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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Nürnberg
Urteil verkündet am 27.02.2008
Aktenzeichen: 4 U 863/07
Rechtsgebiete: BGB


Vorschriften:

BGB § 277
BGB § 1359
Gehen Ehegatten gemeinsamer sportlicher Freizeitbetätigung (hier: Wasserskilaufen) nach und verursacht dabei ein Ehegatte die Verletzung des anderen, so gilt für den Schädiger das Haftungsprivileg der §§ 1359, 277 BGB. Die von der Rechtsprechung entwickelte Beschränkung des Haftungsprivilegs für Ehegatten bei Unfällen im Straßenverkehr (BGHZ 53, 352; BGHZ 63, 51) gilt hier nicht.
Oberlandesgericht Nürnberg IM NAMEN DES VOLKES

Az.: 4 U 863/07

verkündet am 27.02.2008

In dem Rechtsstreit

wegen Freistellung

erlässt das Oberlandesgericht Nürnberg -4. Zivilsenat- durch Richterin am Oberlandesgericht Reitzenstein, Richter am Oberlandesgericht Bartsch und Richter am Oberlandesgericht Bauer auf Grund der mündlichen Verhandlung vom 13.02.2003 folgendes

Endurteil:

Tenor:

I. Die Berufung des Klägers gegen das Endurteil des Landgerichts Regensburg vom 22.03.2007, Az. 3 O 2498/06, wird zurückgewiesen

II. Der Kläger hat die Kosten des Berufungsverfahrens zu tragen.

III. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Der Kläger kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht der Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des jeweils beizutreibenden Betrages leistet.

IV. Die Revision wird zugelassen.

Beschluss:

Der Streitwert für das Berufungsverfahren wird auf 40.000,00 € festgesetzt.

Gründe:

I.

Der Kläger begehrt Freistellung von Schadensersatzanspruchen in einem Umfang von 80 % im Wege des Gesamtschuldnerausgleichs.

Am 10.08.2001 kam es auf dem Gardasee in Italien zu einem Bootsunfall, bei dem die Ehefrau des Beklagten, Frau Dr. A S, schwer verletzt wurde. Der Beklagte und seine Ehefrau waren auf Einladung des Klägers mit diesem und einem weiteren Gast an Bord auf dem Gardasee mit dem Motorboot des Klägers zum wechselseitigen Wasserskifahren ausgefahren. Zum Zeitpunkt des Unfalles führte der Beklagte das Motorboot des Klägers. Der Beklagte hat selbst ein Motorboot. Dieses wird über zwei Hebel gesteuert, wobei jeder Hebel einen Motor ansteuert. Gas- und Getriebe sind dabei gekoppelt, so dass das Boot des Beklagten bei Vorwärtsstellung der Hebel nach vorne fährt und beim Zurückziehen der Hebel nach hinten. Das Motorboot des Klägers wird dagegen über vier Hebel bedient. Die beiden größeren, äußeren Hebel fassen sich nur nach vorne bewegen und sind mit dem Gaspedal im Auto vergleichbar. Die beiden kleineren Hebel in der Mitte stellen das Getriebe dar. Sind diese beiden kleineren Hebel nach vorne geschoben, fährt das Boot vorwärts, befinden sie sich in rückwärtiger Stellung, fährt das Boot rückwärts. In der Mitte befindet sich der Leerlauf. Zum Zeitpunkt des Unfalles befanden sich die Getriebehebel etwa in der Mitte, jedoch war der Leerlauf nicht eingerastet. Tatsächlich war noch der Rückwärtsgang eingestellt.

Das Betreiben von Wasserski in Binnengewässern ist in Italien durch Ministerialerlass Nr. 550 vom 20.07.1994 (Anlage K 7 = B 1) geregelt. Dieser Ministerialerlass hat auszugsweise folgenden Inhalt:

Artikel 1

Abs. 1 Das Betreiben von Wasserski in Binnengewässern ist tagsüber bei günstigen Witterungsbedingungen unter den folgenden Bedingungen gestattet:

...

b) Dem Führer des Schleppfahrzeuges muss eine Person, die schwimmen kann, zur Seite stehen, welche die Aufgabe hat, beim Zuwasserlassen behilflich zu sein und den Wasserskifahrer im Auge zu behalten.

...

h) In Gewässerbereichen vor Stränden, wo es keine eigenen Bereiche oder Startabschnitte gibt, müssen der Start und die Rückholung durch die Schleppfahrzeuge im rechten Winkel zum Festland oder mit Motor auf kleinster Leistung erfolgen. In jedem Falle darf die Geschwindigkeit auf den ersten 200 Metern höchstens drei Knoten betragen Es sind alle erforderlichen Vorkehrungen zur Vermeidung von Unfällen in den genutzten Bereichen zu treffen.

Am 10.08.2001 etwa gegen 18.00 Uhr fuhr die Ehefrau des Beklagten hinter dem Boot Wasserski. Sie benutzte dabei einen sogenannten Monoski. Gesteuert wurde das Motorboot zu diesem Zeitpunkt vom Beklagten. Der Kläger und der Zeuge P befanden sich ebenfalls auf dem Boot. Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten des Unfallherganges wird auf die tatsächlichen Feststellungen im angefochtenen Urteil Bezug genommen (§ 540 Abs. 1 Nr. 1 ZPO).

