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Gericht: Oberlandesgericht Nürnberg
Beschluss verkündet am 12.07.2006
Aktenzeichen: 13 W 1460/06
Rechtsgebiete: BRAGO, ZPO


Vorschriften:

BRAGO § 13 Abs. 5
ZPO § 91 Abs. 1
1. Bei der Fortsetzung eines Rechtsstreits nach Unterbrechung durch Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen der Gegenpartei handelt es sich um dieselbe Angelegenheit im Sinne von § 13 Abs. 5 BRAGO. Prozess-, Verhandlungs- und Beweisgebühren sind daher bei Fortführung des Rechtsstreits nicht erneut erstattungsfähig, wenn sie vor der Unterbrechung bereits entstanden waren.

2. Dies gilt auch, wenn die Partei das Mandat ihres Rechtsanwalts anlässlich der Unterbrechung gekündigt und ihm nach der Aufnahme des Rechtsstreits einen neuen Auftrag erteilt hat; denn ein solches Vorgehen und die dadurch verursachten Kosten wären zur zweckentsprechenden Rechtsverteidigung nicht notwendig gewesen (§ 91 Abs. 1 Satz 1 ZPO).


13 W 1460/06

Nürnberg, den 12.7.2006

In Sachen

erläßt das Oberlandesgericht Nürnberg, 13. Zivilsenat, durch den unterzeichneten Einzelrichter folgenden

Beschluß:

Tenor:

I. Die sofortige Beschwerde der Beklagten gegen den Kostenfestsetzungsbeschluß des Landgerichts Nürnberg-Fürth vom 19.01.2006 wird zurückgewiesen.

II. Die Kosten des Beschwerdeverfahrens tragen die Beklagten.

III. Der Streitwert für das Beschwerdeverfahren wird auf 6.943,20 Euro festgesetzt.

Gründe:

Der Rechtsstreit ist durch Eröffnung des Anschlußkonkursverfahrens über das Vermögen der Klägerin am 13.02.1998 unterbrochen worden; mit Schriftsatz vom 21.05.2001 nahm der Konkursverwalter den Rechtsstreit wieder auf. Mit Endurteil vom 12.10.2004 wurde die Klage abgewiesen; die dagegen eingelegte Berufung hat der Kläger zurückgenommen. Im Rahmen des Kostenfestsetzungsverfahrens beantragten die Beklagten mit Schriftsatz vom 26.11.2004 u.a. eine Prozeßgebühr, eine Verhandlungsgebühr und eine Beweisgebühr für die Zeit bis zur Konkurseröffnung sowie eine Prozeßgebühr, eine Verhandlungsgebühr, eine Beweisgebühr nebst Post- und Telekommunikationspauschale sowie Umsatzsteuer als erstattungsfähig festzusetzen. Nach Auffassung der Beklagten beinhaltet die Tätigkeit nach der Insolvenzveröffnung eine neue Angelegenheit im Sinne von § 13 Abs. 5 Satz 2 BRAGO, so daß die Gebühren erneut entstanden seien. Den Betrag der Gebühren - einschließlich Fahrtkosten von 24,30 Euro und Abwesenheitsgelder von 30,68 Euro - beziffern sie mit 6.943,20 Euro.

Das Landgericht hat im Kostenfestsetzungsbeschluß vom 19.01.2006 die Festsetzung von Prozeß-, Verhandlungs- und Beweisgebühr für die Zeit nach Insolvenzeröffnung abgelehnt.

1. Die zulässige (§ 104 Abs. 3 Satz 1, § 567 Abs. 1 Nr. 1, § 569 ZPO) sofortige Beschwerde der Beklagten ist unbegründet. Nach der Beschwerdebegründung vom 06.04.2006 richtet sich die Beschwerde nur dagegen, daß das Landgericht die Festsetzung neuer Anwaltsgebühren für die Zeit nach der Insolvenzeröffnung abgelehnt hat (Ziffer 4 des Schriftsatzes). Über die Kosten des selbständigen Beweisverfahrens und der Privatgutachten (Ziffer 1 und 2 des Schriftsatzes) hat das Landgericht im Kostenfestsetzungsbeschluß vom 19.01.2006 nicht entschieden.

