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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Naumburg
Beschluss verkündet am 04.04.2001
Aktenzeichen: 8 WF 20/01
Rechtsgebiete: RPflG, ZPO, FGG, GKG, KostO, BRAGO


Vorschriften:

RPflG § 11 n.F.
ZPO § 104
ZPO § 567
ZPO § 577
ZPO § 623 Abs. 3 a.F.
ZPO § 623 Abs. 1 Satz 1 a.F.
ZPO § 629 Abs. 1
ZPO § 623 Abs. 1 Satz 2
ZPO § 623 Abs. 2 Satz 2 n.F.
ZPO § 627
ZPO § 628
ZPO § 93 a
ZPO §§ 91 ff.
FGG § 13 a
GKG § 12 Abs. 2
KostO § 30 Abs. 2
KostO § 30 Abs. 3
BRAGO § 118 Abs. 1 Nr. 1
BRAGO § 118 Abs. 1 Nr. 2
BRAGO § 31 Abs. 1 Nr. 2
BRAGO § 33 Abs. 2
BRAGO § 31
BRAGO § 118
Wird ein Abtrennungsantrag nach § 623 Abs. 2 Satz 2 ZPO gestellt, ist die Abtrennung zu vollziehen; ein Prüfungsrecht steht dem Gericht nicht zu. Bisherige Prozesshandlungen und Beschlüsse wirken in dem neuen Verfahren fort; soweit z.B. Prozesskostenhilfe bewilligt worden war, verbleibt es hierbei. Nach Abtrennung ergeht im Verbund die Kostenentscheidung und Wertfestsetzung so, als wäre das abgetrennte Verfahren niemals im Verbund anhängig gewesen.

In dem abgetrennten Verfahren richtet sich die Kostenentscheidung und Wertfestsetzung nach den entsprechenden Verfahrensordnungen.


OBERLANDESGERICHT NAUMBURG BESCHLUSS

8 WF 20/01 OLG Naumburg 23 F 692/00 AG Halle-Saalkreis

In der Familiensache

Tenor:

Auf die sofortige Beschwerde der Antragstellerin wird der Kostenfestsetzungsbeschluss des Amtsgerichts -Familiengerichts - Halle-Saalkreis vom 29. Dezember 2000 aufgehoben und die Sache zur erneuten Entscheidung -auch über die Kosten des Beschwerdeverfahrens- an das Familiengericht zurückverwiesen.

Der Beschwerdewert beträgt DM 417,60.

Gründe:

I.

Mit Schriftsatz vom 13. Januar 1998 hat der Antragsgegner die Scheidung der mit der Antragstellerin eingegangenen Ehe begehrt. Die Antragstellerin hat mit Schriftsatz vom 18. Februar 2000 begehrt, ihr die elterliche Sorge für das Kind S. , geb. am 13. Juni 1989, zu übertragen. Im Verlauf der mündlichen Verhandlung vom 22. Februar 2000 haben die Prozessbevollmächtigten beider Parteien beantragt, das Sorgerechts- von dem Verbundverfahren abzutrennen (§ 623 Abs. 2 Satz 2 ZPO). Dem hat das Familiengericht mit dem Scheidungsurteil vom selben Tag entsprochen und eine neue Akte mit neuem Aktenzeichen angelegt. Nachdem der Antragsgegner mit Schriftsatz vom 01. März 2000 begehrt hat, den Sorgerechtsantrag zurückzuweisen, hat die Antragstellerin den Antrag mit Schriftsatz vom 14. Juni 2000 zurückgenommen. Daraufhin hat ihr das Familiengericht mit Beschluss vom 24. August 2000 die Kosten des Sorgerechtsverfahrens auferlegt.

Mit dem angefochtenen Kostenfestsetzungsbeschluss vom 29. Dezember 2000 hat das Familiengericht die dem Antragsgegner zu erstattenden außergerichtlichen Kosten - bei einem Geschäftswert von DM 5.000,-- - antragsgemäß auf DM 714,56 festgesetzt. Gegen diese Entscheidung wendet sich die Antragstellerin mit der sofortigen Beschwerde, mit der sie geltend macht, das Familiengericht habe nur eine 7,5/10 Gebühr nach § 118 Abs. 1 Nr. 1 BRAGO - nebst Auslagen nach §§ 25, 26 BRAGO - festsetzen dürfen.

II.

