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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Naumburg
Urteil verkündet am 23.09.2008
Aktenzeichen: 9 U 146/07
Rechtsgebiete: SGB X


Vorschriften:

SGB X § 116 Abs. 1 S. 1
SGB X § 118
1. Ein im Rechtsstreit zwischen dem Geschädigten und dem Sozialleistungsträger vor dem Sozialgericht geschlossener Prozessvergleich ist keine "Entscheidung" im Sinne des § 118 SGB X, wenn der Sozialleistungsträger in dem dortigen Rechtsstreit bis zuletzt die Erwerbsunfähigkeit des Geschädigten bestritten und sich erst unter dem Eindruck der abweichenden Auffassung des Sozialgerichts und auf dessen Vergleichsvorschlag hin zur Gewährung von Erwerbsunfähigkeitsrentenleistungen verpflichtet hat.

a) Nach dem Gesetzeswortlaut ("... ist es an eine unanfechtbare Entscheidung gebunden, ...") unterfällt der zwischen dem Geschädigten und dem Sozialleistungsträger abgeschlossene Prozessvergleich nicht § 118 SGB X. Das Sozialgericht hat bei Abschluss eines Prozessvergleichs in der Sache keine "Entscheidung" getroffen. Der Prozessvergleich ist zudem nicht im Sinne des Gesetzeswortlauts "anfechtbar".

b) § 118 SGB X setzt mit Blick auf die Frage der Bindungswirkung der "Entscheidung" voraus, dass eine der materiellen Rechtskraft fähige "Entscheidung" vorliegt, die ein Prozessvergleich nicht ist.

c) Der Prozessvergleich lässt sich auch nicht einer "Entscheidung" mit der Begründung gleichstellen, der Vergleich habe eine Doppelnatur und sei materiell-rechtlich ein öffentlich-rechtlicher Vertrag, den der Sozialleistungsträger im Verwaltungsverfahren hätte abschließen können.

2. Mangels Bindungswirkung für das ordentliche Gericht hat der Sozialleistungsträger, wenn er - materiell auf § 116 Abs. 1 S. 1 SGB X gestützt - vom Schädiger Ersatz für erbrachte Rentenleistungen begehrt, darzulegen und zu beweisen, dass dem Geschädigten Rente wegen Erwerbsunfähigkeit zu leisten war.


OBERLANDESGERICHT NAUMBURG IM NAMEN DES VOLKES URTEIL

9 U 146/07 OLG Naumburg

Verkündet am: 23.09.2008

In dem Rechtsstreit

hat der 9. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Naumburg auf die mündliche Verhandlung vom 19.08.2008 durch den Richter am Oberlandesgericht Dr. Tiemann als Vorsitzenden, den Richter am Oberlandesgericht Wiedemann und den Richter am Landgericht Dr. Holthaus

für Recht erkannt:

Tenor:

Die Berufung der Klägerin und die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Landgerichts Dessau-Roßlau vom 31.07.2007 - 2 O 973/04 - werden zurückgewiesen.

Die Kosten des Berufungsverfahrens haben die Klägerin zu 78 % und die Beklagten als Gesamtschuldner zu 22 % zu tragen. Es wird klargestellt, dass sich der Kostenausspruch des angefochtenen Urteils auch auf die Kosten des Berufungsverfahrens zu dem Az. 9 U 141/05 bezieht.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Den Beklagten bleibt nachgelassen, die Vollstreckung der Klägerin durch Sicherheitsleistung in Höhe von 120 % des für diese auf Grund dieses Urteils vollstreckbaren Betrages abzuwenden, wenn nicht zuvor die Klägerin Sicherheit in gleicher Höhe leistet. Der Klägerin bleibt nachgelassen, die Vollstreckung der Beklagten durch Sicherheitsleistung in Höhe von 120 % des von diesen auf Grund dieses Urteils vollstreckbaren Betrages abzuwenden, wenn nicht zuvor die Beklagten Sicherheit in gleicher Höhe leisten.

Die Revision wird nicht zugelassen.

und beschlossen:

Der Streitwert des Berufungsverfahrens wird auf 41.950,13 Euro festgesetzt.

Gründe:

I.

Die Klägerin macht gegen die Beklagten aus übergegangenem Recht Schadensersatz- und Beitragsregressansprüche nach einem Verkehrsunfall geltend. Gestützt auf die Zessionstatbestände der §§ 116, 119 SGB X verlangt sie Schadensersatz und Beitragsregress in Höhe von insgesamt 41.950,13 €, die sich zusammensetzen aus geltend gemachtem Schadensersatz in Höhe von 32.460,09 € und begehrtem Beitragsregress in Höhe von 9.490,04 €.

Am 22.08.1996 gegen 5.45 Uhr ereignete sich ein Verkehrsunfall, an dem die bei der Klägerin rentenversicherte Frau E. R. als Fahrradfahrerin und der Beklagte zu 1) als Führer seines Pkw, der bei der Beklagten zu 2) haftpflichtversichert ist, beteiligt waren. Die geschädigte Frau R. (im Folgenden kurz "Geschädigte") erlitt erhebliche Verletzungen, unter anderem ein Schädel-Hirn-Trauma zweiten bis dritten Grades mit mutiplen Weichteilverletzungen im Gesicht, eine vordere Beckenringfaktur sowie eine offene Oberschenkelrückfraktur links. Die alleinige Haftung der Beklagten ist zwischen den Parteien unstreitig.

Im Unfallzeitpunkt war die Geschädigte als Reinigungskraft tätig. Nach mehreren stationären Klinikaufenthalten und entsprechenden Heilmaßnahmen nahm sie ihre Tätigkeit als Reinigungskraft im März 1998 wieder auf, bis das Arbeitsverhältnis durch ihre Arbeitgeberin mit Kündigungserklärung vom 23.06.1999 zum 30.11.1999 gekündigt wurde (Bl. 15, 15 R der beigezogenen Akte des Sozialgerichts Dessau).

