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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Nürnberg
Beschluss verkündet am 10.05.2007
Aktenzeichen: 2 St OLG Ss 25/07
Rechtsgebiete: StPO, StGB


Vorschriften:

StPO § 261
StGB § 86 a Abs. 1 Nr. 1
1. Will der Tatrichter dem Ergebnis eines Sachverständigen zur der Frage, ob ein vom Angeklagten getragenes Symbol hinsichtlich Form- und Farbgebung ein Kennzeichen im Sinne des § 86 a Abs. 1 Nr. 1 StGB (hier: der "Volkssozialistischen Bewegung Deutschlands/Partei der Arbeit", abgekürzt: VSBBD/PdA) darstellt, ohne Angabe eigener Erwägungen folgen, so müssen in den Urteilsgründen wenigstens die wesentlichen Anknüpfungstatsachen und Darlegungen des Sachverständigen wiedergegeben werden.

2. Ein auf einem T-Shirt abgebildetes "Keltenkreuz" ist nicht in jedem Fall geeignet, den objektiven Tatbestand des § 86 a Abs. 1 Nr. 1 StGB zu erfüllen.

3. Die bloße Inbezugnahme des äußeren Erscheinungsbildes eines Angeklagten sowie seiner einschlägigen Vorverurteilung ist für sich gesehen nicht ausreichend, die Annahme eines (bedingten) Tatvorsatzes zu begründen.


Oberlandesgericht Nürnberg BESCHLUSS

2 St OLG Ss 25/07

Der 2. Strafsenat des Oberlandesgerichts Nürnberg hat unter Mitwirkung des Vorsitzenden Richters am Oberlandesgericht Dr. Seidl sowie der Richter am Oberlandesgericht Beck und Prof. Dr. Jahn

in dem Strafverfahren

gegen

wegen Verwendens von Kennzeichen verfassungswidriger Organisationen

am 10. Mai 2007

einstimmig beschlossen:

Tenor:

I. Auf die Revision des Angeklagten wird Urteil des Landgerichts ... vom 16. November 2006 mit den Feststellungen aufgehoben.

Die weitergehende Revision des Angeklagten wird als unbegründet verworfen.

II. Die Sache wird zu neuer Verhandlung und Entscheidung an eine andere Strafkammer des Landgerichts ... zurückverwiesen.

Gründe:

I.

Das Amtsgericht ... - Jugendrichter - hat den Angeklagten am 18.4.2006 wegen des Verwendens von Kennzeichen verfassungswidriger Organisationen zu einer Geldstrafe von 50 Tagessätzen zu je 20,00 Euro verurteilt.

Nach den Feststellungen des Amtsgerichts trug der Angeklagte als Beifahrer des von seinem Bruder gelenkten Pkw BMW, amtl. Kennzeichen ... , bei der Ausreise aus dem Bundesgebiet am Grenzübergang ... ohne weitere Oberbekleidung ein schwarzes T-Shirt, auf dem im linken Brustbereich ein gelbes "Keltenkreuz" mit einem Durchmesser von ca. 3 cm angebracht war. Auf der Rückseite des T-Shirts war ebenfalls ein schräg gestelltes "Keltenkreuz" mit ca. 22 cm Durchmesser abgebildet. Auf der Vorderseite des T-Shirts waren außerdem die Worte "Kreuzfeuer" sowie "Forever True", auf der Rückseite die Worte "Today, Tomorrow, Forever" aufgedruckt.

Die gegen das Urteil von dem Angeklagten eingelegte Berufung hat das Landgericht ... mit Urteil vom 16.11.2006 verworfen.

Mit seiner hiergegen gerichteten Revision rügt der Angeklagte die Verletzung formellen und materiellen Rechts.

Die Generalstaatsanwaltschaft ... beantragt - unter Hinweis auf einen "Darstellungsmangel" in dem Urteil des Landgerichts - auf die Revision des Angeklagten das angefochtene Urteil aufzuheben und die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung an eine andere Strafkammer des Landgerichts ... zurückzuverweisen.

II.

