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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Nürnberg
Urteil verkündet am 21.03.2001
Aktenzeichen: 4 U 3965/00
Rechtsgebiete: BayBG


Vorschriften:

BayBG Art. 96
Art. 96. BayBG - Forderungsübergang bzgl. Beihilfeleistungen

Der schadensersatzpflichtige Unfallverursacher ist nicht verpflichtet, dem Dienstherrn eines infolge der Verletzung in den Ruhestand versetzten Beamten auch solche Beihilfeleistungen zu ersetzen, die mit dem Unfall nichts zu tun haben.

OLG Nürnberg, Urteil vom 21.03.2001 Aktenzeichen: 4 U 3965/00 (nicht rechtskräftig)


Oberlandesgericht Nürnberg IM NAMEN DES VOLKES ENDURTEIL

4 U 3965/00 8 O 3384/00 LG Nürnberg-Fürth

In Sachen

wegen Schadensersatzes

hat der 4. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Nürnberg durch den Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht Behrschmidt und die Richter am Oberlandesgericht Braun und Prof. Dr. Rohe aufgrund der mündlichen Verhandlung vom 21. Februar 2001

für Recht erkannt:

Tenor:

I. Auf die Berufung der Beklagten wird das Endurteil des Landgerichts Nürnberg-Fürth vom 11. Oktober 2000 geändert.

II. Die Klage wird abgewiesen.

III. Der Kläger trägt die Kosten des Rechtsstreits.

IV. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Der Kläger kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 10.000 DM abwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

V. Die Entscheidung beschwert den Kläger mit 80.404,71 DM.

Beschluss

Der Streitwert im Berufungsverfahren beträgt 80.404,71 DM.

Tatbestand

Der Kläger verlangt von der Beklagten die Erstattung von Beihilfezahlungen, die er an einen unfallbedingt in den Ruhestand versetzten Beamten zu leisten hatte.

Am 29.06.1990 nahm der Polizeibeamte der BAB 6 (Richtung Heilbronn, km 768,65) einen Unfall auf. Im Verlauf der Unfallaufnahme fuhr ein Lkw, der bei der Beklagten haftpflichtversichert war, in die Unfallstelle und verletzte dabei PHM schwer. Die volle Haftung der Beklagten für Schäden aus diesem Unfallereignis steht dem Grunde nach außer Streit. Infolge dieses Dienstunfalls wurde PHM mit Ablauf des Monats Januar 1993 in den Ruhestand versetzt. Der Kläger erbrachte in der Zeit vom 23.03.1994 bis 24.02.2000 als Dienstherr für den geschädigten Beamten Beihilfeleistungen in Höhe von 80.404,71 DM, die auf nicht unfallbedingten Heilbehandlungs-Maßnahmen beruhen. Die Beklagte verweigert die Erstattung dieser Kosten.

Der Kläger hat im ersten Rechtszug die Ansicht vertreten, die Zessionsvorschrift des Art. 96 BayBG i.V.m. § 823 BGB, § 7 StVG, § 3 Nr. 1 PflVG erfasse auch die Aufwendungen für unfallfremde Beihilfeleistungen. Für den Anspruchsübergang reiche der zeitliche Zusammenhang zwischen Leistungsverpflichtung des Klägers und der Dienstunfähigkeit seines Beamten aus. Auf einen unmittelbaren kausalen Zusammenhang zwischen dem Unfall und den Beihilfeleistungen komme es nicht an. Mit der - unfallbedingten - Versetzung in den Ruhestand verliere der Beamte seinen ursprünglichen Rechtsstatus. Die danach entstehenden Beihilfe-Ansprüche gegen den Dienstherrn dürften den Schädiger nicht im Wege der Vorteilsausgleichung entlasten. Vielmehr dürfe der Schädiger bzw. sein Haftpflichtversicherer nicht besser stehen als derjenige, welcher in vergleichbarer Weise eine sozialversicherte Person schädige. Auch ein solcher Schädiger könne sich nicht auf das Eintreten der Krankenversicherung berufen, sondern müsse die Sozialversicherungsbeiträge fortentrichten, um dem Geschädigten seinen Krankenversicherungsschutz zu erhalten.

Der Kläger hat beantragt:

Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 80.404,71 DM nebst 5,36 % Zinsen aus 49.595,93 DM seit 16.3.1998, 4 % Zinsen aus 28.701,68 DM seit 16.8.1999 sowie 4 % Zinsen aus 2.107,10 DM seit Zustellung des Klageschriftsatzes zu bezahlen.

