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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Nürnberg
Beschluss verkündet am 24.05.2007
Aktenzeichen: 2 Ws 299/07
Rechtsgebiete: StVollzG


Vorschriften:

StVollzG § 70
Bei der Bestimmung des "angemessenen Umfanges" im Sinne des § 70 Abs. 1 StVollzG ist auch der Wert eines Gegenstandes mit zu berücksichtigen (hier: Aushändigung eines Flachbildschirmfernsehgerätes).

Dabei ist zu prüfen, ob der Gegenstand, der in den Haftraum gelangen soll, aus Gründen sozialer Gleichbehandlung hinsichtlich seines Wertes noch in einem vertretbaren Verhältnis zu dem Besitzstand des Durchschnittsinsassen steht.


2 Ws 299/07

Nürnberg, den 24.5.2007

In der Strafvollzugssache

wegen Genehmigung eines Flachbildschirmfernsehgeräts,

hier: Rechtsbeschwerde des Anstaltsleiters der Justizvollzugsanstalt ...

erlässt der 2. Strafsenat des Oberlandesgerichts Nürnberg durch die unterzeichneten Richter folgenden

Beschluss:

Tenor:

I. Auf die Rechtsbeschwerde des Leiters der Justizvollzugsanstalt ... wird der Beschluss der auswärtigen Strafvollstreckungskammer des Landgerichts ... mit dem Sitz in ... vom 20.03.2007 aufgehoben.

II. Das Verfahren wird zur weiteren Aufklärung des Sachverhalts und zur erneuten Entscheidung - einschließlich der Kosten des Rechtsbeschwerdeverfahrens - an die auswärtige Strafvollstreckungskammer des Landgerichts ... mit dem Sitz in ... zurückverwiesen.

Gründe:

I.

Der Antragsteller ist Strafgefangener in der Justizvollzugsanstalt ...

Zur Niederschrift des Rechtspflegers des Amtsgerichts ... beantragte er am 14.12.2006, das Gericht möge die Antragsgegnerin verpflichten, den am 08.09.2006 gestellten Antrag auf Genehmigung eines Flachbildschirmfernsehgerätes, Typ Sony WEGA KLV 15 SR 1, zu verbescheiden. Lehne die Antragsgegnerin während des gerichtlichen Verfahrens den gegenständlichen Antrag ab, werde zusätzlich Verpflichtungsantrag gestellt. Es werde beantragt, das Gericht möge die ablehnende Maßnahme aufheben und die Antragsgegnerin verpflichten, den Antragsteller unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichtes zu verbescheiden. Zur Begründung führte er aus, sein genehmigtes und zur Nutzung ausgehändigtes Fernsehgerät sei defekt. Gemäß einem Beschluss des OLG Karlsruhe vom 25.01.2006 hätten Gefangene grundsätzlich einen Anspruch auf Genehmigung eines Flachbildschirmgerätes. Die Genehmigungsfähigkeit eines bestimmten Gerätes hänge von dessen tatsächlicher Ausstattung mit Multimediafunktionen ab. Das von ihm beantragte Gerät habe keine besonderen Multimediafunktionen, welche über die von der Antragsgegnerin genehmigten "Röhrengeräte" hinausgingen. Das Gerät enthalte lediglich einen Videotextdecoder wie genehmigte Röhrengeräte auch, wobei das Videotextsignal in der hauseigenen Antennenanlage elektronisch ausgeblendet werde. Der Marktpreis von Flachbildschirmgeräten ohne Zusatzausstattung entspreche mittlerweile dem früherer Markenfernsehgeräte. Der Grundsatz sozialer Gleichbehandlung sei nicht verletzt. Hinsichtlich des weiteren Vorbringens des Antragstellers wird auf die Darstellung im Beschluss der Strafvollstreckungskammer unter I. Bezug genommen.

