Judicialis Rechtsprechung

Mit der integrierten Volltextsuche, die vom Suchmaschinenhersteller "Google" zur Verfügung gestellt wird, lassen sich alle Entscheidungen durchsuchen. Dabei können Sie Sonderzeichen und spezielle Wörter verwenden, um genauere Suchergebnisse zu erhalten:

Zurück

Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Nürnberg
Urteil verkündet am 29.05.2001
Aktenzeichen: 3 U 337/01
Rechtsgebiete: UrhG


Vorschriften:

UrhG § 4
Zu den tatbestandlichen Voraussetzungen eines Sammelwerkes i. S. v § 4 UrhG.
Oberlandesgericht Nürnberg IM NAMEN DES VOLKES ENDURTEIL

3 U 337/01

Verkündet am 29. Mai 2001

In Sachen

hat der 3. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Nürnberg durch den Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht Schicker und die Richter am Oberlandesgericht Dr. Seidel und Prof. Dr. Haberstumpf aufgrund der mündlichen Verhandlung vom 8. Mai 2001

für Recht erkannt:

Tenor:

I. Die Berufung des Klägers gegen das Endurteil der 3. Zivilkammer des Landgerichts Nürnberg-Fürth vom 20. Dezember 2000 wird zurückgewiesen.

II. Auf die Berufung der Beklagten wird das genannte Endurteil des Landgerichts Nürnberg-Fürth abgeändert.

Die Klage wird insgesamt abgewiesen.

III. Der Kläger trägt die Kosten des Rechtsstreits beider Instanzen.

IV. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Der Kläger kann die Vollstreckung gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 18.000,-- DM abwenden, wenn nicht die Beklagten vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leisten.

Den Parteien wird nachgelassen, ihre Sicherheitsleistung durch selbstschuldnerische, unbedingte, unbefristete und unwiderrufliche Bürgschaft einer Großbank oder öffentlich rechtlichen Sparkasse mit dem Sitz in der Europäischen Union zu erbringen.

V. Der Kläger ist mit 300.000,-- DM beschwert.

Beschluß:

Der Streitwert des Berufungsverfahrens beträgt 300.000,-- DM.

Tatbestand:

Die Parteien streiten um urheberrechtliche Ansprüche des Klägers an Aufklärungsbögen bzw. Merkblätter für Patienten, die vor ärztlichen diagnostischen und/oder therapeutischen Eingriffen in zahlreichen medizinischen Fachbereichen verwendet werden.

Am 09./11.06.1980 schlössen der Kläger mit der damaligen Einzelhandelsfirma des Beklagten zu 2), der Rechtsvorgängerin der Beklagten zu 1), einen "Herausgebervertrag". Auf den Inhalt des als Anlage K1 bzw. B1 vorgelegten Vertrages wird verwiesen.

Am 08.06.1992 erklärte der Kläger die außerordentliche Kündigung des Vertragsverhältnisses. Er wurde daraufhin von der Beklagten zu 1) auf Feststellung verklagt, daß das Vertragsverhältnis durch die Kündigung nicht beendet worden sei. Dieses Verfahren (Landgericht Nürnberg-Fürth, Az.: 6 O 6709/92) wurde am 28.04.1994 durch einen Prozeßvergleich abgeschlossen. Wegen der Einzelheiten des Vergleichsinhalt wird auf Anlage K2 Bezug genommen.

Die auf der Grundlage des Herausgebervertrages entwickelten Merkblätter enthielten jeweils auf der Titelseite die Überschrift "Merkblatt ..." mit Angabe des jeweiligen Anwendungsbereichs, z.B. "... über Kropfoperation (Struma)", "... über die Blinddarmoperation", "... zur Vorbereitung des Gesprächs mit dem Arzt/der Ärztin über die Nierenpunktion" (vgl. Anlagekonvolut K3, K12). Hinter "Merkblatt" befand sich regelmäßig ein Sternchenzeichen, das auf den Text der Fußleiste verwies. Dort befand sich nach dem wiederholten Sternchenzeichen der Text "im System der Stufenaufklärung nach W". Es folgte die Angabe von Autorennamen sowie der Copy-Rightvermerk, bei dem die Beklagte zu 1) genannt wurde. Wegen der genauen Gestaltung wird auf die Beispiele verwiesen, die mit den Anlagen K3, K12 vorgelegt wurden.

