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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Nürnberg
Beschluss verkündet am 09.07.2007
Aktenzeichen: 12 W 499/07
Rechtsgebiete: ZPO


Vorschriften:

ZPO §§ 114 ff.

Entscheidung wurde am 10.09.2007 korrigiert: das Aktenzeichen des Verfahrensganges wurde korrigiert
1. Zur Bewilligung von Prozesskostenhilfe für den Insolvenzverwalter zur Geltendmachung einer "Kleinforderung", wenn der Gemeinschuldnerin in einer Vielzahl von gleich gelagerten Fällen solche (strittigen) Forderungen zustehen.

2. Zur Zumutbarkeit für die beteiligten Insolvenzgläubiger zur Erbringung eines Prozesskostenvorschusses in einem solchen Fall bei erheblichem Prozessrisiko.


12 W 499/07

Beschluss

In Sachen

Tenor:

I. Auf die sofortige Beschwerde des Klägers wird der Beschluss des Landgerichts Regensburg vom 6.2.2007 abgeändert.

II. Dem Kläger wird Prozesskostenhilfe für die beabsichtigte Klage bewilligt und die N S B R GmbH, M beigeordnet.

Gründe:

I.

Der Kläger ist Insolvenzverwalter über das Vermögen der F B KG (kurz: KG) auf Grund Beschlusses des Amtsgerichts München vom 20.4.2006.

Die Beklagte zeichnete am 21.7.1999 mit einer Beteiligungssumme von 100.000,- DM über den Beteiligungstreuhänder P V und T mbH (kurz: Treuhänder), der für die Anleger die förmliche Stellung als Kommanditist im Handelsregister einnahm, eine Beteiligung bei der KG. Der Kläger beabsichtigt geltend zu machen, die Beklagte habe ab 1999 bis 2004 entsprechend dem Beteiligungsvertrag Ausschüttungen erhalten, obwohl die tatsächlich angefallenen Gewinne gemäß den Jahresabschlüssen 1999 -2004 nicht annähernd ausgereicht hätten, diese Ausschüttungen zu rechtfertigen. Es habe sich damit um die Rückzahlung der geleisteten Einlage gehandelt, der nunmehr zurückgefordert werde.

Der Kläger macht weiter geltend, zur Leistung der Prozesskosten nicht in der Lage zu sein, den Großgläubigern sei eine Leistung von Prozesskostenvorschuss nicht zuzumuten, zumal die Forderungen, deren Höhe noch nicht hinreichend nachgewiesen sei, noch nicht anerkannt seien.

Das Landgericht Regensburg hat mit Beschluss vom 6.2.2007 den Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe zurückgewiesen. Zwar habe der Antragsteller zutreffend darauf hingewiesen, dass die freien zur Verfügung stehenden Mittel bereits für andere Prozesse, allein die Treuhänderin vertrat 975 Anleger, verwendet worden seien, jedoch sei dem Großgläubiger eine Kostenvorauszahlung zuzumuten. Bei Gesamtkosten in Höhe von ca. 2.500,- EUR würde auf die Großgläubigerin ein erheblich höherer Betrag entfallen. Im Übrigen sei, selbst wenn man von lediglich 1000 Anlegern ausgehe, von einer Forderung der des Klägers von ca. 2,5 Millionen gegen die verschiedenen Anleger auszugehen. Damit würde im Fall des Obsiegens auch eine erhebliche Steigerung der Insolvenzquote ermöglicht werden. Im Übrigen bestünden keine Erfolgsaussichten, der abgetretene Rückforderungsanspruch der Treuhänderin sei im Übrigen verjährt.

II.

Die sofortige Beschwerde des Klägers ist zulässig (§ 127 Abs. 2 ZPO) und hat in der Sache Erfolg.

1. Zutreffend geht das Landgericht im angegriffenen Beschluss davon aus, dass dem Kläger freie Mittel nicht zur Verfügung stehen. Der nach Abzug der Verfahrenskosten zur Verfügung stehende Betrag in Höhe von 196.456,58 EUR ist zur Führung anderweitiger Rechtsstreitigkeiten bereits verwendet. Der Insolvenzverwalter hat glaubhaft gemacht, hierfür bereits ca. 200.000 € aufgewandt zu haben. Er muss sich auch nicht darauf verweisen lassen, die möglicherweise aus diesen Verfahren zufließenden Mittel für das vorliegende Verfahren einzusetzen. Dies wäre lediglich bei kurzfristig zu realisierenden Forderungen der Fall (vgl. OLG R Köln, 2003, 14) oder zumindest in absehbarer Zeit sicher zu realisierenden Forderungen. Dies ist bei Zivilverfahren jedoch, nicht gegeben, wobei auch zu berücksichtigen ist, dass im vorliegenden Fall bereits Verjährung eingewandt wird, der Kläger also bei der Realisierung der vorliegenden Forderung nicht längere Zeit ohne die Gefahr des Rechtsverlustes warten kann.