In ihrer Stellungnahme vom 01.02.2007 führte die Justizvollzugsanstalt ... aus, dass über den Antrag des Gefangenen mit Bescheid vom 29.01.2007 entschieden worden sei. Der Bescheid wurde damit begründet, dass eine Aushändigung des beantragten Gerätes die Sicherheit und Ordnung der Justizvollzugsanstalt ... gefährden würde. Bei Flachbildschirmfernsehgeräten handele es sich um die derzeit modernste Generation von Fernsehgeräten, die durch ihre äußere Aufmachung und Bildqualität die herkömmlichen Röhrengeräte überträfen. Hinzu komme, dass grundsätzlich Flachbildschirmgeräte über zusätzliche Funktionen und Anschlussmöglichkeiten verfügten. Diese gesteigerte Qualität in Verbindung mit der technischen Neuheit schlage sich allgemein auf den Anschaffungspreis nieder. So befänden sich Geräte, die sich aufgrund ihrer Größe für eine Aushändigung an Gefangene der Justizvollzugsanstalt ... eignen würden, in einer Preisklasse ab 400 € (wobei das konkrete Gerät einen Listenpreis von 900 € habe). Röhrengeräte hingegen dieser Größe könnten bereits unter 100 € erworben werden. Die Ordnung der Anstalt wäre bereits dadurch gefährdet, dass der Kaufpreis die von der Justizvollzugsanstalt festgelegte Wertobergrenze für TV-Geräte, nämlich 200 € erheblich übersteige. Sollten einzelne Gefangene die Möglichkeit haben, ein Flachbildschirmfernsehgerät zu erwerben, so würde dies die Ausnahme darstellen. Das Statussymbol "Flachbildschirm" würde den finanzkräftigen Gefangenen von den übrigen Gefangenen sichtlich hervorheben. Dieser Zustand wäre geeignet, Neid und Missgunst unter den Gefangenen aufkommen zu lassen. Zudem würde den subkulturellen Organisationen Wege eröffnet, einzelne Gefangene in die Schuldenfalle laufen zu lassen, wodurch gezielt Abhängigkeitsverhältnisse geschaffen werden könnten. Derartige Abhängigkeitsverhältnisse wiederum seien in subkulturellen Kreisen ein begehrtes Mittel, um Gefangene zu illegalen Handlungen oder zu Dienstleistungen zu zwingen. Der Besitz eines Flachbildschirmgerätes sei somit wegen Gefährdung der Sicherheit und der Ordnung der Justizvollzugsanstalt ... gem. § 70 Abs. 2 S. 2 StVollzG zu untersagen. Dies gelte umso mehr, als vom Antragsteller keine wichtigen Belange geltend gemacht oder ersichtlich seien, die das beschriebene Sicherheitsrisiko aufwiegen könnten.

In einer ergänzenden Stellungnahme vom 08.02.2007 führt der Antragsteller aus, er werde durch die Ablehnung des Antrages auf Besitz des angegebenen TV-Gerätes in seinen Rechten gem. § 70 Abs. 1 StVollzG verletzt. Die Justizvollzugsanstalt habe keine rechtsfehlerfreie Ermessensentscheidung getroffen. Bei dem Gegenstand, dessen Besitz er begehre, handle es sich um ein kleines Fernsehgerät mit 37 cm Bildschirmdiagonale. Flachbildschirmgeräte für Fernsehen und Datenverarbeitung würden einen gängigen marktüblichen Gegenstand darstellen. Bei der Ermessensentscheidung sei auch der Angleichungsgrundsatz des § 3 StVollzG zu beachten. Entsprechend der mit der Neufassung des § 69 Abs. 2 StVollzG getroffenen Wertentscheidung des Gesetzgebers sollten keine zu hohen Anforderungen an die soziale Gleichbehandlung der Gefangenen gestellt werden. Es sei im Auge zu behalten, dass es nicht um die Herstellung eines wertmäßig identischen, sondern um die Vermeidung eines "außer Verhältnis" zum Durchschnitt stehenden Besitzstandes gehe. Die Preise für Flachbildschirmgeräte bei Versandhausanbietern wie ... oder bei der Firma ... würden sich derzeit auf deutlich unter 300 € belaufen, auch das von ihm gewünschte Gerät koste nicht 900 €. Angesichts der Unterschiede im sozialen Gefüge der Gefangenen spiele ein LCD-Fernseher im Wert von ca. 250 € - 300 € keine Rolle, zumal die Vollzugsbehörde bei der Genehmigung von Gegenständen für die Freizeitbeschäftigung mit ihren Rahmenverfügungen über die Anschaffungspreise gemäß § 70 StVollzG sehr großzügig umgehe. Er - der Gefangene - habe infolge des Einsatzes zweier Kunstlinsen eine erhebliche Beeinträchtigung der Sehfähigkeit im Nahbereich. Im Januar 2007 sei bei ihm ein so genannter Nachstar festgestellt worden. So könne er durch das wesentlich schärfere Bild eines LCD-Bildschirms wesentlich leichter fernsehen.

