
Aktenzeichen: 8 UF 180/01
Rechtsgebiete: BGB, DDR-ZGB, DDR-FGB, ZPO


Vorschriften:

BGB § 1378 Abs. 4
BGB § 1378 Abs. 4 S. 1
DDR-ZGB § 40
DDR-FGB § 40
DDR-FGB § 23 Nr. 2
DDR-FGB § 40 Abs. 1
DDR-FGB § 40 Abs. 2 Satz 2
ZPO § 97
ZPO § 708 Nr. 10
1. Entsteht ein Anspruch nach §§ 39, 40 FGB/DDR erst nach dem 2.10.1990, richtet sich die Verjährung nach § 1378 Abs. 4 BGB.

2. Der Beginn der dreijährigen Verjährung nach § 1378 Abs. 4 S. 1 BGB richtet sich nach DDR-Recht (Art. 234 § 1 EGBGB; OLG Dresden in FamRZ 2001, 761m 763).

3. Die Zustellung der Klage an einen nicht als Prozessbevollmächtigten bestellten Anwalt unterbricht die Verjährung nicht.

4. Eine Prozessvollmacht setzt keine Postulationsfähigkeit voraus.


OBERLANDESGERICHT NAUMBURG IM NAMEN DES VOLKES URTEIL

8 UF 180/01 OLG Naumburg

verkündet am: 21.03.2002

In der Familiensache

hat der 8. Zivilsenat - 2. Senat für Familiensachen - des Oberlandesgerichts Naumburg auf die mündliche Verhandlung vom 14. Februar 2002 durch den Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht Dr. Friederici und die Richter am Oberlandesgericht Wiedenlübbert und Bisping

für Recht erkannt:

Tenor:

Die Berufung des Beklagten gegen das am 06. September 2001 verkündete Urteil des Amtsgerichts - Familiengerichts - Haldensleben wird auf seine Kosten mit der Maßgabe zurückgewiesen, dass die titulierte Hauptforderung von DM 88.933,33 einem Betrag von EUR 45.470,89 entspricht.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Der Streitwert für den Berufungsrechtszug beträgt EUR 45.470,89

(d. s. DM 88.933,33).

Tatbestand:

Die Klägerin begehrt von dem Beklagten Zugewinnausgleich.

Die Parteien heirateten am 11. April 1981. Im Jahre 1983 kaufte der Beklagte ein Grundstück in C. , P. straße 7. Von 1984 bis 1989 errichteten der Beklagte, sein Vater, andere Verwandte und Freunde auf dem Grundstück ein Einfamilienhaus, eine Werkstatt mit Garagengebäude, ein Stallgebäude, einen Schuppen sowie Außenanlagen (Bl. 81). Während des Baus versorgte die Klägerin, die bei der Post beschäftigt war, die Bauleute an den Wochenenden mit Mahlzeiten. Außerdem führte sie während der Ehe den Haushalt und versorgte das eheliche Kind O. (geb. am 13. April 1982) sowie ihr vor der Ehe geborenes Kind D. (geb. am 05. Mai 1977). Durch Urteil vom 21. März 1996 wurde die Ehe der Parteien geschieden. Der Scheidungsausspruch wurde mangels Anfechtung rechtskräftig.

Mit der am 17. März 1997 eingereichten Klage hat die Klägerin eine - stufenweise - Verurteilung des Beklagten zur Erteilung einer Auskunft über sein Vermögen per 03. Oktober 1990, zur Versicherung der Angaben an Eides statt und zum Ausgleich des sich ergebenden Zugewinns nach § 40 DDR-ZGB begehrt (über den weiteren Zugewinn hatten sich die Parteien außergerichtlich geeinigt [Bl. 36]). Die Klägerin hat die Zustellung der Klage beantragt und gleichzeitig ein Prozesskostenhilfegesuch gestellt. Auf Seiten des Beklagten hat sie den - damals beim Familiengericht nicht zugelassenen - Rechtsanwalt R. H. in W. als Prozessbevollmächtigten benannt (Bl. 1 ff.).

Das Familiengericht hat die Zustellung der Klageschrift an Rechtsanwalt R. H. verfügt (Bl. 6 R) und am 20. März 1997 bewirkt (Bl. 7). Mit Schriftsatz vom 15. April 1997 hat Rechtsanwalt R. H. die Vertretung des Beklagten angezeigt (Bl. 8). Daraufhin hat ihm das Familiengericht die Ladung zum Termin zur mündlichen Verhandlung vom 17. Juli 1997 zugestellt, in dem Rechtsanwalt R. H. - ebenso wie die Prozessbevollmächtigte der Klägerin - keinen Antrag gestellt hat, weil die Parteien außergerichtlich ein Sachverständigengutachten einholen wollten, um sich auf der Grundlage des Gutachtens abschließend zu einigen.

Mit Schriftsatz vom 24. August 1999 ist die Klägerin in das Betragsverfahren übergegangen. Am 22. Juni 2000 wurde der Schriftsatz dem - inzwischen beim Familiengericht zugelassenen - Rechtsanwalt R. H. zugestellt (Bl. 62). Dieser hat - zusammen mit dem Beklagten - auch den Termin zur mündlichen Verhandlung vom 10. August 2000 wahrgenommen, in dem erstmals Anträge gestellt wurden (Bl. 68).