Nachdem die Klägerin am 11.08.1999 den Antrag der Geschädigten auf Leistung einer Erwerbsunfähigkeitsrente zunächst abgelehnt und den hiergegen gerichteten Widerspruch der Geschädigten zurückgewiesen hatte, schloss sie in einem Rechtsstreit vor dem Sozialgericht Dessau (Az. S 4 RJ 418/99) am 09.04.2001 mit der Geschädigten einen Vergleich, in dem sie sich verpflichtete, der Geschädigten ab dem 15.03.1999 "Rente wegen Erwerbsunfähigkeit auf Dauer [zu] gewähren." (Bl. 108 bis 110 der beigezogenen Verfahrensakte des Sozialgerichts Dessau). Zu dem Vergleichsabschluss kam es unter dem Eindruck eines vom Sozialgericht eingeholten Gutachtens der Sachverständigen Dipl.-Med. B. vom 19.05.2000 (Bl. 70 bis 72 der beigezogenen Verfahrensakte des Sozialgerichts Dessau). Diesem Gutachten zur Folge war eine Fortsetzung der Tätigkeit als Reinigungskraft "nur mit Einschränkungen" und "nur halbschichtig" möglich. Im Rahmen der Erläuterung des Sachverständigengutachtens in der mündlichen Verhandlung vor dem Sozialgericht am 09.04.2001 führte die Sachverständige ergänzend aus, dass die Geschädigte nicht in der Lage sei, viermal täglich mehr als 500 m zu Fuß zurückzulegen und auch weder in der Lage sei, ein Fahrrad zu führen, noch täglich zu einer vorgegebenen Zeit einen Personenkraftwagen zu benutzen. Unter dem Eindruck dieser Erläuterungen erklärte der Kammervorsitzende, "dass auf der Grundlage dieser Ausführungen wegen der Verschlossenheit des Arbeitsmarktes (Katalogfall Nr. 2) Erwerbsunfähigkeit vorliegen dürfte". Daraufhin kam es zum Vergleichsabschluss mit dem oben geschilderten Inhalt. In seiner nach § 193 Abs. 1, 2. Halbsatz SGG ergangenen Kostenentscheidung vom 19.07.2001 (Bl. 114 bis 116 der beigezogenen Verfahrensakte des Sozialgerichts Dessau) führte das Gericht aus, für die Kostenentscheidung - danach hat die Klägerin des vorliegenden Rechtsstreits der Geschädigten die außergerichtlichen Kosten des Rechtsstreits vor dem Sozialgericht zu erstatten - sei tragender Gesichtspunkt, "dass die Klägerin in der Sache in vollem Umfang obsiegt hat."

Die Beklagten waren weder am sozialbehördlichen Verfahren noch am sozialgerichtlichen Verfahren beteiligt.

Die Klägerin stellte ihre Erwerbsunfähigkeitsrentenleistungen mit Ablauf des 30.09.2004 ein. Die Geschädigte bezieht seit dem 01.10.2004 Arbeitslosengeld.

Die Klägerin hat die Auffassung vertreten, ihre sozialrechtliche Verpflichtung zur Gewährung von Erwerbsunfähigkeitsrentenleistungen stehe aufgrund des im sozialgerichtlichen Verfahren auf der Grundlage des Gutachtens der Sachverständigen Dipl.-Med. B. geschlossenen Prozessvergleichs vom 09.04.2001 auch für den vorliegenden Regressprozess bindend fest. Die Bindungswirkung folge aus § 411 a ZPO und § 118 SGB X. Allein wegen des Bestehens eines Sozialversicherungsverhältnisses zwischen ihr und der Geschädigten sei der Schadensersatzanspruch der Geschädigten mit Eintritt des Schadensereignisses gemäß § 116 SGB X auf sie übergegangen. Selbst wenn man von einer Erwerbsunfähigkeit nicht ausgehe, sei die Geschädigte zumindest berufsunfähig.

Die Klägerin hat beantragt,

die Beklagten als Gesamtschuldner zu verurteilen, an sie 33.176,62 € nebst 5 % Zinsen über dem Basiszinssatz sowie weitere 8.773,51 € nebst 5 % Zinsen über dem Basiszinssatz, jeweils seit Rechtshängigkeit, zu zahlen,

festzustellen, dass die Beklagten als Gesamtschuldner verurteilt sind, ihr alle Leistungen zu erstatten, die sie nach dem 31.12.2003 aufgrund des Verkehrsunfalls vom 22.08.1996 an die Geschädigte leisten werde.

Die Beklagten haben beantragt,

die Klage abzuweisen.

Sie haben bestritten, dass die Klägerin zur Erbringung von Rentenleistungen wegen Erwerbsunfähigkeit verpflichtet war bzw. ist. Sie haben die Geschädigte für berufs- und erwerbsfähig gehalten und sich zur Begründung auf das Sachverständigengutachten der Frau Dipl.-Med. B. , eingeholt in dem oben erwähnten Verfahren vor dem Sozialgericht Dessau, bezogen, dem zu entnehmen sei, dass die Geschädigte seit 1999 wieder "arbeitsfähig" sei. Sei haben ferner unter Bezugnahme auf ein unfallchirurgisches Gutachten des Prof. Dr. J. , Universitätsklinikum L. vom 07.09.1998 (Bl. 40 des Anlagenbandes der beigezogenen Verfahrensakten des Landgerichts Dessau zu dem Az.: 6 O 222/02) sowie auf das Schreiben des Herrn Prof. J. vom 03.07.2001 (Bl. 41 des vorerwähnten Anlagenbandes) behauptet, eine Erwerbs- oder Berufsunfähigkeit der Geschädigten liege nicht vor. Vor diesem Hintergrund sei der Geschädigten die Ausübung ihres Berufes als Reinigungskraft sehr wohl möglich gewesen; die Kündigungserklärung der früheren Arbeitgeberin der Geschädigten vom 23.06.1999 drücke nichts abweichendes aus, sondern sei betriebsbedingt erfolgt.

Das Landgericht hatte durch Teilurteil vom 04.11.2005 (Bl. 200 ff. I d. A.) die Klage in Höhe von 25.441,88 € abgewiesen. Zur Begründung hatte es angeführt, in Höhe dieses Teilbetrages sei ein Schadensersatzanspruch gegen die Beklagten nicht auf die Klägerin übergegangen, weil keine Verpflichtung der Klägerin zur Erbringung von Erwerbsunfähigkeitsrentenleistungen bestanden habe. Aus einem vom Landgericht auf der Grundlage des Beweisbeschlusses vom 25.06.2004 (Bl. 85 f. I d. A.) eingeholten Gutachten des Sachverständigen Dr. med. Z. vom 04.02.2005 (Bl. 107 ff. I d. A.) ergäbe sich, dass die vor dem Sozialgericht Dessau angenommenen gesundheitlichen Beeinträchtigungen der Geschädigten nicht bestünden. Auf die hiergegen gerichtete Berufung der Klägerin hatte der Senat mit Urteil vom 16.05.2006 (Az. 9 U 141/05, Bl. 46 ff. II d. A.) das Teilurteil einschließlich des zugrundeliegenden Verfahrens aufgehoben und den Rechtsstreit zur erneuten Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Berufungsverfahrens, an das Landgericht Dessau zurückverwiesen. Wegen des Inhalts des Senatsurteils wird auf Bl. 46 ff. II d. A. Bezug genommen.

