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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Naumburg
Urteil verkündet am 06.02.2001
Aktenzeichen: 9 U 179/00
Rechtsgebiete: BGB, BV, ZPO


Vorschriften:

BGB § 539
BGB § 538
BGB § 537
BGB § 242
BGB § 536
BGB § 197
BGB § 535 S. 2
BGB § 537 Abs. 1
BGB § 823 Abs. 1
BGB § 538 Abs. 1 Alt.
BV § 27 Abs. 1 der II.
ZPO § 711
ZPO § 12 Abs. 1
ZPO § 19 Abs. 3
ZPO § 91 Abs. 1
ZPO § 97 Abs. 1
ZPO § 138 Abs. 3
ZPO § 708 Nr. 10
ZPO § 546 Abs. 2
ZPO § 92 Abs. 1 S. 1 Alt. 2
ZPO § 19 Abs. 1 S. 1
Die Berufung des Vermieters auf § 539 BGB (a. F.) wird nur durch eine bei Vertragsschluss bzw. ein nach Vertragsschluss innerhalb der dem Mieter nach Kenntniserlangung vom Mangel zuzubilligenden Prüfungsfrist erfolgte Mängelbeseitigungszusage ausgeschlossen. Eine später erfolgte Zusage lässt die bereits eingetretene Verwirkung des Minderungsrechts für die Zukunft nicht mehr entfallen.
OBERLANDESGERICHT NAUMBURG IM NAMEN DES VOLKES URTEIL

9 U 179/00 OLG Naumburg

verkündet am: 06.02.2001

In dem Rechtsstreit

...

hat der 9. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Naumburg unter Mitwirkung des Vorsitzenden Richters am Oberlandesgericht Dr. Klier, des Richters am Oberlandesgericht Dr. Tiemann und des Richters am Landgericht Dr. Otparlik auf die mündliche Verhandlung vom 06.02.2001 für Recht erkannt:

Tenor:

Auf die Berufung des Beklagten wird das am 12.09.2000 verkündete Urteil des Landgerichts Dessau - 4 O 222/00 - abgeändert.

Der Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 106.179,59 DM nebst 6 % Zinsen seit dem 3. Werktag eines jeden Monats aus

2.289,35 DM im August 1995,

jeweils 1.192,78 DM im September und Oktober 1995,

2.886,78 DM im November 1995,

jeweils 199,60 DM im Zeitraum Dezember 1995 bis einschließlich März 1996,

491,01 DM im April 1996,

2.558,27 DM im Mai 1996,

jeweils 1.805,50 DM im Juni und Juli 1996,

jeweils 2.449,50 DM im Zeitraum August 1996 bis einschließlich März 1998,

jeweils 2.470,79 DM im Zeitraum April 1998 bis einschließlich August 1999,

jeweils 4.789,80 DM seit September 1999

zu zahlen.

Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

Die Widerklage wird abgewiesen.

Die weitergehende Berufung wird zurückgewiesen.

Von den Kosten des erstinstanzlichen Verfahrens haben die Klägerin 4 % und der Beklagte 96 % zu tragen. Von den Kosten des Berufungsverfahren haben die Klägerin 3 % und der Beklagte 97 % zu tragen.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Der Beklagte kann die Vollstreckung gegen Sicherheitsleistung i.H.v. 161.000.- DM abwenden, wenn nicht die Klägerin vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet. Die Klägerin kann die Vollstreckung gegen Sicherheitsleistung i.H.v. 1.300.- DM abwenden, wenn nicht der Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet. Beide Parteien können die Sicherheit durch eine unbedingte, unbefristete, unwiderrufliche, selbstschuldnerische und schriftliche Bürgschaft einer deutschen Großbank oder Sparkasse erbringen.

Die Beschwer des Beklagten übersteigt 60.000.- DM. Die Beschwer der Klägerin übersteigt 60.000.- DM nicht.

und beschlossen:

Der Streitwert für das Berufungsverfahren wird auf 649.059,54 DM festgesetzt (125.920,52 DM für die Klage und 523.139,02 DM für die Hilfsaufrechnung und die Widerklage).

