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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Nürnberg
Urteil verkündet am 06.11.2002
Aktenzeichen: 12 U 1326/02
Rechtsgebiete: ZPO, BGB, RBerG


Vorschriften:

ZPO § 794 Abs. 1 Nr. 5
ZPO § 800
BGB § 134
RBerG Art. 1 § 1 Abs. 1
1. Eine ohne wirksame Vollmacht (Nichtigkeit wegen Verstoßes gegen das RBerG) erklärte Unterwerfung unter die sofortige Zwangsvollstreckung kann nicht nach den Grundsätzen der Rechtsscheinhaftung als genehmigt gewertet werden.

2. Das Geltendmachen der fehlenden Vollmacht ist nicht treuwidrig, wenn zwar der Darlehensvertrag eine Verpflichtung zur Unterwerfung unter die sofortige Zwangsvollstreckung enthält, dieser Vertrag aber gleichfalls von einem aufgrund nichtiger Vollmacht handelnden Vertreter abgeschlossen wurde und insoweit eine Rechtsscheinhaftung in Betracht kommt.


Gericht: OLG-Nuernberg Oberlandesgericht Nürnberg IM NAMEN DES VOLKES ENDURTEIL

12 U 1326/02

Verkündet am 06. November 2002

In Sachen

wegen Unzulässigkeit der Zwangsvollstreckung,

hat der 12. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Nürnberg durch den Richter am Oberlandesgericht Kammerer als Vorsitzenden und die Richter am Oberlandesgericht Schulze-Weckert und Maier aufgrund der mündlichen Verhandlung vom 09. Oktober 2002

für Recht erkannt:

Tenor:

I. Auf die Berufung der Kläger wird das Endurteil des Landgerichts Nürnberg-Fürth vom 14. März 2002 abgeändert.

II. Die Zwangsvollstreckung aus den vollstreckbaren Ausfertigungen der Urkunden des Notares F O in H Urkunden Nr. 1994 vom 1994 (Grundschuldbestellung) sowie der des Notares Dr. S Z in K vom 1993, Urkunden Nr. 1993 zuletzt geändert am 2001 (Angebot zum Abschluß eines Kauf- und Werklieferungsvertrages) wird für unzulässig erklärt, soweit sie in das persönliche Vermögen der Kläger betrieben wird.

III. Die Kosten des Rechtsstreites trägt die Beklagte.

IV. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Die Beklagte kann die Vollstreckung gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 6.000,00 EUR abwenden, wenn nicht die Kläger vor Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leisten.

V. Die Revision zum Bundesgerichtshof wird nicht zugelassen.

Beschluß:

Der Streitwert für das Berufungsverfahren beträgt 77.924,98 EUR.

Gründe:

Die Kläger wenden sich mit der Vollstreckungsgegenklage gegen die von der Beklagten betriebene Zwangsvollstreckung in ihr persönliches Vermögen aus einer notariellen Urkunde.

I.

Nach den Feststellungen des Erstgerichts unterzeichneten die Kläger am 06.12.1993 bei der Finanzvermittlung und Wirtschaftsberatung T, G, in N einen Auftrag zum Erwerb und zur Finanzierung eines "Studentenappartements" in B. Der Gesamtaufwand sollte 152.408,00 DM betragen, die Fremdfinanzierung 137.167,20 DM unter Berücksichtigung des Eigenkapitales von 15.240,80 DM. Am selben Tag unterzeichneten die Kläger ein notarielles Angebot zum Abschluss eines Geschäftsbesorgungsvertrages an die CBS Steuerberatungsgesellschaft mbH in K. In derselben notariellen Urkunden erteilten sie der GmbH eine umfassende Vollmacht (Anlage K 4). Gestützt auf den ihr erteilten Auftrag und die darin enthaltene Vollmacht schloss die GmbH am 30.12.1993 einen Kauf- und Werklieferungsvertrag über eine Eigentumswohnung vom Kaufpreis von 121.164,00 DM. Zur Finanzierung des Erwerbs schloss die als Vertreterin der Kläger mit der Beklagten zwei Darlehensverträge über 31.244,00 DM und 121.160,00 DM. In den Darlehensverträgen wurde zugunsten der Beklagten die Bestellung einer Grundschuld und die persönliche Haftungsübernahme der Kläger als Darlehensnehmer vereinbart (Anlage K 13, K 14).

