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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Nürnberg
Beschluss verkündet am 17.07.2007
Aktenzeichen: 3 U 196/07
Rechtsgebiete: UWG, ZPO


Vorschriften:

UWG § 3
UWG § 5 Abs. 2 Nr. 3
ZPO § 114
ZPO § 119 Abs. 1 S. 2
1. Die Bezeichnung "..." für ein nur in einem begrenzten regionalen Bereich tätiges Unternehmen für Postzustellerdienstleistungen ist irreführend.

2. Solange nicht feststeht, ob das Berufungsgericht ein Vorgehen nach § 522 Abs. 2 ZPO für geboten hält, und auch der Berufungsbeklagte noch nicht zu einer Berufungserwiderung aufgefordert worden ist, kommt ungeachtet des § 119 Abs. 1 S. 2 ZPO die Bewilligung von Prozesskostenhilfe für das Berufungsverfahren mangels Erforderlichkeit der Rechtsverteidigung nicht in Betracht.


Oberlandesgericht Nürnberg

Az.: 3 U 196/07

In dem Rechtsstreit

wegen Unterlassung, MarkenG

erlässt das Oberlandesgericht Nürnberg -3. Zivilsenat- durch Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht Dr. Seidel, Richterin am Oberlandesgericht Scheib und Richterin am Oberlandesgericht Junker-Knauerhase am 17.07.2007 folgenden

Beschluss:

Tenor:

Der Antrag des Beklagten auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe für das Berufungsverfahren (Az. 3 U 196/07) wird zurückgewiesen.

Gründe:

I.

Die Klägerin hat gegen den Beklagten im ersten Rechtszug sowohl markenrechtliche als auch Wettbewerbs rechtliche Unterlassungsansprüche geltend gemacht. Durch das angefochtene Urteil ist den Klageanträgen voll umfänglich mit der Begründung wettbewerbswidrigen Verhaltens stattgegeben worden. Eine Klageabweisung ist nicht erfolgt.

Hiergegen haben sowohl die Klägerin als auch der Beklagte Berufung eingelegt, die Klägerin mit dem Antrag auch ihre markenrechtlichen Unterlassungsansprüche zu verbescheiden, der Beklagte mit dem Ziel der Klageabweisung.

Ihre am 1.2. eingelegte Berufung hat die Klägerin mit Schriftsatz vom 2.3.2007, dem Beklagtenvertreter zugestellt am 7.3.2007, begründet. Die Berufungsbegründung des Beklagten mit Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe für die zweite Instanz erfolgte am 4.4.2007.

Mt Hinweis vom 17.7 2007 hat der Senat angekündigt, die Berufung der Klägerin durch einstimmigen Beschluss gem. § 522 Abs. 2 ZPO zurückzuweisen.

II.

Dem Beklagten ist die beantragte Prozesskostenhilfe sowohl für die Verteidigung gegen die Berufung der Klägerin als auch gegen die erstinstanzliche Verurteilung zu versagen, da erstere nicht erforderlich ist und letztere keine hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet.

1. Soweit sich der Beklagte gegen die Berufung der Klägerin verteidigt, ist seine Erwiderung nicht erforderlich, § 119 ZPO.

Zwar liegt ein Fall der sogenannten notwendigen Bewilligung von Prozesskostenhilfe vor, bei der grundsätzlich weder die Erfolgsaussichten noch die Notwendigkeit der Rechtsverteidigung des Rechtsmittelgegners zu prüfen sind (§119 Abs. 1 S. 2 ZPO). Voraussetzung für die Bewilligung ist jedoch nach allgemeiner Meinung, dass die Durchführung des Rechtsmittels feststeht, mithin die Rechtsverteidigung des Rechtsmittelgegners notwendig ist (Zöller, ZPO, 25. Auflage, § 119 RdNr. 55; Musielak, ZPO, 4. Auflage, § 119 RdNr. 14; OLGR Dresden 2007, 117 f).

Eine Rechtsverteidigung des Beklagten gegen die Berufung ist jedoch zum gegenwärtigen Zeitpunkt nicht erforderlich. Ob sie zukünftig notwendig wird, kann noch nicht beurteilt werden. Es besteht jedenfalls kein Grund, sich derzeit bereits an dem Verfahren mit Kostenfolgen zu beteiligen. Trotz der vorliegenden Berufungsbegründung der Klägerin ist dem Beklagten zuzumuten, abzuwarten, ob das Berufungsgericht von der Möglichkeit Gebrauch macht, die Berufung der Klägerin nach einem Hinweis auf die Erfolglosigkeit des Rechtsmittels durch einstimmigen Beschluss gem. § 522 Abs. 2 ZPO zurückzuweisen, wie dies der Beklagtenvertreter zutreffend in seiner Berufungsbegründung, Ziffer 3. erkannt hat. Dies gilt hier insbesondere auch deshalb, weil eine Aufforderung des Gerichts zu einer Berufungserwiderung gegenüber dem Beklagten nicht erfolgt ist. Hierdurch wird dem Beklagten auch sein Einflussrecht auf den Prozess nicht genommen. Eine Einflussnahme des Berufungsgegners ist dann nämlich nicht erforderlich, wenn das Gericht die Zurückweisung der Berufung prüft. Sollte das Gericht hier einer Unterstützung bedürfen (gerade hiervon geht allerdings das Zurückweisungsrecht in § 522 Abs. 2 ZPO nicht aus), würde der Partei insoweit eine Möglichkeit der Stellungnahme gegeben. Dem dem Recht der Prozesskostenhilfe zugrunde liegenden Gedanken, Unbemittelten bei vernünftiger Abwägung ihrer Prozessaussichten unter Berücksichtigung des Kostenrisikos den Rechtsschutz zu ermöglichen (Zöller, a.a. O., vor §114 RdNr. 1 m.w.N.), wird dadurch hinreichend Rechnung getragen (vgl. auch OLGR Schleswig 2006, 90 bis 91; OLGR Dresden 2007, 117 f.). Einer verständigen und kostenbewussten Partei ist daher zuzumuten solange zu warten, bis die Rechtsverteidigung tatsächlich notwendig wird.