Tatbestand:

Die Klägerin verlangt vom Beklagten für den Zeitraum August 1995 bis Dezember 1999 rückständigen Mietzins einschließlich Nebenkostenvorauszahlungen i.H.v. 132.406,97 DM, eine Nebenkostennachzahlung i.H.v. 4.483,17 DM (Bl. 20 f Anlagenband) sowie bis zum 24.12.1999 bezifferte Zinsen i.H.v. 14.424,87 DM (Bl. 29-32 Anlagenband), wobei sie die Klage insoweit i.H.v. 66,29 DM zurückgenommen hat (Bl. 174, 177 I). Der Beklagte beruft sich auf Minderung i.H.v. 100 % (Bl. 59 I) und berühmt sich eines Schadensersatzanspruches i.H.v. 523.139,02 DM, den er i.H.v. 127.924,80 DM im Wege der Hilfsaufrechnung und i.H.v. 395.214,22 widerklagend geltend macht (Bl. 67 I).

Mit Vertrag vom 07.12.1992 (Bl. 8 ff Anlagenband) vermietete die Rechtsvorgängerin der Klägerin Büroräume in einer Größe von 140 qm an eine Bürogemeinschaft, an der auch der Beklagte beteiligt war. Ausweislich Ziff. 1 der Anlage zum Mietvertrag haften die Mitglieder der Bürogemeinschaft als Gesamtschuldner für die Verbindlichkeiten aus dem Mietvertrag (Bl. 11 Anlagenband). Zwischen den Parteien ist unstreitig, dass seit der Auflösung der Bürogemeinschaft der Beklagte alleiniger Mieter der Klägerin ist (Bl. 54 I). Der Kaltmietzins beträgt 3.500.- DM zzgl. Mwst, im Voraus zahlbar bis zum 3. Werktag eines jeden Monats (vgl. §§ 3 Ziff. 1, 4 Ziff. 1 des Mietvertrages). Hinsichtlich der Nebenkostenregelung wird auf § 3 Ziff. 2 des Mietvertrages Bezug genommen (Bl. 9 Anlagenband). Des Weiteren enthält der Mietvertrag auszugsweise folgende Regelungen:

"§ 11 Abrechnung und Umlegung der Nebenkosten

Die Nebenkostenvorauszahlungen (siehe Ziff. 2b) sind jährlich einmal abzurechnen. ...

§ 12 Aufrechnung und Zurückbehaltung

1. Der Mieter kann gegen Mietzinsforderungen mit Schadensersatzforderungen nach § 538 BGB nur aufrechnen oder diesbezüglich ein Zurückbehaltungsrecht ausüben, wenn er seine Absicht dem Vermieter mindestens einen Monat vor Fälligkeit des Mietzinses schriftlich angezeigt hat.

2. Mit sonstigen Gegenforderungen kann der Mieter nur aufrechnen, soweit sie unbestritten oder rechtskräftig festgestellt sind. Zurückbehaltungsrechte stehen dem Mieter unbeschadet von Ziff. 1 nur wegen Gegenforderungen zu, die auf dem Mietverhältnis beruhen".

Erstmals mit Schreiben vom 13.07.1995 wies der Beklagte die Klägerin auf unerträglich hohe Raumtemperaturen hin (Bl. 33 ff Anlagenband). Seit August 1998 zahlte er nicht mehr den vollen Mietzins. Insoweit wird auf die diesbezügliche Aufstellung der Klägerin verwiesen (Bl. 20 f Anlagenband). Mit Schreiben vom 21.08.1995 und 12.09.1995 wurde dem Beklagten "auf Grund der momentanen Verkehrslage und der Baumaßnahmen rund um das Objekt" eine Minderung des Kaltmietzinses um 4.- DM auf 21.- DM pro qm eingeräumt (Bl. 16-19 Anlagenband). In dem Schreiben vom 21.08.1995 heißt es: "wie aber bereits besprochen, werden die Außenjalousien spätestens innerhalb der nächsten acht Wochen installiert" (Bl. 17 Anlagenband).

