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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Nürnberg
Urteil verkündet am 06.09.2000
Aktenzeichen: 12 U 1235/99
Rechtsgebiete: HGB


Vorschriften:

HGB § 429 Abs. 1
HGB § 430 Abs. 1
HGB § 432 Abs. 1 a. F.
1. Zur Garantiehaftung der Bank bei mißbräuchlicher Verwendung von Euroscheckformularen, die vor Hinausgabe an den Kunden entwendet wurden.

2. Eine Garantiehaftung entfällt, wenn in dem auf dem Transport von der Druckerei zur Bank entwendeten Formular das Kundenkonto noch nicht eingedruckt war, sondern erst vom mißbräuchlichen Verwender angebracht wurde.


Oberlandesgericht Nürnberg IM NAMEN DES VOLKES ENDURTEIL

12 U 1235/99 6 O 15604/98 LG Nürnberg-Fürth

Verkündet am 06. September 2000

Justizangestellte als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle

In Sachen

wegen Forderung,

hat der 12. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Nürnberg durch den Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht und die Richter am Oberlandesgericht und aufgrund der mündlichen Verhandlung vom 5. Juli 2000

für Recht erkannt:

Tenor:

I. Auf die Berufung der Klägern wird das Endurteil des Landgerichts Nürnberg-Fürth vom 23. Februar 1999 abgeändert.

II. Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 74.816,76 DM nebst 5 % Zinsen hieraus seit 28. Juli 1998 zu bezahlen.

Im übrigen wird die Klage abgewiesen.

III. Die weitergehende Berufung der Klägerin wird zurückgewiesen.

IV. Von den Kosten des Rechtsstreits tragen die Klägerin 97 von Hundert und die Beklagte 3 von Hundert.

Von den Kosten der Streithelferin trägt die Klägerin 97 von Hundert; im übrigen trägt sie die Streithelferin selbst.

V. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Die Klägerin kann die Zwangsvollstreckung der Beklagten und die der Streithelferin durch Sicherheitsleistung von je 85.000,00 DM, die Beklagte kann die Zwangsvollstreckung der Klägerin durch Sicherheitsleistung von 95.000,00 DM abwenden, wenn nicht jeweils der Gegner vorher Sicherheit in gleicher Art und Höhe leistet.

Die Sicherheiten können auch durch selbstschuldnerische, unbefristete und unbedingte Bürgschaften einer Großbank, einer Sparkasse des öffentlichen Rechts oder einer Volks- oder Raiffeisenbank mit Sitz in der Europäischen Union erbracht werden.

VI. Die Beschwer der Parteien beträgt je mehr als 60.000,00 DM.

Beschluß:

Der Berufungsstreitwert wird bis 24. November 1999

2.609.515,23 DM

(Berufungsantrag Ziffer I

800.915,23 DM

Berufungsantrag Ziffer II

1.808,600,00 DM)

von da an auf

2.771.687,32 DM

(Berufungsantrag Ziffer I

1.043.487,32 DM

Berufungsantrag Ziffer II 1.728.200,00 DM)

festgesetzt.

Tatbestand:

Die Parteien und die Streithelferin sind auf dem Gebiet des Geld- und Werttransportes tätig. Die Parteien streiten über die Haftung für die Folgen eines Raubüberfalls auf dem Gelände der Streithelferin am 17. Oktober 1996 in T. Bei diesem Überfall wurden ec-Karten und ec-Scheckvordrucke für diverse Banken in Sachsen entwendet, mit deren Beförderung die Klägerin die Beklagte beauftragt hatte, die sich ihrerseits der Streithelferin bediente.

Bereits Anfang 1996 war die Klägerin an die Beklagte herangetreten, um mit dieser eine Geschäftspartnerschaft für die Durchführung von Wert- und Geldtransporten einzugehen. Die Verhandlungen der Parteien gediehen bis zu einem schriftlichen Vertragsentwurf vom 18. Juni 1996, wonach sich die Klägerin einerseits und die Beklagte und weitere Firmen der A andererseits wechselseitig mit der Durchführung von Transporten von Bargeld und anderen Werten in besonders geschützten oder gepanzerten Spezialfahrzeugen unter Verwendung von ausschließlich eigenem Personal beauftragen wollten. Der Abschluß dieses Vertrages scheiterte schließlich am 18. Juni 1996 daran, daß die Beklagte, die über keine gepanzerten Fahrzeuge verfügte, keinen Versicherer für die vorgesehenen Transporte fand.