Die Klägerin hat beantragt,

den Beklagten zu verurteilen, an sie DM 88.933,33 nebst 4 % Zinsen seit Rechtshängigkeit zu zahlen.

Der Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

Das Familiengericht hat den Beklagten mit Urteil vom 06. September 2001 zur Zahlung von DM 88.933,33 nebst 4 % Zinsen seit 22. Juni 2000 verurteilt (§ 40 DDR-FGB) und die Entscheidung - entsprechend dem Vorbringen der Klägerin - folgendermaßen begründet (Bl. 130 ff.).

Das Hausgrundstück des Beklagten mit allen Baulichkeiten habe nach dem außergerichtlich eingeholten Gutachten des Sachverständigen K. vom 23./24.Oktober 1997 per 03. Oktober 1990 einen Verkehrswert von DM 312.800,-- gehabt (Bl. 38, 96, 105).

Der Beklagte habe außergerichtlich vorgetragen, dass M 100.000,-- aus seinem vor der Eheschließung vorhandenen Vermögen bzw. von seinem Vater finanziert worden seien. Die M 100.000,-- seien im Verhältnis 2 : 1 in DM umzurechnen,

also in DM 50.000,-- (Bl. 38). Demnach verblieben DM 262.800,--.

Außerdem habe der Beklagte - nach eigenen Angaben - per 03. Oktober 1990 über ein Sparkassenzertifikat zu DM 4.000,-- verfügt (Bl. 27).

Der Zugewinn des Beklagten betrage also per 03.10.90 DM 266.800,--.

Davon stehe ihr - wenigstens - 1/3 zu, mithin DM 88.933,33.

Gegen diese Entscheidung wendet sich der Beklagte mit der Berufung. Er erhebt die Einrede der Verjährung (§ 40 Abs. 2 DDR-FGB, § 1378 Abs. 4 Satz 1 BGB) und beantragt,

nach seinem erstinstanzlichen Antrag zu erkennen.

Die Klägerin beantragt,

die Berufung mit der Maßgabe zurückzuweisen, dass die ihr zugesprochene Hauptforderung von DM 88.933,33 einem Betrag von EUR 45.470,89 entspricht.

Wegen des weiteren Vorbringens der Parteien wird auf die gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen sowie auf den Tatbestand und die Entscheidungsgründe des angefochtenen Urteils verwiesen.

Entscheidungsgründe:

Die - zulässige - Berufung des Beklagten ist unbegründet:

1. Die Vermögensauseinandersetzung der Parteien richtet sich für die Zeit bis zum 02. Oktober 1990 nach dem bis dahin geltenden Güterrecht der DDR (Art. 234 § 4 Abs. 1 EGBGB). Sie erfolgt mithin nach § 40 DDR-FGB (vgl. Palandt/Brudermüller, BGB, 61. Aufl., Art. 234 § 4 EGBGB, Rdn. 11, 13). Danach steht der Klägerin ein Anspruch auf Ausgleich des Vermögens zu, das der Beklagte von der Eheschließung (am 11. April 1981) bis zum 02. Oktober 1990 erwirtschaftet hat, weil sie durch ihre Berufstätigkeit während der Ehe, durch ihre Haushaltsführung und durch die Versorgung der Bauleute mit Mahlzeiten wesentlich zur Erhaltung und Vergrößerung des vom Beklagten bis zum 02. Oktober 1990 erwirtschafteten Vermögens beigetragen hat (§ 40 Abs. 1 DDR-FGB). Die Höhe des Anspruchs der Klägerin richtet sich nach dem Halbteilungsgrundsatz (§ 39 Abs. 1 Satz 1 DDR-FGB; vgl. Palandt/Bru-dermüller, a. a. O., Rdn. 6 f. m. w. N.). D. h., selbst wenn man der Auffassung des Beklagten folgt und von seinem bis zum 02. Oktober 1990 erwirtschafteten Vermögen DM 100.000,-- in Abzug bringt, verbleibt ein Anspruch in Höhe der DM 88.933,33, die das Familiengericht der Klägerin zuerkannt hat (DM 312.800,-- abzgl. DM 100.000,-- zzgl. DM 4.000,-- : 2 [d. s. DM 108.400,--]).

2. Ein Leistungsverweigerungsrecht des Beklagten (§ 222 BGB) besteht nicht; der Anspruch der Klägerin ist nicht verjährt:

a) Der Anspruch verjährt nicht nach § 40 Abs. 2 Satz 2 DDR-FGB (d. h. in einem Jahr), sondern nach § 1378 Abs. 4 Satz 1 BGB (mithin in drei Jahren), weil sich die Dauer der Verjährung von Ansprüchen nach DDR-Recht, die nach dem 03. Oktober 1990 entstehen, nach den Bestimmungen des Bürgerlichen Gesetzbuchs richtet (Art. 231 § 6 EGBGB; vgl. BGHZ 129, 382 ff.). Der Ausgleichsanspruch der Klägerin entstand nach dem 03. Oktober 1990, nämlich mit der Beendigung des gesetzlichen Güterstands (§ 40 Abs. 1 DDR-FGB) infolge der - rechtskräftigen - Scheidung der Ehe durch Urteil vom 21. März 1996 (§ 23 Nr. 2 DDR-FGB; vgl. OLG Dresden, FamRZ 2001, 761, 763).