Die Klägerin hat vorgetragen, für die Nutzung eines Kellerraums sei ein gesonderter monatlicher Kaltmietzins i.H.v 45.- DM vereinbart worden (Bl. 14 I). Der Beklagte sei mit der Geltendmachung von Gewährleistungsrechten entsprechend § 539 BGB ausgeschlossen, weil er nach Übergabe der Räumlichkeiten zwei Jahre lang die Miete vorbehaltlos gezahlt habe (Bl. 81 I). § 539 BGB setze keine Kenntnis des Mangels im begriffsjuristischen Sinne voraus (Bl. 150 I). Außerdem habe der Beklagte als Bausachverständiger entsprechende Spezialkenntnisse (Bl. 152 I). Dem Schreiben vom 21.08.1995 lasse sich eine verbindliche Mängelbeseitigungszusage nicht entnehmen (Bl. 90 I). Jedenfalls seien zu diesem Zeitpunkt die Wirkungen des § 539 BGB bereits eingetreten gewesen (Bl. 151 I). Nach der Regelung im Mietvertrag seien sämtliche in Anlage 3 zu § 27 Abs. 1 der II. BV erfassten Nebenkosten auf den Beklagten umlegbar. Dies sei bei Vertragsabschluss auch so besprochen worden (Bl. 19 I). Dem Beklagten seien entsprechende Dauerabbuchungsbelege übermittelt worden (Bl. 20 I). Die auf dieser Grundlage erstellte Nebenkostenabrechnung 1993 sei in voller Höhe akzeptiert und beglichen worden (Bl. 21 I). Die Klägerin arbeite in einer die Klageforderung übersteigenden Höhe mit Bankkredit zu einem Zinssatz von 6 % (Bl. 24 I).

Hinsichtlich der von den Parteien in erster Instanz gestellten Anträge wird auf den Tatbestand des landgerichtlichen Urteils verwiesen (Bl. 201 I).

Der Beklagte hat vorgetragen, die Mietsache sei mangelhaft, weil dort an mehr als 90 Arbeitstagen im Jahr infolge Sonneneinstrahlung Temperaturen über 26 Grad Celsius herrschten, die bei ihm und seinen Angestellten ein "sick-building-syndrom" ausgelöst hätten. Dadurch sei ihm ein Gewinn i.H.v. 523.139,02 DM entgangen (Bl. 54, 58, 61 f, 67 I). Die Berufung auf die §§ 537, 538 BGB sei nicht gem. § 539 BGB ausgeschlossen, da er erst sorgfältig habe prüfen müssen, ob es sich bei der Wärmeentwicklung um eine hinzunehmende Unzulänglichkeit oder aber um einen Mangel der Mietsache handele (Bl. 132, 141, 168 I). Außerdem habe die Prüfungsfrist mit der Mängelbeseitigungszusage im Schreiben vom 21.08.1995 neu zu laufen begonnen (Bl. 144 I). Jedenfalls sei der Mietzinsanspruch bzw. die Berufung der Klägerin auf § 539 BGB verwirkt, weil diese die Minderung vier Jahre hingenommen und Mängelbeseitigung zugesagt habe (Bl. 57, 133, 166 I). Als Nebenkosten seien lediglich Heizung, Wasser, Reinigung und Hausmeister umlagefähig (Bl. 68 I, 136, 147 I). Die Nebenkosten für das Jahr 1994 seien verjährt (Bl. 68 I). Im Übrigen stehe ihm ein "Schadensersatzanspruch infolge fortgesetzten und rechtswidrigen Eingriffs in den Gewerbebetrieb" zu (Bl. 146 I).

Das Landgericht hat durch Zeugenvernehmung Beweis erhoben. Mit am 12.09.2000 verkündeten Urteil hat es den Beklagten zur Zahlung von 125.920,52 DM Mietzins einschließlich Nebenkostenvorauszahlungen und 14.355,58 DM Zinsen verurteilt. Die Klage im Übrigen und die Widerklage hat es abgewiesen. Zur Begründung hat es ausgeführt, die Berufung des Beklagten auf die §§ 537, 538 BGB sei entsprechend § 539 BGB verwirkt. Das geltend gemachte Zurückbehaltungsrecht sei gem. § 12 des Mietvertrages ausgeschlossen. Für einen Schadensersatzanspruch wegen Eingriffs in den eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb fehle es an einem unmittelbar betriebsbezogenem Verhalten. An Nebenkosten seien lediglich Heizung, Wasser, Hausmeister und Reinigung umlagefähig. Die Klägerin habe keinen Anspruch auf Betriebskostennachzahlungen für die Jahre 1994 und 1995. Außerdem sei das Guthaben für die Jahre 1996 bis 1998 von der Klageforderung abzuziehen (Bl. 203 ff I).