In der Folgezeit kamen die Parteien überein, daß gleichwohl die Beklagte aufgrund Einzelbeauftragung Werttransporte für die Klägerin unter Haftungsfreistellung durchführen sollte. Mit unwidersprochen gebliebenem Schreiben vom 5. Juli 1996 faßte die Beklagte den Inhalt dieser Abreden dahin zusammen, daß sie Transporte im Rahmen des Werttransportsystems der Klägerin durchführen werde. Hinsichtlich des Haftungsausschlusses führte sie aus: "Die Haftung liegt jedoch wie besprochen bis zur Klärung unseres Versicherungsschutzes und dem Vertragsabschluß beiderseits in vollem Umfang bei Ihrem Haus."

Aufgrund eines Auftrages übernahm die Beklagte auf ihrem Betriebsgelände in F am 11. und am 14. Oktober 1996 von der Klägerin insgesamt 3.000 Stück ec-Karten und 32.000 Stück ec-Scheckvordrucke, die von der Druckerei zu verschiedenen Banken in den neuen Bundesländern verbracht werden sollten. Der anschließende Transport wurde von der Streithelferin mit gepanzerten Fahrzeugen durchgeführt. Während eines Umladevorgangs wurde unter anderem auch dieses Gut am 17. Oktober 1996 in T entwendet.

Die entwendeten Scheckformulare waren bereits mit den fortlaufenden Schecknummern versehen; es fehlten jedoch die erst jeweils bei Ausgabe an die Kunden einzudruckenden Kontonummern.

In der Folgezeit wurden insbesondere im Ausland eine Vielzahl entwendeter Formulare, ergänzt durch den Beidruck einer Kontonummer, ausgefüllt bei Banken oder in Geschäften verwendet. Die durch den Raub betroffenen Geldinstitute haben die Scheckbeträge (maximal bis zur Garantiesumme von 400,00 DM) weitgehend erstattet. In Höhe des ihnen entstandenen Schadens nehmen sie die Klägerin in Anspruch.

Die Klägerin meint, die Streithelferin habe grob fahrlässig gegen einen Überfall keine ausreichenden Vorkehrungen getroffen. Für deren Verschulden als Erfüllungsgehilfin habe die Beklagte in vollem Umfange einzustehen. Auf die Haftungsfreistellung könne sie sich nicht berufen, weil sich diese nur auf den Transport mit ungepanzerten Fahrzeugen im engeren Sinn und nicht auf den Umschlag, bzw. den Umladevorgang bezogen habe. Die Beklagte habe abredewidrig eine Subunternehmerin eingeschaltet, auf deren Verhalten sich die Haftungsfreistellung sowenig erstrecke wie auch auf das Einbeziehen der Subunternehmerin überhaupt.

Den durch Einlösung entwendeter Scheckformulare entstandenen. Schaden sowie die durch die Neuherstellung der entwendeten Scheckformulare und Scheckkarten erforderlichen Aufwendungen (75.394,21 DM - jetzt unstreitig - 74.816,75 DM) hat die Klägerin im ersten Rechtszug mit insgesamt 800.915,23 DM beziffert und dementsprechend Schadensersatz eingeklagt. Außerdem hat sie Feststellung begehrt, daß die Beklagte zum Schadensersatz hinsichtlich noch im Umlauf befindlicher 9.043 Schecks bei einer maximalen Garantiesumme von 3.617.200,00 DM verpflichtet sei.

Die Beklagte und die auf ihrer Seite als Streithelferin beigetretene Nebenintervenientin sind dem Klagebegehren entgegengetreten. Die Streithelferin hat eigene grobe Fahrlässigkeit in Abrede gestellt. Die Beklagte hat sich auf die Haftungsfreistellung berufen und vorgetragen, daß sie keineswegs bei der Weitergabe des Auftrags an die Streithelferin vertragswidrig gehandelt habe. Vielmehr habe die Klägerin selbst die Einbeziehung von Subunternehmern gewünscht.

Hinsichtlich der Einzelheiten des Vortrags der Parteien und der Streithelferin im ersten Rechtszug und der dort gestellten Anträge wird auf das Ersturteil Bezug genommen.

Mit seinem am 23. Februar 1999 verkündeten Endurteil hat das Landgericht Nürnberg-Fürth die Klage in vollem Umfang abgewiesen, weil die Klägerin die Beklagte von jeder Haftung freigestellt habe. Es ist davon ausgegangen, daß die Haftungsfreistellung sich nicht nur auf den Transportvorgang als solchen, sondern auch auf den Umschlag, das Umladen des Gutes bezogen habe. Da eine ausdrückliche Abrede über die Einschaltung von Subunternehmern nicht getroffen gewesen sei, seien die Grundsätze über den Wegfall der Geschäftsgrundlage anzuwenden. Diese würden im konkreten Fall jedoch nicht zur Nichtanwendung der Haftungsfreistellung führen. Denn der Einsatz der Streithelferin, der im Gegensatz zur Beklagten gepanzerte Fahrzeuge zur Verfügung standen, führe nicht dazu, daß für die Klägerin ein Festhalten an der vereinbarten Haftungsfreistellung unzumutbar sei.