Bei Abschluß des genannten Vergleichs gab es ca. 550 derartige Aufklärungsbögen bzw. Merkblätter. In dem Vergleich war der Beklagten zu 1) gestattet worden, die Aufklärungsbögen bzw. Merkblätter bis zum 30.12.1996 gegen eine Bezahlung von 2.000.000,-- DM weiterzuverwenden (vgl. Nr. 2 des Vergleichs). Sie veränderte jedoch den Text der Fußleiste dahingehend, daß der Passus "im System der Stufenaufklärung nach W" weggelassen wurde. Vor der Bezeichnung der Autoren hieß es nunmehr "Herausgeber Dr. med.. Teilweise wurde davor noch der Text "Dokumentierte Patientenaufklärung" gesetzt.

Der Kläger hat sich auf den Standpunkt gestellt, daß diese Textänderung seine urheberrechtlichen Ansprüche verletze. Das System der Stufenaufklärung sei von ihm gegen anfänglich erhebliche Widerstände von medizinischer, aber auch juristischer Seite entwickelt worden. Dieses System gehe davon aus, daß der Patient in einem kurz gefassten, allgemein verständlichen Merkblatt ("auf der ersten Stufe") als Information über den geplanten Eingriff und seine Risiken das erhalte, was nach ärztlicher Erfahrung für ihn von Bedeutung sei. Das Merkblatt weise darauf hin, daß der Patient in einem der individuellen Aufklärung dienenden Gespräch mit dem behandelnden Arzt ("2. Stufe") über Art und Umfang der beabsichtigten Behandlung informiert werde und dabei die Gelegenheit erhalte, an den Arzt alle ihn interessierenden Fragen insbesondere über die Behandlungsrisiken zu stellen. Bei der Gesamtheit der Merkblätter handle es sich um eine Sammlung von Werken. Ihre Zusammenfassung stelle eine persönliche geistige Schöpfung hinsichtlich Konzeption, Gliederung, Anordnung, Ausgestaltung und Auslese der einzelnen Beiträge dar. Es liege somit ein Sammelwerk nach § 4 UrhG vor, dessen Schöpfer er sei. Ihm stünden daher urheberrechtliche Ansprüche aus diesem Sammelwerk zu. Gegen diese Ansprüche hätten die Beklagten in zweifacher Hinsicht verstoßen. Zum einen hätten sie unbefugtermaßen den Titel "System der Stufenaufklärung" in "Dokumentierte Patientenaufklärung" abgeändert bzw. gänzlich weggelassen. Zum anderen habe sich der Beklagte zu 2} mit seiner Bezeichnung als Herausgeber auf den veränderten Merkblättern die Stellung des Urhebers an diesem Sammelwerk angemaßt. Durch die rechtswidrigen Handlungen der Beklagten seien ihm materielle und immaterielle Schäden entstanden bzw. seien die Beklagten ungerechtfertigt bereichert. Welche Ansprüche verfolgt würden, werde er nach erteilter Auskunft entscheiden. Mit seiner Klage hat der Kläger demgemäß folgende Anträge gestellt:

I. Es wird festgestellt, daß die Beklagten zu 1) und 2) verpflichtet sind, an den Kläger alles herauszugeben, was sie durch die Vervielfältigung und/oder die Verbreitung von Merkblättern im System der Stufenaufklärung nach W, deren Urheber der Kläger ist, in denen aber der Beklagte zu 2) als Herausgeber genannt war und in denen ggf. zusätzlich der Titel des Werkes geändert worden war in "Dokumentierte Patientenaufklärung", seit 29. Juni 1994 erlangten haben, oder nach Wahl des Klägers diesem den dadurch entstandenen Schaden zu ersetzen oder anstelle des Schadensersatzes den daraus gezogenen Gewinn an den Kläger herauszugeben sowie ihm zusätzlich zu diesen Ansprüchen den immateriellen Schaden zu ersetzen.

II. Weiter wird festgestellt, daß der Beklagte zu 2) nicht der Urheber der Merkblätter im System der Stufenaufklärung nach W ist, die seit dem 29. Juni 1994 herausgegeben und/oder verbreitet wurden und in denen der Beklagte zu 2) als Herausgeber genannt ist.