Gegen das ihm am 15.09.2000 zugestellte Urteil hat der Beklagte am 10.10.2000 Berufung eingelegt und diese mit am 30.10.2000 beim Oberlandesgericht eingegangenen Schriftsatz vom 26.10.2000 begründet.

Der Beklagte vertieft sein erstinstanzliches Vorbringen wie folgt: Zwar habe er die Überhitzung alsbald nach Einzug in die gemieteten Räumlichkeiten bemerkt, ihm sei jedoch anfangs unklar gewesen sei, ob es sich um einen "Mangel im Sinne der mietrechtlichen Vorschriften" (Bl. 4 II) bzw. einen "justiziablen Mangel der Mietsache" (Bl. 5 II) oder aber um eine hinzunehmende Unzulänglichkeit gehandelt habe. Beim Einzug habe sich das Mietobjekt noch in der Bauendphase befunden, die bis Ende 1994 angedauert habe (Bl. 6 II). Erst seit 1995 sei auf Grund eines Urteils des OLG Köln allgemein bekannt, dass eine Überhitzung von Büroräumlichkeiten einen Mangel der Mietsache darstelle (Bl. 5 I). § 539 entfalte nur für die Vergangenheit Wirkung (Bl. 59 II). Jedenfalls sei auf Grund der Zusicherungen der Klägerin ab August 1995 eine neue Situation entstanden (Bl. 7 f, 64 II). Eine dem Mietvertrag entsprechende Nebenkostenabrechnung liege bis zum heutigen Tage nicht vor (Bl. 11 II). Wegen der Einzelheiten wird auf die Schriftsätze vom 26.10.2000 (Bl. 3-13 II) mit Anlage, vom 10.01.2001 (Bl. 52-55 II) und vom 24.01.2001 (Bl. 56-65 II) verwiesen.

Der Beklagte beantragt,

das am 12.09.2000 verkündete Urteil des Landgerichts Dessau - 4 O 222/00 - abzuändern, die Klage abzuweisen und den Kläger auf die Widerklage zur Zahlung von 395.214,22 DM nebst 4 % Zinsen seit dem 06.04.2000 zu zahlen,

Die Klägerin beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Die Klägerin nimmt Bezug auf ihr erstinstanzliches Vorbringen. Ergänzend trägt sie vor, Kenntnis i.S.d. § 539 BGB sei nicht Rechts- sondern Tatsachenkenntnis (Bl. 40 II). Wegen der Einzelheiten wird auf den Schriftsatz vom 10.11.2000 (Bl. 36-43 II) verwiesen.

Entscheidungsgründe:

I. Die zulässige Berufung hat in der Sache nur in geringem Umfang Erfolg:

1. Die zulässige Klage ist zum weit überwiegenden Teil begründet:

a) Die Klägerin hat gegen den Beklagten einen Anspruch auf Zahlung von Kaltmietzins i.H.v. 206.233,00 DM DM (§ 535 S. 2 BGB):

aa) Der Kaltmietzins beträgt gem. § 3 Ziff. 1 a) des Mietvertrages 3.500.- DM (25.- DM x 140 qm) ohne Mwst. Aus dem Umstand, dass der Beklagte lediglich den ausweislich des Mietvertrages vereinbarten Mietzins als zutreffend bezeichnet hat (Bl. 54 I), geht hervor, dass er die Behauptung der Klägerin, für die Nutzung eines Kellerraums seien weitere 45.- DM netto vereinbart worden (Bl. 14 I), bestreiten will (§ 138 Abs. 3 ZPO). Für ihre bestrittene Behauptung hat die Klägerin keinen Beweis angeboten.

