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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Naumburg
Beschluss verkündet am 02.07.2001
Aktenzeichen: 8 WF 71/01
Rechtsgebiete: RegelbetragsVO, ZPO


Vorschriften:

RegelbetragsVO § 2
RegelbetragsVO § 1
ZPO § 648
ZPO § 648 Abs. 2
ZPO § 647 Abs. 1
ZPO § 648 Abs. 2 Satz 1
ZPO § 650
ZPO § 651
ZPO § 652 Abs. 2
ZPO § 648 Abs. 1
Dem Antragsgegner im vereinfachten Verfahren muss mitgeteilt werden, ob Regelbetrag nach § 1 oder § 2 RegelbetragsVO begehrt wird.

Der Rechtspfleger hat nach Art. 2 § 1 Gesetz zur Ächtung der Gewalt in der Erziehung und zur Änderung des Kindesunterhaltsrechts festzustellen, ob § 1 oder § 2 zur Anwendung kommt, was sich ausschließlich danach bestimmt, wo der Antrag gestellt wird.

Der amtliche Vordruck zur Leistungsunfähigkeit sieht unter "G" nicht die Angabe vor, dass der Schuldner zu keiner Leistung in der Lage ist; das Nichtankreuzen ist für den Fall der behaupteten uneingeschränkten Leistungsunfähigkeit daher unschädlich.


OBERLANDESGERICHT NAUMBURG BESCHLUSS

8 WF 71/01 OLG Naumburg 8 FH 2/01 AG Halberstadt

In der Unterhaltssache

hat der 8. Zivilsenat - 2. Senat für Familiensachen - des Oberlandesgerichts Naumburg durch den Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht Dr. Friederici sowie die Richter am Oberlandesgericht Wiedenlübbert und Bisping

am 02. Juli 2001

beschlossen:

Tenor:

Der Beschluss des Amtsgerichts Halberstadt vom 29.03.2001 wird mit dem zu Grunde liegenden Verfahren aufgehoben und an das Amtsgericht zur erneuten Entscheidung zurückverwiesen.

Gründe:

Das Festsetzungsverfahren leidet unter wesentlichen Mängeln, sodass auf die sofortige Beschwerde der Antragsgegnerin der Unterhaltsfestsetzungsbeschluss vom 29.03.2001 aufgehoben werden musste.

Gemäß § 647 Abs. 1 ZPO ist das Amtsgericht nach Eingang eines Antrags auf Unterhaltsfestsetzung im vereinfachten Verfahren verpflichtet, dem Antragsgegner den Antrag zuzustellen. Hier hat das Amtsgericht zutreffenden Weise den entsprechenden Vordruck an die Antragsgegnerin übersandt, ohne der Antragsgegnerin Mitteilung darüber zu machen, ob der in Prozent des Regelbetrages der RegelbetragsVO beantragte Unterhalt nach § 1 der RegelbetragsVO oder § 2 RegelbetragsVO festgesetzt werden kann. Das entprechende Formularfeld in dem Vordruck für den Antragsgegner ist vom Amtsgericht nicht ausgefüllt worden, obwohl diese Mitteilung für den Unterhaltsschuldner zur Berechnung des von ihm zu leistenden Nettozahlbetrages wesentlich ist. Durch diese gebotene Mitteilung verändert der Rechtspfleger den Antrag inhaltlich nicht, obwohl in dem Vordruck, der zur Antragstellung verwendet werden muss (§ 657 ZPO), eine entsprechende Wahlmöglichkeit für den Antragsteller nicht gegeben ist, ein dem Vordruck für den Antragsgegner entsprechendes Formularfeld ist dort nicht vorhanden. D.h., bei der erstmaligen Antragstellung kann nicht der Antragsteller durch Ausüben eines Wahlrechts entscheiden, sondern der Rechtspfleger bestimmt formal, ob der Regelbetrag an Hand von § 1 oder § 2 RegelbetrVO berechnet werden muss. Diese Bestimmung wirkt inhaltlich auf den materiellen Unterhaltsanspruch dessen Durchsetzung mit der Antragstellung begehrt wird nicht ein. Vielmehr stellt der Rechtspfleger gemäß Artikel 2 § 1 des Gesetzes zur Ächtung der Gewalt in der Erziehung und zur Änderung des Kindesunterhaltsrechts lediglich fest, dass der erstmalige Antrag hier in den neuen Bundesländern gestellt worden ist und deshalb Berechnungsgrundlage für die Bestimmung des Regelbetrages § 2 RegelbetrVO ist. Daraus ergibt sich auch, dass der Antragsgegner hierüber in Kenntnis gesetzt werden muss. Da dies hier nicht geschehen ist, hat das Amtsgericht die Mitteilungsverpflichtung des §647 Abs. 1 ZPO nicht ordnungsgemäß erfüllt.