2. Für den Zeitraum nach der Unterbrechung des Rechtsstreits durch die Konkurseröffnung über das Vermögen der Klägerin sind keine neuen Rechtsanwaltsgebühren erstattungsfähig.

a) Die Fortsetzung des Rechtsstreits durch den Konkursverwalter ab Mai 2001 gehörte zum gleichen Rechtszug wie das bisherige Verfahren und stellte damit keine neue Angelegenheit dar. Damit galt für die Gebühren des Prozeßbevollmächtigten der Beklagten § 13 Abs. 5 Satz 1 BRAGO: Wird der Rechtsanwalt, nachdem er in einer Angelegenheit tätig geworden ist, beauftragt, in derselben Angelegenheit weiter tätig zu werden, so erhält er nicht mehr an Gebühren, als er erhalten würde, wenn er von vornherein hiermit beauftragt worden wäre.

Die Fortsetzung des Rechtsstreits nach einer Unterbrechung gehört zum gleichen Rechtszug, weil mit der Unterbrechung die Angelegenheit nicht beendigt ist. Nach § 249 ZPO haben Unterbrechung und Aussetzung des Verfahrens die Wirkung, daß der Lauf einer jeden Frist aufhört und nach Beendigung der Unterbrechung oder Aussetzung die Fristen von neuem zu laufen beginnen; während der Unterbrechung oder Aussetzung in Ansehung der Hauptsache vorgenommenen Prozeßhandlungen sind ohne rechtliche Wirkung. Das Verfahren ist aber nicht beendet, weil es aufgenommen und fortgesetzt werden kann. Auch die Prozeßvollmacht des Anwalts und das Mandatsverhältnis bleiben vom Eintritt einer Unterbrechung des Verfahrens unberührt (§ 86 ZPO; Thomas-Putzo, ZPO, 27. Aufl., § 87 Rn. 7). Der Rechtszug - und damit die gebührenrechtliche Angelegenheit des in der Instanz tätigen Rechtsanwalts - ist vielmehr erst nach dem Erlaß der die Instanz abschließenden Entscheidung beendet (Gerold/Schmidt/von Eicken/Madert, BRAGO, 15. Aufl., § 37 Rn. 1; Riedel/Sußbauer, BRAGO, 8. Aufl., § 16 Rn. 12). Eine prozessual abgeschlossene Instanz kann wieder aufleben - z.B. wenn gegen ein Versäumnisurteil Einspruch eingelegt oder das Verfahren nach Aufhebung und Zurückverweisung durch das Berufungsgericht in der ersten Instanz fortgesetzt wird -; dann bildet das neue Verfahren mit dem früheren Verfahren eine Instanz (Gerold/Schmidt/von Eicken/Madert, a.a.O., § 37 Rn. 1; Riedel/Sußbauer, a.a.O., § 37 Rn. 7). Damit gehört auch die Fortsetzung eines ruhenden Verfahrens zum gleichen Rechtszug (Göttlich/Mümmler, BRAGO, 19. Aufl., "Rechtszug" 2.11). Unerheblich ist, daß auf Klägerseite der Insolvenzverwalter statt der ursprünglichen Klägerin das Verfahren fortgesetzt hat. Der Rechtszug bleibt auch dann der gleiche, wenn auf selten einer Partei andere Personen in den Rechtsstreit eintreten, wie die Erben anstelle des verstorbenen Erblassers oder der Insolvenzverwalter anstelle des Gemeinschuldners (Gerold/Schmidt/von Eicken/Madert, a.a.O., § 37 Rn. 1).