Die Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

Sie hat den Standpunkt vertreten, dass die streitigen Beihilfeleistungen einen originären Schaden des Klägers darstellen, welcher nicht von der Zessionsvorschrift des Art. 96 BayBG erfasst werde. Für nicht unfallbedingte Aufwendungen fehle es an der erforderlichen sachlichen Kongruenz mit dem Unfallereignis. Zwischen abstrakter Absicherung des Ruhestandsbeamten einerseits und den konkreten Einzelleistungen der Beihilfe andererseits müsse getrennt werden. Der Ruhestandsbeamte verliere nur seinen ursprünglichen Beihilfeanspruch aus dem aktiven Dienstverhältnis als solchen, ohne Rücksicht auf die Notwendigkeit von Einzelleistungen. Ein übergangsfähiger Schaden des Klägers könne sich allenfalls in der Höhe des Betrages ergeben, welcher für die Herstellung eines der Beihilfeberechtigung entsprechenden Versicherungsschutzes erforderlich sei.

Das Landgericht Nürnberg-Fürth hat der Klage - von Abstrichen bei den Zinsen abgesehen - stattgegeben. Es hat die Anwendbarkeit des Art. 96 BayBG bejaht und ist dabei im Wesentlichen der Argumentation des Klägers gefolgt. Dabei hat es sich maßgeblich auf die Ausführungen des Bundesgerichtshof in BGH VersR 1986, 463 gestützt. Eine unmittelbare Kausalität zwischen Verletzungshandlung des Schädigers und Leistungspflicht des Klägers sei nicht erforderlich. Die Ansprüche des Ruhestandsbeamten gegen seinen Dienstherrn dürften nicht im Wege der Vorteilsausgleichung angerechnet werden. Der weggefallene Beihilfeanspruch aus dem aktiven Dienstverhältnis habe alle Arten von Beihilfeleistungen umfasst. Infolgedessen bestehe der auszugleichende Schaden nicht in den Kosten für eine unfallfremde Heilbehandlung, sondern im Verlust dieser Rechtsposition. Dies sei vergleichbar mit der Ausgleichverpflichtung im Hinblick auf sozialversicherte Geschädigte, weil der Beihilfeanspruch dem Sozialversicherungsbeitrag als Bestandteil des Bruttoentgelts entspreche.

Gegen dieses Endurteil hat die Beklagte Berufung eingelegt.

Die Beklagte wiederholt im Kern ihre bereits im ersten Rechtszug vorgetragene Rechtsansicht. Mit seiner Argumentation verkenne das Landgericht den Charakter des Art. 96 BayBG als bloßer Zessionsnorm und behandle ihn wie eine eigenständige Anspruchsnorm. Auch sei der Beihilfeanspruch des Beamten mit Sozialversicherungsbeiträgen nicht vergleichbar. Ersterer sei nicht nur Entgelt für geleistete Dienste, sondern auch Teil des Unterhaltsanspruchs des Beamten nach dem Alimentationsprinzip. Dieser Anspruch entfalle aber nicht mit dem Übergang in den Ruhestand, so dass dem Beamten insoweit kein Schaden entstehen könne. Die abweichende Auffassung könne zu dem nicht hinnehmbaren Ergebnis führen, dass im Extremfall selbst immense unfallfremde Heilaufwendungen einem vielleicht nur mit leichtester Fahrlässigkeit handelnden Schädiger aufgebürdet würden. Ein übergangsfähiger Anspruch könne sich allenfalls in Höhe fiktiver Aufwendungen zum Erwerb eines entsprechenden Krankenversicherungsschutzes ergeben.

Die Beklagte beantragt,

das Urteil des Landgerichts Nürnberg-Fürth vom 11. Oktober 2000 abzuändern und die Klage abzuweisen.

Der Kläger beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Der Kläger bleibt bei seinem bereits im ersten Rechtszug vertretenen Standpunkt. Ergänzend verweist er darauf, dass in der Praxis die Haftpflichtversicherer in vergleichbaren Fällen auch unfallfremde Beihilfeleistungen erstattet hätten.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts wird auf das Urteil des ersten Rechtszuges sowie auf die gewechselten Schriftsätze Bezug genommen.

Eine Beweisaufnahme hat nicht stattgefunden.

