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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Nürnberg
Urteil verkündet am 22.07.2003
Aktenzeichen: 3 U 1036/03
Rechtsgebiete: UWG


Vorschriften:

UWG § 1
Zur Wettbewerbswidrigkeit eines Schreibens, das ein Bankinstitut an unter 14 Jahre alte Kunden richtet, um diese u.a. für den Abschluss eines Girovertrages zu gewinnen.
Oberlandesgericht Nürnberg IM NAMEN DES VOLKES ENDURTEIL

3 U 1036/03

Verkündet am 22.7.2003

In Sachen

hat der 3. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Nürnberg durch den Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht Dr. Seidel und die Richter am Oberlandesgericht Prof. Dr. Haberstumpf und Prof. Dr. Heermann aufgrund der mündlichen Verhandlung vom 24.6.2003

für Recht erkannt:

Tenor:

I. Auf die Berufung der Klägerin wird das Endurteil des Landgerichts Nürnberg-Fürth vom 6. Februar 2003 - 1HK O 6608/02 - abgeändert.

II. Der Beklagte wird verurteilt, es bei Meidung eines für jeden Fall der Zuwiderhandlung fälligen Ordnungsgeldes bis zu 250.000,-- EUR, ersatzweise Ordnungshaft bis zu 6 Monate, zu unterlassen im geschäftlichen Verkehr zu Zwecken des Wettbewerbs gegenüber Kindern und Jugendlichen bis zu 14 Jahren mit Angaben zu werben, wie mit dem Rundschreiben vom 18.01.2001 geschehen, und/oder ankündigungsgemäß zu verfahren:

Unseren Club-Mitgliedern bieten wir eine Freizeit-Unfall-Versicherung zu Sonderkonditionen. Für nur 6 DM im Jahr bist du in deiner Freizeit gut versichert. Sprich mit uns!"

Eigens Girokonto? - Her damit! Nicht warten, sondern Starten! Ein eigenes Girokonto, eine eigene Kontonummer und dazu Möglichkeiten und Vorteile ohne Ende! ..."

III. Im übrigen wird die Berufung zurückgewiesen.

IV. Die Kosten des Rechtsstreits tragen die Klägerin und die Beklagte je zur Hälfte.

V. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Beschluß:

Der Streitwert des Berufungsverfahrens wird auf 7.757,13 EURO festgesetzt.

Tatbestand:

Hinsichtlich des Streitgegenstandes wird auf die tatsächlichen Feststellungen im angefochtenen Urteil Bezug genommen (§ 540 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 ZPO n.F.). Mit Endurteil vom 6.2.2003 hat das Landgericht Nürnberg-Fürth die Klage abgewiesen. Auf die hierfür gegebene Begründung wird verwiesen.

Die Klägerin hat gegen das Endurteil form- und fristgerecht Berufung eingelegt und diese unter Vertiefung ihres erstinstanzlichen Vertrags begründet. Die Beklagte ist der Berufung entgegengetreten.

Entscheidungsgründe:

A.

Das angefochtene Urteil ist aufgrund folgender Erwägungen abzuändern (§ 540 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 ZPO n.F.):

1. Soweit sich die beanstandete Werbemaßnahme in dem Rundschreiben vom 18.01.2001 in Art eines Briefes an die Adressatin wendet (Hallo herzlich willkommen!"), ist dieses Vorgehen der Beklagten nicht zu beanstanden. Der Brief richtet sich - wie im übrigen das gesamte Rundschreiben - gezielt an Jugendliche, was, sich bereits aus der Anschrift, der Ansprache sowie der gewählten Sprachform ergibt. Deshalb ist bei der Bewertung der in den Rundschreiben, enthaltenen und durch die Klägerin beanstandeten Werbebotschaften auf den Horizont durchschnittlicher Jugendlicher bis zu 14 Jahren abzustellen.

Unter diesen Voraussetzungen ist das von der Beklagten initiierte Anschreiben von Kunden unter 14 Jahren, die bei der Beklagten bereits über ein Sparbuch verfügen, nicht per se als unlauter einzustufen. Die Beklagte ist durch das Unlauterkeitsrecht nicht gehindert, ihren jugendlichen Kunden eine Clubmitgliedschaft nebst Rundschreiben zukommen zu lassen, solange die Minderjährigen dadurch in der Lage bleiben, das Waren- und Leistungsangebot der Beklagten kritisch zu beurteilen. Dementsprechend verstößt es beispielsweise nicht gegen § 1 UWG, wenn - wie in dem genannten Rundschreiben geschehen - allgemein auf regelmäßige Infos zur Musik-Szene, aus der Kino-Welt, zu Sport, Reisen und weiteren aktuellen Themen hingewiesen wird. Etwas anderes ergibt sich auch nicht aus dem in dem Brief angesprochenen Begrüßungsgeschenk, das sich die Clubmitglieder unter Vorlage des in dem Rundschreiben enthaltenen Gutscheins bei der Geschäftsstelle der Beklagten aushändigen lassen können. Es kann dahinstehen, welchen Wert der in dem Rundschreiben abgebildete Rucksack hat. Diese Form der Wertreklame ist nicht geeignet, die Clubmitglieder anläßlich der Abholung des Begrüßungsgeschenks zum Abschluß weiterer Verträge zu veranlassen. Gerade Jugendliche werden sich nicht verpflichtet fühlen, aus Dankbarkeit für das Geschenk weitere Verträge mit der Beklagten abzuschließen. Aus den genannten Gründen verstößt auch der in dem Rundschreiben enthaltene Gutschein nebst der entsprechenden Erläuterungen nicht gegen § 1 UWG.