Mit Urteil vom 31.07.2007 (Bl. 206 ff. II d. A.) hat das Landgericht die Klage überwiegend abgewiesen und die Beklagten lediglich zur Zahlung von 9.490,04 € verurteilt. Im Umfang der von der Klägerin erbrachten Erwerbsunfähigkeitsrentenleistungen (32.460,09 €) hat es die Klage für unbegründet gehalten. Aufgrund des Gutachtens des Sachverständigen Dr. Z. (Bl. 107 ff. I d. A.) stehe - auch unter Berücksichtigung des Ergebnisses der Anhörung des Sachverständigen und der Aussage der sachverständigen Zeugin Dipl.-Med. B. - fest, dass die Versicherte nicht erwerbsunfähig sei. Der vor dem Sozialgericht Dessau von der Klägerin abgeschlossene Vergleich binde das Zivilgericht nicht, und zwar weder unter dem rechtlichen Gesichtspunkt des § 411 a ZPO, der auf das vorliegende Verfahren nicht anwendbar sei, noch gemäß § 118 SGB X. Diese Regelung erfasse nur unanfechtbare gerichtliche Entscheidungen und bestandskräftige Verwaltungsakte, nicht hingegen von Parteien in freier Willensbildung vor dem Sozialgericht abgeschlossene Prozessvergleiche. Auch der Rentenbescheid der Klägerin vom 19.06.2001 (Bl. 63 ff. II d. A.) sei keine "Entscheidung" im Sinne von § 118 SGB X. Er sei nur die Umsetzung der von der Klägerin im Prozessvergleich vom 09.04.2001 eingegangenen Verpflichtung.

In Höhe des von der Klägerin geltend gemachten Beitragsregresses sei die Klage begründet, weil das Unfallereignis kausal für die von der Arbeitgeberin der Geschädigten ausgesprochene Kündigung vom 23.06.1999 sei (Bl. 15, 15 R der beigezogenen Verfahrensakte des Sozialgerichts Dessau). Dies ergebe sich aus dem Inhalt der Kündigungserklärung sowie aus dem Schreiben der Arbeitgeberin an das Landesamt für Versorgung und Soziales vom 11.08.1999 (Bl. 22, 22 R d. beigezogenen Verfahrensakte des Sozialgerichts Dessau). Die nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme feststehende Erwerbs- und Berufsfähigkeit der Geschädigten stehe dieser Bewertung nicht entgegen. Die Geschädigte sei nämlich bis zum 30.09.2004 nahezu durchgängig arbeitsunfähig krank geschrieben gewesen. Im Übrigen ergäbe sich kein anderes Ergebnis, wenn man davon ausginge, dass die Geschädigte im Hinblick auf ihre nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme feststehende Erwerbs- und Berufsfähigkeit verpflichtet war, sich eine Beschäftigung zu suchen. Eine zumutbare Tätigkeit über sechs Stunden sei angesichts des von der Geschädigten bei ihrer früherer Arbeitgeberin bezogenen Stundenlohns, den das Landgericht mit 18,43 € netto/Stunde errechnet, nicht zu finden gewesen, zumal bereits im Jahr 2000 eine hohe Arbeitslosigkeit geherrscht habe.

Der Feststellungsantrag sei unbegründet. Ein Schaden der Klägerin sei ab dem 01.10.2004 nicht erkennbar, weil die Geschädigte ab diesem Zeitpunkt Arbeitslosengeld erhalte und die Klägerin ihre Zahlungen von Erwerbsunfähigkeitsrente eingestellt habe.

Gegen dieses Urteil wenden sich die Rechtsmittel beider Parteien.

Die Klägerin wiederholt und vertieft ihr erstinstanzliches Vorbringen. Aus damaliger Sicht - zum Zeitpunkt des Vergleichsabschlusses und des daraufhin ergangenen Rentenbescheides vom 19.06.2001 (Bl. 63 ff. II d. A.) - hätten die Voraussetzungen für die Gewährung einer Erwerbsunfähigkeitsrente vorgelegen. Die erbrachten Rentenleistungen seien kongruent zum Erwerbsschaden der Geschädigten mit der Folge, dass der Klägerin der aus übergegangenem Recht geltend gemachte Schadensersatzanspruch zustehe. An ihrer in erster Instanz vertretenen Ansicht zur Bindungswirkung des vor dem Sozialgericht abgeschlossenen Vergleichs halte sie fest.

Ihr Beitragsregressanspruch, den das Landgericht richtigerweise zugesprochen habe, ergebe sich aus dem kündigungsbedingten Beitragsausfall. Aus dem Kündigungsschreiben vom 23.06.1999 ergebe sich hinreichend, dass die unfallbedingten gesundheitlichen Beeinträchtigungen der Geschädigten zu der ausgesprochenen Kündigung geführt hätten. Im Übrigen seien die zahlreichen und nahezu fortlaufenden Krankschreibungen der Geschädigten wegen Arbeitsunfähigkeit unstreitig. Die Geschädigte habe angesichts dieser Krankschreibungen und im Hinblick auf das Ergebnis des im Rahmen des Sozialgerichtsverfahrens eingeholten Sachverständigengutachtens davon ausgehen dürfen, dass sie erwerbsunfähig war, weshalb ihr nicht vorzuwerfen sei, sich nicht um die Aufnahme einer anderweitigen Erwerbstätigkeit bemüht zu haben.

Die Klägerin beantragt,

unter teilweiser Abänderung des Urteils des Landgerichts Dessau vom 31.07.2007 - 2 O 973/04 - die Beklagten zu verurteilen, über den erstinstanzlich zuerkannten Betrag hinaus weitere 25.441,58 € nebst 5 % Zinsen über dem Basiszinssatz seit dem 30.01.2004 sowie weitere 7.018,51 € nebst 5 % Zinsen über dem Basiszinssatz seit dem 16.01.2007 zu zahlen,

die Berufung der Beklagten zurückzuweisen.

Die Beklagten beantragen,

unter Abänderung des Urteils des Landgerichts Dessau vom 31.07.2007 - 2 O 973/04 - die Klage abzuweisen,

die Berufung der Klägerin zurückzuweisen.