bb) Der Mietzins ist nicht gem. § 537 Abs. 1 BGB gemindert. Wie das Landgericht zutreffend ausgeführt hat (Bl. 204 f I), hat der Beklagte dadurch, dass er vom dem im Juli/August 1993 erfolgten Einzug in das Mietobjekt bis einschließlich Juli 1995 die Miete vorbehaltlos gezahlt hat, sein Minderungsrecht entsprechend § 539 BGB für die vergangenheit und die Zukunft verwirkt (vgl. BGH, WM 1967, 850, 851; BGH, WuM 1992, 313, 315 = NJW-RR 1992, 267 ff; BGH, NJW 1997, 2674; BGH, NJW 2000, 2663 f, zitiert nach juris; OLG Düsseldorf, ZMR 1987, 329, NJW-RR 197, 911 f; WuM 1995, 435, 436; OLG München, ZMR 1993, 466, 467; Bub/Treier, Handbuch der Geschäfts- und Wohnraummiete, 3. Aufl., III.B Rn. 1413). Inwieweit im Einzelfall ein Gewährleistungsverzicht anzunehmen ist, hängt von der Ernsthaftigkeit der Beanstandungen und von der Länge der Zeit ab, in der die ungekürzten Mietzahlungen erfolgen (BGH, NJW 1974, 2233, 2334; NJW 1997, 2674). Ein Zeitraum von sechs Monaten reicht in der Regel aus, Gewährleistungsrechte des Mieters auch für die Zukunft auszuschließen (BGH, NJW 1997, 2674). Es kann aber auch eine längere Frist in Betracht kommen, wenn sich der Mangel erst langsam entwickelt und der Mieter daher Zeit zur Prüfung benötigt, ob ihm ein Minderungsrecht zusteht (Schmidt-Futterer, Mietrecht, 7. Aufl., § 539, Rn. 35 m.w.N.). Der Beklagte trägt selbst vor, dass er die zu hohen Temperaturen alsbald nach dem Einzug in die gemieteten Räume bemerkt hat (Bl. 4 II). Die Kenntnis i.S.d. § 539 BGB muss sich lediglich auf den konkreten Mangel sowie auf dessen Auswirkungen auf die Gebrauchstauglichkeit beziehen. Ob der Mieter die Tragweite der Gebrauchsbeeinträchtigung unter- oder etwaige Möglichkeiten der Mängelbeseitigung überschätzt, ist unerheblich (Staudinger - Emmerich, BGB, 13. Bearb., 1995, § 539, Rn. 13 m.w.N.). Selbst wenn man dem Beklagten über die 6 Monate nach Bezug des Objekts, d.h. bis Ende Januar 1994 hinaus eine Prüfungsfrist bis zum Abschluss der Bauarbeiten im Dezember 1994 zubilligte, ist durch die vorbehaltlose Zahlung des Mietzinses bis einschließlich Juli 1995 das Minderungsrecht verwirkt. Der Beklagte kann auch nicht einwenden, erst nach der in WuM 1995, 35 f erfolgten Veröffentlichung des Urteils des OLG Köln vom 28.10.1991 - 2 U 185/90 - sei allgemein bekannt gewesen, dass eine Überhitzung von Büroräumen einen Mangel der Mietsache darstelle, denn die vorgenannte Entscheidung ist bereits in NJW-RR 1993, 466 ff veröffentlicht worden. Dass der Beklagte vor August 1995 den Mietzins in Erwartung baldiger Mängelbeseitigung zunächst weitergezahlt hat, worin ein ausreichender Vorbehalt läge (vgl. BGH, ZMR 1973 = WM 1973, 146 ff; BGH, NJW 1974, 2333, 2334), ist weder vorgetragen noch ersichtlich. Eine Mängelbeseitigungszusage, die grundsätzlich die Berufung auf § 539 BGB ebenfalls entfallen lassen kann (vgl. BGH, NJW 1997, 2674, 2675), hat die Klägerin allenfalls mit dem Schreiben vom 21.08.1995 gemacht, in dem sie die Installation von Außenjalousien innerhalb der nächsten 8 Wochen angekündigt hat (Bl. 39 Anlagenband). Wie der Senat jedoch bereits mit Urteil v. 05.12.2000 - 9 U 91/00 - entschieden hat, wird die Berufung des Vermieters auf § 539 BGB nur durch eine bei Vertragsschluss bzw. eine nach Vertragsschluss innerhalb der dem Mieter nach Kenntniserlangung vom Mangel zuzubilligenden Prüfungsfrist erfolgte Mängelbeseitigungszusage ausgeschlossen. Eine später erfolgte Zusage lässt die bereits eingetretene Verwirkung des Minderungsrechts hingegen für die Zukunft nicht mehr entfallen. Die Berufung des Vermieters auf § 539 BGB ist nicht rechtsmissbräuchlich (§ 242 BGB), zumal der Mieter seinen vertraglichen Erfüllungsanspruch aus § 536 BGB i.V.m. der Mängelbeseitigungszusage behält. Der wegen § 539 nicht gem. § 537 Abs. 1 BGB geminderte Mietzinsanspruch ist auch nicht verwirkt, weil die Klägerin seit 1995 nichts gegen die Kürzungen des Mietzinses durch den Beklagten unternommen hat, denn dem Vermieter darf es nicht ohne weiteres zum Nachteil gereichen, wenn er mit der Geltendmachung seiner Ansprüche aus Bequemlichkeit oder Sorglosigkeit zuwartet (so BGH, NJW 1984, 1684, 1685 zur Verwirkung von Nebenkostenansprüchen; a.A. wohl OLG Hamburg, WuM 1999, 281, 282).

