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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Nürnberg
Beschluss verkündet am 30.07.2009
Aktenzeichen: 2 St OLG Ss 121/09
Rechtsgebiete: StGB, StPO


Vorschriften:

StGB § 46a
StPO § 354 Abs. 1a
1. Hat sich der Angeklagte gegenüber dem Geschädigten in der Hauptverhandlung zur Zahlung eines Schmerzensgeldes verpflichtet, muss sich der Tatrichter vorrangig vor den allgemeinen Strafzumessungserwägungen mit der Regelung zum Täter-Opfer-Ausgleich in § 46a StGB auseinandersetzen. Anderenfalls kann das Revisionsgericht nicht beurteilen, ob der Tatrichter die Voraussetzungen des § 46a StGB trotz der Zahlungsverpflichtung nicht für erfüllt angesehen oder zu hohe Anforderungen an die Milderungsmöglichkeit nach §§ 46a Nr. 1, 49 Abs. 1 StGB gestellt hat.

2. An einer eigenen Sachentscheidung nach § 354 Abs. 1a StPO ist das Revisionsgericht schon dann gehindert, wenn ihm kein ausreichend umfassender und aktueller Strafzumessungssachverhalt zur Verfügung steht (Bestätigung von OLG Nürnberg NJW 2008, 2518 = StraFo 2008, 249).


Oberlandesgericht Nürnberg BESCHLUSS

2 St OLG Ss 121/09

Der 2. Strafsenat des Oberlandesgerichts Nürnberg hat unter Mitwirkung des Vorsitzenden Richters am Oberlandesgericht Dr. Kunz sowie der Richter am Oberlandesgericht Prof. Dr. Jahn und Sommerfeld

in dem Strafverfahren

wegen gefährlicher Körperverletzung

am 30. Juli 2009

einstimmig beschlossen:

Tenor:

I. Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts W vom 26. Februar 2009 im Rechtsfolgenausspruch mit den zuzuordnenden Feststellungen aufgehoben.

Mit aufgehoben wird der Kostenausspruch.

II. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung an eine andere Strafkammer des Landgerichts W zurückverwiesen.

Gründe:

I.

Das Amtsgericht W hat den Angeklagten am 9.9.2008 wegen (gemeinschaftlich begangener) gefährlicher Körperverletzung in zwei Fällen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von einem Jahr verurteilt.

Die gegen dieses Urteil eingelegte Berufung des Angeklagten hat das Landgericht W zusammen mit der Berufung der Staatsanwaltschaft am 26.2.2009 als unbegründet verworfen.

Mit seiner auf den Rechtsfolgenausspruch beschränkten Revision rügt der Angeklagte die Verletzung materiellen Rechts.

Die Generalstaatsanwaltschaft N beantragt - unter Hinweis auf Rechtsfehler bei der Strafzumessung - die Aufhebung des Urteils des Landgerichts und Zurückverweisung der Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung an eine andere Strafkammer des Landgerichts W.

II.

Die Revision des Angeklagten ist zulässig (§§ 333, 341 Abs. 1, 344 Abs. 1, 345 StPO) und hat in der Sache (zumindest vorläufigen) Erfolg.

1. Die Beschränkungen der Berufungen von Staatsanwaltschaft und Angeklagten auf den Rechtsfolgenausspruch waren - was das Landgericht erkennt (BU S. 2 f.) - unwirksam, so dass der Angeklagte seine Revision wirksam auf den Strafausspruch beschränken konnte.

2. Das Urteil des Landgerichts leidet im Strafausspruch an sachlich-rechtlichen Mängeln.

a) Die Strafzumessung ist zwar grundsätzlich Sache des Tatrichters. Das Revisionsgericht hat aber auf die Sachrüge zu überprüfen, ob dem Tatrichter bei dieser Entscheidung Rechtsfehler unterlaufen sind. Ein solcher Fehler liegt dann vor, wenn die Entscheidung in sich mangelbehaftet ist, etwa, weil dem Gesetz entsprechende Strafzumessungserwägungen unterblieben sind (ständige Rspr., vgl. OLG Nürnberg NJW 2008, 2518; BayObLG NJW 1992,191).

b) Letzteres ist hier, wie die Generalstaatsanwaltschaft in ihrer Antragsschrift vom 25.6.2009 aufgezeigt hat, der Fall.

