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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Nürnberg
Beschluss verkündet am 29.09.2009
Aktenzeichen: 2 Ws 382/09
Rechtsgebiete: BayStVollzG


Vorschriften:

BayStVollzG Art. 187 Abs. 2 Satz 2
Ein erkennbar an einen "Anstaltsbeirat" unter der zutreffenden Anschrift gerichteter Brief eines Gefangenen unterliegt auch dann gemäß Art. 187 Abs. 2 Satz 2 BayStVollzG nicht der Überwachung des Schriftwechsels, wenn der Adressat nicht mehr dieses Amt innehat. Dies gilt auch dann, wenn der Brief aus diesem Grund an den Gefangenen zurückgesandt wird.

Einer durch die Rücksendung möglicherweise entstehenden Gefahr für die Sicherheit und Ordnung der Vollzugsanstalt muss, ohne Inhaltskontrolle, dadurch begegnet werden, dass der Brief mit Einverständnis des Gefangenen ungeöffnet vernichtet, oder, falls die Zustimmung hierzu verweigert wird, eine Anhalteanordnung ergeht und der Brief ungeöffnet zur Habe des Gefangenen genommen wird.


2 Ws 382/09

Nürnberg, den 29.9.2009

In der Strafvollzugssache

wegen Überwachung des Schriftwechsels

hier: Rechtsbeschwerde des Strafgefangenen gemäß Art. 208 BayStVollzG i.V.m. § 116 StVollzG

erlässt der 2. Strafsenat des Oberlandesgerichts Nürnberg folgenden Beschluss:

Tenor:

I. Auf die Rechtsbeschwerde des Strafgefangenen wird der Beschluss der auswärtigen Strafvollstreckungskammer des Landgerichts Regensburg mit dem Sitz in Straubing vom 22. Juni 2009 aufgehoben.

II. Es wird festgestellt, dass die Überwachung des Schriftwechsels bei der Rücksendung des Briefes des Strafgefangenen vom 8. Januar 2009, gerichtet an MdL U E - Anstaltsbeirat - an den Bayerischen Landtag, der von dort an den Strafgefangenen zurück gesandt wurde, rechtswidrig war.

III. Die Staatskasse hat die Kosten des Verfahrens und die dem Rechtsbeschwerdeführer entstandenen notwendigen Auslagen zu tragen.

IV. Der Beschwerdewert wird auf 150,00 € festgesetzt.

Gründe:

I.

Hinsichtlich des bisherigen Verfahrensgangs nimmt der Senat auf die Ziffer I. der Gründe des angefochtenen Beschlusses vom 22.6.2009 Bezug.

Die Strafvollstreckungskammer des Landgerichts R mit dem Sitz in S hat den Antrag des Strafgefangenen vom 4.2.2009 auf Feststellung der Rechtswidrigkeit der Überwachung des Schriftwechsels des Antragstellers mit Mitgliedern des Anstaltsbeirates durch Beschluss vom 22.6.2009 als unbegründet zurückgewiesen. Dabei hat das Landgericht die Auffassung vertreten, dass die Kontrolle des fraglichen Schreibens rechtmäßig war, da der Adressat, Herr E weder zum Zeitpunkt der Absendung noch zum Zeitpunkt des Öffnens und Lesens des Briefes (noch) Mitglied des Bayerischen Landtags und des Anstaltsbeirats war, so dass gemäß Art. 32 Abs. 3 BayStVollzG die Überwachung des Briefwechsels aus Gründen der Sicherheit und Ordnung der Anstalt rechtlich möglich gewesen sei. Auf die weitere Begründung der Strafvollstreckungskammer im Beschluss vom 22.6.2009 nimmt der Senat Bezug.

Gegen diesen, dem Strafgefangenen am 25.6.2009 zugestellten Beschluss, hat dieser mit Schreiben seines Verteidigers vom 26.7.2009, eingegangen am Montag, 27.7.2009, Rechtsbeschwerde eingelegt. Zur Begründung führt der Strafgefangene aus, dass die Überwachung seines Briefverkehrs mit dem vermeintlichen Anstaltsbeirat U E gegen Art. 187 Abs. 2 Satz 2 BayStVollzG verstoße und in sein Recht auf das Briefgeheimnis eingreife. Auf die weitergehende Begründung Schriftsatz vom 26.7.2009 nimmt der Senat Bezug. Mit seiner Rechtsbeschwerde rügt der Strafgefangene allgemein die Verletzung des formellen und materiellen Rechts.

II.

Die form- und fristgerecht eingelegte Rechtsbeschwerde (Art. 208 BayStVollzG i. V. m. § 218 StVollzG) ist zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung zulässig (Art. 208 BayStVollzG i.V.m. § 116 StVollzG) und auch begründet.

Sinn und Zweck des Art. 187 Abs. 2 Satz 2 BayStVollzG ist, wie bei den vergleichbaren Vorschriften für den Briefverkehr mit dem Verteidiger (Art. 32 Abs. 1 Satz 1 BayStVollzG) und allgemein mit einem Abgeordneten (Art. 32 Abs. 2 Satz 1 StVollzG) der ungehinderte und durch keinerlei Überwachung beeinflusste Schriftwechsel zwischen dem Anstaltsbeirat und dem Strafgefangenen. Dieser Schutz dient, entgegen der Auffassung der Generalstaatsanwaltschaft N in deren Vorlage vom 4.8.2009, nicht allein der ungestörten Arbeit des Anstaltsbeirates, sondern soll gerade dem Strafgefangenen die Möglichkeit geben unbeeinflusst und ohne Angst, dass Dritte vom Inhalt des Briefverkehrs Kenntnis erlangen, mit dem Anstaltsbeirat zu kommunizieren.