Sie verteidigen das landgerichtliche Urteil im Umfang der Klageabweisung unter Wiederholung und Vertiefung ihres erstinstanzlichen Vortrags. Sie wenden sich gegen die Verurteilung zum Beitragsregress mit der Begründung, aus dem Kündigungsschreiben der damaligen Arbeitgeberin lasse sich "nicht ohne Weiteres" der Schluss ziehen, dass die durch den Verkehrsunfall hervorgerufenen gesundheitlichen Beeinträchtigungen der Geschädigten ursächlich für die arbeitgeberseitige Kündigung gewesen seien. Ein pauschaler Hinweis auf Verletzungen reiche nicht aus. Der Umstand, dass der Arbeitsplatz der Geschädigten nach deren Ausscheiden nicht wieder besetzt worden sei, lasse darauf schließen, dass es sich um eine betriebsbedingte Kündigung gehandelt habe. Im Übrigen lasse sich sämtlichen aus den Verfahrensakten und den beigezogenen Akten ersichtlichen Gutachten entnehmen, dass die Geschädigte im Zeitpunkt des Ausspruchs der Kündigung wieder arbeitsfähig gewesen sei. Der Verlust des Arbeitsplatzes habe demnach nichts mit dem Verkehrsunfall und seinen Verletzungsfolgen zu tun. Ein Beitragsschaden sei daher nicht entstanden. Im Übrigen habe das Landgericht den Nettostundenlohn der Geschädigten bei ihrem damaligen Arbeitgeber unrichtig berechnet; er betrage tatsächlich nur 4,66 € netto/Stunde. Zu diesem Stundenlohn sei die Annahme einer zumutbaren anderweitigen Tätigkeit der Geschädigten als Reinigungskraft im Jahr 2000 ungeachtet der hohen Arbeitslosenquote im Gerichtsbezirk Dessau-Roßlau zumutbar gewesen.

Wegen des weiteren Berufungsvorbringens der Parteien wird auf die Berufungsbegründungen vom 05.10. (Bl. 16 - 19 III d. A.) und vom 30.10.2007 (Bl. 35 - 44 III d. A.) sowie auf den Schriftsatz der Beklagten vom 12.12.2007 (Bl. 63 - 65 III d. A.) Bezug genommen.

Der Senat hat die Verfahrensakten des Landgerichts Dessau zu dem Az. 6 O 222/02 sowie des Sozialgerichts Dessau zu dem Az. S 4 RJ 418/99 beigezogen.

II.

Die zulässige Berufung der Klägerin hat in der Sache keinen Erfolg. Auch das zulässige Rechtsmittel der Beklagten ist erfolglos.

1. Die Berufung der Klägerin ist unbegründet. Der Schadensersatzanspruch der Geschädigten aus §§ 823 Abs. 1, 842, 843 Abs. 1 BGB, 7 Abs. 1, 11 StVG, 3 Nr. 1 PflVG ist, soweit es die von der Klägerin seit dem 15.03.1999 "wegen Erwerbsunfähigkeit" erbrachten Rentenleistungen angeht (vgl. den Rentenbescheid vom 19.06.2001, Bd. II Bl. 63 ff. d. A.), nicht nach § 116 Abs. 1 S. 1 SGB X auf die Klägerin übergegangen. Nach dieser Regelung findet ein Forderungsübergang nur statt, "soweit" der Versicherungsträger "auf Grund des Schadensereignisses Sozialleistungen zu erbringen hat". Die Verpflichtung, eine Sozialleistung zu erbringen, ist Voraussetzung für den Forderungsübergang (Palandt/Heinrichs, 67. Aufl., Vorb. vor § 249 BGB, Rn. 152, Wannagat/Eichenhofer, Stand: März 2001, § 116 SGB X, Rnrn. 11, 18). Dass der Geschädigten Rente wegen Erwerbsunfähigkeit zu leisten war, war, da der Prozessvergleich vor dem Sozialgericht Dessau vom 19.04.2001 keine Bindungswirkung nach § 118 SGB X entfaltete (a), von der Kläger darzulegen und zu beweisen. Den Beweis hat die Klägerin, wie das Landgericht rechtsfehlerfrei gewürdigt hat, nicht erbracht (b).

a) Der Prozessvergleich vor dem Sozialgericht Dessau entfaltete für das zur Entscheidung über etwaig nach § 116 SGB X übergegangene Schadensersatzansprüche berufene Ausgangsgericht keine Bindungswirkung. Ein zwischen dem Geschädigten und dem Leistungsträger abgeschlossener Prozessvergleich ist keine "Entscheidung" im Sinne von § 118 SGB X (aa). Ob darüber hinaus auch deshalb keine Bindungswirkung nach § 118 SGB X besteht, weil die Beklagten nicht zu dem sozialgerichtlichen Verfahren, das durch Prozessvergleich beendet wurde, hinzugezogen worden waren, kann offenbleiben (bb).

aa)

(1.) Nach dem Gesetzeswortlaut ("... ist es an eine unanfechtbare Entscheidung gebunden, ...") unterfällt der zwischen der Geschädigten und der Klägerin vor dem Sozialgericht Dessau abgeschlossene Prozessvergleich nicht § 118 SGB X. Das Sozialgericht hat in der Sache keine "Entscheidung" getroffen, mag es auch in seinen Hinweisen im Vorfeld des Vergleichsabschlusses vom 09.04.2001 und in seiner danach gemäß § 193 Abs. 1, 2. HS SGG ergangenen Kostenentscheidung vom 19.07.2001 zum Ausdruck gebracht haben, dass es von einer Erwerbsunfähigkeit der Geschädigten ausgeht (Bl. 108 - 110 u. 114 - 116 der beigezogenen Verfahrensakte des Sozialgerichts Dessau). Auch der Umstand, dass ein Prozessvergleich nicht im Sinne des Gesetzeswortlauts "anfechtbar" ist bzw. nicht durch Ablauf einer Rechtsbehelfsfrist "unanfechtbar" werden kann, spricht dafür, dass ein Prozessvergleich keine "Entscheidung" im Sinne des § 118 SGB X ist (zum Erfordernis der Unanfechtbarkeit von "Entscheidungen" im Sinne des § 118 SGB X: LPK-SGB X/Breitkreuz, 2. Aufl., § 118 SGB X, Rn. 2; Hauck/Noffz/Nehls, Stand: Januar 2007, § 118 SGB X, Rn. 4; Kasseler Kommentar/Kater, Stand: April 2008, § 118 SGB X, Rn. 5).