Soweit der Wert der Beteiligung der KG an der P B und G D KG, in deren Eigentum ein Büro und Geschäftshaus in D steht, fraglich erscheinen könnte, kann dies letztendlich dahinstehen, da selbst bei einem 8.185.000,- EUR übersteigenden Wertansatz für dieses Grundstück Beträge zur Finanzierung des Rechtsstreits kurzfristig nicht zu realisieren sind.

Den wirtschaftlich Beteiligten ist im vorliegenden Fall die Erbringung eines Kostenvorschusses nicht zuzumuten.

a) Großgläubigerin ist die A H

R AG, die 3 Darlehensforderungen im Gesamtbetrag von 26.371.178,- EUR angemeldet hat. Diese Forderung hat der Insolvenzverwalter bisher nicht anerkannt, da die Höhe noch nicht nachprüfbar dargelegt sei. Es kann jedoch im Weiteren davon ausgegangen werden, dass diese Forderungen in einer Größenordnung von ca. 26 Millionen bestehen.

b) Auch die übrigen geltend gemachten Forderungen von 27 Gläubigern sind vom Insolvenzverwalter noch nicht anerkannt. Dabei gibt es lediglich zwei weitere Großgläubiger, dies sind die F B und G D KG (2.190.428,58 EUR) und die F K Objekt S KG (6.586.663,- EUR). Der Kläger hat in seiner Eigenschaft als Insolvenzverwalter des IV F E und D S KG (4.451.247,02 EUR) noch nicht entschieden, ob diese Forderung angemeldet werden soll. Die Forderungen der letzten 3 genannten Gläubiger sind auch von der Sache her strittig, ihnen kann deshalb von vorne herein nicht zugemutet werden, einen Kostenvorschuss zu erbringen, bevor ihre Forderung nicht zur Insolvenztabelle anerkannt ist.

Die Forderungen der übrigen 24 Gläubiger betragen jeweils zwischen 12.000 € und 40.000 €. Diese Forderungen sind ebenfalls nicht anerkannt. Ob sie damit überhaupt als wirtschaftlich Beteiligte angesehen werden können (ablehnend OLG Saarbrücken Beschl. v. 17.3.2004 4 W 269/03) kann hier dahinstehen, da ihnen auch die Erbringung eines Kostenvorschusses wegen der geringen Erhöhung der Insolvenzquote nicht zugemutet werden kann.

c) Deshalb ist lediglich noch zu prüfen, ob der A H R AG die Erbringung eines Kostenvorschusses zuzumuten ist. Die Entscheidung, ob einem Großgläubiger die Erbringung des Kostenvorschusses zugemutet werden kann, ist auf die wertende Abwägung aller Gesamtumstände des Einzelfalles zu stützen. Dabei ist insbesondere die Tatsache zu berücksichtigen, wie weit sich im Fall der Rechtsverfolgung die zu erwartende Insolvenzquote erhöht, sowie das Prozess- und Vollstreckungsrisiko. Ferner ist die Gläubigerstruktur abzuwägen (BGH, Beschluss vom 6.3.06, II ZB 11/05 Rn 15).

d) Im vorliegenden Fall könnte, ausgehend von offenen Forderungen in Höhe von ca. 35 Millionen € (unter Berücksichtigung aller Forderungen, die angemeldet wurden) die A H R AG lediglich mit einer Quotenerhöhung von ca.0,042 % rechnen. Zwar ist der relativ geringe Vorschuss von ca. 2.500 € von dieser Großgläubigerin ohne weiteres aufzubringen, dem stehen jedoch das Prozessrisiko, wie noch auszuführen ist, gegenüber und das Vollstreckungsrisiko. Weiter ist die Höhe der vom Insolvenzverwalter zur Tabelle anerkannten Forderung noch nicht gesichert. Außerdem ist zu berücksichtigen, dass bei der Verteilung des Erlöses absonderungsberechtigte Gläubiger (§ 190 InsO) nur insoweit zu berücksichtigen sind, als sie bei der Verwertung des Gegenstandes, an dem das Absonderungsrecht besteht, ausgefallen sind. Die Großgläubigerin ist als Hypothekenbank zumindest mit einem erheblichen Teil ihrer Forderung durch Grundschulden abgesichert, so dass sie lediglich mit einem deutlich geringeren Teil als der angemeldete Betrag bei der Verteilung des Erlöses zu berücksichtigen wäre.

Für sie ist damit die Höhe eines auf sie entfallenden möglichen Erlöses zum gegenwärtigen Zeitpunkt nicht absehbar. Auch unter Berücksichtigung des relativ geringen zu erbringenden Betrages, erscheint dieser Großgläubigerin die Erbringung eines Kostenvorschusses nicht zumutbar.