cc) Für den Zeitraum August 1995 bis Juli 1997 (ein Jahr) lässt sich die Klägerin 4.- DM pro qm abziehen, sodass insoweit nur ein Nettokaltmietzins von 21.- DM/qm geschuldet ist.

dd) Damit ergibt sich für den Kaltmietzins folgende Berechnung:

08/95-07/96:

140 qm x 21.- DM + 15 % Mwst x 12 Monate = 40.572,00 DM

08/96-03/98:

3.500.- DM + 15 % Mwst x 20 Monate = 80.500,00 DM

04/98-12/99:

3.500.- DM + 16 % Mwst. x 21 Monate = 85.260,00 DM

Gesamt: 206.233,00 DM

b) Des Weiteren hat die Klägerin Anspruch auf Nebenkosten i.H.v. 19.537,79 DM:

aa) Da gem. § 11 des Mietvertrages über die Nebenkosten jährlich einmal abzurechnen ist, besteht für die Jahre 1994-1999 bereits Abrechnungsreife, sodass Vorauszahlungen nicht mehr verlangt werden können (vgl. Bub/Treier, a.a.O., III. A, Rn. 46; Sternel, Mietrecht Aktuell, 3. Aufl., Rn. 806 m.w.N.). Die vorgelegten Nebenkostenabrechnungen 1994 bis 1998 sind allesamt prüfbar (vgl. hierzu Bub/Treier, a.a.O., III A., Rn. 47, 49, 50). Die Nebenkosten 1994 sind noch nicht verjährt, da die 4-jährige Verjährungsfrist des § 197 BGB hier erst mit der am 02.07.1997 erfolgten Geltendmachung der Ansprüche (Bl. 24 Anlagenband) begonnen hat (vgl. Bub/Treier, a.a.O., VI., Rn. 64). Wie das Landgericht zutreffend ausgeführt hat (Bl. 207 f I), sind nach der in § 3 Ziff. 2 b des Mietvertrages enthaltenen Regelung lediglich die Positionen Heizung, Wasser, Reinigung und Hausmeister umlagefähig.

bb) Damit ergibt sich für die Nebenkosten folgende Aufstellung:

1994 (Bl. 24 Anlagenband): Straßenreinigung 19,84 DM Wasser/Kanal lt. ABM 362,37 DM Heizkosten laut ABM 714,61 DM Hauswartkosten 789,94 DM Glasreinigung 1.126,05 DM Reinigung Allgemeinflächen 739,96 DM Reinigung Büros/Läden 2.959,85 DM Putz-/Kleinmaterial 84,85 DM 6.797,47 DM

1995 (Bl. 27 Anlagenband): Straßenreinigung 14,32 DM Wasser/Kanal lt. ABM 499,64 DM Heizkosten laut ABM 701,51 DM Glasreinigung 1.266,16 DM Reinigung Allgemeinflächen 739,96 DM Reinigung Büros/Läden 2.959,85 DM Putz-/Kleinmaterial 37,85 DM 6.219,29 DM