Der Beginn der dreijährigen Verjährung (§ 1378 Abs. 4 Satz 1 BGB) richtet sich nach DDR-Recht (Art. 234 § 1 EGBGB; OLG Dresden, a. a. O.); demnach hat die dreijährige Verjährungsfrist mit der Rechtskraft der Scheidung zu laufen begonnen (§ 40 Abs. 2 Satz 1 DDR-FGB), die frühestens mit der Verkündung des Scheidungsurteils (am 21. März 1996) eingetreten ist. Die dreijährige Verjährung lief also nicht vor dem 21. März 1999 ab.

b) Die Verjährung wurde zwar nicht durch die am 17. März 1997 eingereichte Klage unterbrochen, die dem Rechtsanwalt des Beklagten am 20. März 1997 zugestellt worden ist (Bl. 7). Zum Zeitpunkt der Zustellung hatte sich Rechtsanwalt R. H. nämlich noch nicht zum Prozessbevollmächtigten des Beklagten bestellt (§ 176 ZPO). Die Zustellung ist daher unwirksam (Senat, Beschl. v. 15.03.99 - 8 UF 51/99 -; ferner Baumbach/Lauterbach/Hartmann, ZPO, 56. Aufl., § 176 Rdn. 5 m. w. N.).

Rechtsanwalt R. H. hat dann aber mit Schriftsatz vom 15. April 1997 die Vertretung des Beklagten - im laufenden Klage- und Prozesskostenhilfeverfahren - angezeigt (Bl. 8). Daraufhin hat ihm das Familiengericht die Ladung zum Termin zur mündlichen Verhandlung vom 17. Juli 1997 zugestellt, in dem er für den Beklagten erschienen ist und sich mit der Gegenseite über die Einholung eines Sachverständigengutachtens in der Hauptsache verständigt hat. Mit seinem Verhalten, insbesondere mit der Vertretungsanzeige, hat Rechtsanwalt R. H. klar zu erkennen gegeben, dass er Prozessvollmacht des Beklagten besitzt (§ 80 Abs. 1 ZPO) und gegen die gerichtliche Verfahrensweise keine Einwendungen erhebt. Rechtsanwalt R. H. war zwar bis zum 31. Dezember 1999 beim Familiengericht noch nicht postulationsfähig (§ 78 Abs. 2 Satz 1 ZPO a. F.). Prozessvollmacht setzt jedoch keine Postulationsfähigkeit voraus (vgl. Zöller/Vollkommer, ZPO, 22. Aufl., § 80 Rdn. 1).

D. h., der Mangel der Zustellung vom 20. März 1997 wurde nachträglich durch Genehmigung seitens des Prozessbevollmächtigten R. H. geheilt (vgl. Baumbach/Lauter-bach/Hartmann, a. a. O., § 78 Rdn. 33).

Auch wenn man Rechtsanwalt R. H. nicht als Prozessbevollmächtigten des Beklagten ansieht, bevor er postulationsfähig geworden ist, trat er jedenfalls als Zustellungsbevollmächtigter des Beklagten auf (§ 175 ZPO). Die Rechtsanwalt R. H. erteilte Prozessvollmacht umfasste nämlich Zustellungsvollmacht (§ 176 ZPO). Rechtsanwalt R. H. hat also zumindest als Zustellungsbevollmächtigter des Beklagten die gerichtliche Verfahrensweise gebilligt und - konkludent - auf eine nochmalige Zustellung der Klageschrift verzichtet (vgl. Baumbach/Lauterbach/Hartmann, a. a. O., Übers. v. § 166, Rdn. 14).

Ein eventuell fehlender Wille von Rechtsanwalt R. H. , als Prozess- bzw. Zustellungsbevollmächtigter aufzutreten, ist angesichts des Verhaltens des Rechtsanwalts nicht von Bedeutung. Dies ergibt sich nicht zuletzt aus dem Grundsatz von Treu und Glauben (§ 242 BGB), der auch das Prozessrecht beherrscht und widersprüchliches Verhalten verbietet. D. h., der Zustellungsmangel wurde bis zum Termin vom 17. Juli 1997 - d. h. vor Ablauf der dreijährigen Verjährungsfrist - geheilt und die Klage rechtshängig (§ 253 Abs. 1, § 261 Abs. 1 und 2 ZPO). Damit trat auch - rechtzeitig - eine Unterbrechung der Verjährung ein (§ 209 BGB).

3. Der Zinsanspruch rechtfertigt sich unter dem Gesichtspunkt des Verzugs.

Die Berufung des Beklagten war demnach abweisungsreif. Die Nebenentscheidungen beruhen auf §§ 97, 708 Nr. 10 ZPO.

Ende der Entscheidung

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