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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Nürnberg
Urteil verkündet am 30.03.2009
Aktenzeichen: 14 U 1058/08
Rechtsgebiete: BGB


Vorschriften:

BGB § 362 Abs. 1
Die Darlehensforderung besteht fort, wenn ein zur Darlehenstilgung verwendeter Betrag zurückerstattet werden muss. Ein Hindernis für die Vollstreckung aus der zur Sicherung der Darlehensforderung bestellten Grundschuld ergibt sich daraus nicht.
Tenor:

I. Auf die Berufung der Beklagten wird das Endurteil des Landgerichts Nürnberg-Fürth vom 16. April 2008 abgeändert:

Die Klage wird abgewiesen.

II. Die Klägerin trägt die Kosten des Rechtsstreits.

III. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Die Klägerin kann die Vollstreckung der Beklagten durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110% des aus dem Urteil vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110% des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.

IV. Die Revision wird nicht zugelassen.

Beschluss

Der Streitwert des Berufungsverfahrens wird auf 102.258,38 EUR festgesetzt.

Gründe:

1.

Die Parteien streiten um die Zulässigkeit der Zwangsvollstreckung aus zwei Grundschuldbestellungsurkunden.

Wegen des erstinstanzlichen Parteivorbringens wird auf den Tatbestand des landgerichtlichen Urteils Bezug genommen. Ergänzend hierzu ist noch auszuführen:

Die Klägerin bestellte durch notarielle Urkunden des Notars Dr. B. vom 9. September 1966 sowie des Notars S. vom 22. Februar 1988 zu Gunsten der beklagten Bank auf das ihr gehörende Grundstück in Rückersdorf, Fliedersteig 2, zwei Grundschulden über 100.000 DM und 35.000 DM. Mit formularmäßiger Zweckerklärung vom 19.10./27.12.1994 vereinbarten die Parteien, dass die beiden Grundschulden als Sicherheit für alle bestehenden und künftigen, auch bedingten oder befristeten Forderungen der Beklagten aus der Geschäftsverbindung mit dem Schuldner H. H. sen. dienen. Im Falle eines Inhaberwechsels der Firma von H. H. sollten die Grundschulden auch zur Sicherung aller Forderungen gegen seinen Rechtsnachfolger dienen.

Mit Darlehensvertrag vom 17./25. Juni 1992 hatte der Schuldner H. H. sen. mit der Beklagten einen Darlehensvertrag über 200.000 DM (Darlehenskonto Nr. ...) zur Abdeckung des Sollsaldos auf seinem Geschäftskonto geschlossen. Die Rückzahlung sollte am 30. Juni 2004 fällig sein.

Nachdem H. H. sen. zwischenzeitlich verstorben war, übernahm sein Sohn H. H. das Unternehmen und wurde persönlicher Schuldner der Beklagten. Am 30. Juni 2004 verwendete die Beklagte in Absprache mit dem Schuldner H. H. eine fällige Versicherungsleistung in Höhe von 102.258,38 EUR zur Rückführung des Darlehens. Begünstigte der Versicherung war allerdings Frau H., die damalige Ehefrau des Schuldners. Aufgrund dieser Verrechnung wurde das Forderungskonto auf Null gestellt und dem Darlehensschuldner im Juni 2005 mitgeteilt, dass die Darlehensforderung getilgt sei. Zwischenzeitlich hatte jedoch Frau H. der Verrechnung der Versicherungsleistung auf die Darlehensschuld ihres Ehemannes widersprochen, so dass die Beklagte im Juni 2005 den Betrag von 102.258,38 EUR an Frau H. zurückerstatten musste. Das mittlerweile geschlossene Darlehenskonto des Schuldners H. wurde unter einer neuen Darlehenskontonummer weitergeführt.

Die Beklagte betreibt wegen ihrer Forderung gegen H. H. die Zwangsvollstreckung aus den Grundschuldbestellungsurkunden der Klägerin.

