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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Naumburg
Beschluss verkündet am 18.04.2005
Aktenzeichen: 8 UF 43/05
Rechtsgebiete: FGG


Vorschriften:

FGG § 50b
FGG § 52a Abs. 5 S. 2
FGG § 52a Abs. 5 S. 3
Ohne Bestellung eines Verfahrenspflegers ist auch eine teilweise Entziehung der elterlichen Sorge unzulässig.

Erst wenn das Vermittlungsverfahren durch Beschluss für erfolglos erklärt wurde - oder die Durchführung eines neuen Vermittlungsverfahrens abgelehnt wurde - sind weitere Maßnahmen zulässig.


OBERLANDESGERICHT NAUMBURG BESCHLUSS

8 UF 43/05 OLG Naumburg 8 WF 51/05 OLG Naumburg

In der Familiensache

betreffend den Umgang mit dem (am 21. September 2001 geborenen) Kind J. T. ,

hat der 2. Senat für Familiensachen des Oberlandesgerichts Naumburg durch den Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht Dr. Friederici und die Richter am Oberlandesgericht Wiedenlübbert und Bisping

am 18. April 2005

beschlossen:

Tenor:

Auf die Rechtsmittel der Kindesmutter und des Fachbereiches Kinder, Jugend und Familie der Stadt H. werden die Beschlüsse des Amtsgerichts - Familiengerichts - Halle-Saalkreis vom 01. Februar 2005 und vom 18. Februar 2005 aufgehoben. Die Sache wird zur weiteren Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Beschwerdeverfahrens, an das Familiengericht zurückverwiesen.

Der Geschäftswert beträgt EUR 3.000.

Gründe:

I.

Der Kindesvater begehrt von der Kindesmutter die Durchsetzung einer gerichtlichen Umgangsregelung. Das minderjährige Kind ist aus der nichtehelichen Lebensgemeinschaft der Kindeseltern hervorgegangen, so dass der Kindesmutter die alleinige elterliche Sorge zusteht.

Die gerichtliche Umgangsregelung hat der Kindesvater in einem Vorprozess erwirkt, nachdem ihm die Kindesmutter keinen Umgang mehr gewährt hat (Beschluss vom 24.06.04 - 23 F 1774/03 [UG] AG Halle-Saalkreis -).

Als die Kindesmutter auch die Durchführung der gerichtlichen Umgangsregelung verweigerte, hat der Kindesvater mit Schriftsatz vom 28. Juli 2004 die Durchführung eines gerichtlichen Vermittlungsverfahrens beantragt (§ 52a FGG). Dieses Verfahren erklärte das Familiengericht in der mündlichen Verhandlung vom 05. Oktober 2004 für erledigt, nachdem sich die Kindesmutter zur Erfüllung ihrer Verpflichtungen aus der gerichtlichen Umgangsregelung bereit erklärt hat.

Als die Kindesmutter - unter Berufung auf Erkrankungen des Kindes - auch in der Folge keinen Umgang gewährte, hat der Kindesvater mit Schriftsatz vom 05. Januar 2005 das vorliegende Verfahren eingeleitet, indem er beantragt hat,

1. der Kindesmutter aufzugeben, das Kind entsprechend der gerichtlichen Umgangsregelung vom 24. Juni 2004 jeden Freitag um 15.00 Uhr herauszugeben und ihr für den Fall der Zuwiderhandlung ein Zwangsgeld in Höhe von EUR 1.000 anzudrohen,

2. der Kindesmutter hinsichtlich der Gewährung des Umganges die elterliche Sorge zu entziehen und die Gewährung des Umganges einem Ergänzungspfleger zu übertragen.

Mit Beschluss vom 01. Februar 2005 gab das Familiengericht dem Antrag mit der Maßgabe statt, dass es den Fachbereich Kinder, Jugend und Familie der Stadt H. als Ergänzungspfleger eingesetzt hat. Mit einem weiteren Beschluss vom 18. Februar 2005 hat die Rechtspflegerin den Fachbereich zum Pfleger mit entsprechendem Wirkungskreis bestellt.

Gegen den Beschluss vom 01. Februar 2005 wendet sich die Kindesmutter mit der Beschwerde. Der Fachbereich der Stadt H. hat auch gegen den Beschluss vom 18. Februar 2005 Beschwerde eingelegt.

