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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Nürnberg
Urteil verkündet am 18.10.1999
Aktenzeichen: 10 UF 2066/99
Rechtsgebiete: BGB


Vorschriften:

BGB § 1601
BGB § 1603 Abs. 2
BGB § 1610
BGB § 1609 Abs. 2
§ 1601 BGB § 1603 Abs. 2 BGB § 1610 BGB § 1609 Abs. 2 BGB

In die Mangelfallberechnung der Unterhaltsansprüche im (gescheiterten) Familienverband lebender Kinder ist der Bedarf der Ehefrau nicht nach den vom Bundesgerichtshof, FamRZ 97, 806 entwickelten Grundsätzen, sondern nach pauschalierten Mindestbedarfssätzen (hier: 950,00 DM für die nicht erwerbstätige Ehefrau) einzustellen.

OLG Nürnberg Urteil 18.10.1999 - 10 UF 2066/99 - 5 C 2576/97 AG Regensburg


In der Familiensache hat der 10. Zivilsenat und Senat für Familiensachen des Oberlandesgerichts Nürnberg durch den Richter am Oberlandesgericht ... als Vorsitzenden und die Richter am Oberlandesgericht ... und ... aufgrund der mündlichen Verhandlung vom 27. September 1999 für Recht erkannt:

Tenor:

I. Auf die Berufung des Klägers wird das Teilanerkenntnis- und Endurteil des Amtsgerichtes - Familiengericht - Regensburg vom 20. Mai 1999 abgeändert.

II. Der Beschluss des Amtsgerichtes Nürnberg vom 31. Mai 1996, Az. RU 3310 016.327/95/6, wird dahingehend abgeändert, dass der Kläger an die Beklagte für den Monat Februar 1999 anstelle des festgesetzten Regelunterhaltes von 314,00 DM nur 299,00 DM, ab März 1999 anstelle des festgesetzten Regelunterhaltes von 392,00 DM einen monatlichen Unterhalt in Höhe von 301,00 DM, ab Mai 1999 anstelle des festgesetzten Regelunterhaltes von 392,00 DM einen monatlichen Unterhalt in Höhe von 216,00 DM und ab Juli 1999 anstelle des festgesetzten Regelunterhaltes von 392,00 DM einen monatlichen Unterhalt in Höhe von 214,00 DM zu zahlen hat.

III. Im übrigen werden die Klage abgewiesen und die Berufung des Klägers zurückgewiesen.

IV. Die Kosten des Rechtsstreites werden gegeneinander aufgehoben.

V. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

VI. Die Revision wird zugelassen.

Gründe:

Die Parteien streiten um die Herabsetzung des mit Beschluss des Amtsgerichts Nürnberg vom 31.05.1996 festgesetzten Regelunterhaltes, den der Kläger für die Beklagte zu zahlen hat.

Mit Urteil des Kreisgerichtes Dresden - Stadtbezirk West vom 05.09.1987, Az. 39 F 200/87, wurde der Kläger als nichtehelicher Vater der Beklagten festgestellt und zur Zahlung von Kindesunterhalt verurteilt. Der Regelunterhalt wurde zuletzt mit Beschluss des Amtsgerichts Nürnberg vom 31.05.1996 - Az. RU 3310 016.327/95/6 - wie folgt festgesetzt:

Vom 01.01.1996 bis 31.12.1996 auf monatlich 326,00 DM vom 01.01.1997 bis 27.02.1999 auf monatlich 314,00 DM vom 28.02.1999 bis 27.02.2005 auf monatlich 392,00 DM

Der Kläger hat noch fünf weitere minderjährige Kinder, nämlich ..., geboren am 18.03.1986, W. B., geboren am 02.01.1988, M. E., geboren am 27.12.1992, P. B., geboren am 19.07.1993, M. G., geboren am 08.01.1998.

Mit der Mutter des Kindes M. G. ist er seit 08.05.1999 verheiratet.

Mit einer am 21.05.1997 bei dem Amtsgericht Regensburg eingegangenen Klage hat der Kläger die Herabsetzung des monatlich zu entrichtenden Unterhaltes auf 200,00 DM beantragt. Er hat ausgeführt, dass er angesichts seiner vielfältigen Zahlungsverpflichtungen zur Leistung des festgesetzten Betrages nicht in der Lage sei.

Die Beklagte hat in der mündlichen Verhandlung vom 15.04.1999 eine teilweise Herabsetzung des festgesetzten Regelunterhaltes aufgrund der Kindergelderhöhung zum 01.01.1999 anerkannt.