(2.) Der Prozessvergleich lässt sich auch nicht, wie die Klägerin meint, einer "Entscheidung" gleichstellen. Die Argumentation der Klägerin, sie könne innerhalb des Verwaltungsverfahrens anstelle eines Verwaltungsaktes einen öffentlich-rechtlichen Vertrag abschließen, der der abgeschlossene Prozessvergleich - neben seinem "Wesen" als verfahrensbeendende Prozesshandlung - materiell-rechtlich sei, so dass auch der Prozessvergleich als eine "Entscheidung" anzusehen sei, überzeugt nicht. Richtig ist, dass der Prozessvergleich eine Doppelnatur hat (Meyer-Ladewig/Leitherer, 8. Aufl., § 101 SGG, Rn. 3); er ist Prozesshandlung und öffentlich-rechtlicher Vertrag, durch den eine Ungewissheit im Wege gegenseitigen Nachgebens beseitigt wird (§ 54 Abs. 1 SGB X). Auch ist der Klägerin zuzugeben, dass sie nach §§ 54 Abs. 2, 53 Abs. 2 SGB X im Verwaltungsverfahren einen Vergleichsvertrag über Sozialleistungen hätte abschließen können. Sie hat dies aber nicht getan, sondern im Verwaltungsverfahren eine positive Rentenbescheidung verweigert und aufgrund ihrer durchgängig bis zum Termin zur mündlichen Verhandlung vom 09.04.2001 vertretenen Auffassung, es läge keine Erwerbsunfähigkeit der Geschädigten vor, einen Sozialgerichtsprozess geführt. Diesen hat sie mit einem Prozessvergleich beendet und sich darin - in Abkehr zu ihrer bis zum Termin zur mündlichen Verhandlung vom 09.04.2001 zum Nichtvorliegen einer Erwerbsunfähigkeit vertretenen Auffassung und unter dem Eindruck der gegenteiligen Ansicht der Kammer - im Wege des Nachgebens zur Erbringung von Rentenleistungen "wegen Erwerbsunfähigkeit" verpflichtet. Dass sie im Ergebnis einer sozialrechtlich-fachlichen Prüfung "entschieden" hat, dass die Geschädigte erwerbsunfähig ist, lässt sich angesichts dieses Ablaufs des sozialgerichtlichen Verfahrens nicht annehmen.

(3.) Im Übrigen setzt § 118 SGB X mit Blick auf die Frage der Bindungswirkung der "Entscheidung" voraus, dass eine der materiellen Rechtskraft fähige "Entscheidung" vorliegt. Die die Entscheidung tragenden Feststellungen des Sozialleistungsträgers bzw. des Sozialgerichts werden von der Bindungswirkung des § 118 SGB X erfasst (LPK-SGB X/Breitkreuz, 2. Aufl., § 118 SGB X, Rn. 3; von Wulffen/Bieresborn, 6. Aufl., § 118 SGB X, Rn. 3). Auch die von der Klägerin als vermeintlich zu ihren Gunsten streitende Kommentarliteratur kommt dazu (vgl. bspw. Kasseler Kommentar/Kater, Stand: April 2008, § 118 SGB X, Rn. 4), dass "nur der materiellen Rechtskraft fähige Gerichtsentscheidungen bzw. [hier nicht ergangene] der materiellen Bestandskraft fähige Verwaltungsentscheidungen [als "Entscheidungen" im Sinne von § 118 SGB X] in Betracht" kommen. Prozessvergleiche sind jedoch nicht der materiellen Rechtskraft fähig (Meyer-Ladewig/Leitherer, 8. Aufl., § 101 SGG, Rn. 12; § 141 SGG, Rn. 5), weshalb der Prozessvergleich vom 09.04.2001 keine "Entscheidung" im Sinne des § 118 SGB X ist.

(4.) Auch der Sinn und Zweck des § 118 SGB X, der die Erweiterung der Bestandskraft des Verwaltungsaktes eines Sozialversicherungsträgers bzw. der Rechtskraft eines Urteils eines Sozial- oder Verwaltungsgerichts normiert, gebietet es nicht, Prozessvergleiche zwischen Geschädigtem und Sozialleistungsträger als "Entscheidung" im Sinne des § 118 SGB X anzusehen. Die Vorschrift hat den Zweck, voneinander abweichende Entscheidungen der Sozialleistungsträger bzw. der Sozialgerichte einerseits und der ordentlichen Gerichte andererseits zu vermeiden (Kasseler Kommentar/Kater, Stand: April 2008, § 118 SGB X, Rn. 2; von Wulffen/Bieresborn, 6. Aufl., § 118 SGB X, Rn. 2). Der Prozessvergleich des Sozialleistungsträgers mit dem Geschädigten stellt keine abschließende Bewertung des Sozialgerichts dar, von der das ordentliche Gericht, was nach dem Sinn des § 118 SGB X zu vermeiden wäre, abweichen könnte. Angesichts der Voraussetzung für das Vorliegen eines materiell-rechtlichen Vergleichsvertrages, die Beseitigung einer tatsächlichen und/oder rechtlichen Ungewissheit durch gegenseitiges Nachgeben, lässt sich auch nicht unter Hinweis auf die materiell-rechtliche Seite des Prozessvergleichs begründen, dass dieser eine auf eigener Prüfung und Überzeugung beruhende Bewertung des Sozialleistungsträgers wiedergibt.

(5.) Die vom Klägervertreter im Senatstermin angeführte Entscheidung des VI. Zivilsenats des BGH vom 15.07.2008 (Az. VI ZR 105/07) steht den obigen Bewertungen nicht entgegen. Das Urteil verhält sich nicht zu der Frage, ob ein Prozessvergleich zwischen Leistungsträger und Geschädigten vor dem Sozialgericht eine "unanfechtbare Entscheidung" i. S. v. § 118 SGB X ist.

(6.) Mit seiner obigen Auffassung zu dieser Frage weicht der Senat auch nicht vom Urteil des 10. Zivilsenats vom 25.08.2006 ab (Az. 10 U 30/06, OLGR Naumburg 2007, 415). Entgegen der Kommentierung bei von Wulffen (von Wulffen/Bieresborn, 6. Aufl., § 118 SGB X, Rn. 4) lässt sich dieser Entscheidung nicht entnehmen, dass § 118 SGB X generell auf Prozessvergleiche analog anwendbar sei. Vielmehr war tragende Erwägung des 10. Zivilsenats, der in einem Fall zu entscheiden hatte, in dem sich zwei als zuständig in Betracht kommende Sozialversicherungsträger vor dem Sozialgericht vergleichsweise darauf geeinigt hatten, wer zuständig ist, dass "die Interessen eines Schädigers" durch einen solchen Vergleich "grundsätzlich nicht" berührt würden. Dem Schädiger sei gleichgültig, an welchen von mehreren in Betracht kommenden Sozialversicherungsträgern er Ersatzleistungen zu erbringen habe (Juris-Rn. 42). Der vorliegende Fall liegt in der Frage der Berührung der Interessen des Schädigers anders; neben dem "ob" der Sozialleistungsverpflichtung unterfallen auch die Art und Höhe der Sozialleistung der Bindungswirkung nach § 118 SGB X (LPK-SGB X/Breitkreuz, 2. Aufl., § 118 SGB X, Rn. 3; Wannagat/Eichenhofer, Stand: März 2001, § 118 SGB X, Rn. 5). Die Bindungswirkung schneidet dem Schädiger den Einwand, der Leistungsträger habe rechtsgrundlos geleistet, ab (LPK-SGB X/Breitkreuz, a. a. O.).