II.

1. Die Rechtsmittel sind zulässig.

a) Soweit sich die Kindesmutter gegen die Herausgabeverfügung (Ziffer 1 des angefochtenen Beschlusses; § 621 Abs. 1 Nr. 3 ZPO) und gegen die teilweise Entziehung der elterlichen Sorge (Ziffer 2 des angefochtenen Beschlusses; § 621 Abs. 1 Nr. 1 ZPO) beschwert, handelt es sich um eine - zulässige - befristete Beschwerde (§ 621e ZPO). Das Rechtsmittel der Kindesmutter gegen die Androhung des Zwangsgeldes (§ 33 Abs. 3 FGG) ist als einfache Beschwerde zulässig (§ 19 FGG; vgl. Keidel/Kuntze/Winkler/Zimmermann, FGG, 15. Auflage, § 33 Rn 25).

b) Der Fachbereich Kinder, Jugend und Familie der Stadt H. hat - zulässige - einfache Beschwerden eingelegt (§ 64 Abs. 3 S. 3 i.V.m. § 57 Abs. 1 Nr. 9 FGG; vgl. Keidel/Kunt-ze/Winkler/Weber a.a.O., § 64 Rn 37d). Er verfolgt mit seinen Beschwerden ein berechtigtes Interesse an der Wahrnehmung der Angelegenheit (§ 57 Ab. 1 Nr. 9 FGG), weil er zur Wahrnehmung der Interessen des Kindes berufen ist und die von ihm erstrebte praktikablere Sorge- und Umgangsregelung auch im Interesse des Kindes verlangt (vgl. Keidel/Kuntze/Wink-ler/Weber a.a.O., § 64 Rn 37d).

2. Die Rechtsmittel sind auch begründet, da die angefochtenen Beschlüsse vom 01. und 18. Februar 2005 verfahrensfehlerhaft zu Stande gekommen sind:

Einerseits hat das Familiengericht dem Kind - das es abweichend von § 50b FGG nicht persönlich angehört hat - vor der Entscheidung vom 01. Februar 2005 nämlich keinen Verfahrenspfleger bestellt. Ohne Bestellung eines Verfahrenspflegers war die teilweise Entziehung der elterlichen Sorge unzulässig. Denn eine solche Maßnahme setzt voraus, dass das Interesse des Kindes in einem erheblichen Gegensatz zu demjenigen seines gesetzlichen Vertreters steht (§ 50 Abs. 2 Nr. 1 FGG), weil eine Entziehung der elterlichen Sorge nur zum Wohle des Kindes zulässig ist (§ 1666 BGB; Keidel/Kuntze/Winkler/Engelhardt a.a.O., § 50 Rn 25 m.w.N.).

Andererseits hat das Familiengericht die Maßnahmen ergriffen (§ 52a Abs. 5 S. 2, 3 FGG), bevor es - mit gesondertem Beschluss - die Durchführung eines erneuten Vermittlungsverfahrens abgelehnt (§ 52a Abs. 1 S. 1 FGG) oder - nach dessen Durchführung - ein solches Verfahren für erfolglos erklärt hat (§ 52a Abs. 5 S. 1 FGG). Die Maßnahmen des Familiengerichts sind also verfrüht.

III.

Falls das Familiengericht eine weitere Vermittlung - mit gesondertem Beschluss - ablehnt, wird es sich, bevor es Maßnahmen nach § 52a Abs. 5 S. 2 und 3 FGG trifft, mit den Vorwürfen auseinanderzusetzen haben, die die Kindesmutter gegen den Kindesvater im Vorprozess erhoben hat (23 F 1774/03 [UG] AG Halle-Saalkreis). In jenem Prozess hat die Kindesmutter dem Kindesvater nur begleiteten Umgang gewähren wollen (§ 1684 Abs. 4 S. 3 BGB), weil - wegen Gewalttätigkeiten des Kindesvaters ihr gegenüber und der Absicht des Kindesvaters, das Kind nach Afrika zu entführen - das Kindseswohl gefährdet ist (vgl. Palandt/Diederich-sen, BGB, 64. Auflage, § 1684 Rn 21 f.).

Ende der Entscheidung

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