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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Naumburg
Beschluss verkündet am 17.07.2002
Aktenzeichen: 8 WF 111/02
Rechtsgebiete: FGG, ZPO


Vorschriften:

FGG § 15
ZPO § 373 ff.
Zwischenentscheidungen, die in die Rechte der Beteiligten eingreifen, sind grundsätzlich unmittelbar anfechtbar. Wird ein Dritter in einem Beweisbeschluss zur Mitwirkung verpflichtet, ist er nicht Beteiligter und seine Rechte ergeben sich aus den §§ 15 FGG, 373 - 401 ZPO.

Steht dem Zeugen nach § 384 ZPO ein Zeugnisverweigerungsrecht zu, kann er die Mitwirkung verweigern und gegen einen Beweisbeschluss Rechtsmittel einlegen.


OBERLANDESGERICHT NAUMBURG BESCHLUSS

8 WF 111/02 OLG Naumburg

In der Vaterschaftsanfechtungsangelegenheit

hat der 8. Zivilsenat - 2. Senat für Familiensachen - des Oberlandesgerichts Naumburg durch den Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht Dr. Friederici sowie die Richter am Oberlandesgericht Wiedenlübbert und Bisping am 17. Juli 2002 beschlossen:

Tenor:

Der Beschluss des Amtsgerichts Naumburg vom 29.10.2001 wird mit dem zu Grunde liegenden Verfahren aufgehoben und zur erneuten Entscheidung an das Amtsgericht zurückverwiesen.

Gründe:

Die zulässige Beschwerde gegen den Beweisbeschluss des Amtsgerichts Naumburg ist begründet. Die Zulässigkeit der Beschwerde ergibt sich aus den §§ 19 FGG, 388 ZPO. Grundsätzlich sind Verfügungen des Gerichts, die das Verfahren nicht abschließen, sondern lediglich vorbereitend für die Endentscheidung sind, eine Anfechtung durch das Rechtsmittel der Beschwerde entzogen. Dies gilt allerdings nur für solche Zwischenentscheidungen, die nicht in die Rechte der Beteiligten eingreifen (vgl. hierzu Keitel/Kunze/Winkler/Kahl, in Freiwillige Gerichtsbarkeit, 14. Aufl., § 19 Randziff. 9). Hier wird allerdings durch den Beweisbeschluss des Amtsgerichts in die Rechte des Beschwerdeführers eingegriffen, indem die Verpflichtung begründet wird, sich einer Blutgruppenuntersuchung, bzw. einer Blutentnahme zu unterziehen. Da der Beschwerdeführer nicht unmittelbar Beteiligter des vorliegenden Verfahrens ist, sondern allenfalls als Zeuge oder bzw. als Augenscheinsobjekt beteiligt ist, richten sich gemäß § 15 Abs. 1 FGG seine Rechte nach den §§ 373 - 401 ZPO. Danach kann gemäß den §§ 387, 388 ZPO über die Frage eines Zeugnisverweigerungsrechts ein Zwischenstreit über ein Zeugnisverweigerungsrecht mit abschließendem Urteil geführt werden. D. h., die Frage inwieweit ein Zeuge zur Mitwirkung verpflichtet ist, kann bereits vor der Endentscheidung durch Rechtsmittel überprüft werden. So liegt im Ergebnis auch der Sachverhalt hier. Bereits vor Erlass des angefochtenen Beweisbeschlusses hat der Beschwerdeführer seine Mitwirkung bei der Erstellung eines Blutgruppen- bzw. DNA-Gutachtens verweigert. Insoweit kann in der Entscheidung des Amtsgerichts auch eine Entscheidung über die Frage gesehen werden, inwieweit der Beschwerdeführer zur Mitwirkung verpflichtet ist. Diese Entscheidung ist dann gemäß § 19 FGG mit dem Rechtsmittel der Beschwerde anfechtbar.

