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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Naumburg
Beschluss verkündet am 14.07.2003
Aktenzeichen: 8 Wx 9/03
Rechtsgebiete: FGG, BGB


Vorschriften:

FGG § 12
FGG § 19
FGG § 24 Abs. 3
FGG § 27
FGG § 29
FGG § 29 Abs. 4
FGG § 67 Abs. 1 Satz 3
FGG § 67 Abs. 1 Satz 6
FGG § 67 Abs. 1 Satz 4
FGG § 67 Abs. 2
FGG § 68 Abs. 1 Satz 1
FGG § 69 f
FGG § 69 f Abs. 1 Satz 1 Nr. 3
FGG § 69 g Abs. 1 Satz 1
FGG § 69 g Abs. 5 Satz 1
FGG § 69 g Abs. 5 Satz 3
BGB § 1846
BGB § 1897 Abs. 5
BGB § 1897 Abs. 6 Satz 1
BGB § 1908 i
Das Amt des Verfahrenspflegers endet mit Abschluss der Instanz. Für ein Beschwerdeverfahren bedarf es deshalb der erneuten Bestellung.

Grundsätzlich ist der Betroffene persönlich anzuhören.

Der Erlass einer einstweiligen Anordnung im Verfahren der weiteren Beschwerde ist unzulässig (Keidel-Kuntze-Winkler-Sternal, FGG, 7.Aufl., § 24 Rn. 27).


OBERLANDESGERICHT NAUMBURG BESCHLUSS

8 Wx 9/03 OLG Naumburg

Naumburg, den 14. Juli 2003

In der Betreuungssache

Tenor:

Auf die weitere Beschwerde des jüngeren Sohnes des Betroffenen wird der Beschluss der 8. Zivilkammer des Landgerichts Dessau vom 17. Mai 2003 aufgehoben und die Sache zur erneuten Entscheidung an das Landgericht zurückverwiesen.

Der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung wird zurückgewiesen.

Der Beschwerdewert beträgt EUR 3.000,--.

Gründe:

I.

Unter dem 22. August 2002 regte die Neurologische Klinik und Poliklinik der Universität H. für den (am 14. Juli 1926 geborenen) Betroffenen die Bestellung eines vorläufigen Betreuers im Wege einer einstweiligen Anordnung an. Nach Anhörung der zuständigen Behörde bestellte das Amtsgericht - Vormundschaftsgericht - Halle-Saalkreis mit Beschluss vom 02. September 2002 Rechtsanwalt M. zum Verfahrenspfleger des Betroffenen, weil von dessen persönlicher Anhörung abgesehen werden könne, da er nach ärztlichem Zeugnis nicht in der Lage sei, seinen Willen kundzutun. Mit einer einstweiligen Anordnung vom selben Tage wurde die (am 16. September 1932 geborene) Lebensgefährtin des Betroffenen bis 01. März 2003 zu seiner vorläufigen Betreuerin bestellt und ihr als Aufgabenkreis die Gesundheitsfürsorge, die Aufenthaltsbestimmung und die Geltendmachung von Ansprüchen auf Sozialleistungen zugewiesen. Anschließend gab das Vormundschaftsgericht das Betreuungsverfahren an das Amtsgericht - Vormundschaftsgericht - Bitterfeld ab.

Das Vormundschaftsgericht Bitterfeld erweiterte den Aufgabenkreis der vorläufigen Betreuerin auf deren Anregung durch einstweilige Anordnung vom 09. Oktober 2002 um den Aufgabenkreis der Vermögensfürsorge. Mit Beschluss vom 06. November 2002 genehmigte es die Anlage eines Guthabens, das sich auf einem Girokonto des Betroffenen (Nr. 47281387 bei der Kreissparkasse B. ) befand, auf einem Sparbuch des Betroffenen. Daraufhin überwies die vorläufige Betreuerin am 11. November 2002 EUR 9.300,-- auf das Sparbuch Nr. 65107788 des Betroffenen bei der Kreissparkasse. Außerdem überwies sie von einem Sparbuch Nr. 66103455 einen Betrag von EUR 1.734,14 und von einem Zertifikat Nr. 64104577 einen Betrag von EUR 6.965,86 auf das Sparbuch, so dass auf dem Sparbuch per 11. November 2002 EUR 18.000,-- zu Buche standen. Mit Beschluss vom 14. Februar 2003 genehmigte das Vormundschaftsgericht die Überweisung weiterer EUR 1.000,-- von dem Girokonto Nr. 47281387 auf ein Sparbuch des Betroffenen.

