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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Naumburg
Beschluss verkündet am 25.04.2001
Aktenzeichen: 8 WF 70/01
Rechtsgebiete: ZPO, SGB VIII, KindUG, BGB


Vorschriften:

ZPO § 794
ZPO § 794 Abs. 1 Ziffer 5
ZPO § 323
SGB VIII § 60
KindUG § 3
KindUG § 3 Abs. 1
KindUG § 3 Abs. 1 Satz 1
KindUG § 3 Abs. 1 Satz 3
BGB § 1612a n.F.
BGB § 1612 b n.F.
BGB § 1615 g a.F.
BGB § 1615 f a.F.
BGB § 1612 c n.F.
Im vereinfachten Verfahren hat der Beistand nachzuweisen, dass er wirksam bevollmächtigt ist.
OBERLANDESGERICHT NAUMBURG BESCHLUSS

8 WF 70/01 OLG Naumburg 2 FH 9/00 AG Sangerhausen

In der Unterhaltssache

Tenor:

Auf die sofortige Beschwerde des Antragsgegners wird der Beschluss des Amtsgerichts - Familiengerichts - Sangerhausen vom 23. Februar 2001 aufgehoben und die Sache zur weiteren Verhandlung an das Familiengericht zurückverwiesen.

Beschwerdewert: DM 4.704,--.

Gründe:

I.

Das Kreisjugendamt S. begehrt die Umstellung eines Unterhaltstitels mit der Maßgabe, dass künftig eine Anrechnung von Kindergeld unterbleiben soll.

Mit Urkunde des Kreisjugendamts vom 05. Februar 1991 verpflichtete sich der Antragsgegner, seinem am 02. Dezember 1990 geborenen Kind C. B. eine monatliche Unterhaltsrente von DM 130,-- zu zahlen. Mit Urkunde des Kreisjugendamts vom 07. November 1995 wurde der Titel dahin abgeändert, dass der Antragsgegner anerkannte, seinem Kind - nach Anrechnung eines hälftigen monatlichen Kindergelds von DM 35,-- - folgenden monatlichen Regelunterhalt zu schulden:

während der 1. Altersstufe DM 227,--

während der 2. Altersstufe DM 282,--

und während der 3. Altersstufe DM 341,--.

Mit Schriftsatz vom 19. Dezember 2000 beantragte das Jugendamt - als Beistand des Kindes - im vereinfachten Verfahren die Umstellung des Titels vom 07. November 1995 dahingehend, dass ab 01. Januar 2001 - ohne Anrechnung von Kindergeld - 100 % der Beträge nach § 2 Regelbetrag-Verordnung für die jeweilige Altersstufe gezahlt werden sollen (Art. 5 § 3 KindUG; Art. 4 § 2 des Gesetzes zur Ächtung von Gewalt in der Erziehung und zur Änderung des Kindesunterhaltsrechts). Die Rechtspflegerin setzte den Antragsgegner mit Verfügung vom 09. Januar 2001 von dem Antrag formlos in Kenntnis. Mit Beschluss vom 23. Februar 2001 gab sie dem Begehren antragsgemäß mit Wirkung vom 01. Januar 2001 statt.

II.

Der Beschluss hält der statthaften (Art. 5 § 3 Abs. 2 KindUG, § 652 ZPO) und zulässigen sofortigen Beschwerde des Antragsgegners (§§ 569, 577 ZPO) nicht stand.

1. Der Beschluss ist bereits verfahrensfehlerhaft zu Stande gekommen, da die Rechtspflegerin nicht geprüft hat, ob das Kreisjugendamt - als Beistand des Kindes - zur Geltendmachung des Unterhaltsanspruchs befugt ist (§ 53 a ZPO). Letzteres wäre nur der Fall, wenn ein Elternteil bei dem - örtlich zuständigen - Kreisjugendamt einen entsprechenden Antrag gestellt hat (§ 1712 Abs. 1 Nr. 2 BGB).

Abgesehen davon wurde der Antragsgegner von dem Antrag vom 19. Dezember 2000 nur formlos in Kenntnis gesetzt. Der Antrag wurde ihm nicht - wie gesetzlich vorgeschrieben - förmlich zugestellt (Art. 5 § 3 Abs. 2 KindUG [BGBl. 1998, Teil I, S. 666 ff.], § 647 Abs. 1 ZPO).

2. Darüber hinaus weist der angefochtene Beschluss auch inhaltliche Mängel auf, da die Entscheidung sachlich-rechtlich mit Art. 5 § 3 KindUG unvereinbar ist:

a)aa) Nach Art. 5 § 3 Abs. 1 KindUG dürfen Unterhaltstitel im Sinne von § 794 ZPO, die aus der Zeit vor dem 01. Juli 1998 stammen - dazu zählt der Alttitel des Kreisjugendamts vom 07. November 1995 (§ 60 SGB VIII, § 794 Abs. 1 Ziffer 5 ZPO) - , im vereinfachten Verfahren nur auf das seit dem 01. Juli 1998 geltende neue Recht (§§ 1612a BGB n.F.) umgestellt (transformiert) werden, d.h., der nach dem Alttitel - für die jeweilige Altersstufe - geschuldete Unterhaltsbetrag (in DM) wird lediglich in Prozent des - für die jeweilige Altersstufe maßgebenden - Betrags nach § 1 (West) oder § 2 (Ost) der Regelbetrag-Verordnung umgerechnet (Art. 5 § 3 Abs. 1 Satz 1 KindUG). Eine weiter gehende Änderung findet nicht statt, da keine Titelabänderungsklage (§ 323 ZPO) erhoben ist.