Im Hinblick auf die weiteren Einzelheiten dieser Stellungnahme wird auf die Darstellung im Beschluss vom 20.03.2007 unter I. Bezug genommen.

Der Justizvollzugsanstalt ... wurde von Seiten des Gerichts keine Möglichkeit mehr eingeräumt, auf das Vorbringen des Antragstellers in der Stellungnahme vom 08.02.2007 zu erwidern.

Mit Beschluss vom 20.03.2007 hat die auswärtige Strafvollstreckungskammer des Landgerichts ... mit dem Sitz in ... den Bescheid der Justizvollzugsanstalt ... vom 29.01.2007 aufgehoben, die Justizvollzugsanstalt ... verpflichtet, den Erwerb und die Aushändigung eines Flachbildschirmfernsehgerätes der Marke Sony WEGA KLV 15 SR 1 zu genehmigen, der Staatskasse die Kosten des Verfahrens und die notwendigen Auslagen des Antragstellers auferlegt und den Streitwert auf 200 € festgesetzt. Zur Begründung hat die Strafvollstreckungskammer im Wesentlichen ausgeführt, nach § 69 Abs. 2 StVoUzG würden eigene Fernsehgeräte der Strafgefangenen unter den Voraussetzungen des § 70 StVollzG zugelassen. § 70 Abs. 1 StVollzG bestimme, dass der Gefangene in angemessenem Umfang Bücher und andere Gegenstände zur Fortbildung oder zur Freizeitbeschäftigung besitzen dürfe. Das OLG Karlsruhe habe einem Strafgefangenen grundsätzlich einen Anspruch auf Besitz und Genehmigung eines Flachbildschirmfernsehgerätes zugestanden. Dem stimme das Gericht ebenfalls zu. Für das Gericht könne dahingestellt bleiben, ob das Gerät WEGA KLV 15 SR 1 wie von der Justizvollzugsanstalt angegeben einen Listenpreis von 900 € habe, weil die Beschränkung auf einen angemessenen Umfang im § 70 Abs. 1 StVollzG nur auf die Anzahl und die Größe der Gegenstände bezogen seien. Bei der Auslegung des angemessenen Umfangs sei die Angleichung gem. § 3 StVollzG mit zu berücksichtigen. Nachdem der Erwerb eines Flachbildschirms zum Standart auf dem Elektronikmarkt gehöre, dürfe der Gefangene einen Flachbildschirm grundsätzlich besitzen. Es sei jedem einzelnen Mitgefangenen überlassen, ebenfalls ein solches Fernsehgerät zu erwerben. Das es gleichwohl unterschiedliche Besitzverhältnisse geben könne, dürfe nicht dazu führen, dass derartige Geräte für alle Gefangenen verboten seien. Es gebe keine rechtliche Handhabe für eine Nivellierung wirtschaftlicher Unterschiede. Auch außerhalb der Justizvollzugsanstalt gebe es Arm und Reich. Gerade auch im Hinblick auf ein Leben außerhalb der Haftanstalt sei es notwendig, dass die Strafgefangenen damit umzugehen lernten. Von einer Gefährdung der Sicherheit und Ordnung der Anstalt durch die Genehmigung von derartig genehmigungsfähigen Flachbildschirmfernsehgeräten könne daher nicht ausgegangen werden. Die §§ 69 und 70 StVollzG regelten den Anspruch des Gefangenen auf ein Fernsehgerät. Ein Ermessen stehe der Vollzugsbehörde hinsichtlich der Zulassung insoweit nicht zu, deshalb habe das Gericht die Justizvollzugsanstalt zur Zulassung des Fernsehgerätes Sony WEGA KLV 15 SR 1 verpflichten dürfen.