Nachdem die Kläger ihre Darlehensverpflichtungen nicht mehr erfüllten, betrieb die Beklagte aus der Grundschuldbestellungsurkunde die Zwangsvollstreckung. Auf die Feststellungen im Tatbestand des Endurteils des Landgerichts Nürnberg-Fürth vom 31.01.2002 wird Bezug genommen.

Ergänzend hat der Senat festgestellt, dass die Kläger im Kauf- und Werklieferungsvertrag mit Auflassung vom 30.12.1993 des Notares Dr. S Z eine Teilgrundschuld über 152.408,00 DM aus einer noch einzutragenden Grundschuld über 14.700.000,00 DM übernommen haben. Diese Grundschuld wurde am 1994 durch Urkunde des Notars F O in Hannover (Urk. Rolle Nr. 1994) zugunsten der Beklagten bestellt (Anlage K 1). Sie dient der Sicherung der von der Beklagten gewährten Darlehen. In derselben Urkunde haben die Kläger gegenüber der Beklagten die persönliche Haftung für die Zahlung eines Geldbetrages in Höhe von 152.408,00 DM übernommen. Sie haben sich außerdem bezüglich dieser Zahlungsverpflichtung gegenüber der Beklagten der sofortigen Zwangsvollstreckung in ihr gesamtes Vermögen unterworfen. Der Beklagten ist das Recht eingeräumt, die persönliche Haftung ohne vorherige Zwangsvollstreckung in den Grundbesitz geltend zu machen. Der Notar ist ermächtigt, jederzeit vollstreckbare Ausfertigungen ohne Nachweis der das Entstehen oder die Fälligkeit der Schuld begründenden Umstände zu erteilen. Die Kläger haben außerdem ihren Anspruch gegen die Beklagte auf Auszahlung des Darlehens bis zur Höhe des Kaufpreises an den Verkäufer abgetreten. Auch hinsichtlich der übrigen in dieser Urkunde übernommenen Zahlungsverpflichtungen haben sich die Kläger der sofortigen Zwangsvollstreckung unterworfen, und zwar in der Weise, dass die Zahlung an die Beklagte zu erfolgen hat. Auch insoweit ist vereinbart, dass mit der Erteilung einer vollstreckbaren Ausfertigung Einverständnis besteht, ohne dass es eines das Entstehen oder die Fälligkeit der Schuld begründenden Nachweises bedarf. Der Notar soll jedoch keine vollstreckbare Ausfertigung erteilten, solange er nicht die ihm obliegende Fälligkeitsmitteilung erteilt hat.

Nachdem die von den Klägern erworbene Eigentumswohnung im Wege der Zwangsversteigerung verwertet wurde, betreibt die Beklagte die Vollstreckung in das persönliche Vermögen der Kläger. Hinsichtlich des Inhalts des der GmbH erteilten Vollmacht wird auf die Anlage K 4, hinsichtlich des notariellen Kaufund Werklieferungsvertrages mit Auflassung vom 1993 auf die Anlage K 12 Bezug genommen. Die GmbH besitzt keine Erlaubnis nach Art. 1 § 1 RBerG.

II.

Das Rechtsmittel der Kläger ist zulässig und begründet. Die Unterwerfungserklärung unter die sofortige Zwangsvollstreckung in der notariellen Urkunde vom 30.12.1993 ist unwirksam.

1. Der mit der GmbH geschlossene Geschäftsbesorgungsvertrag und die ihr erteilte Vollmacht sind wegen Verstoß gegen Art. 1 § 1 Abs. 1 Satz 1 Rechtsberatungsgesetz nichtig (§ 134 BGB). Mit der notariellen Vollmacht vom 06.12.1993 wurde die GmbH zur Vornahme aller Rechtsgeschäfte, Rechtshandlungen und Maßnahmen, die für den Erwerb, die Errichtung, Finanzierung und Vermietung erforderlich oder zweckmäßig erscheinen, ermächtigt. Sie wurde unter anderem bevollmächtigt, im Namen und für Rechnung der Kläger den Kaufvertrag, Darlehensverträge und alle erforderlichen Sicherungsverträge abzuschließen.