Das Rechtsmittel ist zulässig (§§ 333, 341 Abs. 1, 344, 345 StPO) und hat aufgrund des von der Generalstaatsanwaltschaft aufgezeigten Darstellungsmangels bereits mit der Sachrüge (zumindest vorläufig) Erfolg.

Die Generalstaatsanwaltschaft hat in ihrer Stellungnahme vom 24.1.2007 (Bl. 2) ausgeführt:

"Das Landgericht hat seine Feststellung, dass die verbotene VSBD/PdA (Anmerkung des Senats: "Volkssozialistische Bewegung Deutschlands/Partei der Arbeit") das Keltenkreuz auch isoliert, d.h. ohne weitere schriftliche und bildliche Zusätze verwendet hat, auf das verlesene Gutachten der Technischen Universität ... vom 13.08.2004 gestützt (BU S. 9 2. Absatz).

Will der Tatrichter dem Ergebnis eines Sachverständigen ohne Angabe eigener Erwägungen folgen, so müssen in den Urteilsgründen wenigstens die wesentlichen Anknüpfungstatsachen und Darlegungen des Sachverständigen wiedergegeben werden (vgl. Meyer-Goßner, StPO, 49. Auflage, § 267 Rdnr. 13 m.w.N.). Daran fehlt es hier. Da es sich nicht um ein weithin standardisiertes Verfahren, wie beispielsweise das der Daktyloskopie handelte, genügte die bloße Mitteilung der Ergebnisse des Gutachtens nicht (vgl. Meyer-Goßner, a.a.O.).

Es ist daher nicht nachvollziehbar, ob das vom Angeklagten getragene Symbol hinsichtlich Form- und Farbgebung dem Kennzeichen der VSBD/PdA entsprach bzw. diesem zum Verwechseln ähnlich im Sinne des § 86a Abs. 2 StGB gewesen ist."

Dem schließt sich der Senat an.

Das Urteil des Landgerichts ist daher mit den Feststellungen aufzuheben (§ 353 StPO).

Die weitergehende Revision des Angeklagten, der Freispruch beantragt hat, wird im Hinblick darauf, dass weitere Feststellungen zur Tat getroffen werden können, als unbegründet verworfen.

Die Sache wird zu neuer Verhandlung und Entscheidung an eine andere Strafkammer des Landgerichts ... , die auch über die Kosten des Revisionsverfahrens zu befinden haben wird, zurückverwiesen (§ 354 Abs. 2 Satz 1 StPO).

III.

Für das weitere Verfahren bemerkt der Senat ergänzend:

Unter materiell-rechtlichen Gesichtspunkten wird der neue Tatrichter vor allem im Hinblick auf die (zum Teil einschränkende) Rechtsprechung (BGH Urteil vom 15.03.2007 -3 StR 486/06; BGH NJW 2002, 3186; vgl. auch BGH NStZ 1996, 81; BayObLG Beschl. v. 30.7.1998 - 5 St RR 87/98; OLG Karlsruhe NStZ-RR 1998, 10; LG Heidelberg NStE Nr. 8 zu § 86a StGB) in tatsächlicher Hinsicht genauer als bislang zu prüfen haben, ob das auf dem T-Shirt des Angeklagten abgebildete Keltenkreuz geeignet ist, den objektiven Tatbestand des § 86 a Abs. 1 StGB zu erfüllen.

Zudem sind aufgrund der Einlassungen des in der Hauptverhandlung schweigenden Angeklagten gegenüber der Jugendgerichtshilfe, er sei der Meinung, das Keltenkreuz sei in Verbindung mit der Musikgruppe (Metall-Band) "Kreuzfeuer" nicht verboten und ihm sei der Zusammenhang mit einer verbotenen Partei nicht bekannt gewesen (BU S. 6), eingehendere Feststellungen zur subjektiven Tatseite und dabei insbesondere bezüglich der Verbotsverfügung dringend angezeigt (s. dazu Tröndle/Fischer StGB 54. Aufl. § 86 a Rn. 23). Die bloße Inbezugnahme des äußeren Erscheinungsbildes des Angeklagten sowie seiner einschlägigen Vorverurteilung (BU S. 10) ist für sich gesehen nicht ausreichend, die Annahme eines (bedingten) Tatvorsatzes zu begründen.

Ende der Entscheidung

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