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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Nürnberg
Beschluss verkündet am 20.03.2008
Aktenzeichen: 3 AR 409/08
Rechtsgebiete: ZPO


Vorschriften:

ZPO § 32 b
ZPO § 281
Für die Anwendung von § 32 b ZPO ist die Übergabe des Prospektes nicht erforderlich. Es reicht aus, dass der Inhalt des Prospekts Grundlage des Anlageberatungsgesprächs war.
Oberlandesgericht Nürnberg

Az.: 3 AR 409/08

In Sachen

wegen Forderung

erlässt das Oberlandesgericht Nürnberg -3. Zivilsenat- durch Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht Dr. Seidel, Richterin am Oberlandesgericht Scheib und Richter am Oberlandesgericht Huprich am 20.03.2008 folgenden

Beschluss:

Tenor:

Zum sachlich und örtlich zuständigen Gericht wird das Landgericht Würzburg bestimmt.

Gründe:

I.

Der Senat ist zur Zuständigkeitsbestimmung berufen, weil sich zwei Gerichte für unzuständig erklärt haben und das Landgericht Nürnberg-Fürth das zuerst mit der Sache befasste Gericht ist (§ 36 Abs. 1 Nr. 6, Abs. 2 ZPO).

II.

Als zuständiges Gericht ist das Landgericht Würzburg zu bestimmen, weil der Verweisungsbeschluss des Landgerichts Nürnberg-Fürth vom 13.02.2008 bindend ist (§ 281 Abs. 2 Satz 4 ZPO).

1. Zwar ist - in Übereinstimmung mit dem Landgericht Würzburg - auch der Senat der Ansicht, dass die ausschließliche Zuständigkeit des Landgerichts Nürnberg-Fürth nach § 32 b ZPO gegeben wäre.

Nach dieser Vorschrift ist für Klagen, mit denen der Ersatz eines aufgrund falscher, irreführender oder unterlassener öffentlicher Kapitalmarktinformationen verursachten Schadens geltend gemacht wird, das Gericht ausschließlich am Sitz des betroffenen Emittenten zuständig. Dies wäre vorliegend gem. § 24 a GZVJu das Landgericht Nürnberg-Fürth, da dieses für alle Landgerichtsbezirke der Oberlandesgerichte Nürnberg und Bamberg zuständig ist.

a) Öffentliche Kapitalmarktinformationen sind nach § 1 Abs. 1 Satz 3 KapMuG für eine Vielzahl von Kapitalanlegern bestimmte Informationen und Tatsachen, Umstände, Kennzahlen und sonstige Unternehmensdaten, die einen Emittenten von Wertpapieren oder Anbieter von solchen Vermögensanlagen betreffen.

b) Grundsätzlich sind dabei die den Gerichtsstand begründenden Tatsachen vom Kläger nachzuweisen. Bei sog. doppeltrelevanten Tatsachen, also Tatsachen, die sowohl für die Zulässigkeit als auch für die Begründetheit der Klage eine Rolle spielen, genügt jedoch eine schlüssige Behauptung. Der Grund hierfür liegt darin, dass sonst im besonderen Gerichtsstand - gleiches muss für den ausschließlichen Gerichtsstand gelten - keine Sachentscheidung gegen den Kläger ergehen könnte (Zöller/Vollkommer, ZPO, 26. Auflage, § 12 Rdnr. 14).

c) Die Kläger tragen hier schlüssig vor, dass der Prospekt des "Sachwert Plus Fonds Nr. 2, M, Wohnanlage H-Straße/H-straße GdbR", also eine öffentliche Kapitalmarktinformation, in vielen Bereichen falsch sei, so u. a. hinsichtlich der Grundstücks- und Baukosten für das Objekt. Er enthalte auch falsche Angaben hinsichtlich der erzielbaren Miete. Auch seien die Risiken nicht ausreichend, bzw. falsch dargestellt. Dieser Vortag genügt, ohne dass hinsichtlich der Zuständigkeit das Bestreiten der Beklagten zu berücksichtigen wäre, für die schlüssige Behauptung falscher, irreführender oder unterlassener Kapitalmarktinformationen.

d) Von der Rechtsprechung noch nicht entschieden und auch - soweit ersichtlich - von der Literatur noch nicht erörtert sind Fallgestaltungen, in denen - wie vorliegend - die Kläger selbst vortragen, dass sie den Prospekt zwar nicht erhalten haben, dessen Inhalt jedoch dem ihrer Anlageentscheidung vorausgehenden Beratungsgespräch zugrunde gelegen und in die ihm vorgelegte Schätzung der Kosten, Einnahmen und der Steuerersparnis für das Anlageobjekt Eingang gefunden habe. Insoweit stelle der Verkaufsprospekt gleichwohl die Grundlage ihrer Anlageentscheidung dar.

Der Senat ist hier der Ansicht, dass es für eine schlüssige Behauptung der Kausalität genügt, wenn die Kläger - wie vorliegend - behaupten, dass der Inhalt des Prospekts Grundlage der Beratungsgespräche und auch der Anlageentscheidung war. Denn § 32 b ZPO erfordert vom Wortlaut her nur, dass die Klage "aufgrund" falscher, irreführender oder unterlassener öffentlicher Kapitalmarktinformationen erhoben wird. § 32 b ZPO erfordert nicht die Übergabe oder den Besitz des Prospekts. Die Vorschrift soll kapitalmarktrechtliche Streitigkeiten bei dem Landgericht am Sitz des betroffenen Emittenten konzentrieren. Dabei sollen die in diesem Verfahren typischerweise notwendigen Beweiserhebungen erleichtert und der Anlegerschutz vereinfacht werden. Gleichzeitig soll die Konzentration der Verfahren bei einem Ausgangsgericht die Vorbereitung eines Musterverfahrens nach §§ 1, 4 KapMuG vereinfachen.