1996 (Bl. 2 Anlagenband): Straßenreinigung 9,55 DM Wasser/Kanal lt ABM 448,64 DM Heizkosten lt. ABM 957,41 DM Hauswartkosten 650,54 DM Reinigung Allgemeinflächen 146,46 DM 2.212,60 DM

1997 (Bl. 5 Anlagenband): Wasser/Abwasser lt. ABM 498,37 DM Heizkosten laut ABM 861,57 DM Hausmeister 754,59 DM Hausreinigung 130,79 DM 2.245,32 DM

1998 (Bl. 7 Anlagenband): Wasser/Abwasser lt. ABM 505,69 DM Heizkosten lt. ABM 662,01 DM Hausmeister 767,41 DM

Hausreinigung 128,00 DM 2.063,11 DM Gesamt: 19.537,79 DM

c) Die Gesamtforderung aus Kaltmietzins und Nebenkosten beträgt damit 225.869,79 DM (206.332.- DM + 19.537,79 DM). Abzüglich der insgesamt gezahlten 119.690,20 DM (Bl. 21 Anlagenband) verbleibt eine Restforderung i.H.v. 106.179,59 DM.

d) Die vom Beklagten erklärte Aufrechnung mit einem Anspruch aus § 538 Abs. 1 Alt. BGB bzw. § 823 Abs. 1 BGB sowie das geltend gemachte Zurückbehaltungsrecht ist bereits gem. § 12 Ziff. 1 des Mietvertrages (Bl, 12 Anlagenband) ausgeschlossen, weil weder vorgetragen noch ersichtlich ist, dass der Kläger seine diesbezüglichen Absichten mindestens einen Monat vor Fälligkeit des Mietzinses angezeigt hat (vgl. Bub/Treier, Handbuch der Geschäfts- und Wohnraummiete, 3. Aufl. II, 429, 433 m.w.N.).

2. Die Widerklage ist zulässig, aber unbegründet:

a) Ein Anspruch des Beklagten auf Ersatz entgangenen Gewinns aus § 538 Abs. 1 Alt. 1 BGB ist gem. § 539 BGB ausgeschlossen. Insoweit geltend die Ausführungen zur Verwirkung des Minderungsrechts (oben I. 1. a) bb) entsprechend (vgl. BGH, MDR 1976, 571).

b) Der Beklagte hat auch keinen Schadensersatzanspruch wegen Eingriffs in den eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb (sonstiges Recht i.S.d. § 823 Abs. 1 BGB). Nach ständiger Rechtsprechung ist das Recht am Gewerbebetrieb subsidiär und greift nur ein, wenn das geschriebene Recht eine Lückenfüllung zulässt. Da das kodifizierte Haftungsrecht nicht unterlaufen werden darf, besteht kein Anspruch, wenn letzteres für den speziellen Eingriffstatbestand in anderen Vorschriften Haftungsmaßstäbe aufgestellt hat, diese unter den gegebenen Umständen jedoch nicht ausreichen, um eine Haftung zu bejahen (vgl. Staudinger-Hager, BGB, 13. Bearb. 1999, § 823, Rn. 20 m.w.N.). So liegt der Fall hier. Das Gesetz hat für mängelbedingte Schadensersatzansprüche des Mieters in § 538 BGB eine Spezialregelung getroffen, deren Voraussetzungen vorliegend jedoch nicht erfüllt sind. Dies darf durch den Rückgriff auf das Recht am eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb nicht umgangen werden.

II. Der Zinsanspruch folgt aus §§ 288, 286 Abs. 1, 284 Abs. 2 S. 1 BGB. Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 91 Abs. 1, 92 Abs. 1 S. 1 Alt. 2, 97 Abs. 1 ZPO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit ergeht gem. §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO. Die Beschwer hat der Senat gem. § 546 Abs. 2 ZPO und den Streitwert gem. §§ 19 Abs. 1 S. 1, Abs. 3, 12 Abs. 1 GKG, 3 ZPO festgesetzt (vgl. Schneider, Streitwertkommentar, 11. Aufl., Rn. 2642, 2643).

Ende der Entscheidung

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