2. Soweit sich der Beklagte mit seiner Berufung gegen die erstinstanzliche Verurteilung wendet, bietet die beabsichtigte Rechtsverteidigung keine hinreichende Aussicht auf Erfolg, § 114 ZPO.

Hinreichende Erfolgsaussicht liegt vor, wenn das Gericht den Rechtsstand des Antragstellers aufgrund seiner Sachdarstellung oder vorhandener Unterlagen für zutreffend oder zumindest vertretbar hält. Es muss aufgrund summarischer Prüfung der Sach- und Rechtslage möglich sein, dass der Antragsteller mit seinem Begehren durchdringen kann (Zöller, ZPO, 25. Auflage, § 114 RdNr. 19).

Dies ist vorliegend nicht der Fall. Es sind keine neuen berücksichtigungsfähigen Tatsachen vorgetragen oder konkrete Anhaltspunkte aufgezeigt, die Zweifel an der Richtigkeit und Vollständigkeit der entscheidungserheblichen Tatsachenfeststellungen des Erstgerichts begründen (§ 529 ZPO). Daher ist von dem im angefochtenen Urteil zugrunde gelegten Sachverhalt auszugehen. Dieser rechtfertigt weder eine andere Entscheidung noch ist eine Rechtsverletzung vorgetragen, auf der die erstinstanzliche Entscheidung beruhen würde (§ 513 Abs. 1 ZPO).

Zu Recht hat das Landgericht dem Klagebegehren unter wettbewerbsrechtlichen Gesichtspunkten stattgegeben. Auch der Senat hält den Bestandteil "..." im beanstandeten Zeichen des Beklagten für irreführend und damit unlauter im Sinne der §§ 3, 5 Abs. 2 Nr. 3 UWG, da der Beklagte nicht deutschlandweit, sondern lediglich regional begrenzt tätig ist. Auf die insoweit zutreffenden Ausführungen des Erstgerichts, die der Senat sich zu Eigen macht, wird Bezug genommen. Zu Ergänzung ist lediglich folgendes auszuführen:

a) Unbehelflich ist die Rüge des Beklagten, die Mitglieder des erstinstanzlichen Gerichts gehörten nicht zu den von den angebotenen Dienstleistungen des Beklagten angesprochenen Verkehrskreisen.

Auch wenn sich das Dienstleistungsangebot des Beklagten vor allem an die "selektive Versendergruppe von sog. Geschäftskunden mit größerem Sendungsaufkommen" richtet, konnte das Landgericht bei der Feststellung der Verkehrsauffassung aufgrund eigener Sachkunde und Lebenserfahrung ohne fremde Hilfe und Beweiserhebung entscheiden, und zwar nach neuer Rechtsprechung des BGH auch dann, wenn diese selbst nicht zum angesprochenen Verkehr gehören, gleichviel, ob die Verwendung des eigenen Erfahrungswissens zu Bejahung oder zur Verneinung der Unlauterkeit führt (BGH, GRUR 2004, 244 - Marktführerschaft; BGH, NJW 2007, 682 - solingen.de = WRP 2007, 76; vgl. auch Piper/Ohly, UWG, 4. Auflage, § 3 RdNr. 22). Die eigene Sachkunde ist im vorliegenden Fall daraus herzuleiten, dass die 3. Zivilkammer des Landgerichts regelmäßig mit den hier einschlägigen Fragen befasst ist.

b) Zu Unrecht beanstandet die Berufung auch, das Erstgericht habe die Bedeutung des Bestandteils "..." in ihrem Zeichen fehlerhaft interpretiert.