Entscheidungsgründe

Die Berufung ist zulässig, sie ist insbesondere form- und fristgerecht eingelegt und begründet worden. Sie hat auch in der Sache Erfolg und führt zur Abweisung der Klage.

I.

Die Beihilfeleistungen des Klägers beruhen auf seinen originären Pflichten als Dienstherr des verletzten Beamten und stehen in keinem rechtlichen Zusammenhang mit dem Unfall, für dessen Folgen die Beklagte aufzukommen hätte. Die Aufwendungen werden daher von der Legalzession des Art. 96 BayBG nicht erfasst.

1. Art. 96 BayBG, der inhaltlich mit § 87 a BBG übereinstimmt, setzt nach seinem Wortlaut und Sinn voraus, dass dem verletzten Beamten infolge der Körperverletzung ein eigener gesetzlicher Schadensersatzanspruch gegen einen Dritten zusteht (vgl. Weiss/Niedermaier/Summer/Zängl, Bayerisches Beamtengesetz - Kommentar, Art. 96 Nr. 16 a). Nach dieser Vorschrift geht der Anspruch des verletzten Beamten insoweit auf den Dienstherrn über, als dieser während einer auf der Körperverletzung beruhenden Aufhebung der Dienstfähigkeit oder infolge der Körperverletzung zu Leistungen nach Art. 90 Abs. 1 BayBG verpflichtet ist. Dazu können auch Beihilfe-Leistungen im Krankheitsfall gehören.

Zwar ist der Dienstherr dem verletzten Beamten im konkreten Fall zu Leistungen nach Art. 90 Abs. 1 BayBG verpflichtet. Im Hinblick auf nicht unfallbedingte Beihilfeleistungen handelt es sich aber um eine originäre Pflicht aus dem Beamten- bzw. Ruhestandsverhältnis, der kein zunächst auf Seiten des verletzten Beamten entstandener Schaden entspricht (so auch Weiss/Niedermaier/Summer/Zängl a.a.0.; Schmalzl, VersR 1998, 210 in seiner abl. Anm. zu OLG Frankfurt a.M. VersR 1997, 1297; Küppersbusch, Ersatzansprüche bei Personenschäden, 7. Aufl., Rn. 551). Wollte man auch solche Leistungen der Schadensersatzpflicht des Schädigen zuordnen, wäre dies nicht mehr mit dem Übergang einer an sich beim Geschädigten entstandenen Forderung zu begründen, sondern liefe auf eine eigenständige Haftung des Schädigen für Schäden des Dienstherrn hinaus. Haftungsbegründend wirkt Art. 96 BayBG jedoch nicht.

Für den insoweit vergleichbaren Fall von Leistungen von Sozialversicherungsträgern hat der BGH in ständiger Rechtsprechung entschieden, dass der Sozialversicherungsträger vom Ersatzpflichtigen nicht Ersatz des eigenen "Schadens" in Gestalt seiner durch den Versicherungsfall ausgelösten, vom Gesetzgeber angeordneten Leistungsverpflichtungen beanspruchen kann, sondern dass er Erstattung nur insoweit verlangen kann, als konkrete Leistungen auf einen Schaden des Versicherten zu erbringen sind (BGH NJW 1984, 736, 738).

2. Zur Legalzession nach Art. 96 BayBG kommt es nur dann, wenn zwischen dem Schadensersatzanspruch des geschädigten Beamten und der Leistung des Dienstherrn ein zeitlicher und sachlicher Zusammenhang ("Kongruenz") besteht (Weiss/Niedermaier/Summer/Zängl Art. 96 Nr. 13 m.w.N.; allgemein zum Kongruenzerfordernis BGH VersR 1977, 427; NJW 1984, 736/737; BGH NJW 1984, 1811 m.w.N.).

