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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Naumburg
Urteil verkündet am 17.01.2006
Aktenzeichen: 9 U 78/05
Rechtsgebiete: ZPO


Vorschriften:

ZPO § 97 Abs. 1
ZPO § 543
ZPO § 708 Nr. 10
ZPO § 711
Der Auftraggeber kann sich gegenüber dem Makler in Anwendung der Rechtsprechung zu sogenannten Vorkenntnisklauseln (z. B. OLG Hamburg NJW-RR 1987, 175; OLG Düsseldorf OLG-R 1999, 301) auch dann nicht auf den Einwand der Vorkenntnis berufen, wenn er zwar nicht bereits im Maklervertrag, wohl aber später in einem Protokoll bestätigt, dass ihm das Grundstück vom Makler angeboten wurde.
OBERLANDESGERICHT NAUMBURG IM NAMEN DES VOLKES URTEIL

9 U 78/05 OLG Naumburg

Verkündet am: 17.01.2006

In dem Rechtsstreit

hat der 9. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Naumburg auf die mündliche Verhandlung vom 17.1.2006 unter Mitwirkung des Vorsitzenden Richters am Oberlandesgericht Dr. Klier, des Richters am Amtsgericht Schulz und des Richters am Oberlandesgericht Dr. Tiemann für Recht erkannt:

Tenor:

Die Berufung der Beklagten gegen das am 21.6.2005 verkündete Urteil des Landgerichts Magdeburg (6 O 2467/04) wird zurückgewiesen.

Die Beklagte trägt die Kosten des Berufungsverfahrens.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Die Beklagte kann die Vollstreckung der Klägerin gegen Sicherheitsleistung i.H.v. 30.000,-- Euro abwenden, wenn nicht die Klägerin vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Gründe:

I.

Die Klägerin verlangt aus abgetretenem Recht die Zahlung einer Vergütung aus einer Vereinbarung vom 20.3.2001. Die Beklagte und der Zedent (= Sohn der Klägerin) schlossen am 20.3.2001 eine Vereinbarung, die u.a. folgenden Inhalt hat:

§ 1 Gegenstand

Der Vertragspartner zu 2) [= Zedent] "aquieriert" für den Vertragspartner zu 1) [= Beklagte] Grund- stücke, die für die Bebauung mit Handelsimmobilien geeignet sind.

§ 2 Vergütung

Der Vertragspartner zu 1) verpflichtet sich im Erfolgsfall an den Vertragspartner zu 2) eine Vergütung in Höhe von DM 100.000,- brutto zu zahlen.

§ 3 Fälligkeit

Die Vergütung wird fällig bei Vorliegen folgender Voraussetzungen:

1. rechtskräftiger Bescheid über die Bebaubarkeit der Grundstücke mit mindestens 700 qm Verkaufsraum.

2. notarielle Beurkundung des Grundstückskaufvertrages

3. Abschluss der Mietverträge des geplanten Objekts.

§ 5 Kosten

Der Vertragspartner zu 1) übernimmt alle für das Erreichen der Fälligkeitsvoraussetzungen unter § 3 anfallenden Kosten. Der Vertragspartner zu 2) holt vor dem Auslösen solcher Kosten jedoch das Einverständnis des Vertragspartners zu 1) ein.

§ 6 Informationen

... Selbständiges Herangehen bzw. Verhandeln mit Handelsketten oder Mieter ist dem Vertragspartner zu 2) ausdrücklich untersagt.

Zwischen den Parteien ist streitig, welche Leistungspflichten sich für den Zedenten aus der Vereinbarung vom 20.3.2001 ergaben. Mit Datum vom 1.10.2002 unterzeichneten die Parteien ein mit Protokoll überschriebenes Schriftstück, in dem es u.a. heißt:

Auf der Basis o.g. Vertragsgrundlage wurden von R. Immobilien bislang folgende Grundstücke angeboten, für die gemäß § 2 o.g. Vertragsgrundlage auch folgende Vergütung im Erfolgsfall fällig wird:

...