Gegen diesen dem Leiter der Justizvollzugsanstalt ... am 28.03.2007 zugestellten Beschluss hat dieser mit Schriftsatz vom 18.04.2007, eingegangen bei der auswärtige Strafvollstreckungskammer des Landgerichts ... mit dem Sitz in ... am 23.04.2007, Rechtsbeschwerde eingelegt.

In dieser Rechtsbeschwerde führt die Justizvollzugsanstalt ... aus, die Rechtsbeschwerde sei zulässig, da sie der Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung diene. So sei es bisher in der Rechtsprechung unumstritten gewesen, dass der Besitz bestimmter Gegenstände auf der Grundlage des § 70 Abs. 2 Nr. 2 StVollzG untersagt werden könne, wenn sich aus dem Besitz des Gegenstandes eine Gefährdung der Sicherheit oder Ordnung der Anstalt ergebe. Dabei sei bisher anerkannt gewesen, dass eine Gefährdung aus stark unterschiedlichen Besitzverhältnissen resultieren könne.

Im Übrigen rügt die Justizvollzugsanstalt die Verletzung formellen und materiellen Rechts.

So habe die Strafvollstreckungskammer das rechtliche Gehör verletzt, indem sie die ergänzende Stellungnahme des Antragstellers vom 08.02.2007 der Justizvollzugsanstalt ... nicht zur Kenntnis gebracht habe. Es sei ein Prinzip bayrischer Justizvollzugsanstalten in den letzten 30 Jahren gewesen, deutliche soziale Unterschiede zwischen den Gefangenen vermeiden zu wollen, um den daraus resultierenden negativen Folgen begegnen zu können. Der Besitz von Flachbildschirmfernsehgeräten würde dazu führen, dass sich einzelne Gefangene in der Haft Luxusgüter leisten könnten. Dies wäre geeignet, Spannungen unter den Gefangenen aufzubauen, die sich auch "handgreiflich" entladen könnten. So hätten manche Gefangene der JVA ... andere Menschen getötet, um geringe Geldsummen zu erlangen. Zudem könnte die hierarchisch aufgebaute Subkultur das Statussymbol "Flachbildschirm" als Belohungs- oder Auszeichnungsmittel verwenden oder auch Abhängigkeitsverhältnisse durch Schulden entstehen lassen, wodurch von der subkulturellen Führung wiederum einzelnen Gefangenen illegale Handlungen oder Dienstleistungen abverlangt werden könnten. Die Strafvollstreckungskammer habe in ihrem Beschluss keinerlei Ausführungen dazu vorgenommen, wonach eine Gefährdung der Anstaltsordnung vorliege, worauf die Justizvollzugsanstalt bereits in ihrem Bescheid vom 29.01.2007 hingewiesen habe, weil der Kaufpreis des Flachbildschirmfernsehgerätes die von der Justizvollzugsanstalt ... festgelegte Wertgrenze für TV-Geräte, nämlich 200 €, erheblich übersteige. Die Festlegung einer Wertobergrenze sei zulässig, um die Ordnung in der Anstalt aufrecht zu erhalten und unerlaubte Tauschgeschäfte zu verhindern.

