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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Naumburg
Beschluss verkündet am 25.02.2002
Aktenzeichen: 8 WF 251/01
Rechtsgebiete: ZPO


Vorschriften:

ZPO § 649
ZPO § 650
ZPO § 654
ZPO § 645 Abs. 1
ZPO § 645 Abs. 2
ZPO § 647 Abs. 1
ZPO § 648 Abs. 1
ZPO § 648 Abs. 2
ZPO § 651 Abs. 1
Der Senat bestätigt seine Rechtsprechung, nach der eine anderweitige Titulierung von Unterhaltsansprüchen zur Unzulässigkeit des vereinfachten Verfahrens führt.
OBERLANDESGERICHT NAUMBURG BESCHLUSS

8 WF 251/01 OLG Naumburg

In dem Rechtsstreit

hat der 8. Zivilsenat - 2. Familiensenat - des Oberlandesgerichts Naumburg durch die unterzeichnenden Richter am 25. Februar 2002 beschlossen:

Tenor:

Der Unterhaltsfestsetzungsbeschluss des Amtsgerichts Halle-Saalkreis vom 29.10.2001 wird abgeändert und der Antrag auf Unterhaltsfestsetzung verworfen.

Die Kosten des Verfahrens trägt der Antragsgegner.

Gründe:

Am 13.06.2001 beantragte die Antragstellerin für den am 18.05.1985 geborenen gemeinsamen Sohn von ihr und dem Antragsgegner die Festsetzung von Unterhalt für den Zeitraum ab Februar 2001 in Höhe von 148 % der Regelbetragsverordnung abzüglich anteiligem Kindergeld gemäß § 645 Abs. 1 ZPO.

Das Amtsgericht stellte dem in der Antragsschrift benannten Prozessbevollmächtigten des Antragsgegners den Antragsschriftsatz gegen Empfangsbekenntnis zu. Der Prozessbevollmächtigte des Antragsgegners teilte unter dem 06.08.2001 mit, dass der Antragsgegner am 02.08.2001 bei dem Jugendamt des Landkreises S. eine Urkunde des Inhalts errichten ließ, worin er sich verpflichtet, an den gemeinsamen Sohn der Parteien für die Zeit vom 01.02.2001 bis 30.06.2001 Unterhalt in Höhe von monatlich 493,00 DM und ab dem 01.07.2001 in Höhe von 509,00 DM monatlich im voraus zahlen werde.

Das Amtsgericht hat danach durch den angefochtenen Beschluss den Unterhalt wie folgt festgesetzt: Der Antragsgegner hat an die Antragstellerin für das Kind C. R. Unterhalt in Höhe von 148 % gem. § 2 der Regelbetragsverordnung vom 01.06.2001 an zu zahlen. Hierbei sind 135,00 DM anteilige kindbezogene Leistungen abzuziehen.

Hiergegen hat der Antragsgegner Beschwerde eingelegt, weil er der Auffassung ist, dass das Unterhaltsfestsetzungsverfahren gem. § 645 Abs. 2 ZPO im vorliegenden Fall nicht durchgeführt werden dürfe. Dies ergebe sich daraus, dass der Antragsgegner vor Erlass des Unterhaltsfestsetzungsbeschlusses durch das Amtsgericht bereits einen vollstreckbaren Titel am 02.08.2001 habe errichten lassen.

Die zulässige Beschwerde ist begründet. Gem. § 645 Abs. 2 ZPO ist im vorliegenden Fall das vereinfachte Unterhaltsfestsetzungsverfahren nicht statthaft.

Zutreffend hat das Amtsgericht gem. § 647 Abs. 1 ZPO dem Prozessbevollmächtigten des Antragsgegners den Antragsschriftsatz gegen Empfangsbekenntnis zugestellt. Der Übersendung einer beglaubigten Abschrift des Antrages bedurfte es nicht, gem. § 647 Abs. 1 ZPO soll die Zustellung entweder des Antrages selbst oder durch eine Mitteilung über dessen Inhalt erfolgen. Letzteres ist hier durch die Zustellung geschehen. Die Zustellung an den Prozessbevollmächtigten des Antragsgegners ist korrekt. Der Antrag war mithin am 09.07.2001 rechtshängig.