a) Für unfallbedingte Leistungen - einschließlich der Fortzahlung von Bezügen trotz unfallbedingter Dienstunfähigkeit sowie unfallbedingter Beihilfen (Weiss/Niedermaier/Summer/Zängl aaO) - gilt dies ohne weiteres. Insoweit soll der Schädiger nicht dadurch entlastet werden, dass dem Geschädigten Ansprüche gegen einen Dritten - hier den Dienstherrn - zustehen, die den Schaden abdecken. Die erforderliche sachliche Kongruenz zwischen Schadensersatzanspruch des Geschädigten und Beihilfe-Leistung des Dienstherrn beruht darauf, dass die Beihilfe aus schadensrechtlicher Sicht einen Einkommensbestandteil darstellt, dessen Weiterzahlung den Schädiger nicht entlasten soll (vergleichbar BGH NJW 1984, 736, 737 für Pflichtbeiträge des Arbeitgebers zur Sozialversicherung; BGH NJW 1984, 1811 für Zahlungen von Arbeitslosenhilfe; dabei ist es auch unerheblich, dass dem Geschädigten die Mitgliedschaft in der Sozialversicherung unter Umständen auch ohne Beitragszahlung erhalten leibt, vgl. BGH NJW 1984, 736/737; 2000, 1338/1340 m.w.N.).

b) Anders verhält es sich hingegen mit nicht unfallbedingten Beihilfe-Leistungen, wie sie hier allein im Streit stehen. Sie beruhen ausschließlich auf der beamtenrechtlichen Beihilfe-Berechtigung des Verletzten selbst, die mit seiner Übernahme in das Beamtenverhältnis auf Lebenszeit grundsätzlich ebenfalls lebenslang besteht.

Allerdings haben das Oberlandesgericht Frankfurt a.M. (VersR 1997, 1297) und das Saarländische Oberlandesgericht (Urt. v. 7.6.1996, Az. 3 U 198/95) - denen sich das Landgericht in der angefochtenen Entscheidung angeschlossen hat die erforderliche Kongruenz in vergleichbaren Fällen bejaht. Sie stützen sich hierbei maßgeblich auf das Urteil des Bundesgerichtshof in BGH VersR 1984, 463.

Die jenem Urteil zu Grunde liegende Fallgestaltung - Versorgung von Hinterbliebenen - unterscheidet sich aber von der vorliegenden in einem wesentlichen Punkt: Dort ging es um Beihilfe-Leistungen an Hinterbliebene eines verletzten Beamten, hier geht es hingegen um Beihilfe-Leistungen an den verletzten Beamten selbst. Der Unterschied ist aus folgendem Grund wichtig und letztlich entscheidungserheblich:

aa) Im "Hinterbliebenen-Fall" (BGH aaO.) hatten die Angehörigen zu Lebzeiten des Beamten Unterhaltsansprüche gegen ihn persönlich. In diesem Rahmen war der Beamte verpflichtet, im Fall ihrer Erkrankung für die notwendigen Kosten aufzukommen oder ihnen statt dessen einen gleichwertigen Schutz zu bieten. Dies geschah, so lange der Beamte lebte und beihilfeberechtigt war, durch Einbeziehung seiner Angehörigen in seine Beihilfeansprüche gegen den Dienstherrn.

Diese Unterhaltsansprüche hatten die Hinterbliebenen durch den Tod des Beamten und damit als Folge des Unfalls verloren. Als Ausgleich erwarben sie gegen den Schädiger nunmehr Ersatzansprüche nach § 844 Abs. 2 BGB. Von dieser Schadensersatzpflicht gegenüber den Hinterbliebenen sollte der Unfallverursacher nicht deshalb frei werden, weil nach dem Tod des Beamten ein Dritter - nämlich der Dienstherr - den Hinterbliebenen (erstmals) einen eigenen Beihilfeanspruch einräumte.

Der Ersatzanspruch nach § 844 Abs. 2 BGB umfasst unter anderem sämtliche Krankheitskosten der Angehörigen, für die bisher der Unterhaltspflichtige hätte aufkommen oder für deren Übernahme er hätte sorgen müssen. Nach dem Tod des Unterhaltspflichtigen war an seine Stelle der Dienstherr mit vergleichbaren Beihilfeleistungen getreten. Am Inhalt der empfangenen Leistungen hatte sich aus Sicht der Empfänger im Ergebnis nichtsgeändert. Folgerichtig entschied deshalb der BGH, dass dem Erfordernis der sachlichen Kongruenz genügt sei (BGH a.a.O, 464 f.).

bb) Anders als Hinterbliebene, die durch den Tod des verletzten Beamten ihre Unterhaltsansprüche gegen ihn verlieren und damit zugleich ihre bisherige Absicherung im Krankheitsfall, behält der verletzte Beamte im Falle der Dienstunfähigkeit seine Beihilfeberechtigung gegen den Dienstherrn.