Hinsichtlich der Einzelheiten der Entscheidungsgründe wird ebenfalls auf das Ersturteil Bezug genommen.

Gegen dieses ihr am 3. März 1999 zugestellte Endurteil hat die Klägerin mit am Osterdienstag, den 6. April 1999 eingegangenem Anwaltsschriftsatz Berufung eingelegt; ihr Rechtsmittel hat sie mit am 4. Juni 1999 eingegangenem Anwaltsschriftsatz begründet, nachdem die Frist dazu bis zu diesem Tage verlängert worden war.

Mit ihrem Rechtsmittel verfolgt die Klägerin ihr Begehren weiter. Sie hat, nachdem weitere Schecks in Umlauf gebracht und von den Banken eingelöst worden waren und nach ihrem Vortrag insoweit von ihr Schadensersatz geleistet worden sei, ihre Zahlungsklage erhöht und die Feststellungsklage entsprechend vermindert.

Sie wiederholt und vertieft ihren Vortrag aus dem ersten Rechtszug und rügt am Ersturteil insbesondere, daß dort nicht ausreichend berücksichtigt sei, daß die Beklagte absprachewidrig die Streithelferin, eine dritte Unternehmerin, eingeschaltet habe. Haftungsausschlüsse wie der vorliegende seien eng auszulegen. Durch die Weitergabe des Gutes an eine dritte Firma, die hier nicht gestattet gewesen sei, habe die Beklagte nicht nur vertragswidrig, sondern auch gefahrerhöhend gehandelt. Denn durch die Hereinnahme der Scheckformulare und der Scheckkarten in den Bargeldtransport der Streithelferin sei das Risiko eines Überfalles erheblich verstärkt worden. Für diese Vertragswidrigkeit habe die Beklagte in vollem Umfange einzustehen.

Die Klägerin beantragt,

I. die Beklagte zu verurteilen, an die Klägerin 1.043.487,32 DM nebst 5 % Zinsen aus 692.155,58 DM seit Rechtshängigkeit, aus 214.153,86 DM seit 01. Dezember 1998 und aus 137.177,88 DM seit dem 01. Oktober 1999 zu zahlen,

II. festzustellen, daß die Beklagte verpflichtet ist, der Klägerin den über den vorgenannten Klagebetrag hinausgehenden Schaden aus dem Überfall vom 17. Oktober 1996 auf die Geschäftsstelle der A in T im Rahmen der zwischen den Parteien abgeschlossenen Frachtverträge vom 11. und 14. Oktober 1996 bis zu 3.456.400,00 DM zu ersetzen.

Die Beklagte und die Streithelferin beantragen,

die Berufung der Klägerin zurückzuweisen.

Beide wiederholen und vertiefen ebenfalls im wesentlichen ihren Vortrag aus dem ersten Rechtszug.

Die Beklagte ist weiterhin der Auffassung, aufgrund der Haftungsfreistellung von jeder Haftung frei zu sein. Sie widerspricht der Auffassung der Klägerin, nicht zur Weitergabe des Frachtauftrages an einen dritten Unternehmer berechtigt gewesen zu sein. Überdies habe die Klägerin nicht nur gewußt, daß sie Subunternehmer einsetzen werde, sondern solches ausdrücklich gewünscht. Hinsichtlich des Schadensherganges bezieht sich die Beklagte auf den Vortrag ihrer Streithelferin.

Eine Schadensersatzpflicht wegen eingelöster, bzw. noch einzulösender abhanden gekommener Scheckformulare komme schon deshalb nicht in Betracht, weil die Voraussetzungen für ein Garantiehaftung der betroffenen Bankinstitute nicht gegeben sein. Jedenfalls seien die Voraussetzungen dazu nicht im einzelnen von der Klägerin vorgetragen und unter Beweis gestellt.

Die Streithelferin bestreitet ein eigenes Verschulden am Zustandekommen des Raubüberfalles.

Hinsichtlich des weiteren Vorbringens der Parteien wird auf die eingereichten Schriftsätze und Schriftstücke Bezug genommen.