Das Schreiben des Strafgefangenen vom 8.1.2009 war objektiv nicht an eine zu diesem Zeitpunkt zum Mitglied des Anstaltsbeirats bestimmte Person gerichtet, weil er aus dem Landtag ausgeschieden war und mit Mitteilung des Bayerischen Landtags vom 17.12.2008 neue Gefängnisbeiräte gewählt worden waren, zu denen der Adressat nicht mehr gehörte. Dies allein kann jedoch nicht zu einem Wegfall des Schutzes eines solchen Schriftwechsels führen. Wollte man allein auf das objektive Merkmal abstellen, ob der Adressat tatsächlich (noch) Anstaltsbeirat ist, entfiele der Vertrauensschutz des Strafgefangenen völlig. Die von der Justizvollzugsanstalt S und der auswärtigen Strafvollstreckungskammer des Landgerichts R mit dem Sitz in S vertretene Auffassung würde in Fällen zu einer berechtigten Briefkontrolle führen, in denen dies nicht gerechtfertigt wäre. Dies wäre stets dann der Fall, wenn ein bei der Absendung des Schreibens tatsächlich noch berufener Anstaltsbeirat danach aus jedweden Gründen, zum Beispiel, wie vorliegend durch sein Ausscheiden aus dem Landtag, sein Amt zwischenzeitlich nicht mehr innehat.

Dieser Umstand liegt außerhalb des Einflussbereichs des Strafgefangenen und er wird, wie das hier der Fall war, nicht immer Kenntnis davon haben. Würde man die Auffassung der Strafvollstreckungskammer auf den Schriftwechsel zwischen dem Gefangenen und seinem Verteidiger übertragen, so fiele der Schutz vor einer Überwachung des Schriftwechsels ohne jegliches Zutun des Gefangenen allein dadurch weg, dass der vermeintliche Verteidiger sein Mandat niedergelegt hat, ohne dass dies dem Gefangenen bekannt geworden ist. Dies gilt Insbesondere auch, wenn der Verteidiger den Brief aus diesem Grund ungeöffnet zurücksendet. Gerade dieser Vergleich zeigt, dass der in der angefochtenen Entscheidung vertretenen Rechtsansicht nicht zu folgen ist.

Es ist zur Beurteilung des vorliegenden Falles unerheblich, ob dem Strafgefangenen durch die Anstalt selbst der falsche Anstaltsbeirat genannt wurde. Es verwundert zunächst, dass nach Mitteilung der Justizvollzugsanstalt S die aktuellen Anstaltsbeiräte nach entsprechender Veröffentlichung durch den Bayerischen Landtag (Mitteilung vom 17.12.2008) erst am 12.2.2009 durch Anhang bekannt gegeben wurden und noch am 8.1.2009, also nach Veröffentlichung durch den Bayerischen Landtag, nochmals durch Aushang den Gefangenen die falschen Anstaltsbeiräte bekannt gemacht wurden. In einem solchen Fall erscheint dann auch der Gefangene sogar besonders schutzwürdig.

Das erkennbar an einen Anstaltsbeirat - zudem unter der zutreffenden Adresse - gerichtete Schreiben eines Strafgefangenen unterliegt somit auch dann nicht der Briefkontrolle, wenn der Adressat nicht mehr dieses Amt innehat bzw. kein Mitglied des Landtags mehr ist und das Schreiben aus diesem Grund ungeöffnet an den Strafgefangenen zurück gesandt wird. Einer hierdurch möglicherweise entstehenden Gefahr für die Sicherheit und Ordnung der Anstalt muss, ohne Inhaltskontrolle, dadurch begegnet werden, dass das Schreiben mit Einverständnis des Strafgefangenen (ungeöffnet) vernichtet oder, falls die Zustimmung hierzu verweigert wird, eine Anhalteanordnung ergeht und der Brief (ungeöffnet) zur Habe des Strafgefangenen genommen wird. Anderenfalls würde der Schutzzweck des Art. 187 Abs. 2 Satz 2 BayStVollzG ausgehöhlt werden.

Ob vorliegend eine Notwendigkeit bestanden hat, aus Gründen der Sicherheit und Ordnung den Brief dem Strafgefangenen nicht auszuhändigen, bedarf keiner Erörterung mehr. Der von der Justizvollzugsanstalt hierfür genannte Grund der langen Postlaufzeit, erscheint indes zur Rechtfertigung der Überwachung des Schriftwechsels ein höchst fragliches Argument zu sein, da vorliegend noch nicht einmal feststeht, ob es sich tatsächlich um eine lange Postlaufzeit oder nicht doch um eine verzögerte Sachbehandlung innerhalb der Anstalt handelte.

Da der Strafgefangene damit in seinen Rechten aus Art. 10 GG verletzt worden ist, war der angefochtene Beschluss aufzuheben und die Rechtwidrigkeit der Briefkontrolle festzustellen.

Der Senat konnte, da der Sachverhalt hinreichend aufgeklärt ist und vorliegend keine andere Entscheidung in der Sache in Frage kommt, selbst über den Antrag des Strafgefangenen vom 4.2.2009 befinden (Art. 208 BayStVollzG i.V.m. § 119 Abs. 4 Satz 2 StVollzG).

Die Kostenentscheidung beruht auf Art. 208 BayStVollzG i.V.m. § 21 Abs. 1 StVollzG, § 473 Abs. 1 StPO.

Die Festsetzung des Beschwerdewerts ergibt sich aus §§ 60, 65, 52 GKG.

Ende der Entscheidung

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