Nach der neueren Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs bedarf derjenige, der ausschließlich oder hauptsächlich die rechtliche Abwicklung des Grundstückserwerbes im Rahmen eines Bauträgermodelles für den Bewerber besorgt, der Erlaubnis nach Art. 1 § 1 Rechtsberatungsgesetz. Ein ohne diese Erlaubnis abgeschlossener Geschäftsbesorgungsvertrag ist nichtig (BGH WM 2002, 1274). Der Geschäftsbesorgungsvertrag zwischen den Klägern und der GmbH ist danach unwirksam. Die GmbH hatte eine umfassende Rechtsbetreuung im Zusammenhang mit dem Erwerb der Eigentumswohnung zu erbringen. Sie sollte alle Rechtsgeschäfte und Rechtshandlungen vornehmen, die zum Erwerb der Eigentumswohnung notwendig waren oder zweckdienlich erschienen, insbesondere den Kaufvertrag, Darlehens- und Finanzierungsvermittlungsverträge, Miet- und Mietgarantieverträge sowie Sicherungsverträge abschließen. Bei den zu erbringenden Dienstleistungen ging es nicht primär um die Wahrnehmung wirtschaftlicher Belange der Käufer, es handelte sich vielmehr überwiegend um rechtsbesorgende Tätigkeit von Gewicht. Der Bundesgerichtshof hat entsprechende Verträge wiederholt wegen Verstoßes gegen Art. 1 § 1 Rechtsberatungsgesetz als nichtig angesehen (BGHZ 145, 265; WM 2002, 1273).

Die Nichtigkeit des Geschäftsbesorgungsvertrags erfasst auch die der GmbH zur Ausführung des Vertrages erteilte Vollmacht. Zum einen bilden Geschäftsbesorgungsvertrag und Vollmacht hier ein einheitliches Rechtsgeschäft im Sinne des § 139 BGB. Zum anderen erstreckt sich die auf einen Verstoß gegen das Rechtsberatungsgesetz beruhende Nichtigkeit des Geschäftsbesorgungsvertrages mit Rücksicht auf die Zweckrichtung des Rechtsberatungsgesetzes, die Rechtssuchenden vor unsachgemäßer Erledigung ihrer rechtlichen Angelegenheit zu schützen, regelmäßig auch auf die den Geschäftsbesorger erteilte Vollmacht (BGH WM 2001, 2260).

Die Nichtigkeit der Vollmacht hat zur Folge, dass die von den Bevollmächtigten der GmbH vor dem Notar Dr. S Z am 1993 erklärte Unterwerfungserklärung unter die sofortige Zwangsvollstreckung unwirksam ist. Der Bevollmächtigte der GmbH hat bei Abgabe der Unterwerfungserklärung als vollmachtloser Vertreter gehandelt. Eine Rechtsscheinhaftung der Kläger gegenüber der Beklagten scheidet aus. Die Unterwerfung unter die sofortige Zwangsvollstreckung gemäß § 794 Abs. 1 Nr. 5, § 800 ZPO stellt eine einseitige, nicht empfangsbedürftige rein prozessuale Willenserklärung dar, auf welche die Vorschriften des BGB und damit die §§ 170 bis 173 BGB grundsätzlich nicht anwendbar sind (BGH WM 1987, 306, 308; OLG Zweibrücken, Urteil vom 21.01.2002, Az.: 7 U 70/01, WM 2002, 1927).