Unter dem 26. Januar 2003 regte die vorläufige Betreuerin die Umwandlung der vorläufigen Betreuung in eine endgültige an. Nach Anhörung der zuständigen Behörde, die ihrerseits die beiden Söhne des Betroffenen (G. R. , geb. 12. März 1951; M. R. , geb. 14. März 1953) anhörte, verlängerte das Vormundschaftsgericht zunächst mit Beschluss vom 21. Februar 2003 die vorläufige Betreuung bis 01. Juni 2003 und beschloss am 10. März 2003, im weiteren Verfahren von der "Bestellung" eines Verfahrenspflegers "abzusehen", da der Betroffene in einem so hohen Grade behindert sei, dass die Betreuung zwingend geboten sei, und ein Verfahrenspfleger auch nicht zu einer anderen Beurteilung kommen könne. Mit weiterem Beschluss vom 11. März 2003 bestellte das Vormundschaftsgericht schließlich Frau H. und - für den Fall ihrer Verhinderung - Frau R. zu Berufsbetreuerinnen des Betroffenen.

Als die vorläufige Betreuerin gegen diese Entscheidung Beschwerde einlegte, erklärte sich der in E. lebende jüngere Sohn des Betroffenen zur Übernahme der Betreuung bereit. Daraufhin lud das Landgericht den Betroffenen, die vorläufige Betreuerin, die Berufsbetreuerin H. und den Vertreter der zuständigen Behörde zu einem Anhörungstermin vom 27. Mai 2003 und setzte nach der Anhörung mit Beschluss vom selben Tag die vorläufige Betreuerin auch als endgültige Betreuerin ein.

Gegen diese Entscheidung richtet sich die weitere Beschwerde des - mittlerweile anwaltlich vertretenen - jüngeren Sohnes des Betroffenen, mit der der Sohn rügt, nicht selbst zum endgültigen Betreuer bestellt worden zu sein. Diesem Ansinnen soll der Senat jedenfalls mit dem Erlass einer entsprechenden einstweiligen Anordnung Rechnung tragen.

II.

Die weitere - einfache - Beschwerde des Sohnes des Betroffenen ist zulässig (§ 69 g Abs. 1 Satz 1, §§ 19, 27, 29 FGG) und begründet.

1. Dies ergibt sich bereits daraus, dass das Landgericht von der Bestellung eines Verfahrenspflegers abgesehen hat. Die Bestellung des Verfahrenspflegers durch das Vormundschaftsgericht Halle-Saalkreis vom 02. September 2002 - die sich nicht nur auf das einstweilige Anordnungsverfahren, sondern auch auf das Hauptsacheverfahren bezog, da das einstweilige Anordnungsverfahren Teil des Hauptsacheverfahrens ist (vgl. Bumiller/Winkler, FGG, 7. Aufl., § 69 f, Rdn. 2; vgl. ferner § 69 f Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 FGG) - war nämlich mit der (konkludenten) Aufhebung der Verfahrenspflegschaft im Beschluss des Vormundschaftsgerichts Bitterfeld vom 10. März 2003 (vgl. Keidel/Kuntze/Winkler/Kayser, FGG, 15. Aufl., § 67 Rdn. 17), spätestens aber mit dem Abschluss der ersten Instanz abgelaufen (§ 67 Abs. 2 FGG). Für das Beschwerdeverfahren war daher erneut ein Verfahrenspfleger zu bestellen. Denn für dieses Verfahren sind die Vorschriften über das Verfahren des ersten Rechtszugs entsprechend anzuwenden (§ 69 g Abs. 5 Satz 1 FGG). Und nach diesen Vorschriften darf von der Bestellung eines Verfahrenspflegers nur abgesehen werden, wenn ein Interesse des Betroffenen an einer solchen Bestellung offensichtlich nicht besteht (§ 67 Abs. 1 Satz 3 FGG) oder wenn der Betroffene - was hier nicht der Fall ist - von einem Rechtsanwalt oder von einem anderen geeigneten Verfahrensbevollmächtigten vertreten wird (§ 67 Abs. 1 Satz 6 FGG), wobei die Nichtbestellung zu begründen ist (§ 67 Abs. 1 Satz 4 FGG). Eine solche Begründung hat das Landgericht nicht gegeben. Auch die im Beschluss der Vorinstanz vom 10. März 2003 gegebene Begründung kann nicht tragen. Wie sich nämlich schon aus der Anhörung des Betroffenen durch die Vorinstanz am 10. März 2003 ergibt, kann der Betroffene seinen Willen äußern. Und die Bestellung eines Verfahrenspflegers soll nach dem Willen des Gesetzgebers gerade der Erforschung und der Übermittlung des Willens des Betroffenen dienen, soweit sich seine objektiven Interessen mit seinem Willen vereinbaren lassen (vgl. Keidel/Kuntze/Kayser a.a.O., § 67 Rdn. 15). Auf diese Weise soll das Recht des Betroffenen auf rechtliches Gehör gewahrt werden (Art. 103 Abs. 1 Grundgesetz). Der Betroffene darf nämlich nicht zum bloßen Objekt des Betreuungsverfahrens werden (vgl. Keidel/Kuntze/Winkler/Kayser a.a.O., § 67 Rdn. 8 ff.). Dies muss erst recht gelten, wenn das Beschwerdegericht - wie das Landgericht bei der Anhörung vom 27. Mai 2003 - von einer erneuten persönlichen Anhörung des Betroffenen (§ 68 Abs. 1 Satz 1, § 69 g Abs. 5 Satz 1 FGG) absieht (§ 69 g Abs. 5 Satz 3 FGG) und ein Verfahrenspfleger - wie hier - schon von der Vorinstanz nicht ordnungsgemäß am Verfahren beteiligt worden ist.