Hinsichtlich des weiteren Vorbringens wird auf die Rechtsbeschwerdeschrift vom 18.04.2007 Bezug genommen.

Der Antragsteller hatte Gelegenheit, sich zur Rechtsbeschwerde des Leiters der Justizvollzugsanstalt ... zu äußern. Aufsein Schreiben vom 18.05.2007 mit Anlagen wird Bezug genommen.

II.

Die Rechtsbeschwerde des Leiters der Justizvollzugsanstalt ... ist form- und fristgerecht eingelegt (§ 118 StVollzG). Sie ist zulässig, weil es geboten ist, die Überprüfung der Entscheidung der auswärtigen Strafvollstreckungskammer des Landgerichts ... mit dem Sitz in ... zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung zu ermöglichen (§ 116 Abs. 1 StVollzG).

Die Strafvollstreckungskammer weicht mit der vorliegenden Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung der Oberlandesgerichte ab, wonach bei der Bestimmung des "angemessenen Umfanges" im Sinne des § 70 Abs. 1 StVollzG auch der Wert eines Gegenstandes mit zu berücksichtigen ist (OLG Hamm ZfStrVo 1983, 251; 1988, 373; KG NStZ 1984, 48; OLG Nürnberg Beschluss vom 22.01.2002 - Ws 66/02).

Es kann dahinstehen, ob die Rüge der Verletzung des rechtlichen Gehörs hier ordnungsgemäß erhoben wurde, da bereits die Sachrüge zur Aufhebung des Beschlusses der Strafvollstreckungskammer führt.

Die Justizvollzugsanstalt ... hat die Genehmigung eines Flachbildschirmfernsehgerätes Typ Sony WEGA KLV 15 SR 1 unter Hinweis auf eine Gefährdung der Ordnung der Anstalt im Sinne von § 70 Abs. 2 StVollzG abgelehnt, da das konkrete Gerät einen Listenpreis von 900 € habe und der Kaufpreis die von der Justizvollzugsanstalt festgelegte Wertobergrenze für TV-Geräte, nämlich 200 €, erheblich übersteige.

Nach § 69 Abs. 2 StVollzG werden eigene Hörfunk- und Fernsehgeräte unter den Voraussetzungen des § 70 StVollzG zugelassen. Nach § 70 Abs. 1 StVollzG darf der Gefangene in angemessenem Umfang Gegenstände zur Fortbildung oder zur Freizeitbeschäftigung besitzen. Nach § 70 Abs. 2 StVollzG gilt dies nicht, wenn der Besitz, die Überlassung oder die Benutzung des Gegenstandes 1. mit Strafe oder Geldbuße bedroht wäre, oder 2. das Ziel des Vollzugs oder die Sicherheit oder Ordnung der Anstalt gefährden würde. Aus § 69 Abs. 2 i.V.m. § 70 Abs. 3 StVollzG ergibt sich dabei, dass der Besitz eines eigenen Fernsehgerätes erlaubnispflichtig ist.

Danach hat ein Gefangener einen Anspruch auf Genehmigung eines Fernsehgerätes in angemessenem Umfang, wenn die Voraussetzungen für eine Versagung nach § 70 Abs. 2 StVollzG nicht vorliegen.