Beihilfeberechtigt bleibt der Beamte auch dann (sogar mit erhöhten Beihilfesätzen), wenn er - wie hier - auf Grund der Unfallverletzungen in den vorzeitigen Ruhestand versetzt wird. Die Versetzung in den Ruhestand beendet das Beamtenverhältnis nicht schlechthin, sondern wandelt es lediglich in ein besonderes Ruhestandsverhältnis um (§ 21 Abs. 2 BRRG; Peine/Heinlein, Beamtenrecht, 2. Aufl., S. 110; Wind/Schimana/Wichmann, Öffentliches Dienstrecht, 4. Aufl., S. 298). Manche Rechte, aber auch Pflichten (z.B. zur Amtsverschwiegenheit oder zur Ablehnung von Geschenken mit Bezug auf das frühere Amt) gelten im Ruhestand fort. So verhält es sich im Ergebnis auch mit der Beihilfeberechtigung. Mit der Fortdauer des Beihilferechts trotz

Dienstunfähigkeit verwirklicht sich ein Anspruch auf lebenslange Absicherung im Krankheitsfall, den der Beamte bereits mit Übernahme in das Beamtenverhältnis auf Lebenszeit erworben hatte.

3. Freilich ist aus schadensrechtlicher Sicht auch der Beihilfeanspruch im Ruhestand als funktionaler Bestandteil des Entgelts zu qualifizieren; er ist ein Äquivalent für die erbrachte Leistung aus der aktiven Beamtenzeit. Dass dieser Anspruch aus beamtenrechtlicher Sicht nicht der Alimentation zuzurechnen ist (Peine/Heinlein, aaO. S. 157), hat spezifische beamtenrechtliche Gründe, die jedoch für den hier allein in Rede stehenden Schadensausgleich ohne Bedeutung sind.

Wird der Beamte unfallbedingt in den vorzeitigen Ruhestand versetzt, so entgeht dem Dienstherrn bis zum Erreichen des gesetzlichen Ruhestandsalters die weitere Leistung des Beamten. Anders als bei kündbaren Arbeitsverhältnissen kann der Dienstherr sich der Weiterzahlung der Beamtenbezüge nicht entziehen. Dieser Umstand rechtfertigt es jedoch nicht, den Schädiger des Beamten auch zum Ersatz solcher Einzelleistungen heranzuziehen, die nicht unfallbedingt sind, sondern die der Dienstherr aufgrund der Beihilfeberechtigung auch ohne den Unfall hätte erbringen müssen.

Die Parallele zur höchstrichterlichen Rechtsprechung zu Erstattungsansprüchen von Sozialleistungsträgern führt hier nicht weiter. Sie ergäbe allenfalls eine Pflicht des Schädigers, die grundsätzlich abstrakten - also vom konkreten Leistungsfall unabhängigen - Beitragssummen zum Erhalt der bestehenden Sicherung zu verlangen.

Daran würde sich auch dann nichts ändern, wenn man entgegen der Ansicht des Senats der Meinung folgen wollte, wonach der Übertritt in den - hier vorgezogenen - Ruhestand eine strikte beihilferechtliche Zäsur bewirkt, die zur Folge hat, dass der Beamte seinen bisherigen Beihilfeanspruch vollständig verliert (so OLG Frankfurt aM. VersR 1997, 1297; ablehnend Küppersbusch aaO. Rn. 551; Schmalzl aaO.) und statt dessen mit Beginn des Ruhestandsverhältnisses einen eigenständigen Beihilfeanspruch neu erwirbt. Auch bei einer solchen Betrachtung würde der Geschädigte durch das schädigende Ereignis nicht etwa den Anspruch auf beihilferechtliche Erstattung von konkreten Einzelleistungen verlieren, sondern die zunächst nur abstrakte Absicherung für mögliche spätere Krankheitsfälle. Nur auf sie könnte sich daher die Vorteilsausgleichung beziehen, die zu Lasten des Schädigers auszuschließen wäre (vgl. OLG Frankfurt VersR 1997, 1297; Saarländisches OLG, Urt. v. 7.6.1996, Az. 3 U 198/95), nicht dagegen auf die vom Beihilfeträger erbrachten Einzelleistungen.

Eine solche Unterscheidung zwischen abstrakter Leistungsberechtigung und konkreter Ersatzforderung findet sich auch in der höchstrichterlichen schadensrechtlichen Rechtsprechung, wenngleich in anderem Zusammenhang (vgl. BGH NJW 1977, 802, 803 zum Verhältnis zwischen Sterbegeld und Beerdigungskosten).

