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Gericht: Oberlandesgericht Naumburg
Beschluss verkündet am 19.12.2005
Aktenzeichen: 8 WF 252/05
Rechtsgebiete: ZPO, BGB


Vorschriften:

ZPO § 93d
ZPO § 323
ZPO § 644
BGB § 1612a
BGB § 1613
Der Gläubiger kann bezogen auf den Zeitpunkt der ersten Verurteilung zum Unterhalt eine Nachforderungsklage erheben, wenn er sich im Erstverfahren dies - in der Begründung der Klage - vorbehalten hat (BGH NJW 1985, 1701; BGH NJW-RR 1987, 642; BGH FamRZ 1987, 368). Erfolgt kein Vorbehalt, spricht die Vermutung gegen eine Teilklage (BGH FamRZ 2003, 444).

Im Gegensatz zur Ergänzungsklage, die sich auf eine Erhöhung des titulierten Anspruchs zu unveränderten Fälligkeitszeitpunkten bei gleichgebliebenen, aber jetzt erst bekannt gewordenen Umständen gründet, setzt die Abänderungsklage (§ 323 ZPO) die Veränderung der Grundlagen voraus und geht deshalb grundsätzlich von einem späteren Einsatzzeitpunkt für die erhöhte Leistungspflicht aus.


OBERLANDESGERICHT NAUMBURG BESCHLUSS

8 WF 252/05 OLG Naumburg

Naumburg, den 19.12.2005

In der Familiensache

Tenor:

Die sofortige Beschwerde der Klägerin und Beschwerdeführerin wird auf ihre Kosten zurückgewiesen.

Gründe:

Mit außergerichtlichem Schreiben vom 23.05.2005 mit Frist zum 06.06.2005 hat der Prozessbevollmächtigte den Beklagten aufgefordert, neben der begehrten Auskunft auch Kindesunterhalt in Höhe von mtl. 378 Euro zu zahlen. Er hat sich ausdrücklich vorbehalten, höheren Unterhalt zu fordern, sofern dies aufgrund der Auskunft sich ergeben sollte (Teilklage). Mit Klage vom 24.06.2005 hat die Klägerin in Prozessstandschaft Unterhalt für beide Kinder in Höhe von jeweils 100 % des Regelbetrages (Ost) begehrt und auch diese Forderung als Teilklage begründet. Gleichzeitig wurde eine einstweilige Anordnung in gleicher Höhe beantragt.

Unter dem 12.07.2005 hat der Beklagte für jedes Kind Unterhalt in Höhe von 123,7 % des Regelbetrages (Ost) beim Jugendamt anerkannt. Für das Hauptsacheverfahren hat das Familiengericht am 09.11.2005 Prozesskostenhilfe verweigert und der Beschwerde nicht abgeholfen.

Die zulässige Beschwerde ist nicht begründet.

Es entspricht der ständigen Rechtsprechung, dass nach der rechtskräftigen Verurteilung zu laufenden Unterhaltsleistungen eine Mehrforderung nur unter den besonderen Voraussetzungen des § 323 ZPO zulässig ist, wenn nicht ausnahmsweise im Erstverfahren eine Teilklage erhoben war 1.

Schon 1985 hat der BGH 2 festgestellt, dass ein Ehegatte, der vorbehaltlos seinen Unterhalt eingeklagt und zugesprochen erhalten hat, den - vergessenen - Vorsorgeunterhalt nur im Wege einer späteren Abänderungsklage für die weitere Zukunft erlangen kann. Hat er jedoch seinen Anspruch ausdrücklich nur auf den Barunterhalt beschränkt und sich die Geltendmachung des Kranken- und Vorsorgeunterhalts vorbehalten, steht ihm die Zusatz- oder Nachforderungsklage zu. Dies hat zur Folge, dass ein Unterhaltsgläubiger nicht gezwungen ist, im Wege der Stufenklage die Auskunft und als Folge hiervon die Leistung zu verlangen. Vielmehr kann er sich beim Kindesunterhalt der verfahrenserleichternden Beweislastverteilung zu eigen machen und 100 % des Regelbetrages einklagen und sich ausdrücklich vorbehalten, im Wege der Zusatzklage eine Mehrforderung geltend zu machen, wenn Tatsachen bekannt werden sollten, die einen höheren Anspruch begründen. Der Gläubiger kann nach Erlangung der Ersttitulierung seinen Auskunftsanspruch durchsetzen und - damit in einem Folgerechtsstreit - den weiteren Unterhaltsbetrag danach geltend machen. Interessant ist die Möglichkeit der Teilklage insbesondere auch dann, wenn der Unterhaltspflichtige selbständig ist und z. B. Bilanzen, Gewinn- und Verlustrechnungen und auch Steuererklärung und Steuerbescheid immer erst mit erheblicher zeitlicher Verzögerung offenzulegen in der Lage ist - oder dies zumindest behauptet. Die Geltendmachung eines Grundbetrages mit dem ausdrücklichen Vorbehalt der Nachforderung verhindert und ergänzend sollte vom Schuldner ein Verzicht auf die Verjährungseinrede rechtzeitig verlangt werden, damit er letztlich nicht doch Nutznießer seiner verzögerten Auskunft wird. Auch beim Zugewinnausgleich kann eine Teilforderung eingeklagt werden - wenn sie bestimmbar ist und in dieser Höhe auf jeden Fall besteht - und eröffnet die Möglichkeit einer Nachforderungsklage BGH in FamRZ 1994, 3165), die Verjährungsfristen müssen aber auch hier besonders beachtet werden (BGH in NJ 2002, NJ 2002, 595 mit Anmerkung Friederici). In seiner Entscheidung vom 27.11.2002 (BGH FamRZ 2003, 444) führt der BGH ausdrücklich aus: "Im Unterhaltsrecht spricht die Vermutung gegen eine Teilklage. Für die Annahme einer Teilklage ist deshalb zu fordern, dass der Kläger entweder ausdrücklich einen Unterhaltsteilanspruch geltend macht oder sich wenigstens erkennbar eine Nachforderung von Unterhalt vorbehält".