Der Senat hat Beweis erhoben durch uneidliche Einvernahme der Zeugen M W (Bl. 362 f d.A.), A K (Bl. 364 ff. d.A), E E S (Bl. 368 ff. d.A.), K Sch S (Bl. 370 ff. d.A.), T L (Bl. 372 ff. d.A.)., M L (Bl. 375 ff. d.A.), T B (Bl. 464 ff. d.A.), K K (Bl. 468. ff. d.A.), G L (Bl. 470 ff. d.A.), P W (Bl. 476 f d.A.), H-D Sch (Bl. 477 ff. d.A.), G M (Bl. 480 f d.A.), J (Bl. 481 ff. d.A.), R K (Bl. 484 f d.A.), J E (Bl. 486 ff. d.A.), S B (Bl. 489 f d.A.) und U V (Bl. 491 ff. d.A.). Insoweit wird auf die Sitzungsniederschriften vom 12. Januar sowie vom 15. und 22. März 2000 Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die zulässige Berufung der Klägerin ist in der Sache nur zu einem geringen Teil gerechtfertigt. Die Beklagte schuldet der Klägerin nur den Ersatz des Wertes der geraubten Scheckformulare und Scheckkarten, nicht jedoch eines weitergehenden, aus der mißbräuchlichen Verwendung der Formulare entstandenen und noch entstehenden Schadens.

I. Wertersatz

Die Haftung der Beklagten auf Ersatz des Wertes der abhanden gekommenen Scheckformulare und ec-Karten in Höhe von 74.816,75 DM ergibt sich aus §§ 429 Abs. 1, 430 Abs. 1, 432 Abs. 1 HGB a.F.

1. Das dem hier in Rede stehenden Transport zugrundeliegende Rechtsverhältnis ist als Frachtvertrag zu beurteilen. Nach dem übereinstimmenden Vortrag beider Parteien war es Aufgabe der Beklagten, die ihr am 11. und 14. Oktober 1996 überlassenen Gegenstände zu befördern und auszuliefern. Dies stellt ein typisches Frachtverhältnis dar.

Auf die Haftung aus der Verletzung dieses Transportrechtsverhältnisses ist das vor der Transportrechtsänderung geltende Recht anwendbar, da Vertragsschluß und Schadensfall aus dem Jahre 1996 datieren.

2. Gemäß § 429 Abs. 1 a.F. haftet die Beklagte als Frachtführerin für den Schäden, der durch den Verlust oder die Beschädigung des Gutes in der Zeit von der Annahme. bis zur Ablieferung entsteht. Gemäß § 432 Abs. 2 a.F. hat die Beklagte auch für den Schaden einzustehen, der bei der Streithelferin als ihre Unterfrachtführerin entstanden ist.

3. Den Nachweis, daß der Verlust auf Umständen beruht, die durch die Sorgfalt eines ordentlichen Frachtführers nicht hätten abgewendet werden können, § 429 Abs. 1 a.F., hat die Beklagte nicht geführt.

Zwischen den Parteien ist trotz aller Widersprüche im übrigen unstreitig, daß der Überfall konkret dadurch eingeleitet wurde, daß die Räuber unbemerkt in den Hofbereich des Anwesens, in dem die Umladung durch die Streithelferin stattfand, gelangen konnten und wenigstens einer der Räuber sich ebenfalls unbemerkt zwischen dem rückwärts gegen die Gebäudeöffnung abgestellten Transportfahrzeug der Streithelferin und dem Tor hindurch bewegen und mit gezückter Waffe in den Lagerraum eindringen konnte. Solche Umstände wären bei der gebotenen Vorsorge eines Werttransportunternehmens vermeidbar gewesen, insbesondere dadurch, daß zum einen der Hofraum so ausgeleuchtet und überwacht gewesen wäre, daß niemand unbemerkt und unüberprüft während eines Umladevorganges bei geöffneter Ladefläche und geöffnetem Lagerraum sich diesen nähern konnte. Dazu hätte ohne besonderen Aufwand eine hinreichende Beleuchtung sowie eine sichere Umzäunung des Hofraumes und dessen Überwachung genügt.

Entsprechende Vorkehrungen hatte jedoch die Streithelferin nicht getroffen.

4. Die Beklagte kann sich auch nicht auf die Haftungsfreistellung berufen, die unstreitig zwischen den Parteien vereinbart war, wie im Schreiben der Beklagten vom 05. Juli 1996 (Anlage B 7 der von der Beklagten übergebenen Schriftstücke) bestätigt. Denn durch die Übergabe des Transportgutes an die Streithelferin hat die Beklagte der Haftungsfreistellung die Geschäftsgrundlage entzogen.

a) Die Durchführung der Transporte durch die Beklagte bzw. andere Firmen der A selbst war Geschäftsgrundlage für die Haftungsfreistellung.

