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Gericht: Oberlandesgericht Nürnberg
Beschluss verkündet am 05.12.2002
Aktenzeichen: 13 W 3607/02
Rechtsgebiete: GKG KV


Vorschriften:

GKG KV Nr. 1211
Die Gebührenermäßigung nach Nr. 1211 KV GKG tritt nicht ein, wenn die zunächst erhobene Teilklage nach Aufhebung des erstinstanzlichen Urteils und Zurückverweisung erweitert und später die Klage insgesamt zurückgenommen wird.
13 W 3607/02

Nürnberg, den 5.12.2002

In Sachen

erläßt das Oberlandesgericht Nürnberg, 13. Zivilsenat, durch die unterzeichneten Richter folgenden

Beschluß:

Tenor:

Die Beschwerde der Klägerin gegen den Beschluß des Landgerichts Nürnberg-Fürth vom 07.10.2002 wird zurückgewiesen.

Gründe:

Die gemäß § 5 Abs. 2 Satz 1, Abs. 3 GKG zulässige Beschwerde ist nicht begründet, da das Landgericht zu Recht eine Gebührenermäßigung nach Nr. 1211 KV GKG abgelehnt hat.

Die Gebühr nach Nr. 1210 KV GKG ermäßigt sich bei einer Klagerücknahme vor Schluß der mündlichen Verhandlung nur dann, wenn noch kein Urteil vorausgegangen ist.

Nr. 1211 KV GKG differenziert dabei nicht nach der Art und dem Gegenstand des Urteils, also nicht danach, ob das vorausgegangene Urteil den Streitgegenstand ganz erledigte oder es sich nur um ein Teilurteil handelte (OLG Stuttgart, NJW-RR 1996, 1535), und es ist nicht einmal von Bedeutung, ob das Urteil überhaupt den Streitgegenstand der Hauptsache betraf (OLG Düsseldorf, NJW-RR 1999, 1231).

Dementsprechend kommt eine Gebührenermäßigung z.B. dann nicht in Betracht, wenn nach Erlaß eines Versäumnisurteils die Klage zurückgenommen oder ein Vergleich abgeschlossen wird (OLG München, MDR 1996, 968; OLG Hamburg, MDR 1998, 623; Oestreich/Winter/Hellstab, GKG, Anmerkung 4 zu Nr. 1211 KV), oder wenn dem Vergleich ein Zwischenurteil vorausgegangen ist, selbst wenn dieses nur die Frage einer Sicherheitsleistung für Prozeßkosten zum Gegenstand hatte (OLG Düsseldorf, a.a.O.).

Es verbleibt auch dann bei der vollen Gebühr der Nr. 1210 KV GKG für den Gesamtstreitwert, wenn nach Einspruch gegen ein Versäumnisurteil die Klage erweitert und sodann ein Prozeßvergleich geschlossen wird (OLG Hamburg, MDR 2000, 111; MDR 1998, 623).

Etwas anderes gilt auch nicht im Falle der Aufhebung eines Urteils im Berufungsverfahren und der Zurückverweisung des Rechtsstreits an das erstinstanzliche Gericht bei dann nachfolgender Klagerücknahme. Es besteht insoweit kein Unterschied zum vorstehend erwähnten Fall. Denn es handelt sich bei den beiden Verfahrensabschnitten des ersten Rechtszuges vor und nach dem Berufungsverfahren um dieselbe gebührenrechtliche Instanz (§ 27 GKG; vgl. z.B. Oestreich/Winter/Hellstab, GKG § 27 Rn. 2 und 3 Ziffer 4; Markl/Meyer, 4. Aufl., GKG § 33 Rn. 1, 2). Davon ging auch die Beschwerdeführerin aus, nachdem sie mit der Erinnerung vom 01.03.2002 nur beantragt hatte, zwei der drei wegen der Klageerweiterung angefallenen Gebühren zurückzuerstatten, da hinsichtlich dieser noch kein Urteil ergangen sei. Verkannt hatte die Beschwerdeführerin dabei lediglich, daß das Gesetz, wie dargelegt, eine solche Differenzierung nicht vorsieht.

