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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Nürnberg
Beschluss verkündet am 10.10.2007
Aktenzeichen: 3 W 1748/07
Rechtsgebiete: RVG VV


Vorschriften:

RVG VV Nr. 3100 Vorb. 3 Abs. 4
Die Rechtsprechung des BGH zum materiell-rechtlichen Kostenerstattungsanspruch hinsichtlich der auf die Verfahrensgebühr anrechenbaren Geschäftsgebühr (vgl. Urt. vom 07.03.2007, Az.: VIII ZR 86/06, in: NJW 2007, 2049 f) ist auch im Kostenfestsetzungsverfahren anwendbar.
3 W 1748/07

Nürnberg, den 10.10.2007

In Sachen

erläßt das Oberlandesgericht Nürnberg, 3. Zivilsenat, durch die unterzeichneten Richter folgenden

Beschluss:

Tenor:

I. Auf die sofortige Beschwerde der Beklagten wird der Kostenfestsetzungsbeschluss des Landgerichts Nürnberg-Fürth vom 20.07.2007 (Az.: 3 O 9141/06) abgeändert.

Die von der Beklagten an die Klägerin nach dem vorläufig vollstreckbaren Anerkenntnisurteil des Landgerichts Nürnberg-Fürth vom 20.06.2007 zu erstattenden Kosten werden auf 1.309.10 Euro nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz gem. § 247 BGB seit 21.06.2007 festgesetzt.

II. Die Klägerin trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.

III. Der Gegenstandswert des Beschwerdeverfahrens wird auf 367,90 Euro festgesetzt.

IV. Die Rechtsbeschwerde zum Bundesgerichtshof wird zugelassen.

Gründe:

I.

Die Parteien streiten darum, ob im Kostenfestsetzungsverfahren eine wegen desselben Gegenstandes entstandene Verfahrensgebühr von 1,3 in voller Höhe berücksichtigt werden kann, wenn mit der Klage ein materiell-rechtlicher Kostenerstattungsanspruch hinsichtlich der vorgerichtlich angefallenen Geschäftsgebühr nur in Höhe des nicht nach der Vorbemerkung 3 Abs. 4 zu Nr. 3100 VV RVG anzurechnenden Teils von 0,65 geltend gemacht wurde.

Mit Beschluss vom 20.07.2007 hat das Landgericht Nürnberg-Fürth eine von der Klägerin geltend gemachte Verfahrensgebühr von 1,3 in Höhe von 735,80 Euro für erstattungsfähig gehalten. Dabei hat es die Auffassung vertreten, dass die Geschäftsgebühr nach Nr. 2300 W RVG (Nr.2400 a.F.) bei der Berechnung der im gerichtlichen Verfahren angefallenen 1,3 Verfahrensgebühr nach Nr. 3100 W RVG im Kostenfestsetzungsverfahren nicht zu berücksichtigen sei und damit auch nicht zu einer Reduzierung der Verfahrensgebühr führen könne.

Hiergegen wendet sich die Beklagte mit ihrer am 03.08.2007 bei Gericht eingegangenen Beschwerde. Unter Hinweis auf die Rechtsprechung des BGH (Urteil vom 07.03.2007, NJW 2007, 2049 f) hält sie die Verfahrensgebühr lediglich in Höhe von 0,65 für erstattungsfähig.

Der Rechtspfleger hat der sofortigen Beschwerde durch Beschluss vom 17.08.2007 nicht abgeholfen.

II.

Die sofortige Beschwerde ist zulässig, § 11 Abs. 1 RPflG, §§ 104 Abs. 3 Satz 1, 567 Abs. 2 Satz 2 ZPO, insbesondere form- und fristgerecht angelegt, § 569 ZPO, und auch begründet.

Der Senat hält die Rechtsprechung des BGH zum materiell-rechtlichen Kostenerstattungsanspruch (Urteile vom 7.3.2007, a.a.O. und vom 14.3.2007, NJW 2007, 2050 ff) auch auf das Kostenfestsetzungsverfahren für anwendbar. Danach verringert sich dann, wenn gem. Teil 3 Vorbemerkung 3 Abs. 4 zu Nr. 3100 W RVG eine wegen desselben Gegenstandes entstandene Geschäftsgebühr anteilig auf die Verfahrensgebühr des gerichtlichen Verfahrens anzurechnen ist, nicht die bereits entstandene Geschäftsgebühr, sondern die in dem anschließenden gerichtlichen Verfahren anfallende Verfahrensgebühr. Dies ergibt sich aus dem andeutigen Wortlaut der Anrechnungsvorschrift.