Die nach § 11 RPflG n.F. in Verbindung mit §§ 104, 567, 577 ZPO zulässige sofortige Beschwerde der Antragstellerin hat Erfolg.

1.a) Nach dem bis zum 30. Juni 1998 geltenden Recht wurde der Grundsatz, dass das Familiengericht mit der Scheidung gleichzeitig über sämtliche antragsunabhängigen (§ 623 Abs. 3 ZPO a.F.) und antragsabhängigen Folgesachen, soweit anhängig gemacht, entscheiden muss (§ 623 Abs. 1 Satz 1 ZPO a.F., § 629 Abs. 1 ZPO), nur durchbrochen, falls in einer unterhalts- oder güterrechtlichen Folgesache ein Dritter Verfahrensbeteiligter wurde (§ 623 Abs. 1 Satz 2 ZPO) oder Folgesachen nach §§ 627, 628 ZPO abgetrennt wurden. Durch diese - nach wie vor gegebenen - Abtrennungsmöglichkeiten werden die abgetrennten Folgesachen nicht zu selbständigen Familiensachen. Das gilt auch für den Fall des § 623 Abs. 1 Satz 2 ZPO, falls keine Klageänderung mit der Maßgabe erfolgt, die Folgesache als selbständige Sache fortzuführen (vgl. Zöller/Philippi, ZPO, 22. Aufl., § 623 Rdn. 32 c). Die Abtrennung bewirkt nur, dass Entscheidungen in den abgetrennten Verfahrensteilen nicht mit der Gesamtverbundentscheidung nach § 629 Abs. 1 ZPO, sondern zeitlich versetzt getroffen werden. Die Kostenentscheidung richtet sich weiterhin nach § 93 a ZPO, und auch die Wertfestsetzung hat entsprechend den Verbundvorschriften zu erfolgen.

Mit dem am 01. Juli 1998 in Kraft getretenen Gesetz zur Reform des Kindschaftsrechts (KindRG; BGBl. I, S. 2942) hat der Grundsatz der einheitlichen Entscheidung (§ 629 Abs. 1 Satz 1 ZPO n.F., § 629 Abs. 1 ZPO) eine weiterreichende Durchbrechung erfahren. Nun mehr muss das Familiengericht bestimmte Folgesachen - unabhängig von den Voraussetzungen nach §§ 623 Abs. 1 Satz 2, 627 und 628 ZPO - auf Antrag eines Ehegatten abtrennen (§ 623 Abs. 2 Satz 2 ZPO n.F.). Dabei steht dem Familiengericht kein Prüfungsrecht zu. Die Abtrennung hat sofort - durch Beschluss - zu erfolgen. Diese Abtrennung hat zur Folge, dass das abgetrennte Verfahren nicht mehr Teil des Scheidungsverbundes ist, sondern als selbständige Familiensache fortgeführt wird (§ 623 Abs. 2 Satz 4 ZPO n.F., 1. Halbs.). D.h., einerseits wird das betreffende Verfahren unter einem neuen Aktenzeichen geführt. Andererseits wird das bisherige Verfahren nicht ignoriert, sondern Prozesshandlungen und Beschlüsse aus dem Scheidungsverbund wirken fort. Soweit z.B. für den jeweiligen Verfahrensantrag Prozesskostenhilfe bewilligt wurde (§ 624 Abs. 2 ZPO), verbleibt es hierbei, denn mit der Abtrennung verliert das Verfahren ausschließlich seine Eigenschaft als Teil des Scheidungsverbundes. In diesem Sinne wird es modifiziert. Im Hinblick darauf ist über die Kosten des isolierten Verfahrens - abweichend von § 93 a ZPO - gesondert zu entscheiden (§ 623 Abs. 2 Satz 4 ZPO n.F., 2. Halbs., i.V.m. § 626 Abs. 2 Satz 3 ZPO). Dies bedeutet, dass die Kostenentscheidung so zu erfolgen hat, als wäre das abgetrennte Verfahren niemals im Verbund anhängig gewesen. In zivilprozessualen Folgesachen richtet sich die Kostenentscheidung mithin nach §§ 91 ff. ZPO, in Sachen der freiwilligen Gerichtsbarkeit nach § 13 a FGG. Entsprechend ist bei der Festsetzung des Streit- bzw. Geschäftswerts zu verfahren (vgl. Zöller/Philippi, a.a.O., § 626 Rdn. 12 unter Bezugnahme auf OLG München, OLG-Report 1999, 205; FamRefK/Hoffmann, § 623 ZPO Rdn. 22).