(7.) Die Klägerin sieht in ihren Hilfserwägungen den Rentenbescheid vom 19.06.2001 (Bl. 63 ff. II d. A.) als die nach § 118 SGB X maßgebliche und das Zivilgericht bindende "Entscheidung" an. Dem kann nicht gefolgt werden. Dieser Bescheid ist ausweislich seines Wortlauts auf Seite 1 ("aufgrund des Vergleichs vom 09.04.2001 erhalten sie von uns Rente wegen Erwerbsunfähigkeit") lediglich die von der Klägerin in der Rechtsgestalt eines Verwaltungsaktes vorgenommene Erfüllung der mit dem Prozessvergleich eingegangenen Verpflichtung; hingegen ist der Bescheid keine Verwaltungsentscheidung in der Folge einer sozialrechtlich-fachlichen Prüfung.

bb)

Ob darüber hinaus der Prozessvergleich vom 09.04.2001 auch deshalb keine Bindungswirkung entfaltete, weil die Beklagten, obgleich dies möglicherweise notwendig war (so: Wannagat/Eichenhofer, Stand: März 2001, § 118 SGB X, Rn. 3 a. E.), nicht zu dem sozialgerichtlichen Verfahren beigeladen worden waren, kann dahinstehen. Der Senat neigt der Ansicht zu, dass die (notwendige) Beiladung des Schädigers Voraussetzung für die Bindungswirkung nach § 118 SGB X ist. Nach § 75 Abs. 2, 1. Fall SGG ist ein Dritter, der an einem streitigen Rechtsverhältnis derart beteiligt ist, dass eine Entscheidung auch ihm gegenüber nur einheitlich ergehen kann, beizuladen. Das ordentliche Gericht, das über den nach § 116 SGB X übergegangenen Anspruch zu entscheiden hat, ist mit unmittelbarer Rechtswirkung gegenüber dem in Anspruch genommenen Schädiger an die Entscheidung des Sozialleistungsträgers bzw. des Sozialgerichts darüber, ob und in welchem Umfang der Leistungsträger zur Leistung verpflichtet ist, gebunden (§ 118 SGB X). Daher entfaltet die die Leistungspflicht wegen Erwerbsunfähigkeit des Geschädigten bejahende Entscheidung des Sozialleistungsträgers eine unmittelbar rechtsgestaltende Wirkung auch gegen den Schädiger. Gegen ihn stünde fest, dass der Sozialleistungsträger zur Gewährung einer Erwerbsunfähigkeitsrente nach dem SGB VI verpflichtet ist. Das "Ob", die Art und die Höhe der Sozialleistung unterfallen der Bindungswirkung nach § 118 SGB X (LPK-SGB X/Breitkreuz, a. a. O.). In der ihn unmittelbar berührenden Frage, ob den Sozialleistungsträger eine Pflicht zur Gewährung von Sozialleistungen trifft, hätte er keinerlei rechtliches Gehör erhalten, wenn er nicht notwendig beizuladen wäre. Dem dürfte, anders als die Klägerin meint, nicht entgegenstehen, dass sich die Bindungswirkung auf Fragen wie die des Kausalzusammenhangs zwischen Schadensereignis und Schaden oder eines etwaigen Mitverschuldens des Geschädigten nicht erstreckt (Kasseler Kommentar/Kater, Stand: April 2008, § 118 SGB X, Rn. 8; von Wulffen/Bieresborn, 6. Aufl., § 118 SGB X, Rn. 3). Für die Erforderlichkeit einer notwendigen Beiladung reicht es aus, dass die Entscheidung dazu, dass, in welcher Art und in welchem Umfang der Sozialleistungsträger zur Leistung verpflichtet ist, das ordentliche Gericht mit einer sich unmittelbar auf den Schädiger erstreckenden Auswirkung bindet (so auch: Wannagat/Eichenhofer, a. a. O.).

Der Senat sieht sich in dieser Auffassung im Einklang mit dem Urteil des BGH vom 04.04.1995 (Az. VI ZR 327/93, zitiert nach Juris). Demnach setzt die Bindung des Zivilgerichts im Haftpflichtprozess gegen einen Unternehmer an die vom Unfallversicherungsträger vorgenommene Bejahung eines bestimmten Unfallversicherungstatbestandes voraus, dass der Unternehmer nach § 12 Abs. 2 SGB X an dem Verwaltungsverfahren beteiligt worden ist. Nicht gefolgt werden kann der Ansicht der Klägerin, die Entscheidung sei nicht einschlägig, weil in dem dortigen Sachverhalt die das Vorliegen eines Arbeitsunfalls verneinende Entscheidung der Unfallversicherung "unmittelbare Wirkung" für den Unternehmer habe, der sich nicht mehr auf das Haftungsprivileg aus § 104 Abs. 1 SGB VII berufen könne, während die Entscheidung, dass und in welchem Umfang Erwerbsunfähigkeitsrente zu zahlen ist, keine vergleichbare Wirkung entfalte. Zwar steht mit der Entscheidung des Leistungsträgers nicht fest, dass diesem gegenüber dem Schädiger der aus übergegangenem Recht geltend gemachte Schadensersatzanspruch zusteht. So kann der Schädiger etwa mangelnde Kausalität zwischen Schaden und Schadensereignis erfolgreich einwenden. Auch mag er sich mit (Teil-) Erfolg auf ein Mitverschulden des Geschädigten berufen können. Indes führt die Bindungswirkung des Zivilgerichts in Bezug auf die Entscheidung, dass, in welcher Art und in welcher Höhe Sozialleistungen zu erbringen sind, dazu, dass gegen den Schädiger die Leistungspflicht des Leistungsträgers, die Art und der Umfang der Sozialleistung bindend feststehen (Hauck/Noffz/ Nehls, Stand: Januar 2007, § 118 SGB X, Rn. 5).