- M. S. 25.565,-- Euro

Die Beklagte ist der Ansicht, dass der Zedent an den unter Ziffer 3 der Vereinbarung vom 20.3.2001 genannten Tätigkeiten habe zumindest mitwirken müssen, was in der Sache nicht geschehen sei. So sei es dem Zedenten lediglich gelungen, die "Entmietung" von 9 der auf dem Grundstück befindlichen 15 Garagen zu erwirken. Der Ankauf des Grundstücks S. beruhe ebenfalls nicht auf einer Tätigkeit des Zedenten, weil sie bereits Jahre vor dem Kauf Kenntnis von dem Grundstück gehabt habe, was die Klägerin bestreitet. Das Grundstück (u.a.) S. wurde von der Beklagten angekauft und auf der Basis einer Baugenehmigung der Stadt M. mit einem Einkaufsmarkt bebaut. Die Räumlichkeiten in dem Einkaufsmarkt sind sämtlich vermietet. Die Klägerin ist daher der Ansicht, dass ihr der in dem Protokoll vom 1.10.2002 vereinbarte Betrag von 25.565,-- Euro aus abgetretenem Recht zustehe.

Hinsichtlich der Abtretung beruft sie sich auf eine Vereinbarung vom 22.11.2003 (Bl. 23 I) mit dem Zedenten. Der Abtretung lägen Ansprüche aus einer Tätigkeit für den Zedenten zugrunde. Mit Beschluss des Amtsgerichts Magdeburg vom 5.10.2004 wurde über das Vermögen des Zedenten das Insolvenzverfahren eröffnet (Bl. 42/43 I). Die Beklagte bestreitet die Abtretung insgesamt und im Besonderen das Datum. Sie bestreitet weiter, dass der Abtretung eine - berechtigte - Forderung der Klägerin zugrunde gelegen habe. Im Termin zur mündlichen Verhandlung vom 10.5.2005 hat das Landgericht zur Frage der Abtretung folgenden Hinweis erteilt (Bl. 103 I):

Hinsichtlich des Abtretungsvertrages weist das Gericht daraufhin, dass dieser von der Klägerseite vorgelegt worden ist. Er könnte nunmehr von der Beklagtenseite nur noch substantiiert bestritten werden.

Wegen der Einzelheiten des erstinstanzlichen Vortrages der Parteien und der in erster Instanz gestellten Anträge wird Bezug genommen auf die tatsächlichen Feststellungen im angefochtenen Urteil (Bl. 149 - 155 I).

Das Landgericht hat die Beklagte antragsgemäß zur Zahlung von 25.565,-- Euro verurteilt und zur Begründung ausgeführt: Bei der Vereinbarung vom 20.3.2001 handele es sich um einen Vermittlungsmaklervertrag, der hinsichtlich der Vergütungshöhe durch die Regelungen in dem Protokoll vom 1.10.2002 abgeändert worden sei. Im Hinblick auf den Inhalt des Protokolls sei davon auszugehen, dass das Objekt S. der Beklagten vom Zedenten angeboten worden sei. Das Bestreiten dieses Umstandes durch die Beklagte sei widersprüchlich, zumal der Zedent weitere Handlungen unternommen habe. Bei § 3 des Vertrages vom 20.3.2001 handele es sich um eine Fälligkeitsregelung, deren Voraussetzungen sämtlich erfüllt seien. Die Forderung sei letztlich wirksam an die Klägerin abgetreten worden.

Gegen dieses Urteil wendet sich die Beklagte mit der Berufung. Die Beklagte ist der Ansicht, dass es sich bei § 3 des Vertrages vom 20.3.2001 nicht um eine Fälligkeitsregelung handele, sondern dort Leistungspflichten des Zedenten vereinbart worden seien, die dieser aber nicht erfüllt habe. Sie bestreitet zudem, dass die Forderung wirksam an die Klägerin abgetreten worden sei. Das Bestreiten beziehe sich ausdrücklich auch auf das Datum 22.11.2003. Die Klägerin könne nicht darlegen, aus welchem Grund die Abtretung überhaupt erfolgt sei. Ein Provisionsanspruch müsse zudem daran scheitern, dass sie hinsichtlich des streitgegenständlichen Objekts Vorkenntnis gehabt habe.