Daß es übereinstimmender Wille der Parteien war, daß die Beklagte die ihr von der Klägerin zu übertragenden Transporte selbst ausführt, ergibt sich aus dem Text des Vertragsentwurfes, der freilich schließlich nicht mehr Vertragsbestandteil wurde. Dort ist ausdrücklich vorgesehen, daß die Transporte von der Beklagten und den anderen Firmen der A mit eigenen Leuten und mit eigenen gepanzerten Fahrzeugen durchgeführt würden. Das Motiv für die Haftungsfreistellung, nämlich das Fehlen des Versicherungsschutzes der Beklagten, gibt nur dann Sinn, wenn die Transporte auch von der Beklagten durchgeführt werden. Anlaß, die Beklagte von der Haftung freizustellen, wenn sie die Transporte selbst nicht ausführte, bestand nicht.

Daß die Parteien bis zur Erklärung der Haftungsfreistellung von dieser Grundlage ausgingen, schließt der Senat zunächst daraus, daß die verabredete Durchführung der Transporte durch die Beklagte selbst bis zum Scheitern der ursprünglichen Vertragsverhandlungen am 28. Juni 1996 nicht in Frage gestellt war und bis zum 05. Juli 1996 keine anderen Abreden zwischen den Parteien getroffen wurden. Die umfangreiche Beweisaufnahme durch den Senat hat nicht belegt, daß bis zum 05. Juli 1996 die Einbeziehung von nicht zur A gehörenden Frachtunternehmen zwischen den Parteien erörtert worden wäre. Keiner der Zeugen (B, L, V und B), die auf seiten der Beklagten an dem Gespräch mit Mitarbeitern der Klägerin am 24. Juni 1996 teilgenommen haben, konnte bestätigen, daß über die Einbeziehung fremder Unternehmen gesprochen worden sei.

Hinsichtlich der Gespräche nach Abgabe der Freistellungserklärung bis zum Schadensfall haben die Zeugen widersprechende Angaben gemacht. Während der Zeuge K bekundet hat, daß bei einem Gespräch im August 1996 der Mitarbeiter der Klägerin L angeregt habe, wegen logistischer Schwierigkeiten Subunternehmer einzusetzen, und der Zeuge L, wie der Zeuge K Mitarbeiter der Beklagten, hinsichtlich desselben Gespräches darüber hinaus bekundet hat, daß dort auch über die Streithelferin gesprochen worden sei, hat der Zeuge L dies mit Nachdruck in Abrede gestellt. Nach seiner Aussage habe er lediglich die Einbeziehung anderer Firmen der A gewollt; er hat ausgeschlossen, einer Einbeziehung von Subunternehmern außerhalb dieser Firmengruppe zugestimmt zu haben. Von der Beauftragung der Streithelferin will er erst im Zusammenhang mit der Schadensmeldung erfahren haben.

Auch aus der weiteren Beweisaufnahme ergibt sich kein genaues Bild. Mehrere Mitarbeiter der Beklagten haben zwar bekundet, anläßlich von logistischen Schwierigkeiten, die in verzögerter Auslieferung durch die Streithelferin ihre Ursache hatten, der Klägerin Namen und Rufnummern von Mitarbeitern der Streithelferin bekannt gegeben zu haben; Mitarbeiter der Streithelferin haben ausgesagt, mehrfach von Mitarbeitern der Klägerin angerufen worden zu sein. Mitarbeiter der Klägerin haben bekundet, daß sie wegen logistischer Probleme, wie sie meinten, mit Mitarbeitern der A Ferngespräche führten. Aufgrund dieser Aussagen ist naheliegend, daß zum einen der Zeuge L die Einbeziehung von Firmen der A wünschte, die Mitarbeiter der Beklagten dies jedoch als Forderung nach Einbeziehung auch von dritten Subunternehmern verstanden, und daß Gespräche von Sachbearbeitern der Klägerin mit Sachbearbeitern der Streithelferin stattfanden, ohne daß ersteren dabei bewußt, war, daß es sich bei ihren Gesprächspartnern um Mitarbeiter von nicht zum A-Verbund gehörenden Firmen handelte.

Auch der Umstand, daß die Streithelferin beim Fehlen von Empfangsbescheinigungsformularen der Klägerin selbst solche Quittungen herstellte und von den Empfängern unterschreiben ließ, beweist nicht, daß die Klägerin Kenntnis von der Einbeziehung der Streithelferin erlangte. Denn nach der Aussage des Zeugen V wurden diese Empfangsquittungen nicht unmittelbar der Klägerin zugeleitet, sondern von der Niederlassung der Beklagten in C an die Hauptstelle der Beklagten in F gesandt. Der Zeuge E, Mitarbeiter der Klägerin, hat ausgesagt, daß der Eingang solcher Belege in seiner Firma nicht bekannt geworden sei; ihm als Prokuristen wäre solches sicherlich gemeldet worden.