III. Die Beklagten werden als Gesamtschuldner weiter verurteilt, dem Kläger Auskunft zu geben darüber

- in welchen mit der Artikelnummer, dem Titel und dem Monat der Drucklegung zu bezeichnenden Nachdrucken der im Antrag I bezeichneten Merkblätter, die seit dem 29. Juni 1994 im Verlag der Beklagten zu 1) erschienen sind, der Beklagte zu 2) als Herausgeber bezeichnet worden ist, und in welchen dieser Nachdrucke der Titel geändert worden ist "Dokumentierte Patientenaufklärung",

- in welchen Stückzahlen die im Antrag I bezeichneten Nachdrucke von Merkblättern gedruckt worden sind,

- ob und in welcher Höhe die Beklagte zu 1) an den Beklagten zu 2) für die oben beschriebenen Merkblätter Herausgeberhonorare bezahlt hat oder noch schuldet,

sowie unter Vorlage nach Kalendermonaten geordnete Belege, wie z. B. schriftliche Bestellungen, Lieferscheine und Rechnungskopien Rechnung zu legen für den Zeitraum ab dem 29. Juni 1994 darüber,

- wie viele Stücke der im Antrag I bezeichneten Nachdrucke von Merkblättern verkauft, geliefert und/oder in sonstiger Weise in den Verkehr gebracht worden sind unter Angabe der mit Namen und Anschriften zu bezeichnenden Abnehmer sowie der damit erzielten Umsätze,

- unter Darlegung der Aufschlüsselung aller Kostenfaktoren anzugeben, welche Gewinne die Beklagte zu 1) mit der Herstellung und/oder dem Vertrieb der im Antrag I bezeichneten Nachdrucke von Merkblättern erzielt hat.

IV. Im Weg der Stufenklage: Die Beklagten zu 1) und 2) werden weiter verurteilt, die Richtigkeit und die Vollständigkeit der nach dem Klageantrag II erteilten Auskünfte an Eides statt zu versichern.

V. ...

Die Beklagten haben beantragt, die Klage abzuweisen. Zur Begründung haben sie im wesentlichen vorgetragen, daß ein Sammelwerk nicht vorliege. Der Entwicklung der Merkblätter liege keine eigene schöpferische Leistung des Klägers zugrunde. Sie gäben in rein handwerklicher Umsetzung nur wieder, was an Grundsätzen von der Rechtsprechung über viele Jahrzehnte hinweg zum Problem der Patientenaufklärung entwickelt worden sei. Hinter der Gesamtzahl der Merkblätter stecke kein ordnendes Prinzip, sondern nur die Umsetzung des Zwecks, in absehbarer Zeit für möglichst viele der üblichen medizinischen Eingriffe Patientenaufklärungsbögen zur Verfügung stellen zu können.

Mit Endurteil vom 20.12.2000 hat das Landgericht Nürnberg-Fürth dem Klageantrag Ziffer II stattgegeben und im übrigen die Klage abgewiesen. Hinsichtlich seiner Begründung sowie wegen der Einzelheiten des Parteivortrages im ersten Rechtszug wird auf Tatbestand und Entscheidungsgründe des genannten Urteils Bezug genommen (Bl. 140 bis 161).

Gegen dieses Urteil haben beide Seiten form- und fristgerecht Berufung eingelegt.