b) Die Beklagten können sich auch nicht auf die Regelung des § 13 Abs. 5 Satz 2 BRAGO berufen. Diese Bestimmung, wonach die weitere Tätigkeit des Rechtsanwalts als neue Angelegenheit gilt, wenn der frühere Auftrag seit mehr als zwei Kalenderjahren erledigt ist, wurde mit Wirkung vom 01.07.1994 in die BRAGO eingefügt. Nach der Übergangsvorschrift des § 134 Abs. 1 Satz 1 BRAGO ist die Vergütung nach bisherigem Recht zu berechnen, wenn der unbedingte Auftrag zur Erledigung derselben Angelegenheit im Sinne des § 13 BRAGO vor dem Inkrafttreten einer Gesetzesänderung erteilt oder der Rechtsanwalt vor diesem Zeitpunkt gerichtlich bestellt oder beigeordnet worden ist.

Der vorliegende Rechtsstreit hat im Jahr 1992 begonnen; ihr jetziger Rechtsanwalt hat die Beklagten von Beginn an vertreten, so daß er bereits im Jahr 1992 einen unbedingten Auftrag zur Erledigung der Angelegenheit erhalten hatte. Soweit sich die Beklagten darauf berufen, daß der ursprüngliche Auftrag ihres Rechtsanwalts am 13.02.1998 endete und dieser am 21.05.2001 einen neuen Auftrag erhielt, so ergibt sich dies nicht ohne weiteres aus dem Gesetz. Die Beklagten tragen auch weder vor, daß ihr Anwalt sein Mandat niedergelegt oder sie das Mandat gekündigt hätten. Dies war auch nicht ohne weiteres naheliegend, da es auch während des laufenden Konkursverfahrens über das Vermögen der Klägerin notwendig sein konnte, die Interessen der Beklagten wahrzunehmen - etwa wenn es um die Frage ging, ob die Ansprüche der Klägerin anerkannt würden - und eine Fortsetzung des vorliegenden Rechtsstreits nach Ende des Konkursverfahrens nicht ausgeschlossen war.

Es kommt jedoch letztlich nicht darauf an. Denn selbst wenn die Beklagten das Mandat ihres Rechtsanwalts gekündigt und ihm nach der Aufnahme des Rechtsstreits durch den Insolvenzverwalter einen neuen Auftrag erteilt hätten, wären die dadurch entstandenen Anwaltsgebühren nicht erstattungsfähig. Ein solches Vorgehen und die dadurch verursachten Kosten wären nicht zur zweckentsprechenden Rechtsverteidigung notwendig gewesen (vgl. § 91 Abs. 1 Satz 1 ZPO), weil es nicht erforderlich gewesen wäre, dem Prozeßbevollmächtigten anläßlich der Aussetzung des Verfahrens den ursprünglich erteilten Auftrag zu entziehen (BGH NJW 2006, 1525). Aus der Sicht der Beklagten sprach nichts dagegen, das Mandat ihres Rechtsanwalts während des Konkursverfahrens ruhen zu lassen, bis klar war, ob der vorliegende Rechtsstreit noch fortgesetzt würde, ob sie Aussicht auf Erstattung der ihnen entstandenen Kosten hatten und ob sie noch einen Rechtsanwalt zur Wahrung ihrer Interessen benötigen würden.

3. Kostenentscheidung: § 97 Abs. 1, § 100 ZPO.

4. Gegenstandswert: Die von den Beklagten geltend gemachten Anwaltsgebühren für die Zeit nach der Insolvenzeröffnung zuzüglich Post- und Telekommunikationspauschale belaufen sich auf 6.035,55 Euro; zuzüglich Umsatzsteuer ergibt sich ein Betrag von 7.001,24 Euro, der aber nach oben durch den zur Festsetzung beantragten Betrag von 6.943,20 Euro begrenzt wird.

5. Die Voraussetzungen für die Zulassung der Rechtsbeschwerde liegen nicht vor.

Ende der Entscheidung

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