Diese Gesichtspunkte treffen jedoch auch den vorliegenden Fall, in dem der Prospekt zwar nicht ausgehändigt, jedoch - nach dem schlüssigen Vortrag der Kläger - Grundlage des Anlagegesprächs war.

Dass dies der Fall war, behaupten die Kläger in allen ihren Schriftsätzen, so in der Klageschrift, aber auch im Schriftsatz vom 11.01.2008. Sie legen 3uch eine ihnen vor der Anlageentscheidung vorgelegte "überschlägige Schätzung für die ersten Vermietungsjahre" (Anlage K 3) sowie einen Vermittlungsauftrag vom 23,12.1994 vor, in dem niedergelegt ist, dass sich "nach den von den Prospektunterlagen ausgehenden Berechnungen" eine monatliche Belastung von 289,00 DM ergäbe. Die aus der Liquiditätsberechnung des Anlageprospekts (vgl. Anlagen Beklagtenvertreter) ersichtlichen Zahlen haben auch tatsächlich Eingang in die Schätzung (Anlage K 3) gefunden, die vom Erwerb von zwei Anlageanteilen ausgeht So finden sich dort die im Prospekt genannten Einnahmen von 2.016,00 DM pro 50.000,00 DM Einlage in den Mieteinnahmen von 4.032,00 DM wieder (2.016,00 DM x 2 für zwei Einlagen). Auch die Ausgaben in Höhe von 7.425,00 DM entsprechen fast genau dem Doppelten der in Liquiditätsberechnung niedergelegten 3.750,00 DM Einnahmen für eine Einlage.

Damit ist festzuhalten, dass die Kläger schlüssig vortragen, dass der Verkaufs Prospekt Grundlage ihrer Anlageentscheidung war und damit kausal für ihren Schaden.

2. Jedoch ist der Verweisungsbeschluss des Landgerichts Nürnberg-Fürth vom 13.02.2008 gem. § 231 Abs. 2 Satz 4 ZPO bindend.

a) Eine Verweisung des Rechtsstreits ist grundsätzlich unwiderruflich für das verweisende und bindend für das aufnehmende Gericht, selbst bei Rechtsirrtum oder Verfahrensfehlern. Das verweisende Gericht kann seinen Beschluss selbst dann nicht ändern, wenn es nachträglich dessen Unrichtigkeit erkennt (Zöller/Greger, a. a. O., § 281 Rn. 16).

b) Eine Ausnahme, die vorliegend eine Bindungswirkung entfallen ließe, ist jedenfalls derzeit nicht gegeben.

Eine Ausnahme wird insbesondere dann angenommen, wenn der Verweisung jede rechtliche Grundlage fehlt so dass sie als objektiv willkürlich erscheint Eine Beschränkung dieser Ausnahme auf Fälle "krasser und offenkundiger Rechtsfremdheit" ist zu eng; auch ist eine vorsätzliche Missachtung des Rechts nicht zu fordern. Verneint wird die Bindung bei Häufung grober Rechtsirrtümer, evident falscher Erfassung des Sachverhalts oder wenn sonst ohne nachvollziehbare Begründung die Zuständigkeit eines anderen Gerichts angenommen wird.

aa) Eine solche Ausnahme, die die Bindungswirkung entfallen ließe, ist - zumindest derzeit- nicht gegeben. Eine klare Rechtsprechung dazu, ob der Prospekt für eine Zuständigkeit nach § 32 b ZPO dem Anleger ausgehändigt oder zumindest bekannt sein muss, ist nicht ersichtlich. Die Ansicht, in solchen Fällen von einer fehlenden Kausalität auszugehen, ist zumindest vertretbar.

bb) Der Verweisungsbeschluss ist auch nicht deshalb willkürlich, weil für die Beklagten zu 1) und 2) ein Gerichtsstand in Würzburg nicht begründet wäre.

Das Landgericht Würzburg ist für den Beklagten zu 3) aus §§ 12, 13 ZPO zuständig, da dieser dort seinen Wohnsitz hat. Es ist jedoch auch für die Beklagten zu 1) und 2) zuständig. Die Zuständigkeit ergibt sich daraus, dass Würzburg unstreitig Sitz der Gesellschaft ist (vgl. den Gesellschaftsvertrag (Anlage BV), aber auch die Klageschrift S. 2). Gem. § 32 ZPO ist damit eine Zuständigkeit gegeben, wobei auch hier der schlüssige Vortrag einer unerlaubten Handlung genügt (Zöller/Vollkommer, a. a. O., § 32 Rn. 19). Zum anderen ist der besondere Gerichtsstand des § 22 ZPO für die Beklagten zu 1) und 2) einschlägig (vgl. Zöller/Vollkommer, a. a. O., § 22 Rn. 8; BGH NJW 1980, 1470).

Ende der Entscheidung

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