aa) Grundsätzlich erwartet nämlich der Verbraucher, dass ein Unternehmen bei der Verwendung solcher Firmenzusätze nach Umfang, Umsatz und Bedeutung auf den deutschen Markt als ganzes zugeschnitten ist und über eine entsprechende Größe und Ausstattung verfügt, die im wesentlichen den Anforderungen des deutschen Marktes gerecht werden (Piper/Ohly, a.a.O. § 5 RdNr. 597 m.w.N.). Hat ein Betrieb dagegen nur regionale Bedeutung, darf die Bezeichnung im Allgemeinen nicht geführt werden. Das gilt für das vom Beklagten betriebene Unternehmen. Dieses entsprach den Anforderungen an eine vom Verbraucher erwartete, deutschlandweite Postdienstleistung gerade nicht, da es nur «innerhalb lokal begrenztem Raum, nämlich in den Landkreisen Aurich bzw. der Stadt Emden tätig war. Hierhin besteht die vom Erstgericht zu Recht festgestellte Irreführungsgefahr.

bb) Unbehelflich ist in diesem Zusammenhang der Hinweis der Berufung auf Unternehmen wie die "..." oder die Bezeichnungen "..." bzw. "...". Denn vorliegend handelt es sich um ein Postunternehmen, das seine Dienstleistungen ja gerade mit dem Versand bzw. der Zustellung von Briefen und Paketen erbringt, die regelmäßig auch über den regionalen Bereich hinaus in andere Gebiete der Bundesrepublik zu erfolgen haben. Gerade hieraus resultiert die Vorstellung des Verkehrs. Einem solchen Verständnis steht auch nicht, wie der Beklagte meint, entgegen, dass Beförderungsverträge nur aufgrund individueller Verhandlungen zustande kommen und so den umworbenen Kreisen die Situation des Beklagten bereits bekannt sei. Denn es kommt, worauf das Erstgericht ebenfalls bereits zutreffend hingewiesen hat, für die Feststellung der Irreführungsgefahr darauf an, wann der Verkehr erstmals Kenntnis von den falschen Angaben des Beklagten nehmen kann. Dies ist aber zwangsläufig vor Abschluss der entsprechenden Verträge der Fall.

cc) Zu Unrecht rügt die Berufung auch, das Landgericht habe "das kontradiktorische Aufeinandertreffen von "..." und "..."" fehlerhaft bewertet. Denn die beiden zusammengeführten Begriffe stehen nicht in einem Gegensatzverhältnis oder lassen unterschiedliche Deutungen zu, sondern signalisieren dem Verkehr, dass Postdienstleistungen bundesweit und damit auch in großen deutschen Städten ausgeführt werden.

dd) Soweit der Beklagte darauf hinweist, er habe seinen Geschäftsbetrieb ausweiten wollen, etwa durch Mitarbeit an einer Netzwerkintegration, die es ihm im Laufe des Jahres 2007 ermöglicht hätte, an einem bundesweiten Netzwerk mit bundesweiter Zustellung teil zu nehmen, könnte dies zwar grundsätzlich einer Irreführung entgegenstehen (Hefermehl, u.a., Wettbewerbsrecht, 24. Auflage, § 5 UWG, RdNr. 5.102). Objektive Umstände aber, die eine baldige Erweiterung des Tätigkeitsfeldes erwarten ließen, lagen jedoch nicht vor. Letztlich ist es auch zu einer solchen nicht gekommen.

c) Ohne Erfolg beanstandet die Berufung weiter, das Landgericht habe das Eingreifen der §§ 126 ff. MarkenG als leges speciales gegenüber § 5 UWG nicht erkannt.

Denn vorliegend handelt es sich bei der Bezeichnung "..." nicht um eine Angabe zur betrieblichen Herkunft im Sinne des § 126 MarkenG, sondern vielmehr um eine solche über Eigenschaften, Umfang und Bedeutung des Unternehmens im Sinne des § 5 Abs. 2 S. 3 UWG. Bei geografischen Firmenzusätzen aber, die auf eine Größe des Unternehmens schließen lassen, die ihm in Wirklichkeit nicht zukommt, ist § 5 UWG anzuwenden (Harte-Bavendamm/Henning-Bodewig, UWG, § 5 RdNr. 721 m.w.N.; Hafermehl, a.a.O., § 5 UWG, RdNr. 5.98 f., 5.101 f).

Insoweit kommen der Berufung nicht die Grundsätze der Entscheidung "W III" des BGH (in: GRUR 2002, 161) zu Gute, da es im dortigen Fall um eine geografische Herkunftsangabe ging, die der Verbraucher mit einer bestimmten Biermarke verband, während vorliegend nicht die Herkunft des Unternehmens von Interesse ist, sondern der mit dem geografischen Zusatz signalisierte Umfang und die Ausdehnung der angebotenen Postdienstleistung im Mittelpunkt steht. Da gerade letzteres für den Verbraucher von Bedeutung ist, beeinflusst eine Fehlvorstellung hierüber somit seinen Entschluss, gerade diese Dienstleistung des Beklagten in Anspruch zu nehmen und ist damit entgegen der Auffassung der Berufung auch relevant.

Da die beabsichtigte Rechtsverteidigung sich somit ohne Aussicht auf Erfolg erweist, soweit sie gegen das Urteil des Landgerichts Nürnberg-Fürth vom 20.12.2006 gerichtet ist, soweit sie sich gegen die Berufung der Klägerin wendet, nicht geboten erscheint, war das Prozesskostenhilfegesuch des Beklagten insgesamt zurückzuweisen.

Ende der Entscheidung

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