Die Behauptung der Beklagten, der Mitarbeiter der Klägerin L habe im Rahmen eines Regulierungsgespräches eingeräumt, von Anfang an von der Einbeziehung der Streithelferin gewußt zu haben, ist ebenfalls nicht bewiesen. Während die Zeugen K und L diesen Vortrag bestätigten, hat der Zeuge L solches mit Nachdruck in Abrede gestellt. Der Zeuge W, anwaltschaftlicher Berater der Klägerin und Leiter der Regulierungsgespräche, hat eine entsprechende Äußerung des Zeugen L ausgeschlossen; der Zeuge S, der an dem Regulierungsgespräch im Januar 1998 als Vertreter des Schadensregulierers der Versicherung der Klägerin teilgenommen hat, hat ausgesagt, L habe betont, daß seitens der Klägerin die Beauftragung der Streithelferin unbekannt gewesen sei und daß die Transporte von der Beklagten selbst hätten ausgeführt werden müssen. Der Zeuge M, der als anwaltschaftlicher Berater der Beklagten an dem Regulierungsgespräch teilgenommen hatte, erinnerte sich nicht an eine Äußerung von L, daß die Einbeziehung der Streithelferin bekannt gewesen sei; sein im unmittelbaren Anschluß an dieses Gespräch gefertigtes Protokoll (Anlage zur Sitzungsniederschrift vom 22. März 2000 (Bl. 495 ff. d.A.) enthält dazu ebenfalls nichts. Der Zeuge K schließlich, der als Versicherungsmakler die Beklagte betreute, hat hinsichtlich dieses Regulierungsgespräches zwar bekundet, daß L und K betont hätten, der Klägerin sei die Beauftragung der A bekannt gewesen. An ein Zugeständnis von L hat er sich jedoch nicht erinnert.

Während schließlich der Zeuge K, Mitarbeiter der Streithelferin, bekundet hat, der Mitarbeiter der Klägerin E habe im Rahmen eines Gespräches wenige Tage nach dem Schadensfall erklärt, ihm sei bekannt, daß die Streithelferin den Transport durchgeführt habe, hat der Zeuge E ausgesagt, er habe erst anläßlich des Schadensfalles von der Tätigkeit der A Kenntnis erlangt.

Die widersprüchlichen Aussagen rechtfertigen nicht den Schluß, daß zu irgendeinem Zeitpunkt vor dem Schadensfall die Klägerin von der Einbeziehung nicht zur A gehörender Frachtunternehmen und speziell der Streithelferin gewußt oder eine solche gar gefordert oder akzeptiert hat.

Es ist deshalb davon auszugehen, daß Geschäftsgrundlage für die Haftungsfreistellung die Durchführung der Iranspurte ausschließlich durch die Klägerin oder andere Firmen der A war und daß die Klägerin in der Folgezeit mit dem Wegfall oder der Abänderung dieser Geschäftsgrundlage nicht einverstanden war.

Soweit die Beklagte den Handelsbrauch behauptet, daß auch für Transporte der klagegegenständlichen Art die Einschaltung von Subunternehmern branchenüblich sei, kommt dem in vorliegendem Zusammenhang deshalb keine Bedeutung zu, weil ein - unterstellt - derartiger Handelsbrauch nicht auf der hier vorliegenden Besonderheit gründet, daß der Auftraggeber den Frachtführer von der Haftung freigestellt hat.

b) Die Beauftragung der Streithelferin und deren Durchführung des hier streitgegenständlichen Transportes hat die Geschäftsgrundlage entfallen lassen mit der Folge, daß sich die Beklagte auf die Haftungsfreistellung nicht berufen kann. Der Klägerin ist ein Festhalten an der vereinbarten Haftungsfreistellung nicht mehr zumutbar.

Durch die Einschaltung der Streithelferin, eines der Klägerin völlig unbekannten Unternehmens, wurde im Gegensatz zur Auffassung des Erstgerichtes das Risiko eines Haftungsfalles, wie die tatsächlichen Geschehnisse belegen, keinesfalls abgesenkt. Richtig ist zwar, daß nunmehr gepanzerte Fahrzeuge für den Transport zur Verfügung standen. Demgegenüber war, wie bereits oben ausgeführt, die Sicherheitslage gerade bei dem Umschlag in T erheblich eingeschränkt. Sie entsprach keineswegs den für einen Wert der Belegtransport zu stellenden Anforderungen. Den Räubern wurde der Angriff, worauf übrigens die vorgelegten Strafurteile in der Strafzumessung hinweisen, ausgesprochen leicht gemacht.