Wegen der Einzelheiten wird Bezug genommen auf den Inhalt der Berufungsbegründung vom 22.9.2005 (Bl. 25 - 31 II).

Die Beklagte beantragt,

das am 21.6.2005 verkündete Urteil des Landgerichts Magdeburg (6 O2467/04) abzuändern und die Klage abzuweisen.

Die Klägerin beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie verteidigt das angefochtene Urteil und wiederholt und vertieft ihren Vortrag aus erster Instanz.

Wegen der Einzelheiten wird Bezug genommen auf den Inhalt der Berufungserwiderung vom 11.11.2005 (Bl. 45 - 47 II).

II.

Die Berufung ist zulässig, insbesondere form- und fristgerecht eingelegt und begründet worden. Das Rechtsmittel hat keinen Erfolg. Der Klägerin steht aus abgetretenem Recht ein Vergütungsanspruch gem. § 2 der Vereinbarung vom 20.3.2001 i.V.m. dem Protokoll vom 1.10.2002 zu. Auf die zutreffenden Ausführungen des Landgerichts wird Bezug genommen. Das Berufungsvorbringen rechtfertigt keine abweichende Bewertung.

Die Forderung wurde vom Zedenten an die Klägerin mit der Vereinbarung vom 22.11.2003 (Bl. 23 I) abgetreten. Die Beklagte behauptet nicht, dass es sich bei der Vereinbarung um eine Fälschung handelt. Da es sich inhaltlich um eine Urkunde über ein Rechtsgeschäft handelt, hat diese grundsätzlich die Vermutung der Vollständigkeit und Richtigkeit für sich. Da die Beklagte die inhaltliche Richtigkeit bestreitet, trifft sie dafür die Darlegungs- und Beweislast. Auf diesen Gesichtspunkt wurde die Beklagte vom Landgericht ausdrücklich hingewiesen. Im Ergebnis kann dahinstehen, ob die Beklagte ihrer Darlegungslast, an die strenge Anforderungen zu stellen sind (Palandt/Heinrichs BGB, 64. Aufl., § 125, Rn. 15), genügt hat. Es fehlt jedenfalls an einem Beweisantritt für die Behauptung der inhaltlichen Unrichtigkeit. Ein Beweisantritt wäre aber erforderlich gewesen, nachdem die Klägerin ihrerseits im Schriftsatz vom 15.12.2004 (S. 3 - Bl. 41 I -) Beweis angetreten hatte. Ob die Klägerin plausibel dargelegt hat, warum es zu der Abtretung gekommen ist, kann ebenfalls dahinstehen. Für die Wirksamkeit der Abtretung im Verhältnis zur Beklagten ist es unerheblich, ob es für die Forderungsabtretung im Verhältnis der Klägerin zum Zedenten einen rechtlichen Grund gab. Es nimmt der Abtretung grundsätzlich nicht einmal dann die Wirksamkeit, wenn sie ausschließlich zu dem Zweck erfolgt, damit der Zedent als Zeuge gehört werden kann (BGH WM 1976, 424). Es kann letztlich dahinstehen, ob das Datum der Abtretungsvereinbarung von der Vermutung der Vollständigkeit und Richtigkeit umfasst wird (dagegen: BGH NJW-RR 1990, 737), weil das Datum nicht entscheidungserheblich ist. Selbst wenn der Insolvenzverwalter berechtigt sein sollte, die Abtretung anzufechten, so behauptet die Beklagte nicht einmal, dass dies bis zum Schluss der mündlichen Verhandlung tatsächlich auch geschehen ist.