2. Demgegenüber verstößt die Aussage "Unseren Club-Mitgliedern bieten wir eine Freizeit-Unfall-Versicherung zu Sonderkonditionen". Für nur 6 DM im Jahr bist du in deiner Freizeit gut versichert. "Sprich mit uns!" gegen § 1 UWG. Hierdurch sollen die minderjährigen Clubmitglieder unter Ausnutzung ihrer Unerfahrenheit zum Aufsuchen der Geschäftsstelle der Beklagten veranlaßt werden. Gerade der Hinweis "Sprich mit uns!" täuscht die Clubmitglieder darüber hinweg, daß sie ohne Zustimmung der Erziehungsberechtigten eine entsprechende Versicherung überhaupt nicht abschließen können. Ob der angebotene Versicherungsschutz günstig und angesichts einer etwaigen Risikoabdeckung über die Krankenversicherung "der Erziehungsberechtigen oder über eine eigene Krankenversicherung überhaupt erforderlich ist, kann dahinstehen. In jedem Fall sollen die Clubmitglieder zu einem Besuch der Geschäftsstelle veranlaßt werden, bei dem sie allenfalls nähere Informationen über die Freizeit-Unfall-Versicherung erhalten, eine entsprechende Police in Ermangelung einer Zustimmung der Erziehungsberechtigten aber nicht abschließen können. In diesem Zusammenhang ist das Vorbringen der Beklagten, im Rahmen des Rundschreibens werde darauf hingewiesen, daß zu jeglichen Vertragsabschlüssen der Club-mitglieder die Zustimmung der Erziehungsberechtigten erforderlich sei, unzutreffend. Denn bereits aus dem Wortlaut und der Systematik der entsprechenden Passagen ("Bis 18 brauchen wir das Okay deiner Eltern."; "Ich komme dann mit meinen Eltern zur Kontoeröffnung.") geht eindeutig hervor, daß sich die entsprechenden Hinweise allein auf ein Zustimmungserfordernis im Hinblick auf die Eröffnung eines Girokontos beziehen.

3. Darüber hinaus verstößt auch die Passage ("Eigenes Girokonto? - Her damit! ... Nicht warten, sondern Starten! ... Ein eigenes Girokonto, eine eigene Kontonummer und dazu Möglichkeiten und Vorteile ohne Ende! ..." wegen der gezielten und systematischen Ansprache der Clubmitglieder gegen § 1 UWG. Denn die Minderjährigen sollen nach den Vorstellungen der Beklagten sodann ihre Erziehungsberechtigten ansprechen, diese auf die Vorzüge der Eröffnung eines Girokontos hinweisen und deren Zustimmung zur Kontoeröffnung einholen. Allerdings wird lediglich an einer nicht hervorgehobenen Stelle des Rundbriefs auf dieses Zustimmungserfordernis hingewiesen. Durch diese Gestaltung der Werbemaßnahme sollen die Gefahren, die von dem beworbenen Produkt Girokonto für die Clubmitglieder entstehen können, zwar durch Zwischenschaltung der Erziehungsberechtigten ausgeschaltet werden. Die Minderjährigen sollen letztlich als Werbemittel und Absatzhelfer der Beklagten gegenüber den Erziehungsberechtigten fungieren, während ansonsten eine Kontoeröffnung zugunsten von Minderjährigen durch direkte Ansprache der Erziehungsberechtigten etwa in einer Geschäftsstelle eines Kreditinstituts erfolgt. Diese Einwirkung auf die Jugendlichen, letztlich als Absatzhelfer tätig zu werden, ist wettbewerbsrechtlich zu beanstanden. Deshalb greift das Vorbringen der Beklagten zu kurz, dass sich ein Nachteil der Jugendlichen bei versagter Zustimmung der Eltern in einem eventuell vergeblichen Besuch bei der Beklagten erschöpfen würde. Im übrigen ist hierzu zu sagen: Selbst wenn dem so wäre, könnte diese durchaus naheliegende Möglichkeit nicht mit der Behauptung, dass dies der einzige Nachteil sei, bagatellisiert werden.