Mit Endurteil vom 20.05.1999 hat das Amtsgericht - Familiengericht - Regensburg wie folgt entschieden:

1. Der Beschluss des Amtsgerichts Nürnberg vom 31.05.1996, Aktenzeichen RU 3310 016.327/95/6 wird dahin angeändert, dass der Kläger an die Beklagte, ..., geboren am 28.02.1987, gesetzlich vertreten durch das Landratsamt Regensburg ab 01.01.1999 bis 27.02.1999 anstelle des festgesetzten Regelunterhalts von 314,00 DM nur einen monatlichen Unterhalt von 299,00 DM und ab 28.02.1999 anstellte des festgesetzten Regelunterhalts von 392,00 DM einen monatlichen Unterhalt von 377,00 DM zu zahlen hat.

2. Im übrigen wird die Klage abgewiesen.

Gegen diese Entscheidung hat der Kläger form- und fristgerecht Berufung eingelegt. Er hat ausgeführt, dass er zur Zahlung eines höheren Unterhaltes als monatlich 200,00 DM nicht leistungsfähig sei, weil sein Einkommen als selbständiger Nachrichten- und Elektrotechniker bei monatlich höchstens 2.500,00 DM liege. Wegen seiner beruflichen Auslastung von mindestens 60 Arbeitsstunden in der Woche sei er zur Ausübung einer Zusatztätigkeit nicht in der Lage. Im übrigen sei er seit 08.05.1999 verheiratet und seiner Frau unterhaltspflichtig. Diese könne wegen des gemeinsamen Kindes M. G., geb. am 08.01.1998, nicht erwerbstätig sein und habe überdies aus einer vorangegangenen Ehe zwei minderjährige Kinder.

Der Kläger stellt deswegen im Berufungsverfahren folgenden Antrag:

Das Teilanerkenntnis- und Endurteil des Amtsgerichts Regensburg vom 20.05.1999, Az. 5 C 2576/97 wird aufgehoben und der Beschluss des Amtsgerichts Nürnberg vom 31.05.1996, Az. RU 3310 016.327/95/6 wird dahin abgeändert, dass der Kläger an die Beklagte ..., geb. 28.02.1987, gesetzlich vertreten durch das Landratsamt Regensburg ab 01.05.1997 nur einen monatlichen Unterhalt in Höhe von 200,00 DM anstelle der festgesetzten Regelbeträge zu zahlen hat.

Die Beklagte beantragt die Zurückweisung der Berufung und die Zulassung der Revision.

Sie führt insbesondere aus, das Erstgericht habe das Bemessungseinkommen des Klägers mit monatlich 3.200,00 DM und damit ihren Unterhaltsanspruch zutreffend ermittelt. Der Bedarf der Ehefrau sei gemäß der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs (FamRZ 1997, 806) zu berechnen und betrage nicht, wie von der Gegenseite vorgetragen, monatlich 950,00 DM, weil es einen Mindestbedarf der Ehefrau nicht gebe. Der Bedarf richte sich vielmehr ausschließlich nach den ehelichen Lebensverhältnissen, die nach Abzug des Tabellenunterhaltes für die Kinder zu ermitteln seien.

Das zulässige Rechtsmittel des Klägers hat in der Sache teilweise Erfolg.

Der Beschluss des Amtsgerichts Nürnberg vom 31.05.1996 ist ab Februar 1999 abzuändern, da ab diesem Zeitpunkt eine wesentliche Änderung derjenigen Verhältnisse eintrat, die für die Bestimmung der Höhe der Unterhaltsleistungen gemäß §§ 1601, 1603/11, 1610, 1609/11 BGB maßgebend waren (§ 323 ZPO).

Zutreffend geht das Erstgericht davon aus, dass bis einschließlich Januar 1999 keine wesentliche Änderung eintrat.