Die Klägerin hat in zulässiger Weise Leistungsklage erhoben und sowohl im Wege des einstweiligen Rechtsschutzes als auch in der Hauptsache Unterhalt in Höhe von 100 % des Regelbetrages (Ost) begehrt und sich eine Ergänzungsklage vorbehalten, sollte sich ergeben, dass höherer Unterhalt geschuldet wird (zur Teilklage vgl. BGH in NJW 1985, 1701; ders. FamRZ 1987, 368). Durch das Anerkenntnis des Beklagten, das über die Klageforderung hinausgeht, ist das Rechtsschutzinteresse der Klägerin an einer Titulierung in Höhe von 100 % des Regelbetrages entfallen, denn der begehrte Betrag ist niedriger als der anerkannte Betrag und Wert. Ob der anerkannte Unterhalt zutreffend ist vermag der Senat nicht zu entscheiden. Entscheidend ist aber, dass die Klägerin durch das Anerkenntnis klaglos gestellt ist. Ob der Beklagte höheren Unterhalt schuldet ist im anhängigen Verfahren nicht Gegenstand der Prüfung. Die Klägerin hat auch kein Rechtsschutzinteresse an einer Titulierung durch Urteil in Höhe von 100 % (Ost). Richtig ist zwar, dass nach § 323 ZPO die Abänderung eines Urteils für den Schuldner anders geregelt ist als für sonstige Urkunden. Eine Herabsetzung der Verpflichtung auf Antrag des Gläubigers ist in § 323 ZPO aber nicht vorgesehen. Das Anerkenntnis des Schuldners entspricht auch der Rechtswahl der Klägerin, die zwar außergerichtlich noch Beträge begehrt hat, mit der Klage aber Unterhalt nach § 1612a BGB begehrt. Der Beklagte ist auch außergerichtlich nicht zu einer Titulierung aufgefordert worden. Er hat unmittelbar nach Zustellung des Antrages nach § 644 ZPO beim Jugendamt die Urkunden errichtet (§§ 59, 60 SGB 8). Sein Anerkenntnis ist insoweit als sofortiges Anerkenntnis zu werten. Zwar ist er hinsichtlich der Zahlung möglicherweise in Verzug geraten, nicht jedoch hinsichtlich der Titulierung.

Der Senat weist vorsorglich darauf hin, dass die Teilklage - wie hier erhoben - nach Anerkenntnis eines Unterhaltes nur dann noch einen Sinn haben kann, wenn der mit der Klage geforderte Betrag oder Wert über dem anerkannten Betrag liegt. Der Gläubiger von Unterhalt kann, das sei abschließend bemerkt, gestützt auf die Beweislastregel 100 % begehren, um in einem späteren Verfahren ggf. weiteren Unterhalt geltend zu machen. Er kann aber auch im Wege der Stufenklage seine Ansprüche geltend machen und mit Hilfe der Beweislastregel zunächst eine Titulierung im Wege des vorläufigen Rechtsschutzes begehren. In allen Fällen sollte der Gläubiger aber neben den Verzugsregeln des § 1613 BGB auch beachten, dass auch hinsichtlich der Titulierung eine fristgebundene Aufforderung an den Schuldner ergeht, damit eine spätere Klage nicht nach Maßgabe des § 93d ZPO unterlaufen werden kann.

Ende der Entscheidung

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