Der Hinweis "Bis 18 brauchen wir das Okay deiner Eltern." steht in der kleineren der verwendeten Schriftgrößen ganz am Ende der sich mit dem Girokonto befassenden Passage am rechten Rand den Rundbriefs. Insofern mag bezweifelt werden, daß der Hinweis an dieser versteckten Stelle überhaupt von einem erheblichen Teil der Adressaten zur Kenntnis genommen wird. Die gesamte Gestaltung - etwa auch der Hinweis auf dem Schein, dessen Zusendung an die Beklagte letztere zur Vorbereitung aller für die Girokontoeröffnung erforderlichen Maßnahmen veranlassen soll (Ich komme dann mit meinen Eltern zur Kontoeröffnung. ... Unterschrift der Eltern: ...") - vernachlässigt sowohl gegenüber den Clubmitgliedern als auch deren Erziehungsberechtigten die für diese mit der Eröffnung eines Girokontos einhergehenden Verpflichtungen.

Denn selbst bei einem gebührenfreien Girokonto handelt es sich entgegen der seitens der Beklagten in der mündlichen Verhandlung wiederholt geäußerten Auffassung keineswegs um eine rein positive Sache". In diesem Zusammenhang teilt der Senat nicht die im erstinstanzlichen Urteil zum Ausdruck kommende Einschätzung, ein Girokonto sei für Jugendliche nicht nachteilig; auf das Girokonto würden schließlich nur die Gelder eingezahlt, die sonst in der Geldbörse oder an anderer Stelle liegen würden. Die Partei eines mit einem Kreditinstitut abgeschlossenen Girovertrags ist verpflichtet, im Rahmen des Zumutbaren und Möglichen Schädigungen des Kreditinstituts zu vermeiden und beispielsweise Kontobewegungen in gewissem Umfang zu kontrollieren, erkannte Falschbuchungen anzuzeigen sowie Überweisungsformulare, die sie willentlich in Besitz genommen hat, sorgfältig aufzubewahren. Unabhängig von der Gebührenfreiheit besteht auch die Pflicht eines Kontoinhabers, die Gefahr der Fälschung eines Überweisungsauftrags soweit wie möglich auszuschalten (vgl. Heermann, Geld und Geldgeschäfte, 2003, § 1 Rn. 12 m.w.N. der Rspr.).

Zudem ist zu berücksichtigen, daß der Girovertrag und auch das daraufhin eröffnete Girokonto - wie die Beklagte in ihrem Rundschreiben vom 18.01.2001 betont - die Möglichkeit zu Überweisungen, Daueraufträgen und Lastschriften sowie zum Einsatz von Geldkarten eröffnen. Diese Formen des bargeldlosen Zahlungsverkehrs sind aber ihrerseits mit zusätzlichen Risiken (z.B. Verlust einer Geldkarte mit einem Guthaben, das den üblicherweise in der Geldbörse mitgeführten Betrag übersteigt) und Verpflichtungen des Kontoinhabers verbunden. Diese zusätzlichen Pflichten und Risiken vermögen gerade in Bankangelegenheiten noch weitgehend unerfahrene Jugendliche bis 14 Jahren nicht zu überblicken und abzuschätzen, so daß zur Kompensation dieser für die Clubmitglieder mit der Kontoeröffnung einhergehenden Gefahren eine frühzeitige Einbeziehung der Erziehungsberechtigten unbedingt erforderlich ist. Indes erfolgt der Hinweis auf das Zustimmungserfordernis der Erziehungsberechtigten an eher versteckter Stelle ganz am Ende der Werbebotschaft.

Letztlich ist der Beklagten damit die Werbung für ein eigenes Produkt wie ein Girokonto nicht generell zu untersagen. Auch gegenüber Minderjährigen dürfen die Vorzüge durchaus beworben werden, soweit die mit der Kontoeröffnung verbundenen und nicht ausdrücklich angesprochenen Gefahren für die Clubmitglieder durch einen deutlich hervorgehobenen Hinweis auf das Zustimmungserfordernis der Erziehungsberechtigten und deren dadurch veranlagte Befassung mit dem Angebot kompensiert werden. Da dies in dem streitgegenständlichen Rundschreiben nicht erfolgt ist, ist der Unterlassungsanspruch im Hinblick auf die Werbeaussagen, die die Clubmitglieder zur Eröffnung eines Girokontos veranlassen sollen, begründet.

B.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 92 Abs. 1 ZPO.

Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit richtet sich nach §§ 708 Nr. 10, 711, 713 ZPO. Die Zulassung der Revision gem. § 543 Abs. 3 ZPO n.F. war nicht veranlaßt. Die Rechtssache hat keine grundsätzliche Bedeutung, auch die Fortbildung des Rechts gebietet keine Zulassung der Revision.

Ende der Entscheidung

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