Das Landgericht Nürnberg-Fürth hat mit Endurteil vom 16. April 2008 gemäß dem Antrag der Klägerin die Zwangsvollstreckung aus den notariellen Urkunden des Notars Dr. B. vom 9. September 1966 und des Notars S. vom 22. Februar 1988 für unzulässig erklärt und die Beklagte zur Herausgabe der ihr erteilten vollstreckbaren Ausfertigungen dieser Urkunden an die Klägerin verurteilt. Zur Begründung hat das Gericht im Wesentlichen ausgeführt, dass die Forderung der Beklagten aus dem Darlehensvertrag Nr.... durch Erfüllung erloschen und der Regressanspruch der Beklagten als "künftige Forderung" gegen den Schuldner H. durch die Grundschuld nicht gesichert sei, da die Erstreckung der Haftung der Klägerin in der Zweckerklärung auf künftige Forderungen unwirksam sei.

Gegen dieses ihrem Prozessbevollmächtigten am 30. April 2008 zugestellte Urteil richtet sich die am 29. Mai 2008 bei Gericht eingegangene Berufung der Beklagten, die sie mit am 30. Juni 2008 eingegangenem Schriftsatz begründet hat.

Die Beklagte verfolgt ihren erstinstanzlichen Klageabweisungsantrag weiter, insbesondere ist sie der Meinung, dass die gesicherte Forderung der Beklagten gegen den Schuldner H. H. aus dem Darlehensvertrag vom 17./25. Juni 1992 nicht durch Erfüllung gem. § 362 BGB erloschen sei.

Die Beklagte beantragt:

I. Das Endurteil des Landgerichts Nürnberg-Fürth vom 16. April 2008 (10 O 8291/07) wird aufgehoben.

II. Die Klage wird abgewiesen.

Die Klägerin beantragt,

die Berufung der Beklagten zurückzuweisen.

Die Klägerin verteidigt das Ersturteil als zutreffend. Sie vertritt die Auffassung, dass die Darlehensschuld des Schuldners H. aufgrund der Gutschrift der Versicherungsleistung erloschen sei. Der Umstand, dass die Beklagte den Betrag aus der Lebensversicherung an die Versicherungsnehmerin habe auskehren müssen, ändere nichts an der Erfüllungswirkung. Soweit der Beklagten wegen dieses Vorganges Regressansprüche gegen den Schuldner H. zustehen, könnten die von der Klägerin bestellten Grundschulden hierfür nicht haftbar gemacht werden, da es sich um künftige Forderungen aus Sicht des Zeitpunkts der Abgabe der Zweckerklärung handle. Insoweit sei die Zweckerklärung unwirksam, da die Haftung des Drittsicherungsgebers nicht durch formularmäßige Klauseln auf künftige Ansprüche des persönlichen Schuldners ausgedehnt werden könne.

Wegen der weiteren Einzelheiten des zweitinstanzlichen Parteivorbringens wird auf den Inhalt der gewechselten Schriftsätze Bezug genommen.

Eine Beweiserhebung durch den Senat ist nicht erfolgt.

II.

Die zulässige Berufung ist begründet. Die Zwangsvollstreckung der Beklagten gegen die Klägerin aus den streitgegenständlichen Urkunden ist zulässig.

1. Gegenstand der Sicherungszweckerklärung vom 19.10./27.12.1994 sind alle bestehenden und künftigen Ansprüche der Beklagten gegen den Schuldner H. H. Diese formularmäßig vereinbarte weite Zweckerklärung unterliegt als Allgemeine Geschäftsbedingung der Beklagten der Inhaltskontrolle nach dem AGB-Gesetz a. F. Eine formularmäßige weite Zweckerklärung wird nach der "Anlass-Rechtsprechung" des Bundesgerichtshofs nur dann als überraschend und damit als unwirksam erachtet, wenn sie den Sicherungszweck in einem für den Sicherungsgeber nicht zu erwartenden Ausmaß erweitert und dieser ein unkalkulierbares Risiko eingeht, indem er für erst nachträglich entstehende Verbindlichkeiten haften soll, auf deren Begründung er keinen Einfluss hat. Die Unwirksamkeit der formularmäßigen Erstreckung der Haftung auf künftige Forderungen erfasst aber nicht die Haftung der Klägerin für die Darlehensverbindlichkeit des Schuldners H. aus dem Darlehensvertrag Nr. ... vom 17./25. Juni 1992, da es sich insoweit um eine "gegenwärtige" Forderung handelt, nämlich die nicht erloschene ursprüngliche Forderung (siehe 2.), die Anlass der Sicherungszweckerklärung vom 19.10./27.12.1994 war (vgl. BGH, Urteil vom 18. Mai 1995, IX ZR 108/94 = BGHZ 130,19-37). Die Klägerin hat im vorliegenden Fall gerade kein ungewisses Risiko übernommen.