Bei dem Merkmal der Angemessenheit in § 70 StVollzG handelt es sich um einen unbestimmten Rechtsbegriff, dessen Vorliegen der vollen gerichtlichen Überprüfung unterliegt. Die Frage des Maßes der Angemessenheit richtet sich nach den Umständen des Einzelfalles, insbesondere der Größe des Haftraumes und dessen Übersichtlichkeit und Durchsuchbarkeit. Im Rahmen der Angemessenheit ist dabei immer zu prüfen, ob die Gegenstände, die in die Hafträume hineinkommen sollen, aus Gründen sozialer Gleichbehandlung hinsichtlich ihres Wertes noch in einem vertretbaren Verhältnis zu dem Besitzstand des Durchschnittsinsassen stehen (so auch OLG Hamm ZfStrVo 1983, 251; 1988, 373; KG NStZ 1984, 48; OLG Nürnberg Beschluss vom 09.07.2002 - Ws 420/02; Schwind/Böhm/Jehle StVollzG § 70 Rn. 5; Arloth/Lückemann StVollzG § 70 Rn. 2). Der entgegengesetzten Ansicht in Calliess/Müller-Dietz StVollzG 10. Aufl. § 70 Rn. 2 und AK-Bötticher, Kommentar zum StVollzG 4. Aufl. § 70 Rn. 3 folgt der Senat nicht. Wenn mit dem Begriff des "angemessenen Umfangs" eine Beschränkung der dem Strafgefangenen zustehenden Gegenstände lediglich nach Größe und Anzahl, um die Übersichtlichkeit und Durchsuchbarkeit des Haftraumes nicht zu beeinträchtigen, gemeint wäre, wäre die Aufnahme dieses Begriffes in § 70 Abs. 1 StVollzG überflüssig gewesen, da sich schon aus § 70 Abs. 2 Nr. 2 StVollzG ergibt, dass Sicherheit und Ordnung der Anstalt nicht gefährdet werden dürfen. Bestätigt wird dies durch § 19 Abs. 2 StVollzG, der die Behinderung der Übersichtlichkeit des Haftraumes beispielhaft der Gefährdung der Sicherheit und Ordnung voranstellt. Soweit die Strafvollstreckungskammer meint, die Einfügung des "angemessenen Umfangs" sei deshalb erforderlich gewesen, weil bei § 70 Abs. 2 StVollzG jeweils nur auf den Besitz, die Überlassung oder die Benutzung eines einzelnen Gegenstandes abzustellen sei, ist die Argumentation nicht überzeugend, da immer auch die bisherige Ausgestaltung des Haftraumes mit zu berücksichtigen ist. Auch wenn - worauf der Gefangene zu Recht hingewiesen hat - mit der Neufassung des § 69 Abs. 2 StVollzG und der in dieser getroffenen Wertentscheidung des Gesetzgebers keine zu hohen Anforderungen an die soziale Gleichbehandlung der Gefangenen gestellt werden dürfen ist darauf abzustellen, dass es nicht um die Herstellung eines wertmäßig identischen, sondern um die Vermeidung eines außer Verhältnis zum Durchschnitt stehenden Besitzstandes geht. Schließlich liegt auch anderen Bestimmungen im Strafvollzugsgesetz, wie z.B. der Einkaufsregelung in § 22 Abs. 3 StVollzG oder der Vereinheitlichung des Paketempfangs nach § 33 Abs. 1 StVollzG, der Gedanke der sozialen Gleichbehandlung zugrunde.

Der Hinweis der Strafvollstreckungskammer auf den Angleichungsgrundsatz nach § 3 I StVollzG " auch außerhalb der Justizvollzugsanstalt gibt es Arm und Reich" (Beschluss S.14), führt zu keiner anderen Beurteilung. Der Angleichungsgrundsatz darf nur umsichtig angewendet werden. Das ergibt sich schon daraus, dass es zur Erreichung des Vollzugszieles sogar notwendig ist, Rechte des Gefangenen einzuschränken , also "Angleichung" gerade zu vermeiden. Diese Gegenläufigkeit setzt sich auf der Ebene des Ermessens fort. Dabei geht die Erreichung des Vollzugsziels dem Angleichungsgrundsatz vor (vgl. Schwind/Böhm/Jehle a. a. O. § 3 Rn 2). Er kann keinesfalls dazu dienen, auffällig unterschiedliche Besitzverhältnisse in einer Justizvollzugsanstalt zuzulassen.