Soweit die Beschwerdeführerin in der Beschwerdeschrift nunmehr meint, daß sich die Aufhebung des Urteils im Berufungsverfahren auf die Gebührenermäßigung insgesamt auswirken müsse, trifft dies nicht zu. Denn die Ermäßigung nach Nr. 1211 KV GKG hängt nicht davon ab, ob das vorausgehende Urteil Bestand hatte oder nicht. So ist auch in den Fällen der Klagerücknahme oder des Vergleichsschlusses ein vorausgegangenes Hauptsacheurteil wirkungslos. Daher kann der - soweit ersichtlich nur von Markl/Meyer (a.a.O. § 33 Rn. 2 a.E.) vertretenen - Auffassung nicht gefolgt werden, nach einer Zurückverweisung kämen noch die Ermäßigungstatbestände der Nr. 1202 (richtig jetzt 1211) zum Zuge.

Gegen diese Ansicht spricht auch, daß es Motiv des Gesetzgebers war, durch das Kostenrechtsänderungsgesetz 1994 dem Gericht die Auseinandersetzung mit dem Sachstand und der Rechtslage zu ersparen (Markl/Meyer, a.a.O., Nr. 1211 KV Rn. 6, 5), indem ein dazu geeignetes Verhalten der Prozeßparteien durch eine Gebührenermäßigung anerkannt und begünstigt werden sollte. Der Arbeitsaufwand des Erstrichters ist jedoch bereits mit Erlaß des später aufgehobenen Urteils angefallen; hieran ändert sich durch Aufhebung und Zurückverweisung sowie späterer Verfahrensbeendigung durch Klagerücknahme oder Vergleich nichts. Daher ist es folgerichtig, daß in Nr. 1211 KV GKG ein im Rechtsmittelverfahren aufgehobenes Urteil nicht von den allgemein einer Ermäßigung entgegenstehenden Urteilen ausgenommen worden ist; es steht demnach ebenso wie ein bereits in erster Instanz durch nachfolgenden Vergleichsschluß oder durch Klagerücknahme wirkungslos gewordenes Urteil der Gebührenermäßigung entgegen.

Daß nicht darauf abgestellt werden kann, ob im Einzelfall tatsächlich ein erheblicher richterlicher Arbeitsaufwand erspart worden ist, ist Folge der notwendigen Typisierung zur vom Gesetzgeber gleichfalls angestrebten Vereinfachung des Kostenansatzes. Zwar wird an der gesetzlichen Regelung Kritik geäußert (vgl. insbesondere Zöller/Greger, 23. Aufl., ZPO § 253 Rn. 27), verfassungsrechtliche Bedenken gegenüber dieser Gestaltung bestehen jedoch nicht (vgl. BVerfG, JurBüro 2000, 146).

Soweit die Klägerin auch den Rechtsgedanken des § 8 Abs. 1 GKG berücksichtigt wissen will, entspricht eine solche Überlegung nicht der gesetzlichen Regelung. Es ist eine ganz andere Frage, ob die Voraussetzungen vorliegen, unter welchen an sich bereits entstandene Kosten infolge unrichtiger Sachbehandlung nicht erhoben werden. Auch wenn diese Frage nicht Gegenstand der vorliegenden Beschwerde ist, soll doch darauf hingewiesen werden, daß einerseits nicht jeder zur Aufhebung und Zurückverweisung führende Verfahrensfehler eine Unrichtigkeit im Sinne von § 8 Abs. 1 GKG darstellt (Hartmann, a.a.O., § 8 GKG Rn. 9 m.w.N.) und andererseits es vorliegend an der Kausalität eines dem Urteil vorausgegangenen Verfahrensfehlers für das Entstehen der bereits mit der Klageeinreichung einzuzahlenden Gebühren fehlt (KG, JurBüro 1997, 653).

Eine Kostenentscheidung ist gemäß § 5 Abs. 6 GKG nicht veranlaßt.

Die Voraussetzungen für eine Zulassung der Rechtsbeschwerde liegen nicht vor.

Ende der Entscheidung

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