Im übrigen führt das OLG Frankfurt a.M. selbst aus, dass "die mit dem Eintritt in den vorzeitigen Ruhestand erlangte Rechtsposition auf Zahlung von Versorgungsleistungen und Beihilfen" nicht im Wege der Vorteilsausgleichung angerechnet werden dürfe (aaO. 1297), ferner dass der auszugleichende Schaden "gerade nicht in den Kosten einer Heilbehandlung" bestehe, die in keinem Zusammenhang mit den Unfallereignis steht, sondern "in dem Verlust der Rechtsposition auf Zahlung von Beihilfen" (aaO. 1298). Diesem konstruktiven Ansatz pflichtet der Senat bei. Für den konkreten Fall bleibt diese rechtliche Betrachtungsweise aber ohne Folgen (vgl. 4).

Das OLG Frankfurt a.M. schwenkt sodann ohne nähere Begründung von der abstrakten Rechtsposition auf den Ersatz konkreter Einzel-Heilbehandlungen. Dieser Gleichsetzung vermag der Senat jedoch nicht zu folgen. Insbesondere passt die Parallele zur Ausgleichspflicht gegenüber hinterbliebenen Angehörigen aus den unter 2 b) genannten Gründen nicht.

4) Als Konsequenz der unter 3) angestellten Überlegungen wäre daran zu denken, den Schädiger wenigstens zum Ausgleich derjenigen Kosten heranzuziehen, die für eine dem bisherigen Beihilfeanspruch gleichwertige Absicherung im Krankheitsfall aufzuwenden sind. Begründen ließe sich ein solcher Ersatzanspruch des Dienstherrn mit der bereits oben erwähnten Erwägung, dass die Beihilfeberechtigung - wenngleich nicht in der rechtlichen Konstruktion in gewisser Weise auch ein Äquivalent für erbrachte oder erwartete Dienstleistungen ist. Wird der Beamte dienstunfähig, so verliert die Beihilfe diesen Gegenleistungs-Charakter. Wenn der Dienstherr sie gleichwohl weiter gewährt, dann auf Grund einer speziellen Fürsorgepflicht gegenüber dem Beamten, die nur dem Beamten selbst, nicht aber dem Schädiger zugute kommen soll. Es wäre daher jedenfalls nicht unbillig, wenn der Schädiger den dienstunfähig verletzten Beamten - über Art. 96 BayBG somit letztlich den Dienstherrn - in Bezug auf Absicherung im Krankheitsfall so stellen müsste, wie der Verletzte ohne den vom Schädiger verschuldeten Unfall gestanden hätte.

Ein solcher Ausgleich wäre auf verschiedenen Wegen zu erreichen, etwa durch die Bereitstellung eines der Beihilfe gleichwertigen Versicherungsschutzes oder durch einen Beitrag zu den Beihilfe-Risiken. Die Ausgleichpflicht müsste wohl auf den Zeitraum beschränkt bleiben, in dem der Beamte ohne die Verletzung mutmaßlich seinen Dienst hätte verrichten können, im allgemeinen also bis zum voraussichtlichen Eintritt in den gesetzlichen Ruhestand.

Gegen eine solche Lösung hat der Bundesgerichtshof in dem bereits erwähnten "Hinterbliebenen-Fall" (BGH VersR 1986, 463/465) Bedenken geäußert, sich jedoch nicht abschließend festgelegt. Auch der erkennende Senat sieht die vom BGH aufgezeigten Probleme, hält sie allerdings nicht für unüberwindbar.

Die Frage, ob dem Kläger (abgeleitet vom verletzten Beamten) nicht wenigstens ein solcher beschränkter Ausgleichsanspruch zusteht, kann indes vorliegend offen bleiben. Denn der Kläger macht einen solchen abstrakten Anspruch gerade nicht geltend, sondern besteht auf dem Ersatz konkreter Beihilfeleistungen. Hierauf hat er jedoch, soweit es sich um unfallunabhängige Aufwendungen handelt, aus den dargelegten Gründen keinen Anspruch.

II.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 ZPO.

Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit ergibt sich aus § 708 Nr. 10, § 711 ZPO.

Beschwer: §§ 3, 546 Abs. 2 ZPO.

Verkündet am 21. März 2001

Ende der Entscheidung

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