Zu berücksichtigen ist auch, dass erheblich unterschiedliche Besitzstände der Gefangenen Neid und Missgunst hervorrufen und dadurch leicht zu Spannungen zwischen den Gefangenen führen sowie subkulturelle Aktivitäten durch das Entstehen von Abhängigkeitsverhältnissen infolge Verschuldung zur Anschaffung eines solchen Gerätes begünstigen können.

Es ist daher auch zulässig, zur Aufrechterhaltung der Ordnung Rahmenverfügungen über den Wert von Gegenständen zu erlassen (vgl. hierzu Arloth/Lückemann a.a.O. § 19 Rn. 10). Die Strafvollstreckungskammer durfte daher den Verkaufspreis des beantragten TV-Bildschirmgerätes, das nach Angaben der Justizvollzugsanstalt ... einen Listenpreis von 900 € hat, was der Gefangene bestritten hat, nicht dahingestellt sein lassen.

In seinem Schreiben vom 18.05.2007 hat der Gefangene darüber hinaus vorgetragen, das Gerät Sony/Wega KLV 15 werde aktuell gar nicht mehr angeboten (vgl. Seite 4). Dies wird die Strafvollstreckungskammer ebenfalls zu überprüfen haben.

Der Senat hat nicht selbst entschieden, sondern - die Entscheidung der Strafvollstreckungskammer aufgehoben und an diese zurückverwiesen, da diese als einziges Tatsachengericht zu ermitteln haben wird, wie hoch der Verkaufspreis des beantragten Gerätes ist und ob dies überhaupt noch lieferbar ist. Sie wird weiter zu ermitteln haben, wie von der Justizvollzugsanstalt ... die Wertobergrenze für TV-Geräte festgelegt wurde (durch Anforderung der entsprechenden Verfügung) und welche Kriterien für eine Festlegung von 200 € entscheidend waren, wobei diese Grenze beim Vorliegen ausreichender sachlicher Gründe wohl nicht zu beanstanden ist.

Soweit der Gefangene erstmals im gerichtlichen Verfahren gesundheitliche Gründe geltend macht - wozu der Justizvollzugsanstalt Gelegenheit zur Stellungnahme zu geben sein wird - dürfte nach Abklärung der Auswirkungen der geltend gemachten Augenkrankheit dies nur verfahrensrelevant sein, wenn diesen Gründen nicht mit einem Gerät innerhalb der Wertobergrenze Rechnung getragen werden kann.

Der Senat setzt sich mit dieser Entscheidung nicht in Widerspruch zu der Entscheidung des OLG Karlsruhe vom 25.01.2006 (NStZ-RR 2006,155), in der lediglich ausgesprochen wurde, dass dem Strafgefangenen grundsätzlich ein Anspruch auf Besitz und Genehmigung eines Flachbildschirmfernsehgerätes zustehe, wobei die Auswahl dadurch begrenzt werde, dass dies nicht zu einer Gefährdung des Ziels des Vollzugs oder der Sicherheit oder Ordnung der Anstalt führen dürfe. Auch wenn in dieser Entscheidung weiter ausgeführt wird, dass die von der Sicherheitsgruppe Justizvollzug Baden-Württemberg in ihrer Stellungnahme vom 19.07.2004 als unbedenklich anzusehenden Flachbildschirmfernsehgeräte auch Fernsehgeräte der Marke Sony WEGA KLV 15 SR 1 gehören, da sie bauartbedingt nicht über Multimediafunktionen verfügen, ist in dieser Entscheidung - in der der Strafgefangene im übrigen die Aushändigung eines Flachbildschirmfernsehgerätes der Marke "Philipps" beantragt hatte - keinerlei Aussage darüber getroffen, dass ein Gefangener einen Anspruch auf Genehmigung eines solchen Gerätes unabhängig von der Höhe des Verkaufspreises hat.

Eine Kostenentscheidung ist nicht veranlasst, da die Zurückverweisung noch nicht als prozessualer Erfolg im Sinne einer Kostenentscheidung gewertet werden kann.

Ende der Entscheidung

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