Daß die Sicherheitsvorkehrungen der Beklagten auf gleichniedrigem Niveau wie die der Streithelferin gewesen seien, eine Verschlechterung der Sicherheitslage also nicht eingetreten sei, wird von der Beklagten selbst nicht ernsthaft behauptet.

5. Die Höhe der von der Beklagten zu ersetzenden Kosten der Wiederherstellung der gestohlenen Scheckformulare und ec-Karten ist mit nunmehr 74.816,75 DM unstreitig.

Den im ersten Rechtzug erhobenen Einwand, daß die Klägerin den unstreitigen Schadensbetrag den Geschädigten nicht erstattet habe, hält die Beklagte im Berufungsverfahren nicht mehr aufrecht. Sie räumt vielmehr ein (Seite 7 der Berufungserwiderung = Bl. 270 d.A.), daß die Klägerin den von den Banken insgesamt geltend gemachten Schaden (ungeprüft) reguliert habe.

II. Ersatz des Vermögensschadens

Ein über den Wert der entwendeten Formulare und Scheckkarten § 430 Abs. 1 HGB a.F.) hinausgehender Vermögensschaden (§ 430 Abs. 3 HGB a.F.) wegen der unbefugten Verwendung der entwendeten Formulare steht der Klägerin nicht zu. Dabei kann dahinstehen, ob die Voraussetzungen erhöhten Verschuldens des § 430 Abs. 3 HGB a.F. gegeben sind.

Die betroffenen Geldinstitute waren nicht verpflichtet, die unter der Verwendung der entwendeten Formulare gefälschten Schecks einzulösen, bzw. den vorlegenden Banken die Schecksumme bzw. die Garantiesumme zu erstatten. Deshalb ist auch die Klägerin den betroffenen Bankinstituten nicht zum Schadensersatz verpflichtet, so daß sie auch die Beklagte nicht in Anspruch nehmen kann.

Nach allgemein herrschender Meinung bestehen beim Euroscheck anders als beim gewöhnlichen Scheck zwischen dem bezogenen Kreditinstitut und dem ersten Schecknehmer vertragliche Beziehungen; dem Schecknehmer wird eine Einlösungsgarantie gegeben (vgl. Nobbe in Bankrechts-Handbuch, § 63 RN 76 m.w.N.). Dies ergibt sich auch aus Nr. 6.1 der Bedingungen für den ec-Service (Banken und Sparkassen) in der Fassung vom Januar 1989, wo ausgeführt ist, daß mit der ec-Karte das Kreditinstitut die Zahlung des Scheckbetrages eines auf seinen Euroscheck-Vordrucken ausgestellten Schecks jedem Schecknehmer garantiert, sofern der Name des Kreditinstituts, Konto- und Kartennummer sowie die Unterschrift auf Euroscheck und ec-Karte übereinstimmen. Sinngemäß ist dies ebenfalls in III 1.1 der Bedingungen für ec-Karten, Banken 1995 sowie III 1.1 der Bedingungen für ec-Karten der Sparkassen und Genossenschaftsbanken 1995 festgelegt. Hinsichtlich mißbräuchlicher Verwendung nach Abhandenkommen verpflichten die genannten Bedingungen für ec-Karten unter III 1.3 die Kreditinstitute gegenüber gutgläubigen Schecknehmern zur Garantiezahlung. Gleichen Inhalt haben die Regeln des Euroscheck-Systems von Europay International S.A., die von allen am Euroscheck-System beteiligten Kreditinstituten einzuhalten sind.

Nach herrschender Meinung kommt der Garantievertrag zwischen dem bezogenen Kreditinstitut und dem ersten Schecknehmer nicht durch einen Vertrag zu Gunsten Dritter, sondern durch einen vom Karteninhaber vermittelten Vertragsabschluß zustande (vgl. Nobbe, a.a.O., RN 77 m.w.N.). Im Fall der mißbräuchlichen Verwendung des Euroschecks durch einen Dritten gründet sich die Garantiehaftung des Kreditinstituts auf Rechtsscheingesichtspunkte. Grundlage für das Vertrauen des Schecknehmers ist bei Einhaltung der sonstigen Garantiebedingungen die Vorlage der ec-Karte unter Verwendung eines dazu passenden Euroschecks. Dieser Vertrauenstatbestand ist dem Kreditinstitut zuzurechnen, weil es ec-Karte und Euroscheck ausgegeben hat (vgl. dazu ebenfalls Nobbe, a.a.O., RN 79).