2. Die durch die Sicherungszweckerklärung gesicherte Forderung der Beklagten gegen den Schuldner H. H. aus dem Darlehensvertrag vom 17725. Juni 1992 ist nicht durch Erfüllung gem. § 362 BGB erloschen.

1.

a) Zwar hat die Beklagte auf Veranlassung des Schuldners H. dessen Darlehenskonto am 30. Juni 2004 einen Betrag von 102.258,38 EUR gutgeschrieben mit der Folge, dass sich der Kontostand auf 0,00 EUR verminderte. Die Gutschrift hat gleichwohl nicht zum Erlöschen der Forderung der Beklagten geführt, da der Schuldner hierdurch nicht den geschuldeten Leistungserfolg herbeigeführt hat. Bei einer Geldschuld wird dieser Erfolg mangels anderer Vereinbarung nur dann erzielt, wenn der Gläubiger den Geldbetrag, den er beanspruchen kann, endgültig zur freien Verfügung übereignet oder überwiesen erhält. Darf er den Betrag nicht behalten, so ist der Leistungserfolg nicht eingetreten (BGH, Urteil vom 23. Januar 1996, XI ZR 75/95, Rn. 2; BGH, Urteil vom 27. Juni 2008, V ZR 83/07, Rn. 26, zitiert nach juris).

So liegt der Fall hier. Die Beklagte musste den an sie zur Darlehenstilgung gezahlten Betrag von 102.258,38 EUR am 3. Juni 2005 an die Ehefrau des Schuldners H. zurückerstatten, da diese einer Verrechnung der ihr zustehenden Versicherungsleistung mit der Darlehensschuld ihres Ehemannes nicht zugestimmt hatte. Da die Beklagte somit den Betrag nicht endgültig behalten durfte, hat die Gutschrift auf dem Darlehenskonto nur zur vorläufigen Befriedigung der Beklagten geführt. Dass sie seine Zahlung zunächst als Erfüllung angenommen und als Folge das Darlehenskonto des Schuldners geschlossen hat, führt zu keiner anderen Beurteilung. Die Annahme einer unzureichenden Leistung als Erfüllung führt nach § 363 BGB nur zur Umkehr der Beweislast, nicht jedoch zum Erlöschen des Schuldverhältnisses nach § 362 Abs. 1 BGB (BGH, Urteil vom 23. Januar 1996, XI ZR 75/95, Rn. 3, zitiert nach juris). Auch die Schließung des Kontos ändert nichts daran, dass die Beklagte den überwiesenen Betrag wieder zurückzahlen musste und der Betrag ihr daher gerade nicht endgültig zur Verfügung stand.

Der Auffassung der Klägerin, aus der Formulierung des Bundesgerichtshofs in seiner Entscheidung vom 23. Januar 1996 (XI ZR 75/95) "Bei einer Geldschuld wird dieser Erfolg ...nur dann erzielt, wenn der Gläubiger den Geldbetrag ... endgültig zur freien Verfügung übereignet oder überwiesen erhält sei zu folgern, dass der Bundesgerichtshof davon ausgehe, die Erfüllungswirkung einer Banküberweisung trete immer dann ein, wenn die Überweisung unwiderruflich ist, vermag der Senat nicht zu folgen. Eine solche Einschränkung nimmt der Bundesgerichtshof gerade nicht vor. Vielmehr stellt er sowohl für den Fall der Übereignung als auch den Fall der Überweisung eines Geldbetrages für die Frage der Erfüllungswirkung darauf ab, ob der Gläubiger den Betrag behalten darf. Die Frage der Unwiderruflichkeit einer Banküberweisung spielt in diesem Zusammenhang keine Rolle.

b) Der Hinweis der Klägerin auf weitere Entscheidungen des Bundesgerichtshofs, die sich mit dem Themenbereich der Banküberweisung befassen, führt zu keiner anderen Beurteilung.