Unter Wiederholung und Vertiefung seines erstinstanzlichen Vertrags hält der Kläger daran fest, daß ihm urheberrechtliche Ansprüche zustünden, da die Beklagten zu Unrecht den Titel "System der Stufenaufklärung" in "Dokumentierte Patientenaufklärung" verändert bzw. ihn völlig weggelassen hätten. Zu Unrecht habe das Landgericht das Vorliegen eines Sammelwerks i. S. von § 4 UrhG verneint. Zu der für eine Anwendung dieser Vorschrift erforderlichen persönlichen geistigen Leistung gehöre die Festlegung des Themenkreises, die Gewinnung von Autoren (die etwas Neues für das Sammelwerk erst schaffen sollen), die Sichtung und die Auswahl der Beiträge nach einem vom Sammelwerkurheber "geprägten Leitbild oder Gesamtplan", die Entgegennahme der Manuskripte, die Begutachtung und druckfertige Übergabe der begutachteten Manuskripte an den Verleger, die Verteilung der Gewichte der aufzunehmenden Beiträge im Hinblick auf Aktualität und sonstige Kriterien sowie die Bestimmung der äußeren Gestaltung des Werks. All diese Aufgaben seien ihm in § 4 des Herausgebervertrags übertragen worden. Er habe sie auch erfüllt. Durch den Vergleich vom 28.6.1994 seien seine Vertragspflichten zur Entwicklung von Merkblättern beendet worden. Die bis dahin entwickelten Merkblätter stellten das Gesamtwerk dar. Diesem habe als übergeordnete, umfassende Konzeption das von ihm geschaffene System der Stufenaufklärung zugrunde gelegen. In Umsetzung dieser Konzeption habe er z. B. eine Reihe von Auswahlentscheidungen treffen müssen. Er habe die zu behandelnden Themen bestimmt, neben dem Beklagten zu 2. die Autoren ausgewählt, deren Beiträge überarbeitet bzw. überprüft, die Merkblätter den sich aus der medizinischen Wissenschaft und der Rechtsprechung ergebenden Veränderungen angepaßt. Entgegen der Annahme des Landgerichts hätten sich einzelne Merkblätter sehr wohl gegenseitig ergänzt. Eine ganze Reihe von Behandlungen bzw. von Eingriffen erfordere nämlich die Verwendung mehrerer Merkblätter. Gerade aus diesem Grund sei eine einheitliche Konzeption und Gestaltung der Merkblätter notwendig gewesen, um nicht die Patienten zu überfordern oder zu verunsichern. Soweit sich die Beklagte zu 1. in dem Vergleich verpflichtet habe, bei einer Neuauflage (gemeint ist erkennbar: Nachdruck der vorhandenen Blätter) seinen Namen als Herausgeber bzw. Co-Autor zu löschen, habe sich dies nicht auf den Text "Im System der Stufenaufklärung" bezogen. Die Beklagten wären daher verpflichtet gewesen, diese Bezeichnung weiter zu verwenden.

Der Kläger beantragt daher,

I. Auf die Berufung des Klägers wird das Endurteil der 3. Zivilkammer des Landgericht Nürnberg-Fürth vom 20.12.2000, Az. 3 O 8029/98, abgeändert.

II. Unter Aufhebung des Urteils in Ziffer II wird festgestellt, daß die Beklagten zu 1) und 2) verpflichtet sind, an den Kläger alles herauszugeben, was sie durch die Vervielfältigung und/oder die Verbreitung von Merkblättern im System der Stufenaufklärung nach W, deren Sammelwerksurheber der Kläger ist, in denen aber der Beklagte zu 2) als Herausgeber genannt war, und in denen gegebenenfalls zusätzlich der Titel des Werkes geändert worden war in "Dokumentierte Patientenaufklärung", seit 29.06.1994 erlangt haben, oder nach Wahl des Klägers diesem den dadurch entstandenen Schaden zu ersetzen oder anstelle des Schadensersatzes den daraus gezogenen Gewinn an den Kläger herauszugeben sowie ihm zusätzlich zu diesen Ansprüchen den immateriellen Schaden zu ersetzen.

III. Die Beklagten werden als Gesamtschuldner verurteilt, dem Kläger darüber Auskunft zu geben

- in welchen mit der Artikelnummer, der die Indikation bezeichnenden Überschrift und dem Monat der Drucklegung zu bezeichnenden Nachdrucken der im Antrag II bezeichneten Merkblätter, die seit dem 29.6.1994 im Verlag der Beklagten zu 1) erschienen sind, der Beklagte zu 2) als Herausgeber bezeichnet worden ist und in welchen dieser Nachdrucke der Titel geändert worden ist in "Dokumentierte Patientenaufklärung",

- in welchen Stückzahlen die im Antrag II bezeichneten Nachdrucke von Merkblättern gedruckt worden sind.

- ob und in welcher Höhe die Beklagte zu 1) an den Beklagten zu 2) für die oben beschriebenen Merkblätter Herausgeberhonorare bezahlt hat oder noch schuldet,

sowie unter Vorlage nach Kalendermonaten geordneter Belege, wie z. B. schriftliche Bestellungen, Lieferscheine und Rechnungskopien, Rechnung zu legen für den Zeitraum ab 29.6.1994 darüber

- wieviele Stücke der im Antrag II bezeichneten Nachdrucke von Merkblättern verkauft, geliefert und/oder in sonstiger Weise in Verkehr gebracht worden sind unter Angabe der mit Namen und Anschriften zu bezeichnenden Abnehmer sowie der damit erzielten Umsätze,

- unter Darlegung und Aufschlüsselung aller Kostenfaktoren anzugeben, welche Gewinne die Beklagte zu 1) mit der Herstellung und/oder dem Vertrieb der im Antrag II. bezeichneten Nachdrucke von Merkblättern erzielt hat.