Das Familiengericht hat das Bemessungseinkommen, das der Kläger als selbständiger Nachrichten- und Elektrotechniker erzielte, auf monatlich 3.200,00 DM geschätzt. Dies hält der Senat für geringfügig zu hoch. Der Kläger hat in den Jahren 1993 bis 1996 ausweislich der vorgelegten Gewinnermittlungen des Steuerberaters K. H. folgende Betriebseinnahmen bzw. Gewinne erzielt

1993: Betriebseinnahmen 27.077,14 DM - Betriebsgewinn 2.280,08 DM

1994: Betriebseinnahmen 70.764,50 DM - Betriebsgewinn 40.640,63 DM

1995: Betriebseinnahmen 29.873,00 DM - Betriebsgewinn 11.686,28 DM

1996: Betriebseinnahmen 42.604,34 DM - Betriebsgewinn 23.025,42 DM

Den Durchschnitt der Betriebsgewinne (vor Steuer und Vorsorgeausgaben) in dem angegebenen Zeitraum hält der Senat schon deswegen nicht für maßgeblich, weil er nicht im Einklang mit den Angaben des Klägers steht, dass er sein Nettoeinkommen auf monatlich maximal 2.500,00 DM einschätze. Die Verluste aus Vermietung und Verpachtung kann der Kläger seinen minderjährigen Kindern ohnehin nicht entgegenhalten.

Ausgehend von der eigenen Einkommens Schätzung von monatlich 2.500,00 DM netto erhöht der Senat diesen Betrag um die private Nutzung des im Betriebsgewinn bereits abgesetzten Pkw's sowie geschätzte übliche Abschreibungen, die über die unterhaltsrechtlich anzuerkennende Abschreibung hinausgehen. Der Senat geht so von einem durchschnittlichen verfügbaren Einkommen von 3.000,00 DM aus. Fiktive Nebeneinnahmen, die der Kläger durch eine Zusatzbeschäftigung erzielen könnte, sieht der Senat im Hinblick auf die geschilderte freiberufliche Tätigkeit nicht.

Ab dem Monat Mai 1997 betrug der Bedarf der - damals fünf - Kinder monatlich 424,00 DM + 424,00 DM + 380,00 DM + 349,00 DM + 349,00 DM = 1.926,00 DM. Bei einem Selbstbehalt von monatlich 1.500,00 DM standen dem Kläger zur Befriedigung dieser Anspruch monatlich weitere 1.500,00 DM zur Verfügung (3.000,00 DM ./. 1.500,00 DM Selbstbehalt) Hieraus errechnet sich ein Kürzungsfaktor von 78 %. Der Bedarf der Beklagten hätte also in Höhe von monatlich 330,00 DM befriedigt werden können. Nach dem abzuändernden Beschluss betrug der Anspruch der Beklagten jedoch nur 314,00 DM, so dass eine Abänderung zu Lasten des Klägers nicht in Betracht kommt. Die Anrechnung des anteiligen Kindergeldes entfällt.

In der nachfolgenden Zeit wurde das Kind Marius geboren (08.01.1998) und zwei Kinder, nämlich A. und M. kamen in eine höhere Altersstufe. Die Parteien haben jedoch nicht geltend gemacht, dass dies zu einer Erhöhung der Unterhaltsverpflichtungen des Klägers und zu einer Verminderung seiner Leistungsfähigkeit führte. Es kann deswegen bei der vorliegenden Berechnung außer Betracht bleiben.

Am 28.02.1999 kam die Beklagte in die dritte Altersstufe. Für ihren Unterhalt ist dabei der erste Tag des Monats maßgebend (§ 1613 Abs. 1 Satz 2 BGB). Im Monat Februar 1999 stand deswegen einem verfügbaren Einkommen von 1.500,00 DM ein Bedarf von 2.506,00 DM gegenüber (vgl. Seite 8 des Urteils, das diesbezüglich von den Parteien nicht beanstandet wurde), was zu einem Kürzungsfaktor von 60 % führt. Der Unterhaltsanspruch der Beklagten war deswegen 301,00 DM (502,-- DM × 60%). Nachdem in dem angefochtenen Urteil der zu leistende Unterhalt auf 299,00 DM herabgesetzt wurde, kann die Berufung des Klägers auch für diesen Monat keinen Erfolg haben.

In den Monaten März und April 1999 liegt insoweit eine veränderte Situation vor, als der im angefochtenen Urteil festgesetzte monatliche Unterhalt 377,00 DM beträgt. Für diese beiden Monate muß der vom Kläger zu entrichtende Unterhalt deswegen auf je 301,00 DM herabgesetzt werden.