Auch das Absehen von einer erneuten persönlichen Anhörung des Betroffenen ist nicht frei von Beanstandungen. Von einer solchen Anhörung darf im Beschwerdeverfahren nämlich nur abgesehen werden, wenn von ihr keine zusätzlichen Erkenntnisse zu erwarten sind (§ 69 g Abs. 5 Satz 3 FGG), was im vorliegenden Fall schon deshalb zweifelhaft erscheint, weil sich der jüngere Sohn des Betroffenen erst im Beschwerdeverfahren zur Übernahme der Betreuung bereiterklärt hat, so dass seitdem nicht mehr nur die vorläufige Betreuerin (Lebensgefährtin), sondern auch der Sohn des Betroffenen zur ehrenamtlichen Führung der Betreuung zur Verfügung steht (§ 1897 Abs. 6 Satz 1 BGB). Das Landgericht hatte bei der Auswahl des endgültigen Betreuers also - anders als die Vorinstanz bei der Auswahl des vorläufigen Betreuers (69 f Abs. 1 Satz 4 FGG) - nicht nur die persönlichen, sondern auch die verwandtschaftlichen Bindungen des Betroffenen zu berücksichtigen (§ 1897 Abs. 5 BGB).

2. Mit Rücksicht darauf und wegen des mit der weiteren Beschwerde des jüngeren Sohnes vorgebrachten zusätzlichen Einwands, während der Betreuung durch die vorläufige Betreuerin (§ 69 f FGG) sei es - im Zusammenhang mit Überweisungen zu ihren Gunsten - zu finanziellen Unregelmäßigkeiten gekommen, wird das Landgericht erneut über die Auswahl des Betreuers zu befinden haben. Diese Prüfung ist auch deshalb angezeigt, weil sich auch die ehemalige Betreuerin H. (Bl. 77 ff. d.A.) und die zuständige Behörde (Bl. 84 ff. d.A.) gegen die Eignung der Lebensgefährtin des Betroffenen ausgesprochen haben. Allen diesen Bedenken muss - vertiefter als bisher - nachgegangen werden (§ 12 FGG), zumal die Bedenken durch die allgemeinen Ausführungen der vorläufigen Betreuerin und der Berufsbetreuerin H. bei der Anhörung vom 27. Mai 2003 nicht entkräftet werden und sich auch aus der Stellungnahme der zuständigen Behörde vom 17. Februar 2003 keine nachvollziehbaren Einzelheiten ergeben (Bl. 51 d.A.). Schließlich hat sich schon die erste Instanz veranlasst gesehen, die vorläufige Betreuerin in ihre Schranken zu weisen (Verfügung vom 07. März 2003; Bl. 67 d.A.).

III.

Die nach alledem gebotene Amtsermittlung (§ 12 FGG) ist dem Senat verwehrt. Die weitere Beschwerde ist nämlich ihrem Wesen nach nur eine reine Rechtsbeschwerde (§ 27 FGG), so dass der Senat die Beurteilung der Vorinstanzen nur daraufhin überprüfen kann, ob sie von ungenügenden oder verfahrenswidrig zustande gekommenen Feststellungen ausgehen, wesentliche Umstände außer Acht lassen, gegen Denkgesetze verstoßen oder einen unbestimmten Rechtsbegriff verkennen (vgl. Keidel/Kuntze/Winkler/Meyer-Holz, a.a.O., § 27 Rdn. 42 ff. m.w.N.).

Infolgedessen sieht sich der Senat auch gehindert, eine einstweilige Anordnung (§ 24 Abs. 3, § 29 Abs. 4 FGG; vgl. Keidel/Kuntze/Winkler/Sternal a.a.O., § 24 Rdn. 27 m.w.N.) in dem vom Beschwerdeführer avisierten Sinne zu erlassen (vgl. § 1846, § 1908 i BGB; vgl. Keidel/Kuntze/Winkler/Kayser a.a.O., § 69 f, Rdn. 26). § 24 Rn. 27).

Ende der Entscheidung

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