Soweit der VI. Zivilsenat des BGH in seinem Urteil vom 15.07.2008 (Az. VI ZR 105/07, Rn. 20) unter Bezugnahme auf ein Urteil des OLG Hamm vom 12.08.1999 (Az. 6 U 8/99) gemeint hat, die Bindungswirkung nach § 118 SGB X setze keine Beiladung des Schädigers voraus, ist eine Auseinandersetzung mit dieser Auffassung mangels Begründung der Ansicht nicht möglich. Das zitierte Urteil des OLG Hamm (RuS 1999, 418 f. d. A.) gibt keinen Anlass zu einer solchen Bewertung. Auch diese Entscheidung geht im Ausgangspunkt davon aus, dass im Falle einer erforderlichen, aber unterbliebenen Beteiligung die in § 118 SGB X angeordnete Bindungswirkung nicht eintritt (Juris-Rn. 18). Die Entscheidung kommt jedoch zu einer nicht erforderlichen Beteiligung des Schädigers, und zwar mit der Erwägung, die Schadensersatzansprüche des Geschädigten gegen den Schädiger würden inhaltlich nicht verändert, wenn infolge einer vom zuständigen Versorgungsamt zugebilligten OEG-Leistung der Versorgungsträger - neben der zunächst eingetretenen Krankenkasse - als Gläubiger des übergegangenen Schadensersatzanspruchs anzusehen sei (Juris-Rn. 19). Hier indes geht es bei der Bindungswirkung nach § 118 SGB X nicht nur um die Veränderung in der Forderungsinhaberschaft bei inhaltsgleichem Fortbestand des Schadensersatzanspruchs gegen den Schädiger, sondern um dessen Bindung an die Feststellungen im Sozialgerichtsprozess über Grund und Höhe der zu erbringenden Sozialleistungen.

Die Erwägung des Klägervertreters im Senatstermin, im Falle eines (zunächst) unbekannten Schädigers sei eine Beiladung nicht möglich, begründet nicht, warum in dem (hier vorliegenden) Fall eines bekannten Schädigers eine Beiladung als Voraussetzung für die Bindungswirkung entbehrlich sein soll.

Letztlich kann offenbleiben, ob der Mangel der Beiladung der Beklagten zum sozialgerichtlichen Verfahren vor dem Sozialgericht Dessau zur Folge hat, dass der Prozessvergleich auch aus diesem Grund keine Bindungswirkung nach § 118 SGB X hat. Prozessvergleiche zwischen dem Leistungsträger und dem Geschädigtem sind aus den oben unter Buchst. aa) genannten Gründen bereits als solche - unabhängig von der Beiladungsfrage - keine "unanfechtbaren Entscheidung(en)" i. S. v. § 118 SGB X.

b) Weil das Ausgangsgericht demnach nicht an den Prozessvergleich gebunden war und die Möglichkeit eines Wiederauflebens des sozialgerichtlichen Verfahrens nach dessen Beendigung durch Prozessvergleich nicht besteht (anders in dem vom BGH in seinem Urteil vom 04.04.1995 (Az. VI ZR 327/93) entschiedenen Sachverhalt, in dem ein Wiederaufleben des Verwaltungsverfahrens möglich war; vgl. dazu Juris-Rnrn. 22 f.), war vom Zivilgericht über die Behauptung der insoweit darlegungs- und beweispflichtigen Klägerin Beweis zu erheben, sie sei zur Gewährung von Erwerbsunfähigkeitsrentenleistungen in der mit der Regressklage geltend gemachten Höhe verpflichtet gewesen, weil die Geschädigte infolge des Unfallereignisses nicht dazu in der Lage sei, ohne fremde Hilfe öffentliche Verkehrsmittel zu benutzen oder Fahrrad zu fahren, sich nur in eingeschränktem Maße zu Fuß bewegen könne und dabei nicht viermal täglich mehr als 500 m zu Fuß zurücklegen könne (Seite 3 der Klageschrift, Bl. 3 I d. A.). Die Berufung der Klägerin greift die Beweiswürdigung des Landgerichts, namentlich soweit es die Würdigung des unfallchirurgischen Gutachtens des Sachverständigen Dr. med. Z. vom 04.02.2005 (Bl. 107 ff. I d. A.) und des Ergebnisses seiner Anhörung im Termin vom 30.08.2005 (Bl. 167 ff. I d. A.) angeht, nicht an. Die Beweiswürdigung ist rechtsfehlerfrei; sie bezieht insbesondere auch die Bekundungen der sachverständigen Zeugin Dipl.-Med. B. im Termin vom 04.02.2005 sowie deren im sozialgerichtlichen Verfahren eingeholtes Sachverständigengutachten in die Bewertung ein, ebenso das für die S. vom Sachverständigen Dr. Z. erstattete "Zweite Rentengutachten" vom 11.10.2000 (Bl. 172 ff. I d. A.). Die mangelnde Wegefähigkeit der Geschädigten, die tatsächlicher Hintergrund der von der Klägerin vor dem Sozialgericht Dessau eingegangenen vergleichsweisen Verpflichtung zur Erbringung von Erwerbsunfähigkeitsrentenleistungen war, besteht demnach nicht.

c) Mit ihrer Hilfserwägung, anstelle der Erwerbsunfähigkeitsrentenleistungen, zu denen sie sich im Prozessvergleich vom 09.04.2001 verpflichtet hatte, sei sie zur Gewährung von Berufsunfähigkeitsrentenleistungen verpflichtet gewesen, weshalb die Beklagten unter diesem Gesichtspunkt schadensersatzpflichtig seien, setzt sich die Klägerin zum einen in Widerspruch zu ihrer abweichenden Auffassung im Verwaltungsverfahren und dem sich anschließenden Sozialgerichtsprozess vor dem Sozialgericht Dessau, wo die Klägerin - auch noch nach Einholung des Gutachtens der Frau Dipl.-Med. B. - die gegenteilige Auffassung vertreten hatte. Dieses Gutachten gibt für eine auf weniger als die Hälfte der Erwerbsfähigkeit von körperlich, geistig und seelisch gesunden Versicherten reduzierte Erwerbsfähigkeit auch nichts her. Zum anderen folgt aus den Gutachten des Sachverständigen Dr. Z. vom 11.10.2000 (Erstes Rentengutachten, Bl. 172 ff. I d. A.) und vom 04.02.2005 (Bl. 107 ff. I d. A.), dass die Geschädigte nicht berufsunfähig ist.