Zwar stellt die Kammer im Rahmen der allgemeinen Strafzumessungserwägungen nach § 46 StGB fest (BU S. 11 sowie S. 7), dass sich der Angeklagte gegenüber dem Zeugen S verpflichtet hat, ein Schmerzensgeld i.H.v. € 500,- zu zahlen. Weiteres findet sich hierzu nicht. Eine Strafrahmenverschiebung wird nicht vorgenommen. Damit setzt sich die Kammer nicht mit der - vorrangig zu prüfenden (Fischer StGB 56. Aufl. § 46a Rn. 6, 12) - Regelung in § 46a StGB auseinander. Der Senat vermag so nicht zu beurteilen, ob die Strafkammer die Voraussetzungen des § 46a Nr. 1 StGB - was hier fern läge - trotz der Verpflichtung zur Zahlung von Schmerzensgeld nicht für erfüllt angesehen oder zu hohe Anforderungen an die Milderungsmöglichkeit nach §§ 46a Nr. 1, 49 Abs. 1 StGB gestellt hat (vgl. BGHR StGB § 46a Begründung 1).

3. An einer eigenen Sachentscheidung nach § 354 Abs. 1a StPO ist der Senat schon deshalb gehindert, weil ihm kein ausreichend umfassender und aktueller Strafzumessungssachverhalt zur Verfügung steht (vgl. BVerfGE 118, 212, 230 = NJW 2007, 2977, 2980 Tz. 92 und OLG Nürnberg NJW 2008, 2518 = StraFo 2008, 249, 250), zumal nach dem Vorbringen der Revision von dem vereinbarten Schmerzensgeld mittlerweile € 400,- bereits gezahlt sind.

III.

Wegen der aufgezeigten Rechtsfehler (§ 337 StPO) ist das angefochtene Urteil im Strafausspruch mit den zuzuordnenden Feststellungen aufzuheben (§§ 349 Abs. 4, 353 Abs. 1 StPO). Die Sache wird in diesem Umfang zu neuer Verhandlung und Entscheidung an eine andere Strafkammer des Landgerichts W, die auch über die Kosten des Revisionsverfahrens zu befinden haben wird, zurückverwiesen (§ 354 Abs. 2 StPO).

IV.

Für die neue Hauptverhandlung weist der Senat darauf hin, dass sich die Kammer eingehender als bisher mit der Frage auseinander zu setzen haben wird, ob ein minder schwerer Fall des § 224 StGB in Betracht kommt.

Diese Entscheidung erfordert eine Gesamtbetrachtung aller für die Strafzumessung wesentlichen Umstände. Der Grundsatz, dass dabei zunächst auf die nicht vertypten Milderungsgründe abzustellen ist, bedeutet nicht, dass solche, die - wie § 46a Nr. 1 StGB - zu einer Strafrahmenmilderung nach § 49 StGB führen können, bei der Erörterung eines minder schweren Falles geringe Bedeutung haben. Nach ständiger Rechtsprechung fallen sie bei der Gesamtbewertung vielmehr so stark ins Gewicht, dass bereits ihr Vorliegen die Annahme eines minder schweren Falles begründen kann (BGHR StGB vor § 1 Strafrahmenwahl 7 m. zahlr. Nachw.).

Die Anwendung des höheren Regelstrafrahmens ist daher erst zulässig, wenn unter Berücksichtigung aller Umstände der mildere des § 224 Abs. 1 StGB a.E. nicht angemessen und ausreichend erscheint.

Ende der Entscheidung

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