Entgegen der Auffassung des OLG München (Beschluss vom 30.08.2007, Az.: 11 W 1779/07) kann insoweit kein Unterschied zwischen dem materiell-rechtlichen und kostenrechtlichen Erstattungsanspruch bestehen. Denn im Kostenfestsetzungsverfahren ist ebenso wie im Klageverfahren auf den Wortlaut der Anrechnungsvorschrift in Teil 3 Vorbemerkung 3 Abs. 4 VV RVG abzustellen. Da es hiernach für die Anrechnung allein darauf ankommt, ob wegen desselben Gegenstandes eine Geschäftsgebühr entstanden ist, kann das weitere Parteiverhalten, nämlich ob eine Partei im Rechtsstreit die vorgerichtlich entstandene Geschäftsgebühr in voller Höhe als materiell-rechtlichen Erstattungsanspruch geltend macht oder der im Rechtsstreit unterlegene Gegner diese bereits vor Erlass des Kostenfestsetzungsbeschlusses vollständig zahlt, nicht mehr von Bedeutung sein. Denn entstanden ist die Geschäftsgebühr bereits mit der ersten Tätigkeit des Rechtsanwalts nach Erhalt seines Auftrags (Gerold/Schmidt u. a., RVG, 17. Auflage, 2300, 2301 W Rdnr. 13). Dies führt in einem sich sodann anschließenden Verfahren nach der Anrechnungsvorschrift in jedem Fall zu einer Reduzierung der Verfahrensgebühr, unabhängig davon, in welcher Form die Geschäftgebühr geltend gemacht oder gezahlt wird. Die Anwendung der gesetzlichen Vorschrift kann nicht der Disposition der Parteien überlassen werden.

Der insoweit eindeutige und klare Wortlaut der Vorschrift kann auch nicht unter Hinweis auf die zu § 118 Abs. 2 Satz 1 BRAGO praktizierte und von der herrschenden Meinung weiterhin aus Praktikabilitätsgründen befürwortete Festsetzung der vollen Verfahrensgebühr im Kostenfestsetzungsverfahren umgangen werden. So betont der Bundesgerichtshof ausdrücklich, dass Gründe der Prozessökonomie es nicht gestatten können, ein Gesetz gegen seinen klaren Wortlaut anzuwenden. Dies gilt insbesondere deshalb, weil der Gesetzgeber die Kürzung der Verfahrensgebühr uneingeschränkt beabsichtigt hat, wie den Ausführungen in den Gesetzesmaterialien (BT-Drucksache 15/1971, S.209) zu entnehmen ist und der 19. Senat des VGH München (NJW 2006,1990 f) überzeugend ausgeführt hat.

Dem stehen auch nicht die Erwägungen des Landgerichts entgegen, im Rahmen des Kostenfestsetzungsverfahrens, das schon im Interesse der Rechtssicherheit klare, praktikable Berechnungsgrundlagen erfordere, könne selbst der "gut ausgebildete Rechtspfleger" nicht überprüfen, ob die konkrete Höhe der geltend gemachten und in Abzug zu bringenden Geschäftsgebühr berechtigt sei, sofern von der Regelgebühr abgewichen werde. Denn zum einen ist mit der hälftigen eine pauschalierte Anrechnung vorzunehmen, die sich weit überwiegend am Regelsatz, d.h. einer 1.3 Gebühr gern Nr. 2300 VV RVG (Nr. 2400 a.F.) orientiert. Zum anderen kommt es zu solcher Problematik dann nicht, wenn die Geschäftsgebühr bereits als materiell-rechtlicher Kostenerstattungsanspruch im Klageverfahren geltend gemacht wird, da in diesem Fall das Urteil eine Entscheidung über die Höhe der zu berechnenden Geschäftsgebühr enthält. Im anschließenden Kostenfestsetzungsverfahren kann der auf die Verfahrensgebühr anzurechnende Teil somit dem Urteil entnommen werden, ohne dass es einer weiteren diesbezüglichen Prüfung des Rechtspflegers bedarf.

Da die Anrechnungsbestimmung nach Teil 3 Vorbemerkung 3 Abs. 4 VV RVG somit auch im Kostenfestsetzungsverfahren zu berücksichtigen ist, war die geltend gemachte Verfahrensgebühr hälftig zu kürzen.

III.

Die Kostenentscheidung für das Beschwerdeverfahren folgt aus § 91 ZPO.

Der Beschwerdewert ergibt sich aus dem von der Beschwerde beanstandeten festgesetzten hälftigen Teil der Verfahrensgebühr.

IV.

Die Voraussetzungen für die Zulassung der Rechtsbeschwerde liegen vor, da die Rechtssache grundlegende Bedeutung hat, § 574 Abs. 2 Nr. 1 ZPO.

Ende der Entscheidung

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