b) Im vorliegenden Fall ist das Sorgerechtsverfahren betreffend das Kind S. sofort nach entsprechender Antragstellung am 22. Februar 2000 abgetrennt worden. Die Abtrennung ist mit dem Scheidungsurteil vom 22. Februar 2000 erfolgt. In dieser Entscheidung ist ein Beschluss nach § 623 Abs. 2 Satz 2 ZPO n.F. zu sehen. Nach der Abtrennung wurde für das Sorgerechtsverfahren eine neue Akte mit neuem Aktenzeichen angelegt und die Sache als selbständige Familiensache fortgeführt. Nach der Rücknahme des Sorgerechtsantrags wurde mit Beschluss vom 24. August 2000 über die Kosten so entschieden, als sei das Sorgerechtsverfahren niemals im Verbund gewesen (§ 13 a FGG). In dem angefochtenen Kostenfestsetzungsbeschluss wurde auch zutreffend von einem Geschäftswert von DM 5.000,-- (§ 30 Abs. 2, 3 KostO) - und nicht von dem Wert von DM 1.500,-- (§ 12 Abs. 2 GKG) für eine Verbundsache - ausgegangen (vgl. OLG München, a.a.O.).

2. Ausgehend von diesem Wert ist für den Prozessbevollmächtigten des Antragsgegners eine Geschäftsgebühr nach § 118 Abs. 1 Nr. 1 BRAGO - zuzüglich Auslagen nach §§ 25, 26 BRAGO - entstanden, deren Erstattung die Antragstellerin schuldet. Denn der Bevollmächtigte ist für den Antragsgegner tätig geworden und hat mit Schriftsatz vom 01. März 2000 den Antrag auf Zurückweisung des Sorgerechtsantrags der Antragstellerin gestellt. Die Festsetzung einer 10/10-Gebühr hält der Senat allerdings nicht für angemessen, da das Sorgerechtsverfahren keinen besonders schwierigen Fall betraf, wie sich nicht zuletzt an der kurzfristigen Rücknahme des Sorgerechtsantrags zeigt.

Entsprechendes gilt für die Besprechungsgebühr nach § 118 Abs. 1 Nr. 2 BRAGO, die abweichend von der Auffassung der Antragstellerin angefallen ist. Insofern kann dahingestellt bleiben, ob die Prozessbevollmächtigten im Termin vom 22. Februar 2000 zum Sorgerechtsverfahren verhandelt oder die Sache erörtert haben. Die Besprechungsgebühr des Prozessbevollmächtigten des Antragsgegners ist jedenfalls dadurch entstanden, dass der Bevollmächtigte den Antrag auf Abtrennung des Sorgerechtsverfahrens (§ 623 Abs. 2 Satz 1 ZPO n.F.) gestellt hat. Die Stellung eines Antrags zur Prozess- und Sachleitung genügt, um die Gebühr nach § 118 Abs. 1 Nr. 2 BRAGO auszulösen, da diese Gebühr der Verhandlungsgebühr nach § 31 Abs. 1 Nr. 2 BRAGO vergleichbar ist und die Verhandlungsgebühr ebenfalls entsteht, wenn ein Antrag zur Prozess- und Sachleitung gestellt wird, wie die Regelung zu § 33 Abs. 2 BRAGO zeigt (vgl. Gerold/Schmidt/Madert, BRAGO, 14. Aufl., § 118 Rdn. 8). Dass die Antragstellung vor der Abtrennung des Sorgerechtsverfahrens erfolgte, ist unschädlich, wie sich aus der Fortwirkung der Prozesshandlungen aus dem Scheidungsverbund ergibt (§ 623 Abs. 2 Satz 4 ZPO n.F., 1. Halbs.). Mit der Abtrennung hat das Verfahren lediglich seine Eigenschaft als Teil des Scheidungsverbundes verloren. D.h., über die festzusetzenden Gebühren ist so zu befinden ist, als wäre das Sorgerechtsverfahren von Anfang an selbständig betrieben worden. Die festzusetzenden Gebühren richten sich daher - unabhängig von ihrem Entstehungszeitpunkt - nicht nach § 31 BRAGO, sondern nur nach § 118 BRAGO.



Ende der Entscheidung

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