2. Auch die zulässige Berufung der Beklagten bleibt ohne Erfolg. Das Landgericht hat der Klägerin zutreffend einen nach § 119 Abs. 1 SGB X auf sie übergegangenen Anspruch der Geschädigten auf Ersatz der infolge des Schadensereignisses ausgefallenen Sozialversicherungsbeiträge zugesprochen (Beitragsregress). Der Beitragsausfall in der Folge der von der damaligen Arbeitgeberin der Geschädigten ausgesprochenen Kündigung des Arbeitsverhältnisses ist auf die durch das Unfallereignis erlittenen gesundheitlichen Beeinträchtigungen zurückzuführen. Der Inhalt der Kündigungserklärung vom 23.06.1999 (Bl. 15, 15 R der beigezogenen Akte des Sozialgerichts Dessau) und das Schreiben der Arbeitgeberin an das Landesamt für Versorgung und Soziales vom 11.08.1999 (Bl. 22, 22 R der Sozialgerichtsakte) lassen angesichts der detaillierten Darstellung der von der Geschädigten empfundenen gesundheitlichen Beschwerden und Beeinträchtigungen und der darauf aufbauenden Darstellung der sich aus Sicht des Arbeitgebers daraus ergebenden Einschränkungen für die Einsatzfähigkeit der Geschädigten in ihrem arbeitsvertraglichen Aufgabenkreis den Schluss zu, dass die Kündigung auf den gesundheitlichen Beeinträchtigungen beruht, die die Geschädigte im Kündigungszeitpunkt noch empfunden hat. Die Behauptung der Beklagten, es habe sich um eine mit unfallbedingten gesundheitlichen Beeinträchtigungen nicht zusammenhängende, rein betriebsbedingte Kündigung gehandelt, stützt sich auf die Verwendung des Begriffs "betriebsbedingt" im Schreiben der Arbeitgeberin vom 11.08.1999 und auf den Vortrag, der Arbeitsplatz der Geschädigten sei im Anschluss an die Kündigung nicht wieder besetzt worden. Beide Umstände mögen eine gewisse Indizwirkung in Richtung der von den Beklagten behaupteten mangelnden Kausalität zwischen unfallbedingten Verletzungsfolgen und Kündigung haben; sie reichen aber angesichts des zuvor angesprochenen und die empfundenen Beeinträchtigungen im Einzelnen darstellenden Inhalts des Kündigungsschreibens wie auch des Schreibens vom 11.08.1999 für die Erbringung des Vollbeweises nicht aus. Gegen die Behauptung der Beklagten spricht zudem, dass auch das Gerichtsgutachten des Herrn Dr. Z. , vom 04.02.2005 (Bl. 107 ff. I d. A.) - ungeachtet dessen, dass das Gutachten für die Berufs- und Erwerbsfähigkeit der Geschädigten spricht - davon ausgeht (vgl. Seite 7, Bl. 113 I d. A.), dass die von der Geschädigten empfundenen Beckenbeschwerden subjektiv "durchaus glaubhaft" seien. Auch das "Erste Rentengutachten" dieses Sachverständigen vom 09.04.1999 (Bl. 155 ff. II d. A.) - und damit im unmittelbaren zeitlichen Vorfeld der ausgesprochenen Kündigung erstellt - geht von glaubhaft empfundenen Beschwerden der Geschädigten aus. Soweit die Beklagten dem entgegenhalten, die Gesamtschau aller Gutachten ergebe die Berufs- und Erwerbsfähigkeit der Geschädigten, steht dies demnach der Bejahung der Kausalität zwischen unfallbedingten gesundheitlichen Beeinträchtigungen der Geschädigten und ausgesprochener Kündigung nicht entgegen.

Die Geschädigte - und damit auch die Klägerin innerhalb des auf sie nach § 119 SGB X übergeleiteten Beitragsregressanspruchs - muss sich auch nicht entgegenhalten lassen, sie habe sich nicht im Anschluss an die Kündigung um eine anderweitige zumutbare Beschäftigung bemüht. Fernab der Frage, ob eine solche - auch auf der Grundlage des von der Berufung der Beklagten zutreffend errechneten Netto-Stundenlohns - auf dem örtlichen Arbeitsmarkt zu finden war, konnte und durfte die Geschädigte angesichts der diversen ärztlichen Krankschreibungen und der Einschätzung der Frau Dipl.-Med. B. in ihrem vor dem Sozialgericht Dessau eingeholten Gutachten vom 19.05.2000 (Bl. 70 - 72 der beigezogenen Verfahrensakte des Sozialgerichts Dessau) davon ausgehen, dass sie erwerbsunfähig ist, zumal das Sozialgericht diese rechtliche Bewertung auf der Grundlage des Gutachtens in den Hinweisen vom 09.04.2001 vorgenommen hatte. Das Risiko, dass sich die zugrunde liegende medizinische Bewertung und die - hier ausnahmsweise das Zivilgericht nicht bindende - sozialrechtliche Bewertung als unrichtig erweisen, hat nicht die Geschädigte, sondern der Schädiger zu tragen.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 Abs. 1 ZPO. Der Ausspruch zur vorläufigen Vollstreckbarkeit beruht auf §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO.

Die Revision war nicht zuzulassen, weil die Voraussetzungen des § 543 Abs. 2 S. 1 ZPO nicht vorliegen. Auch das Vorbringen der Klägerin im Schriftsatz vom 03.09.2008 (Seite 5) gibt keinen Anlass zur Revisionszulassung. Im vorliegenden Fall hatte die Klägerin im Verfahren vor dem Sozialgericht Dessau bis zuletzt (vgl. bspw. den Schriftsatz der Klägerin vom 28.11.2000, Bl. 86 f. der Sozialgerichtsakte) die Erwerbsunfähigkeit der Geschädigten bestritten und sich erst unter dem Eindruck der abweichenden Auffassung des Gerichts und auf dessen Vergleichsvorschlag hin gebeugt und zur Gewährung von Rentenleistungen verpflichtet. Dass derartige Sachverhalte in einer unbestimmten Vielzahl von Fällen, in denen ein Anspruchsübergang nach § 116 SGB X im Raume steht, zu erwarten sind, lässt sich auch dem oben erwähnten Vorbringen der Klägerin nicht entnehmen und ist auch nicht ersichtlich.

Der Streitwert des Berufungsverfahrens wurde nach §§ 45 Abs. 1 S. 1, Abs. 2, 47 Abs. 1, 48 Abs. 1 S. 1 GKG, 3 ZPO festgesetzt.

Ende der Entscheidung

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