Hier kommt nur eine Umrechnung nach § 2 (Ost) Regelbetrag-Verordnung in Betracht.

bb) Ist - wie im vorliegenden Fall - ein Alttitel nach §§ 1615 f und 1615 g BGB a.F. Verfahrensgegenstand, wird der nach dem Alttitel geschuldete Unterhaltsbetrag (in DM) - von Ausnahmen abgesehen (Art. 5 § 3 Abs. 1 Satz 3 KindUG) - in der Weise ermittelt, dass der in dem Alttitel errechnete Zahlbetrag (Regelunterhalt) - hier also DM 227,-- mtl. für die erste, DM 282,-- für die zweite und DM 341,-- für die dritte Altersstufe des Kindes - jeweils um die in dem Alttitel angerechneten Leistungen im Sinne von §§ 1612 b und 1612 c BGB n.F., d.h. vorliegend also jeweils um hälftiges Kindergeld in Höhe von DM 35,-- monatlich, erhöht wird (Art. 5 § 3 Abs. 1 Satz 2 KindUG). Denn der nach dem Alttitel geschuldete Unterhaltsbetrag ergibt sich aus dem im Alttitel zu Grunde gelegten (Regel-)Bedarf, auf den kindbezogene Leistungen (§ 1615 g BGB a.F.) angerechnet worden sind (§ 1615 f BGB a.F.). Es findet also eine Rückrechnung der in dem Alttitel vorgenommenen Berechnung statt.

cc) Wird der sich ergebende, nach dem Alttitel geschuldete Unterhaltsbetrag (in DM) dann in Prozent der Beträge nach der Regelbetrag-Verordnung umgerechnet, unterliegt der in das neue Recht transformierte Alttitel der Dynamisierung nach der Regelbetrag-Verordnung. Es entsteht ein dynamisierter Titel nach neuem Recht

1612 a BGB n.F.).

Diesen Anforderungen genügt der angefochtene Beschluss nicht, da keine Umrechnung der nach dem Alttitel geschuldeten Unterhaltsbeträge vorgenommen worden ist, sondern ohne Grund - zum Nachteil des Antragsgegners - einfach 100 Prozent der Regelbeträge für die jeweilige Altersstufe nach § 2 Regelbetrag-Verordnung festgesetzt worden sind. Der nach dem Alttitel vom 07. November 1995 geschuldete Unterhalt ist geringer als 100 Prozent der Beträge nach § 2 Regelbetrag-Verordnung.

b) Soweit in dem Alttitel - wie hier - kindbezogene Leistungen im Sinne von §§ 1612 b und 1612 c BGB n.F. angerechnet worden sind, findet im Verfahren nach Art. 5 § 3 KindUG wiederum keine Titelabänderung statt. Zu einer Änderung der angerechneten Leistungen bedarf es nämlich einer Titelabänderungsklage (§ 323 ZPO) oder eines entsprechenden Antrags im vereinfachten Verfahren (§ 655 ZPO; zum Verhältnis eines solchen Antrags zu einer parallel dazu erhobenen Titelabänderungsklage vgl. § 655 Abs. 4 ZPO). Ohne gesonderten Antrag findet die Bestimmung zu § 655 ZPO im Verfahren nach Art. 5 § 3 KindUG keine Anwendung (Art. 5 § 3 Abs. 2 KindUG).

Wird allerdings eine Abänderung angerechneter kindbezogener Leistungen beantragt, unterbleibt für die Zeit ab dem 01. Januar 2001 eine solche Anrechnung, soweit der - nach den vorstehenden Ausführungen zu a) festzusetzende - Unterhalt 135 Prozent des Regelbetrags nach der Regelbetrag-Verordnung nicht übersteigt (Art. 4 § 2 des Gesetzes zur Ächtung der Gewalt in der Erziehung und zur Änderung des Kindesunterhaltsrechts [BGBl. 2000, Teil I, S. 1479 f.] i.V.m. § 655 ZPO). Auf diese Weise wird der Alttitel der zum 01. Januar 2001 in Kraft getretenen Neufassung der §§ 1612 b, 1612 c BGB n.F. angepasst.

Einen solchen Antrag hat das Kreisjugendamt gestellt. Nur insoweit entspricht der angefochtene Beschluss sachlich-rechtlich Art. 5 § 3 KindUG. Denn die Rechtspflegerin hat für die Zeit ab 01. Januar 2001 antragsgemäß kein Kindergeld mehr angerechnet (§ 1612 b Abs. 5 BGB in der ab dem 01. Januar 2001 geltenden Fassung).



Ende der Entscheidung

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