Die Beklagten sind der Auffassung, daß das Landgericht hinsichtlich der Klageabweisung zutreffend entschieden habe.

Die Beklagten sind der Auffassung, daß das Landgericht hinsichtlich der Klageabweisung zutreffend entschieden habe. Eine am Wortlaut des Herausgebervertrages ausgerichtete Argumentation gehe fehl. Maßgeblich für die Annahme eines Sammelwerkes sei nicht die wiederholte Verwendung der Bezeichnung "Herausgeber". Ausschlaggebend sei vielmehr, ob die vom Kläger bzw. unter seiner Mitwirkung entwickelten Merkblätter die an ein Sammelwerk zu stellenden Voraussetzungen erfüllen würden. Dies sei nicht der Fall. Ein über die Gestaltung der einzelnen Blätter hinausgehendes Ordnungsprinzip habe nicht bestanden. Hinsichtlich vorzunehmender Änderungen an den einzelnen Blättern wegen der Entwicklungen in der Medizin bzw. Rechtsprechung habe der Kläger keine Auswahlentscheidungen treffen müssen. Vielmehr sei er vertraglich verpflichtet gewesen, alle sich aus medizinischen oder rechtlichen Entwicklungen ergebende Veränderungen in die Merkblätter einzuarbeiten. Zu beanstanden sei das Urteil jedoch hinsichtlich der Verurteilung der Beklagten. Sie hätten sich mit der Bezeichnung "Herausgeber Dr. med. keine Urheberstellung angemaßt. Sie werde auch nicht in Anspruch genommen. Die Angabe als Herausgeber bezeichnet den Beklagten zu 2. lediglich als "Herrn des Unternehmens". Sie sei korrekt, da die Beklagten hinsichtlich aller Patientenaufklärungsbögen die wirtschaftliche Verantwortung und das Risiko tragen würden.

Die Beklagten beantragen daher, unter Abänderung des landgerichtlichen Urteils die Klage insgesamt und somit auch die Berufung des Klägers abzuweisen.

Der Kläger beantragt, die Berufung der Beklagten zurückzuweisen. Der Vortrag der Beklagten sei insoweit falsch, als das wirtschaftliche Risiko nicht beim Beklagten zu 2., sondern nur bei der Beklagten zu 1. liege. Zudem sei im Urheberrecht der Begriff des Herausgebers dahingehend geklärt, daß er als UrhG verwendet werde. Zu Recht habe daher das Landgericht eine rechtswidrige Urheberanmaßung bejaht.

Wegen der Einzelheiten des Vorbringens der Parteien in der Berufungsinstanz wird auf die in ihr gewechselten Schriftsätze Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die Berufungen der Parteien sind zulässig. Begründet ist jedoch nur die Berufung der Beklagten. Auf sie hin war daher das landgerichtliche Urteil abzuändern und die Klage insgesamt abzuweisen.

Berufung des Klägers:

Der Kläger stützt sich zur Begründung seiner mit der Berufung weiterverfolgten Klageanträge I. und III. auf behauptete Rechte als Urheber eines Sammelwerkes i. S. von § 4 UrhG. Das Landgericht hat solche Rechte verneine, da ein Sammelwerk nicht vorliege. Der Senat schließt sich der hierfür gegebenen Begründung an (Seite 18 ff. EU). Sie wird durch das Berufungsvorbringen nicht entkräftet. Dies gibt zu folgenden Hinweisen Anlaß:

Dem Kläger mag eingeräumt werden, daß die einzelnen Merkblätter Werke i. S. von § 2 Abs. 1 Nr. 1, 7 UrhG darstellen. Entgegen der Ansicht der Beklagten sind an wissenschaftliche Werke der hier vorliegenden Art, die einem Gebrauchszweck dienen, keine besondere Anforderungen an den Grad der Individualität zu stellen, so daß auch hier die sogenannte kleine Münze des Urheberrechts Schutz findet. Die Schutzfähigkeit der einzelnen Blätter kann jedoch dahingestellt bleiben, da auch die Zusammenfassung von "anderen unabhängigen Elementen" die Schutzfähigkeit nach § 4 UrhG begründen kann. Ein Sammelwerk kann auch nicht geschützte Gestaltungen umfassen (Schricker/Loewenheim, Urheberrecht, 2. Auflage, § 4, RdNr. 6). Voraussetzung für die Annahme eines Sammelwerks ist jedoch, daß eine Auswahl oder Anordnung einzelner Werke, Daten oder unabhängiger Elemente zu einer Struktur erfolgt, aus der sich ein neuer geistiger Gehalt ergibt, der über die bloße Summe der Inhalte der Einzelwerke, Daten bzw. Elemente hinausgeht und eine eigene schöpferische Leistung ausweist (Schricker, a.a.O., § 4, RdNr. 3, Haberstumpf, Handbuch des Urheberrechts, 2. Auflage, RdNr. 162 ff., 165). Dabei ist auch die "kleine Münze" geschützt (Fromm/Nordemann, Urheberrecht, 9. Auflage, § 4 RdNr. 3). Auch beim Sammelwerk reicht folglich "die rein handwerkliche, schematische oder routinemäßige Auswahl oder Anordnung nicht aus. Diejenige Auswahl oder Anordnung, die jeder so vornehmen würde, stellt kein individuelles Schaffen dar. Insbesondere wenn Auswahl oder Anordnung sich aus der Natur der Sache ergeben oder durch Zweckmäßigkeit oder Logik vorgegeben sind, ist individuelles Schaffen nicht möglich" (Schricker, a.a.O., § 4 Rdn. 9).

Hiervon ausgehend sind auch unter Zugrundelegen des Sachvortrages des Klägers die Voraussetzungen eines Sammelwerkes nicht erfüllt. Eine Anordnung nach individuellen Kriterien der einzelnen Blätter liegt nicht vor, auch wenn berücksichtigt wird, daß eine feste Verbindung der einzelnen Blätter nicht erforderlich ist. Die insgesamt ca. 550 Blätter sind nicht nach irgendeinem Ordnungsprinzip in einen Zusammenhang gestellt. Anderes gilt auch nicht, wenn eine Zusammenfassung in der Art des Anlagekonvoluts K 14 erfolgt. Ein rein chronologisch, alphabetisch, numerisch oder nach medizinischen Sachgebieten aufgebautes Register begründet keinen Werkcharakter (Fromm/Nordemann, a.a.O., § 4 RdNr. 3). Jedes der in Anlage K 14 abgehefteten Blätter könnte, dem Ordner entnommen und anschließend wieder in eine andere Ordnung gebracht werden, ohne daß sie in ihrer Brauchbarkeit und ihrer Aussagekraft verändert würden. Dieser Wertung steht nicht entgegen, daß es bei zahlreichen Aufklärungssituationen notwendig sein wird, mehrere Blätter für ein Aufklärungsgespräch heranzuziehen. Die hierfür erforderlichen verschiedenen Blätter sind je einzelnen für sich gerade nicht aufeinander bezogen, sondern müssen je nach den Umständen des Einzelfalles aus der Fülle der vorhandenen, lose zueinander stehenden Blättern für das Aufklärungsgespräch zusammengefaßt werden. Die Entscheidung darüber, ob mehrere Blätter für ein Aufklärungsgespräch herangezogen werden müssen und wenn ja, welche, obliegt ausschließlich der Beurteilung des behandelnden Arztes und ist durch die jeweils heranzuziehenden Blätter in keiner Weise vorgegeben.

Auch eine "Auswahl" i. S. von § 4 Abs. 1 UrhG liegt nicht vor. Dabei mag der Kläger das Prinzip der Stufenaufklärung gegen anfänglich bestehende Widerstände in Medizin und Rechtswissenschaft insbesondere Rechtsprechung "gefunden" haben. Dabei mag er von Beginn an eine einheitliche Konzeption für die einzelnen zu entwickelnden Blätter vor Augen gehabt haben, wobei freilich die einzelnen Anteile der Parteien an der Entwicklung dieser Konzeption strittig sind. Als Idee wäre diese Leistung für sich nicht schutzfähig (Fromm/Nordemann/Vinck, a.a.O., § 2, RdNr. 22; Haberstumpf, a.a.O., RdNr. 70). Erst ihre Umsetzung in ein schutzfähiges (Sammel-)Werk aufgrund individueller schöpferischer Leistung begründet urheberrechtliche Ansprüche.