Auch wenn man nicht von einer in Prozentzahlen zu rechnenden Quotenerhöhung ausgeht, sondern von konkreten in absoluten Beträgen zu messenden Einsatz an Prozesskosten und deren absoluten Beträgen auf diese entfallenden Verteilungsbetrag (OLG Nürnberg, MDR 2005, 589), führt dies zu keinem anderen Ergebnis.

e) Dem kann auch nicht entgegengehalten werden, der H R AG sei schon deshalb ein Prozesskostenvorschuss zumutbar, da durch eine Vielzahl (von ca. 1000 Verfahren geht das Landgericht aus) gleich gelagerter Verfahren eine deutlich höhere Quote möglich wäre. Dies lässt außer Acht, dass grundsätzlich auch bei einer Vielzahl von ähnlich gelagerten Fällen in jedem Einzelfall die Frage die Frage der Zumutbarkeit der Erbringung des Kostenvorschusses zu prüfen ist, da nur so die Erfolgsaussicht und das Vollstreckungsrisiko beurteilt werden können.

Darüber hinaus lässt dies auch außer Acht, dass ganz erhebliche Prozesskostenvorschusszahlungen, die im Hinblick auf die unterschiedliche Höhe der Beteiligung der Treugeber auch nicht errechnet werden können, anfallen würden. Außerdem ist schon nicht geklärt, ob bei allen direkt als Kommanditist oder als Treuhandkommanditist Beteiligten eine gleiche Vertragsgestaltung vorliegt und im Übrigen obliegt es auch dem Insolvenzverwalter, hierbei die Frage der Verjährung und des Vollstreckungsrisikos im Einzelfall abzuwägen.

f) Unabhängig von dem allgemeinen Vollstreckungsrisiko besteht im vorliegenden Fall ein erhebliches Prozessrisiko. Die Beklagte war lediglich Treuhandkommanditistin, wobei nach außen die Treuhänderin als Kommanditistin auftrat. Im Gesellschaftsvertrag der KG war unter § 4 Ziff. 6 geregelt, dass der Beteiligungstreuhänder eine Kommanditbeteiligung in eigenem Namen jedoch treuhänderisch und für Rechnung seines Treugebers hält. Im Außenverhältnis ist dieser Kommanditist und wird ins Handelsregister eingetragen. Im Innenverhältnis der Gesellschafter zueinander werden die Treugeber entsprechend ihrer Anteile an der von dem Beteiligungstreuhänder gehaltenen Kommanditbeteiligung unmittelbar berechtigt und verpflichtet. Im Übrigen hat sich der Kläger die Rechte des Treuhänders abtreten lassen. Soweit ersichtlich, liegt obergerichtliche Rechtsprechung zu diesem Problem nicht vor, die Entscheidung des BGH (BGH Z 76, 127 vom 28.1.1980) lässt sich nur im Wege des Umkehrschlusses entnehmen, dass grundsätzlich eine Haftung der Treuhandkommanditisten möglich erscheint.

Wie weit eine solche Durchgriffshaftung besteht, ist abgesehen vom Fall der Stohmanngründung (BGHZ 38, 251, BGHZ 108, 107)auch in der Literatur umstritten (vgl. MÜKO HGB Vor § 230, Rn. 57)

Im Hinblick auf dieses Prozessrisiko und die relativ unerhebliche Erhöhung der zu erwartenden Insolvenzquote und der Tatsache, dass der Kläger als Insolvenzverwalter, um Rechtsverluste zu vermeiden, Klage erheben muss, erscheint es nicht zumutbar, die Großgläubiger in H R AG zur Vorschusszahlung heranzuziehen.

3. Der beabsichtigten Klage kann nicht vorne herein die Erfolgsaussicht abgesprochen werden, insbesondere ist zu berücksichtigen, dass die aufgeworfenen Rechtsfragen noch nicht abschließend in der obergerichtlichen Rechtsprechung geklärt sind.

4. Einer Partei kann auch im Rahmen der Prozesskostenbewilligung eine Rechtsanwaltsgesellschaft beigeordnet werden. Dem steht nicht entgegen, dass die GmbH selbst keine Zulassung eines bestimmten Gerichts besitzt, da die erforderlichen Prozesserklärungen durch ihre Organe abgegeben werden können. Diese rechtsbesorgende Leistung ist wiederum der Rechtsanwalts-GmbH zuzurechnen (OLG Nürnberg Beschluss vom 15.7.2002 10 WF 1443/02; Zöller, Philippi 26. Aufl. § 121 SPO Rn. 2).

5. Einer Kostenentscheidung bedarf es nicht (§ 127 Abs. 4 ZPO).

Ende der Entscheidung

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