In seiner Entscheidung vom 15. Mai 1952 (VI ZR 157/51) ging der Bundesgerichtshof der Frage nach, ob für die Erfüllung einer Geldschuld, die durch Banküberweisung getilgt werden soll, auf den Zeitpunkt der Gutschrift abzustellen ist oder ob hierfür bereits ein früherer Zeitpunkt - etwa der Eingang der Überweisung mit den erforderlichen Unterlagen bei einer Stelle der Empfängerbank - in Betracht kommen kann. Diese Frage beantwortete der Bundesgerichtshof dahingehend, dass die Erfüllung regelmäßig (erst) dann eintritt, sobald die kontoführende Stelle dem Bankkunden den Betrag auf seinem Konto gutschreibt. Entgegen der Auffassung der Klägerin ist dies nicht dahingehend zu verstehen, dass mit einer Gutschrift stets Erfüllungswirkung eintrete; denn um die - ganz anders gelagerte - Problematik, ob die Gutschrift auch dann Erfüllungswirkung hat, wenn der Gläubiger den Betrag nicht behalten darf, ging es in der genannten Entscheidung nicht.

Auch die Entscheidung des Bundesgerichtshofs vom 25. Januar 1988 (II ZR 320/87 = NJW 1988, 351-352) betraf nicht die Fragestellung der Erfüllungswirkung einer Gutschrift, die der Gläubiger nicht endgültig behalten darf. Vielmehr setzte sich der Bundesgerichtshof - ebenso wie in dem von der Klägerin genannten Beschluss vom 23. November 1999 (XI ZR 98/99) - allein mit der Frage auseinander, bis zu welchem Zeitpunkt der Widerruf eines Überweisungsauftrags möglich ist.

Die von der Klägerin zitierte Entscheidung des Bundesgerichtshofs vom 28. Oktober 1998 (VIII ZR 157/97) betraf die Frage, wann Erfüllungswirkung eintritt, wenn der Gläubiger nicht alleinige Verfügungsbefugnis über das Konto hat, dem der überwiesene Betrag gutgeschrieben wurde. In dieser Entscheidung bekräftigte der Bundesgerichtshof unter Bezugnahme auf seine Entscheidung vom 23. Januar 1996 (XI ZR 75/95) ausdrücklich, dass bei einer Banküberweisung der zur Erfüllung erforderliche Leistungserfolg mangels anderer Vereinbarung nur dann erzielt werde, wenn der Gläubiger den geschuldeten Geldbetrag endgültig zur freien Verfügung erhält. Entgegen der Auffassung der Klägerin hat sich der Bundesgerichtshof nicht dahingehend geäußert, dass dies immer dann der Fall sei, wenn der überwiesene Geldbetrag dem Konto des Gläubigers gutgeschrieben wird.

Da die Leistung des Schuldners H somit keine Erfüllungswirkung hat, besteht die von der Sicherungszweckerklärung erfasste Darlehensforderung der Beklagten weiterhin fort. Die Zwangsvollstreckung aus den Grundschuldbestellungsurkunden vom 9. September 1966 und vom 22 Februar 1988 ist daher zulässig und die Klage damit unbegründet. Auf die Berufung der Beklagten war das angefochtene Urteil entsprechend abzuändern

III.

1. Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 ZPO.

2. Die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit folgt aus § 708 Nr. 10, 711 ZPO.

3. Die Revision war nicht zuzulassen, da die Rechtssache weder grundsätzliche Bedeutung hat noch die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Revisionsgerichts erfordert, § 543 Abs. 2 Satz 1 ZPO.

Ende der Entscheidung

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