Die Beschwerde ist auch begründet. Mangels Rechtsgrundlage war es dem Amtsgericht nicht gestattet, den Beschwerdeführer in den Beweisbeschluss mit einzubeziehen. Die Vorschrift des § 372 a ZPO ist hier nicht einschlägig. Danach kann lediglich in den Fällen der §§ 1600 c BGB und 1600 d BGB oder in anderen Fällen zur Feststellung der Abstammung die Entnahme von Blutproben angeordnet werden. Diese Blutprobenentnahme ist dann von jeder Person unter den weiteren in § 372 a ZPO genannten Voraussetzungen zu dulden. D. h., wenn im vorliegenden Verfahren Streitgegenstand die Feststellung wäre, dass der Beschwerdeführer der Vater der Antragstellerin ist, wäre der Beweisbeschluss gemäß § 372 a ZPO möglicherweise zutreffend erlassen. So liegt der Sachverhalt hier aber nicht, in diesem Verfahren ist lediglich festzustellen, ob der verstorbene Vater der Antragstellerin nicht deren leiblicher Vater ist. Insoweit kann sich eine Mitwirkungsverpflichtung des Beschwerdeführers nicht aus § 372 a ZPO ergeben.

Darüber hinaus steht dem Beschwerdeführer in seiner Funktion als Zeuge aus § 384 Ziff. 2 ZPO auch ein Zeugnisverweigerungsrecht zu. Danach kann ein Zeuge das Zeugnis über Fragen verweigern, deren Beantwortung ihm oder einem seiner im § 383 Nr. 1 - 3 ZPO bezeichneten Angehörigen zur Unehre gereichen kann. Die Frage, inwieweit der Zeuge durch eine möglicherweise gegebene Verbindung mit der Kindesmutter außerehelichen Intimverkehr gehabt haben könnte, betrifft nicht nur ihn, sondern auch seine Ehefrau, und könnte für den Fall der positiven Beantwortung ihn und seine Ehefrau dem Vorwurf der Unehre aussetzen.

Darüber hinaus scheint es auch fraglich, ob die Beweisanordnung des Amtsgerichts zweckmäßig ist. Nach einer Mitteilung des Instituts für Molekulargenetik und Vaterschaftsdiagnostik in Bremen lässt sich zweifelsfrei die Vaterschaft bezüglich der Antragstellerin durch ein Gutachten feststellen, bei dem die Antragstellerin, die Mutter der Antragstellerin und die leiblichen Geschwistern der Antragstellerin mit einbezogen werden. Dies zumindest dann, wenn die Vaterschaft bei den Geschwistern der Antragstellerin sicher feststeht und mindestens zwei Geschwister mit in die Untersuchung einbezogen werden. Diese Möglichkeit hat das Amtsgericht nicht in Betracht gezogen, obwohl dies bei dem vorliegenden Sachverhalt näher liegt als den völlig unbeteiligten Zeugen E. mit einzubeziehen. Letztlich bleibt zu bemerken, dass darüber hinaus wohl auch die Anfechtungsfrist nicht gewahrt sein dürfte. Nach dem Vortrag der Antragstellerin will sie zwar erst 1998 definitiv davon Kenntnis erhalten haben, dass der Beschwerdeführer ihr vermeintlicher Vater sei, aber aus ihrem gesamten Vortrag ergibt sich, dass sie bereits wesentlich früher konkrete Kenntnis von der Möglichkeit hatte, dass ihr Vater nicht ihr leiblicher Vater gewesen sein könnte. Hierbei ist zu beachten, dass maßgeblicher Zeitpunkt nicht die Kenntniserlangung vom Namen des möglicherweise in Betracht kommenden leiblichen Vaters, sondern die Kenntniserlangung von konkreten Hinweisen auf die Nichtvaterschaft ihres Vaters ist. Hierzu trägt die Antragstellerin u. a. vor, dass während der Empfängniszeit ihrer Mutter ihr Vater inhaftiert gewesen sei. Eine gleichwohl in diesem Zeitraum erfolgte Empfängnis hat dann nahezu zwingend den Schluss zur Folge, dass der inhaftierte Vater nicht der leibliche Vater sein kann. Auch trägt die Antragstellerin vor, dass bereits seit Jahren entsprechende Andeutungen sowohl von ihren Geschwistern als auch von ihrer Mutter erfolgt sind. D. h., bei einer Gesamtwürdigung der von ihr vorgetragenen Tatsachen sind konkrete Hinweise für die Nichtvaterschaft ihres Vaters schon seit Jahren bekannt.

Ende der Entscheidung

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