Der Vergütungsanspruch ist materiell auch entstanden. Der Ansicht der Berufung, dass es sich bei § 3 nicht um eine Fälligkeitsregelung, sondern um die Beschreibung von Leistungspflichten des Zedenten handelt, kann nicht gefolgt werden. Dies belegt bereits der Widerspruch, auf den die Berufungserwiderung (S. 3 - Bl. 47 II) zutreffend hinweist. Nach § 3 Ziff. 3 der Vereinbarung hängt die Vergütung davon ab, dass die Mietverträge über das streitgegenständliche Objekt abgeschlossen wurden. Dies ist unstreitig erfolgt. § 6 S. 3 der vorgenannten Vereinbarung untersagt dem Zedenten ausdrücklich ein Herangehen bzw. Verhandeln mit Mietinteressenten. Folgte man dem Vortrag der Beklagten, nachdem in § 3 der Vereinbarung Handlungspflichten des Zedenten beschrieben seien, so hätte der Vergütungsanspruch des Zedenten bei vertragstreuen Verhalten überhaupt nicht entstehen können. Da aber dem Zedenten (unter bestimmten Voraussetzungen) ein Vergütungsanspruch zustehen sollte, belegt dies die Ansicht des Landgerichts, dass es sich bei § 3 lediglich um eine Fälligkeitsregelung handelt, wobei abschließend anzumerken ist, dass diese vertragliche Regelung auch mit dem Wort Fälligkeit überschrieben ist. Dass auf der Basis einer wirksamen Baugenehmigung das Grundstück zunächst von der Beklagten angekauft, bebaut und vollständig vermietet wurde, ist unstreitig.

Dem Vergütungsanspruch kann die Beklagte nicht den Einwand der Vorkenntnis entgegenhalten. Ob die Beklagte Vorkenntnis hatte, kann im Ergebnis dahinstehen. Im Protokoll vom 1.10.2002 hat die Beklagte ausdrücklich bestätigt, dass das (u.a.) streitgegenständliche Grundstück S. ihr vom Zedenten angeboten worden ist. An diese Erklärung ist die Beklagte nunmehr gebunden. Die Erklärung ist vergleichbar mit Vorkenntnisklauseln in Maklerverträgen. Soweit diese in einer Individualvereinbarung enthalten sind, sind sie auch nach Ansicht des Bundesgerichtshofs wirksam (BGH NJW 1971, 1133, 1135). Hinsichtlich der Wirkungen einer solchen Vorkenntnisklausel geht die h.M. davon aus, dass der Auftraggeber sich dann gegenüber dem Makler nicht mehr auf eine Vorkenntnis berufen kann (OLG Hamburg NJW-RR 1987, 175) bzw. dass die Berufung darauf gegen Treu und Glauben verstößt (OLG Düsseldorf OLGR 1999, 301, 303; in der Kommentarliteratur geht man [Schwerdtner, Maklerrecht, 4. Aufl., Rn. 925] von einer unwiderleglichen Beweisvermutung oder [MK- Roth BGB, 3. Aufl., § 652, Rn. 202] einem deklaratorischen Anerkenntnis aus). Der Tenor zu Vorkenntnisklauseln in Individualverträgen geht mithin dahin, dem Auftraggeber es nicht zu gestatten, sich nachträglich auf eine Vorkenntnis zu berufen. Nichts anderes kann gelten, wenn der Auftraggeber zwar nicht im ursprünglichen Vertrag erklärt, keine Vorkenntnis zu haben (oder verpflichtet zu sein, eine solche zu offenbaren), sondern dies erst in einer späteren Vereinbarung geschieht, in der zugleich die Erklärung enthalten ist, Dienste des Maklers entgegen genommen zu haben. Der Wortlaut des Protokolls vom 1.10.2002 ist vor diesem Hintergrund eindeutig, dass der Zedent die Grundstücke der Beklagten angeboten hat, die Kenntnis also auf seiner Tätigkeit beruht. Durch den Hinweis auf den Erfolgsfall wird sodann die Verbindung zur Fälligkeitsregelung aus § 3 der Vereinbarung vom 20.3.2001 hergestellt. Für den streitgegenständlichen Vergütungsanspruch ist es damit im Ergebnis ohne Bedeutung, ob die Beklagte tatsächlich die von ihr behauptete Vorkenntnis hatte.

Die Höhe der Vergütung ergibt sich ebenfalls aus dem Protokoll vom 1.10.2002, indem für das streitgegenständliche Objekt S. ein Betrag in Höhe der Klageforderung vereinbart wurde.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 Abs. 1 ZPO.

Die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit beruht auf den §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO.

Die Revision ist nicht zuzulassen, weil die Voraussetzungen von § 543 ZPO nicht vorliegen.

Ende der Entscheidung

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