Die bei der behaupteten Umsetzung der Konzeption entfalteten klägerischen Maßnahmen beinhalten jedoch keine derartige individuelle schöpferische Leistung, die über den geistigen Gehalt der einzelnen Blätter hinaus ginge und der Gesamtheit der Blätter einen neuen geistigen Gehalt verleihen würden (vgl. dazu BGH GRUR 1982, 37 - WK-Dokumentation; Haberstumpf a.a.O., RdNr. 165). Dabei ist es unerheblich, daß der Kläger gemäß § 4 des Herausgebervertrages die Vornahme dieser Maßnahmen schuldete. Die rechtlich übernommenen Verpflichtungen besagen nichts darüber aus, ob dem Produkt der Vertragserfüllung individuelle schöpferische Leistung zukommt. Deshalb führt eine an den Formulierungen des Herausgebervertrages orientierte Argumentation des Klägers zur Rechtfertigung seiner Ansprüche nicht weiter.

Die vom Kläger entfalteten Maßnahmen bezogen sich auf die Entwicklung bzw. auf den Inhalt und die Gestaltung der einzelnen Blätter. Sie gaben ihrer schließlich erreichten Gesamtheit von ca. 550 Stück keinen neuen geistigen Gehalt, der über die bloße Summe der einzelnen Blätter hinausgehen würde. Das Streben nach einer möglichst umfassenden, alle üblicherweise im medizinischen Alltag auftretenden Aufklärungssituationen abdeckenden Zahl von Blättern ergab sich aus Gründen der Zweckmäßigkeit bzw. Logik. Dieses Streben umzusetzen, erforderte nur eine rein handwerkliche, schematische bzw. routinemäßige Auswahl von Autoren bzw. Themenkreisen. Daß dabei der Kläger die Beiträge, die Manuskripte entgegenzunehmen, zu begutachten und schließlich druckfertig zu machen hatte, entsprach seinen vertraglichen Verpflichtungen und verstand sich von selbst. All diese Maßnahmen bezogen sich auf die einzelnen Blätter selbst und schufen keinen über sie hinausgehenden neuen Sinngehalt. Dies gilt auch für seine Verpflichtung, die Entwicklungen in Medizin und Rechtsprechung laufend zu verfolgen und die Blätter ggf. an diese Entwicklungen anzupassen. Die Umsetzung bzw. die Erfüllung dieser Verpflichtung mag letztlich in die Wertschätzung der Merkblätter einfließen, weil sie dem sie verwendenden Arzt die Gewissheit verschaffen kann, das aktuell von ihm innerhalb einer rechtswirksamen Aufklärung Gebotene zu beachten. Dies ist jedoch eine Wertschätzung, die jedem Merkblatt einzeln zukommt und nicht etwa der Gesamtheit der Blätter einen geistigen Inhalt verleiht, die der Summe der einzelnen Blätter nicht zukommen würde.

Schließlich stellt die erstrebte und wohl auch verwirklichte einheitliche äußere Gestaltung der einzelnen Blätter keine individuelle schöpferische Leistung im Sinne eines Sammelwerkes dar. Sie ergibt sich aus der Zweckmäßigkeit im täglichen Gebrauch der Merkblätter auch hinsichtlich ihrer jeweiligen Themenkreise und stellt eine rein handwerkliche Umsetzung des Gebotenen dar. Auf die zwischen den Parteien strittige Frage, wer die äußere Gestaltung der Blätter veranlaßt hat, braucht daher nicht eingegangen zu werden. Mangels Sammelwerkes erweist sich zusammenfassend die Berufung des Klägers als unbegründet.

Berufung der Beklagten:

Die Berufung der Beklagten ist begründet, da die Kennzeichnung "Herausgeber Dr. med. in der Fußzeile der Merkblätter keine Anmaßung der Urheberschaft an diesen Merkblättern darstellt. Zwar trifft es zu, daß bei einem Sammelwerk üblicherweise der Urheber als Herausgeber bezeichnet wird (Schricker/Loewenheim, a.a.O., § 4 RdNr. 20, Fromm/Nordemann, a.a.O., § 4 RdNr. 4; Haberstumpf, a.a.O., RdNr. 162). Daraus folgt aber nicht, daß quasi im Umkehrschluß die Benennung als Herausgeber die Behauptung enthielte, Urheber zu sein. Dies gilt umso mehr, als vorliegend nach den obigen Ausführungen gerade kein Sammelwerk existiert. Beim Begriff "Herausgeber" handelt es sich nicht um einen rechtlich fixierten Terminus.

