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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Nürnberg
Beschluss verkündet am 20.11.2006
Aktenzeichen: 3 U 1838/06
Rechtsgebiete: UWG


Vorschriften:

UWG § 2
UWG § 4 Nr. 7
UWG § 10
1. Zwischen einem Kfz-Sachverständigen und einer Kfz-Haftpflichtversicherung kann ein Wettbewerbsverhältnis bestehen.

2. Die Äußerung einer Kfz-Haftpflichtversicherung gegenüber einem Dritten (hier: Rechtsanwalt), die Kosten eines bestimmten Sachverständigen nicht zu übernehmen, kann die Voraussetzungen von § 4 Nr. 7, 10 UWG erfüllen.


Gründe:

ergeht folgende Verfügung:

Hinweis nach § 522 Absatz 2 Satz 2 ZPO:

Der Senat beabsichtigt, die Berufung einstimmig durch Beschluss zurückzuweisen. Er ist nämlich davon überzeugt, dass das Rechtsmittel keine Aussicht auf Erfolg und die Rechtssache auch keine grundsätzliche Bedeutung hat. Weder die Fortbildung des Rechts noch die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung erfordern eine Entscheidung des Berufungsgerichts (§ 522 ZPO).

Es sind auch weder neue berücksichtigungsfähige Tatsachen vorgetragen noch konkrete Anhaltspunkte aufgezeigt, die Zweifel an der Richtigkeit und Vollständigkeit der entscheidungserheblichen Tatsachenfeststellungen des Erstgerichts begründen könnten (§ 529 ZPO). Daher ist von dem im angefochtenen Urteil zugrunde gelegten Sachverhalt auszugehen. Dieser rechtfertigt weder eine andere Entscheidung noch ist eine Rechtsverletzung vorgetragen, auf der die erstinstanzliche Entscheidung beruhen würde (§513 Abs. 1 ZPO).

Begründung:

1. Entgegen der Auffassung der Beklagten besteht zwischen den Parteien durchaus ein Wettbewerbsverhältnis. Insbesondere stellt sich die Mitteilung der Beklagten gegenüber Anspruchstellern oder Dritten im Rahmen der Regulierung von Kfz-Haftpflichtschäden, dass sie die durch die Beauftragung des Klägers als Sachverständigen zum Zwecke der Gutachtenerstellung entstandenen Sachverständigenkosten wegen einer möglichen Interessenkollision nicht übernehmen werde, durchaus als Wettbewerbshandlung dar. Derartige Mitteilungen sind schon deshalb nicht als nur im Rahmen der Vertragserfüllung erfolgende Handlungen (vgl. dazu Harte/Henning/Keller, UWG, 2004, § 2 Rn. 23) anzusehen, weil diese Äußerungen auch gegenüber Rechtsanwälten getätigt werden, die für Anspruchsteller im Rahmen der Schadensregulierung tätig werden. Da diese Rechtsanwälte die betreffende Information aber in durchaus sachgerechter Weise zugleich auch weiteren, zukünftigen Mandanten zur Verfügung stellen, um sie davor zu bewahren, unnötige Kostenrisiken einzugehen, sind von vornherein eine Vielzahl von Kunden betroffen, so dass die Handlung der Beklagten weit über das individuelle Vertragsverhältnis hinausreicht.

Es kann auch kein Zweifel daran bestehen, dass zwischen den Parteien aufgrund dieser Wettbewerbshandlung ein Wettbewerbsverhältnis besteht. Hierfür ist nach der Rechtsprechung schon ausreichend, dass eine konkrete Wettbewerbsbeziehung zwischen den Beteiligten erst durch die in Frage stehende Wettbewerbshandlung entsteht, wie etwa zwischen einem Brancheninformationsdienst und einem Kaffeeröster (BGH, GRUR 1984, 461 - Kundenboykott) oder zwischen einem Fernsehsender und dem Hersteller von Werbeblockern (BGH, GRUR 2004, 877 -Werbeblocker). In gleicher Weise verhält es sich im vorliegenden Fall, da durch die Mitteilung der Beklagten gegenüber Anspruchstellern und sonstigen Dritten bewirkt wird, dass zukünftig Geschädigte möglicherweise von der Beauftragung des Klägers zur Erstellung von Sachverständigengutachten absehen. Hinzu kommt, dass die Beklagte inzwischen selbst ebenfalls Sachverständigengutachten im Rahmen von bestimmten Serviceleistungen anbietet.

2. Das Verhalten der Beklagten stellt sich auch als unlauter gemäß §§ 3, 4 Nr. 10 bzw. Nr. 7 UWG dar. Die Äußerung der Beklagten, sie werde die durch die Beauftragung des Klägers entstandenen Sachverständigenkosten nicht übernehmen, stellt sich mittelbar als Boykott und damit als gezielte Behinderung nach § 4 Nr. 10 UWG dar. Zwar ruft die Beklagte Dritte nicht ausdrücklich dazu auf, den Kläger nicht mehr zu beauftragen. Da sich ihr Verhalten gegenüber der Regulierung der Kosten der Beauftragung des Klägers aber zumindest über die involvierten Rechtsanwälte sogleich auch bei zukünftigen Anspruchstellern herumsprechen wird und sich auch schon herumgesprochen hat, hat das Verhalten der Beklagten die gleiche Wirkung, wie eine unmittelbare Empfehlung, den Kläger nicht mehr zu beauftragen, denn es ist ohne weiteres nachvollziehbar, dass der Geschädigte in der Situation der Entscheidung darüber, welchen Sachverständigen er mit der Begutachtung des Schadens beauftragen soll, auch berücksichtigen wird, ob es bei der Übernahme der Gutachterkosten mit der Haftpflichtversicherung zu Schwierigkeiten kommen wird oder nicht, unabhängig davon, ob möglicherweise im Einzelfall gerichtlich die Übernahme der Gutachterkosten durchgesetzt werden könnte. Da es sich bei der Kfz-Schadensregulierung um ein Massengeschäft handelt, betrifft das Verhalten der Beklagten auch eine Vielzahl von Fällen.