Zu diesem Zeitpunkt war die Durchführung des vereinfachten Unterhaltsfestsetzungsverfahrens auch noch zulässig. Dies bedeutet aber nicht, dass die weitere Durchführung des vereinfachten Verfahrens nicht unzulässig werden kann. Bei der Frage der Statthaftigkeit eines Verfahrens handelt es sich um eine Entscheidungsvoraussetzung, die nicht nur zum Zeitpunkt der Einleitung des Verfahrens, sondern auch noch zum Zeitpunkt der Entscheidung vorliegen muss. Dies war gerade zum Zeitpunkt der Beschlussfassung nicht mehr der Fall. Gem. § 645 Abs. 2 ZPO ist das vereinfachte Verfahren unstatthaft, soweit über den Unterhaltsanspruch des Kindes ein zur Zwangsvollstreckung geeigneter Schuldtitel errichtet worden ist. Hier hat der Antragsgegner durch seine Erklärung gegenüber dem Jugendamt des Landkreises S. eine vollstreckbare Urkunde über seine Unterhaltsverpflichtung errichten lassen. Mithin lag zum Zeitpunkt der Entscheidung durch das Amtsgericht ein zur Zwangsvollstreckung geeigneter Schuldtitel bezüglich der hier streitgegenständlichen Unterhaltsforderung bereits vor. Schon aus dem Umstand, dass die Frage der Leistungsfähigkeit des Unterhaltsschuldners im vereinfachten Verfahren grundsätzlich gemäß § 648 Abs. 1, 2; 649, 650 ZPO ausgeklammert ist und für den Fall, dass der Unterhaltsschuldner sich formal korrekt auf eingeschränkte oder mangelnde Leistungsfähigkeit beruft, lediglich ein Beschluss über den "unstreitigen" Teil der Unterhaltsforderung ergeht, ergibt sich, dass Sinn und Zweck des vereinfachten Unterhaltsfestsetzungsverfahrens lediglich ist, dem Unterhaltsschuldner die Möglichkeit zu geben, erstmalig in einem formalen, einfachen Verfahren seinen Unterhaltsanspruch titulieren zu lassen. Eine inhaltliche Auseinandersetzung über die Höhe des Unterhaltsanspruchs erfolgt nur bei Überleitung des vereinfachten Verfahrens ins streitige Verfahren oder durch die Erhebung der Abänderungsklage gem. § 654 ZPO. Damit korrespondiert dann auch die Regelung des § 645 Abs. 2 ZPO, nach der die Durchführung des vereinfachten Verfahrens unzulässig ist, bzw. wird, sobald ein zur Zwangsvollstreckung geeigneter Titel vorliegt. Nur durch diese Regelung lässt sich die Gefahr einer Doppeltitulierung vermeiden (vgl. hierzu OLG Naumburg, 3 WF 75/99 in OLG-R 2000, 20 = FamRZ 2000, 431). Die Ansicht, dass dann der Unterhaltsschuldner durch Titulierung eines geringeren Unterhaltsbetrages als beantragt, das vereinfachte Verfahren unterlaufen könnte, überzeugt nicht. Diese Möglichkeit hat er nämlich auch innerhalb des vereinfachten Verfahrens, indem er gemäß § 648 Abs. 2 ZPO einen Teil der Forderung anerkennt und im übrigen formal korrekt den Einwand der Leistungsunfähigkeit erhebt. Auch dann darf nur über den anerkannten Teil ein Beschluss ergehen, der Unterhaltsgläubiger hat dann nur die Möglichkeit ins streitige Verfahren zu wechseln um einen Titel in der von ihm begehrten Höhe zu erlangen. Ebenso verhält es sich, wenn ein Titel -gleich welcher Höhe- vor Einleitung des vereinfachten Verfahrens geschaffen wurde. Dies bedeutet, dass gemäß § 645 Abs. 2 ZPO das vereinfachte Verfahren unzulässig wird, wenn vor Entscheidung ein zur Zwangsvollstreckung geeigneter Titel vorliegt. Der für diesen Fall an sich gebotenen Antragsverwerfung kann der Antragsteller dann durch den Antrag auf Überleitung ins streitige Verfahren gem. § 651 Abs. 1 ZPO für den Fall, dass der inzwischen errichtete Titel nicht der von ihm beantragten Unterhaltshöhe entspricht, vermeiden. Dem Unterhaltsschuldner steht dann bereits ein zur Zwangsvollstreckung geeigneter Titel zur Verfügung und die Frage der Unterhaltshöhe bzw. Leistungsfähigkeit des Unterhaltsschuldners wird dann in einem gerichtlichen Verfahren geklärt. Darüber hinaus bestünde auch die Möglichkeit der Erledigungserklärung. Da von der Antragstellerin keine der beiden eben genannten Varianten gewählt worden ist, war der Antrag unter Abänderung der amtsgerichtlichen Entscheidung als unzulässig zu verwerfen.

Die Kostentragungspflicht des Antragsgegners ergibt sich vorliegend daraus, dass er bereits vor Antragstellung durch die Antragstellerin nicht nur in der beantragten Unterhaltshöhe in Verzug gesetzt worden ist, sondern auch ausdrücklich aufgefordert wurde, über den verlangten Betrag eine Unterhaltsurkunde, kostenlos beim Jugendamt zu errichten, herzureichen. Mithin hat der Antragsgegner dadurch, dass er bis zum Zeitpunkt der Antragstellung und auch Rechtshängigkeit des Antrages eine entsprechende Urkunde nicht hergereicht hat, Anlass zur Einleitung des Verfahrens gegeben und ist deshalb auch zur Kostentragung verpflichtet.

Ende der Entscheidung

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