Der wird vielmehr für unterschiedliche Fallgestaltungen verwendet. So gebraucht § 38 Abs. 1 Satz 1 UrhG den Begriff Herausgeber in Abgrenzung zum Urheber als dessen Vertragspartner. Anders als ein Urheber kann ein Herausgeber auch eine juristische Person sein (vgl. Haberstumpf, a.a.O., RdNr. 174). Im Verlagsrecht wird der Urheber häufig der "Herr des Unternehmens" sein, also der Träger der unternehmerischen Risikos (Schricker, Verlagsrecht, 3. Auflage, § 41 RdNr. 15). Diese unterschiedlichen Bedeutungsinhalte verbieten die Annahme eines Verkehrsverständnisses im Sinne einer Gleichsetzung mit "Urheber". Im Sprachgebrauch gilt vielmehr als Herausgeber diejenige Person oder Institution, die ein Werk erscheinen läßt, ohne notwendigerweise dessen Urheber zu sein (Fromm/Nordemann, Hertin, a.a.O., § 13 RdNr. 12). Die Gleichsetzung von Herausgeber und Urheber ergibt sich auch nicht daraus, daß "Herausgeber Dr. med. mit dem ohnehin nur gelegentlich vorgeschalteten Text "Dokumentierte Patientenaufklärung" an die Stelle von "im System der Stufenaufklärung nach W" getreten ist. Letzteres beinhaltete gerade keine Urheberbezeichnung. Aus ihrer Ersetzung kann damit nicht gefolgert werden, daß sie als Urheberangabe zu verstehen sei. Gegen dieses Verständnis spricht auch, daß in aller Regel nach "Herausgeber Dr. med." der Text: "Autoren: ..." folgt. Dem Herausgebernamen werden also Personennamen nachgeschaltet, die mit der Angabe "Autor" als die Schöpfer der Merkblätter gekennzeichnet sind.

Für diese vom Kläger behauptete Gleichsetzung von Herausgeber und Urheber kann auch nicht darauf abgestellt werden, daß der Kläger im Kreis der Abnehmer der Merkblätter als (Mit-)Schöpfer einer Vielzahl von Aufklärungsbögen bekannt war bzw. ist. Auch der frühere Fußleistentext führte die (Mit-)Autoren, also auch den Kläger, neben dem "System der Stufenaufklärung nach W" namentlich an. Sofern der Fußleistentext überhaupt zur Kenntnis genommen wird, liegt es deshalb nahe, daß erst die Bezeichnung als (Mit-)Autor als Hinweis auf die Urheberstellung aufgefaßt wurde.

Schließlich kann der Kläger seinen Klageanspruch gemäß Ziffer II. auch nicht auf Vertrag, also auf den Vergleich vom 28.6.1994 stützen. Dieser Vergleich verpflichtete die Beklagte zu 1) lediglich, den Namen des Klägers nicht mehr auf den Merkblättern aufzuführen. Damit war aber nichts darüber geregelt, wie die Fußleiste künftig gestaltet werden könnte bzw. sollte - ob etwa nunmehr der Beklagte zu 2) als Herausgeber aus seinen vertraglichen Beziehungen zur Beklagten zu 1) als der Herrin des Unternehmens genannt werden durfte (vgl. Schricker, Verlagsrecht, a.a.O.). Mangels vertraglicher Regelungen müßte sich der geltend gemachte Anspruch also aus dem Gesetz ergeben. Ein solcher gesetzlicher Anspruch liegt jedoch nicht vor. Die Berufung der Beklagten ist daher erfolgreich.

Nebenentscheidungen:

Die Kostenentscheidung ergibt sich aus §§ 91, 97 ZPO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf §§ 708, 711, 713 ZPO, da vorliegend die Revision gemäß § 546 Abs. 1 ZPO angesichts der Beschwer des Klägers von über 60.000,-- DM statthaft ist.

Ende der Entscheidung

Zurück