In der Sache ist das Verhalten der Beklagten auch keineswegs gerechtfertigt. Dies könnte nur angenommen werden, wenn der von der Beklagten behauptete Interessenkonflikt auf der Seite des Klägers greifbar wäre. Dies ist im vorliegenden Fall jedoch zu verneinen. Ein Interessenkonflikt ist in der Rechtsprechung angenommen worden, wenn ein Sachverständiger zugleich Arbeitnehmer in einer Werkstatt ist und schon bei der Erteilung des Gutachtenauftrags damit zu rechnen ist, dass in der betreffenden Werkstatt auch die Reparatur durchgeführt wird, etwa weil dort auch das betreffende Fahrzeug ursprünglich gekauft wurde (AG St. Wendel, NZV 1998, 75). In gleicherweise wäre ein Interessenkonflikt auch anzunehmen, wenn der Sachverständige selbst Inhaber der Werkstatt wäre und dort auch die Reparatur derjenigen Fahrzeuge vornehmen würde, die er selbst vorher begutachtet hat, da hier ernsthaft damit gerechnet werden müsste, dass die Schadensschätzung nicht objektiv erfolgt, sondern im Interesse eines erhöhten eigenen Umsatzes höher ausfällt. All dies ist im vorliegenden Fall jedoch nicht gegeben, da der Kläger unbestritten vorgetragen hat, dass er in keinem einzigen Fall, in dem er die Begutachtung vorgenommen hat, anschließend die Reparatur des Fahrzeugs durchgeführt hat. Das von der Beklagten demgegenüber behauptete abstrakte Interesse des Klägers, ganz allgemein die örtlichen Preise durch seine Gutachten "hochzutreiben" ist demgegenüber nicht hinreichend schlüssig dargetan und nach der Lebenserfahrung auch nicht überzeugend. Dagegen spricht vor allem der schlüssige und von der Beklagten nicht bestrittene Vortrag des Klägers, dass er als öffentlich bestellter Sachverständiger aufgrund berufsrechtlicher Vorgaben eine Kfz-Werkstatt betreiben müsse, um ein entsprechendes Handwerk auszuüben.

Darüber hinaus stellen die Äußerungen der Beklagten eine Herabsetzung der Tätigkeit des Klägers nach § 4 Nr. 7 UWG dar, da die Beklagte durch ihre unbegründete Behauptung eines Interessenkonflikts auf Seiten des Klägers im Grunde zum Ausdruck bringt, dass der Kläger generell als Sachverständiger nicht objektiv sei. Dies ist ohne weiteres geeignet, den Kläger in den Augen der Anspruchsteller und potentiellen Gutachtenauftraggeber herabgesetzt zu sehen.

3. Die Beklagte kann sich schließlich auch nicht zur Rechtfertigung ihres Verhaltens darauf berufen, dass es sich lediglich um eine Rechtsverteidigung gegenüber ihren Versicherungsnehmern oder sonstigen Dritten handele, insbesondere kann sie sich nicht auf ein sog. "Privileg der vorgerichtlichen Verteidigung" berufen. Dies muss schon deshalb gelten, weil es hier um die Wirkungen ihrer Äußerungen gegenüber dem Kläger als unbeteiligten Dritten geht. Hinzu kommt, dass der Kläger sonst überhaupt keine Möglichkeit hätte, das ihn belastende Verhalten der Beklagten auf seine Rechtmäßigkeit gerichtlich überprüfen zu lassen. Eine Feststellungsklage gemäß § 256 ZPO wäre unzulässig, da die Verpflichtung der Beklagten zur Übernahme der Gutachterkosten des Klägers lediglich eine vorgreifliche Rechtsfrage im Verhältnis zum jeweiligen Geschädigten darstellt; eine Nebenintervention des Klägers in einem Rechtsstreit zwischen einem Geschädigten und der Beklagten würde nicht zu einer rechtskräftigen Klärung der Zulässigkeit oder Unzulässigkeit der Äußerungen der Beklagten im Verhältnis zum Kläger des vorliegenden Rechtsstreits führen. Es entspricht aber allgemeinen prozessrechtlichen Grundsätzen, dass jedermann die Möglichkeit haben muss, ihn belastende Handlungen eines Dritten gerichtlich überprüfen zu lassen.

Die Berufung erweist sich daher insgesamt als ohne Aussicht auf Erfolg. Der Senat empfiehlt deshalb, nicht zuletzt aus Kostengründen die Berufung zurückzunehmen. (KV 1222/1415). Auf die Ermäßigungstatbestände für das Berufungsverfahren wird im falle einer Berufungsrücknahme wird verwiesen (GKG KV 1222,1220).

Ende der Entscheidung

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