Zwar hat der Bundesgerichtshof in der zuletzt genannten Entscheidung die Berufung auf die Unwirksamkeit der Unterwerfungserklärung als treuwidrig bewertet, weil sich die Kläger jenes Verfahrens in Darlehensverträgen wirksam verpflichtet hatten, vollstreckbare Schuldanerkenntnisse abzugeben. Mit jener Fallgestaltung ist die Situation im vorliegenden Fall nicht vergleichbar. Zum einen betraf jenes Verfahren die Nichtigkeit einer nach § 313 BGB formbedürftigen Vollmacht, ein Verstoß gegen das Rechtsberatungsgesetz stand nicht zur Entscheidung; zum anderen sind im vorliegenden Fall auch die beiden Darlehensverträge von der aufgrund nichtiger Vollmacht handelnden GmbH abgeschlossen worden, wobei sich die Verpflichtung zu Schuldanerkenntnissen und Unterwerfungserklärungen in allgemeinen Geschäftsbedingungen befindet. Ob hinsichtlich der Darlehensverträge eine Rechtsscheinhaftung in Betracht kommt, kann dahinstehen. Die Berufung auf die Nichtigkeit der Unterwerfungserklärung erscheint jedenfalls nicht treuwidrig.

2. Der Senat neigt dazu, die Vollstreckungsklausel in der notariellen Urkunde vom 1993 zudem wegen eines Verstoßes gegen § 3 Abs. 2 Satz 1, § 12 MaBV gemäß § 134 BGB als nichtig anzusehen.

Wenn sich der Erwerber in einem Bauträgervertrag der Zwangsvollstreckung in sein gesamtes Vermögen unterwirft, so ist diese Erklärung gemäß §§ 3, 12 MaBV in Verbindung mit § 134 BGB nichtig, wenn der Notar ermächtigt ist, die Vollstreckungsklausel ohne besonderen Nachweis zu erteilen (BGH ZIP 1998, 2063). Durch die Bestimmung des § 3 MaBV soll erreicht werden, dass Leistungen der Erwerber ein entsprechender Gegenwert am Bauvorhaben gegenübersteht. Diese Verbraucherschutzbestimmung dient einem weitgehenden Schutz des Auftraggebers vor Vermögensschädigungen, beispielsweise im Konkurs des Bauträgers. Dieser Schutzzweck gebietet es, die Tatbestandsalternativen des § 3 Satz 1 Satz 1 und Abs. 2 Satz 1 MaBV weit auszulegen. Es sollen sämtliche dem Gewerbetreibenden zur Verfügung stehenden Möglichkeiten, in den Besitz von Vermögenswerten der Auftraggeber zu gelangen oder eine Verfügungsbefugnis hierüber zu enthalten, erfasst sein (BGH a.a.O.). Durch die im Kaufvertrag vom 1993 gewählte Gestaltung kann der von der Makler- und Bauträgerverordnung beabsichtigte Schutz des Erwerbers zugunsten der Darlehensgeberin, die selbst nicht Vertragspartner des Kaufvertrages ist, umgangen werden. Es wird eine Unterwerfung unter die sofortige Zwangsvollstreckung vereinbart, ohne dass der Notar vor Erteilung von vollstreckbaren Ausfertigungen die Fälligkeit der Schuld überprüfen muss.

Durch die Abtretung des Anspruches auf Auszahlung des Darlehens an den Verkäufer und die unwiderrufliche Anweisung auf Auszahlung der Valuta an diesen besteht die Gefahr, dass sich der Bauträger Vermögenswerte des Autraggebers verschafft, die ihm entsprechend dem Bauablauf nicht gebühren.

Im Hinblick auf die unter Ziffer 1 festgestellte Nichtigkeit bedarf diese Frage aber keiner endgültigen Entscheidung.

3. Der Senat hält gemäß § 543 Abs. 2 Nr. 2 ZPO die Voraussetzungen der Zulassung der Revision zur Fortbildung des Rechts nicht für gegeben. Das Pfälzische Oberlandesgericht Zweibrücken (a.a.O. und das Brandenburgische Oberlandesgericht (Urteil vom 15.01.2002, Az.: 11 U 202/01) halten die aufgrund einer gegen das Rechtsberatungsgesetz verstoßenden Vollmacht erteilte Unterwerfungserklärung gleichfalls für unwirksam.

Der Senat weicht auch nicht von einer Entscheidung des Bundesgerichtshofs ab.

Die Nebenentscheidungen beruhen auf §§ 91, 708 Nr. 10, § 711 ZPO.

Ende der Entscheidung

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