An dem Anknüpfungspunkt der Ausgabe des Euroschecks fehlt es hier entscheidend. Denn die Schecks waren nicht an Kunden der Bank ausgegeben, sondern im Vorfeld während des Transportes von der Druckerei zu den Banken abhanden gekommen.

Der Senat läßt dahinstehen, ob die Auffassung von Nobbe (a.a.O., RN 110 unter Bezugnahme auf Canaris, Bankrecht, RN 848), wonach bei einem Diebstahl aus dem Gewahrsam der Bank ein "Abhandenkommen" i.S. von III 1.3 ec-Bedingungen 1995 vorliege, welches bei mißbräuchlicher Verwendung zur Garantie führe, zutrifft. Zweifel hiergegen scheinen deshalb gerechtfertigt, weil die genannte Regelung erkennbar ein Abhandenkommen beim Bankkunden betrifft, wie sich aus deren 2. Absatz ergibt. Überdies erscheint nicht zwingend, die Rechtsscheinshaftung schon an die Herstellung oder das Vorrätighalten von Scheckformularen zu knüpfen.

Die Rechtsscheinshaftung scheitert hier nämlich schon daran, daß die verwendeten Euroscheck-Formulare selbst gefälscht waren. Es handelte sich zwar nicht um Totalfälschungen, sondern lediglich um Teilfälschungen; nach dem Diebstahl wurden die Kontennummern, die sonst bei der Herausgabe des Schecks an den Kunden eingedruckt werden, von den mißbräuchlichen Verwendern eingedruckt, um die Zugehörigkeit der Schecks zu einem Kundenkonto vorzutäuschen. Die Benutzung gefälschter oder verfälschter Euroscheck-Vordrucke rechtfertigt nach Auffassung des Senats keine Rechtsscheinshaftung des Kreditinstitutes (so auch Nobbe, a.a.O., RN 110).

Der Meinung der Klägerin, wegen der besonderen Ausgestaltung des Euroscheck-Systems komme es nicht darauf an, ob die Scheckformulare gefälscht seien, vermag sich der Senat nicht anzuschließen. Daß die Banken bei gefälschten Scheck-Formularen nicht einzustehen haben, ergibt sich aus Ziffer 6.1 der Bedingungen für den ec-Service (Banken und Sparkassen) in der Fassung von Januar 1989. Denn dort knüpft die Garantie des Kreditinstituts daran an, daß der Scheck "auf seinen euroscheque-Vordrucken" ausgestellt wird. Ein Vordruck des Kreditinstitutes ist aber dann nicht gegeben, wenn er total oder in Teilen von unbefugten Dritten hergestellt, d.h. gefälscht ist. Zu den notwendigen Teilen des Scheck-Vordruckes gehört nicht nur die von der Druckerei angebrachte laufende Nummer, sondern auch die vom Kreditinstitut selbst anzubringende Kontonummer. Denn nur über diese ist die für die Bank wesentliche Verbindung zum Kundenkonto herzustellen.

Der fehlenden Garantie bei gefälschten Scheck-Vordrucken (und/oder gefälschten ec-Karten) kann nicht ernsthaft entgegengehalten werden, daß der Schutz des Schecknehmers vorgehe. Auch bei der Fälschung von Wertpapieren wird nicht die Haftung desjenigen gefordert, der die echten Wertpapiere in den Umlauf bringt. Daß die mißbräuchliche Benutzung der Scheck-Vordrucke (und Scheckkarten) und damit die Ausstellung falscher Schecks mittels echter Scheckvordrucke anders geregelt ist, steht dem nicht entgegen:

Ebenso geht der weitere Einwand der Klägerin, das ec-Scheckverfahren werde zusammenbrechen, wollte man die Rückgabe von Schecks auf gefälschten Scheck-Vordrucken zulassen, an der Sache vorbei. Es wäre vielmehr das Gegenteil zu befürchten, würde man eine umfassende Haftung der Bankinstitute lediglich daraus ableiten wollen, daß sie überhaupt am Euroscheckverfahren teilnehmen.

Somit ist die Berufung der Klägerin, soweit mit ihr gegen die Auffassung des Ersturteils Schadensersatzansprüche wegen der mißbräuchlichen Verwendung der entwendeten Scheck-Vordrucke verfolgt werden, als unbegründet zurückzuweisen.

III.

Die Zinsentscheidung beruht auf §§ 291, 187 Abs. 1 BGB, § 352 HGB.

Die Nebenentscheidungen ergehen gemäß der §§ 92 Abs. 1, 708 Nr. 10, 711, 546 Abs. 2 ZPO.

Ende der Entscheidung

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