Am 08.05.1999 heiratete der Kläger die Mutter seines Kindes M.. Nachdem M. zu diesem Zeitpunkt noch nicht einmal 1 1/2 Jahre alt war, war die Mutter nicht gehalten, ihren Lebensbedarf durch eigene Erwerbstätigkeit zu decken. Der Streit der Parteien geht dahin, ob auch in einem solchen Falle die Mangelfallberechnung des Bundesgerichtshofes (BGH in FamRZ 1997, 806) heranzuziehen ist, nach der der Lebensbedarf der Ehefrau nach den ehelichen Lebensverhältnissen erst nach Abzug der vollen Tabellenunterhaltssätze der Kinder zu berechnen ist, oder ob hier ein Mindestbedarf einzusetzen ist, wie er in der Düsseldorfer Tabelle (B 6,2) mit pauschal monatlich 950,00 DM ausgewiesen ist, weil die Mutter nach § 1609 Abs. 2 BGB mit den Kindern gleichrangig ist. Nachdem dieses Rechtsproblem, soweit ersichtlich, höchstrichterlich noch nicht entschieden ist, läßt der Senat wegen der grundsätzlichen Bedeutung der Sache nach §§ 621 d, 546 ZPO die Revision zu.

Der Senat ist der Auffassung, dass die zitierte Mangelfallentscheidung des Bundesgerichtshofes mit dem vorliegenden Fall deswegen nicht vergleichbar ist, weil es sich dort um die Unterhaltspflicht innerhalb eines aufgelösten Familienverbandes (Vater - Kinder - Mutter) handelt, während im vorliegenden Falle die Unterhaltspflicht gegenüber sechs Kindern zu regeln ist, von denen der Beklagte nur mit der Mutter des letzten Kindes verheiratet ist. Der Senat schließt sich deswegen den Ausführungen von Scholz bei Wendl-Staudigl (Das Unterhaltsrecht in der familienrichterlichen Praxis, 4. Auflage, § 3, Rn 75) an, die ausführen, es gehe nicht an, den Unterhalt von Kindern (aus erster Ehe) bei der Bemessung des Unterhaltes des zweiten Ehegatten vorweg abzuziehen und auf diese Weise zu einem Bedarf für den Ehegatten zu gelangen, der weit unter dem Sozialhilfesatz liege (hier 3.000,00 DM ./. 2.506,00 DM = 494,00 DM : 2 = 247,00 DM). Dies muß auch gegenüber nichtehelichen Kindern gelten. In Fällen der vorliegenden Art müssen alle zu berücksichtigenden Ansprüche zu den insgesamt für Unterhaltszahlungen verfügbaren Mitteln in Relation gesetzt werden, zumal auch die nunmehrige Ehefrau angesichts des Alters des betreuten Kindes auf Unterhalt dringend angewiesen ist und ihre Situation von der der Klägerin nicht wesentlich abweicht. Hinzukommt, dass der notwendige Selbstbehalt des Ehemannes gegenüber der minderjährigen Klägerin nur 1.500,00 DM beträgt. Dabei erscheint es sachgerecht, den Mindestbedarf der Ehefrau nach der Düsseldorfer Tabelle mit 3/4 desjenigen Betrages einzustellen, der als Mindestunterhalt eines nichterwerbstätigen in ehelicher Lebensgemeinschaft lebenden Ehegatten anzusetzen ist, also mit monatlich 950,00 DM. Dies führt auch nach der Mangelberechnung zu keinem unbilligen Ergebnis:

Der Gesamtbedarf von monatlich 2.506,00 DM steigt ab Mai 1999 wegen der Eheschließung um den Ehegattenanteil von 950,00 DM auf monatlich 3.456,00 DM. Der Kläger kann deswegen auch den Unterhaltsanspruch seiner Frau nur zu 43 %, mit 408,50 DM, befriedigen. Der Anspruch der Beklagten beträgt 502,00 DM × 43 % = gerundet 216,00 DM. Auch hier erfolgt keine anteilige Anrechnung des Kindergeldes, das der Klägerin voll verbleibt.

Durch die Anhebung der Regelbeträge zum 01.07.1999 und des Umstandes, dass P. B. in diesem Monat in die zweite Altersstufe gelangt, erhöht sich der Bedarf auf monatlich 3.567,00 DM und kann deswegen nur zu 42 % befriedigt werden. Der Unterhaltsanspruch der Beklagten sinkt deswegen ab Juli 1999 auf monatlich 214,00 DM.

Nur in diesem Umfang ist deshalb die Abänderungsklage begründet. Der vom Kläger bezahlte Unterhalt ist auf diese Beträge anzurechnen.

Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 92 und 97 ZPO.

Vorläufige Vollstreckbarkeit: §§ 708 Nr. 10, 713 ZPO.

Ende der Entscheidung

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