Darüber hinaus hätte das Amtsgericht aber dann auch den Unterhalt nicht durch Beschluss festsetzen dürfen. Die Antragsgegnerin hat nämlich gemäß § 648 ZPO zulässige Einwendungen erhoben. Sie hat den Einwand der Leistungsunfähigkeit erhoben und den Anforderungen des § 648 Abs. 2 ZPO entsprechend vollständige Belege über ihre Einkünfte vorgelegt. Dass sie hierbei lediglich auf dem Einwendungsformular, welches im Übrigen vollständig und ordnungsgemäß sowie sorgfältig ausgefüllt worden ist, in der entsprechenden Rubrik nicht angekreuzt hat, dass sie sich bereit erklärt, einen bestimmten Unterhaltsbetrag zu zahlen reicht nicht aus, um ihr den Einwand der Leistungsunfähigkeit abzuschneiden. Eine Verpflichtungeserklärung des Unterhaltsschuldners kann nur dann erwartet werden, wenn er sich im Stande sieht, wenigstens teilweise den Unterhaltsanspruch zu erfüllen, bei insgesamt fehlender Leistungsfähigkeit entfällt die Erklärung nach § 648 Abs. 2 Satz 1 ZPO (OLG Hamm, FamRZ, 2000, 360). Dass in dem Formblatt nicht die Möglichkeit besteht, ausdrücklich durch Ankreuzen eines entsprechenden Textfeldes zu erklären keinen Unterhalt zahlen zu können, kann nicht zu Lasten des Unterhaltsschuldners gehen (vergl. hierzu: OLG Düsseldorf, FamRZ 2001, 765,766). Aber so läge der Fall hier, wenn man der Ansicht des Amtsgerichts folgte. Es ergibt sich nämlich bereits aus dem Umstand dass die Beschwerdeführerin im ersten Abschnitt des Formblattes durch Ankreuzen unter dem Buchstaben "G" in Verbindung mit den vorgelegten Einkommensnachweisen sowie der Höhe des begehrten Unterhalts, dass sie durchaus erklären wollte, überhaupt keinen Unterhalt leisten zu müssen, bzw. zu können. Das Amtsgericht hätte deshalb gemäß § 650 ZPO den Antragsteller über die Einwendungen der Antragsgegnerin informieren und dann entsprechend der Regelung in den §§ 650, 651 ZPO verfahren müssen.

Aus § 652 Abs. 2 ZPO ergibt sich, dass die Antragsgegnerin mit ihren in der sofortigen Beschwerde vorgetragenen weiteren Tatsachen nicht gehört werden kann. Denn mit der sofortigen Beschwerde können nur die in § 648 Abs. 1 ZPO bezeichneten Einwendungen, sowie Einwendungen, die die Zulässigkeit von Einwendungen nach § 648 Abs. 2 ZPO betreffen, geltend gemacht werden. Gleichfalls kann mit der sofortigen Beschwerde noch die Unrichtigkeit der Kostenfestsetzung geltend gemacht werden. Ein ergänzender Sachvortrag, wie hier zur Leistungsfähigkeit, ist hingegen vom Beschwerdegericht nicht zu berücksichtigen. Das Beschwerdegericht überprüft im Rahmen der sofortigen Beschwerde lediglich den korrekten formalen Ablauf des Unterhaltsfestsetzungsverfahrens, eine inhaltliche Überprüfung der Entscheidung, ob beispielsweise die festgesetzten Unterhaltsbeträge in Anbetracht der Leistungsfähigkeit des Schuldners richtig berechnet sind, erfolgt hingegen nicht. Wenn entsprechende Einwendungen nicht in der korrekten Form bereits vor Erlass des Festsetzungsbeschlusses erhoben worden sind, sieht das Gesetz lediglich die Abänderungsklage gemäß § 654 ZPO als Mittel vor, um die Interessen des Unterhaltsschuldners an der Überprüfung des Festsetzungsbeschlusses auf seine inhaltliche Richtigkeit zu wahren.

Ende der Entscheidung

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