Durch den Unfall erlitt die Ehefrau des Beklagten schwere Verletzungen. Unter anderem musste ihr der linke Unterschenkel amputiert werden. Auch ihr rechtes Knie wurde erheblich verletzt.

Mit rechtskräftigem Urteil des Oberlandesgerichts München vom 14.09.2005, Az. 27 U 65/05, wurde der Kläger verurteilt, an die Ehefrau des Beklagten ein Schmerzensgeld in Höhe von 45.000,00 € nebst Zinsen hieraus in Höhe von 5-%-Punkten über dem Basiszinssatz seit 06.12.2001 zu bezahlen. Weiterhin stellte das OLG München fest, dass der Kläger verpflichtet sei, der Ehefrau des Beklagten sämtliche materiellen und immateriellen Schäden, die aus dem Unfall vom 10.08.2001 künftig entstehen, zu ersetzen, soweit die Ansprüche nicht auf Sozialversicherungsträger oder sonstige Dritte übergegangen sind. In dem damaligen Rechtsstreit hatte der damalige Beklagte und jetzige Kläger dem Ehemann der Geschädigten und jetzigen Beklagten mit Schriftsatz vom 09.07.2004 den Streit verkündet, verbunden mit der Aufforderung, dem Rechtsstreit auf Seiten des Beklagten beizutreten. Der Streitverkündungsschriftsatz wurde dem Ehemann der Geschädigten am 23.07.2004 zugestellt.

Der Kläger ist der Auffassung, ihn treffe im Innenverhältnis zum Beklagten an dem Bootsunfall nur eine geringe Teilschuld, welche einem Haftungsanteil von nicht mehr als 20 % entspreche. Aufgrund der im Vorprozess erklärten Streitverkündung sei Verjährung nicht eingetreten.

Der Kläger hat in erster Instanz zuletzt beantragt:

Der Beklagte wird verurteilt, den Kläger von sämtlichen Schadensersatzansprüche materieller und immaterieller Art, welche Frau Dr. A S gegen den Kläger aus dem Motorbootunfall vom 10.08.2001 auf dem Gardasee in Italien aufgrund des Feststellungsurteil des OLG München vom 14.O9.2OO5, Az. 27 U 5/05 künftig geltend machen wird und die die Sozialversicherungsträger derzeit geltend machen bzw. noch geltend machen werden, in einem Umfang von 80 % freizustellen.

Der Beklagte hat erstinstanzlich beantragt,

die Klage abzuweisen.

Der Beklagte rügt, dass der Kläger im Hinblick auf den zuletzt gestellten Klageantrag noch keinen schlüssigen Sachvortrag zu einer Inanspruchnahme durch Sozialversicherungsträger vorgebracht habe. Er ist der Auffassung, ihm komme die Haftungserleichterung des § 1359 BGB zugute, so dass er für die Verletzungen seiner Ehefrau nicht hafte. Seine Fehlreaktion habe im vorliegenden Fall nicht die eigenübliche Sorgfalt im Sinne von § 277 BGB verletzt und stelle sich auch nicht als grob fahrlässig dar.

Das Landgericht Regensburg hat mit Endurteil vom 22.03.2007 die Klage abgewiesen und dem Kläger die Kosten des Rechtsstreits auferlegt.

Das Landgericht begründet die Klageabweisung im Wesentlichen damit, der Beklagte hafte nicht für die Folgen des Bootsunfalles, da der für ihn geltende Haftungsmaßstab § 1359 BGB i.V.m. § 277 BGB zu entnehmen sei und das Verhalten des Beklagten die dort gezogenen Grenzen nicht überschritten habe. Das Fehlverhalten des Beklagten habe sich vielmehr als Augenblicksversagen in einer Stresssituation dargestellt. Da der Beklagte somit für die Folgen des Bootsunfalles nicht einzustehen habe, komme auch ein Gesamtschuldnerausgleich nicht in Betracht.

Ergänzend wird gemäß § 540 Abs. 1 Nr. 1 ZPO auf die Feststellungen im Ersturteil sowie auf die in erster Instanz eingereichten Schriftsätze der Parteien einschließlich Anlagen Bezug genommen.

Mit seiner Berufung begehrt der Kläger die Aufhebung des Ersturteils und die Verurteilung des Beklagten dazu, ihn in einem Umfang von 80 % von den Schadensersatzansprüchen der Frau Dr. Angelika Schleicher und der Sozialversicherungsträger freizustellen.

Der Kläger ist der Auffassung, die Haftungsprivilegierung des §1359 BGB komme dem Beklagten im vorliegenden Fall nicht zugute, da es sich nicht um eine Körperverletzung unter Ehegatten im häuslichen Bereich gehandelt habe und deshalb die Haftungseinschränkung für den deliktischen Anspruch der Geschädigten nicht gelte. Darüber hinaus sei der vorliegende Fall vergleichbar mit zwei Entscheidungen des Bundesgerichtshofs, in denen der BGH die Anwendbarkeit des § 1359 BGB für eine Verletzung des Ehegatten bei einem Unfall im Straßenverkehr ausdrücklich ausgeschlossen habe. Weiter führe eine Anwendbarkeit des § 1359 BGB auf Fälle wie den vorliegenden zu Ungerechtigkeiten und Ungleichbehandlungen, wenn an der Schädigung eines Ehegatten neben dem privilegierten anderen Ehegatten ein Dritter beteiligt sei, der wegen der Privilegierung des Mitschädigers dann alleine und voll umfänglich für den entstandenen Schaden haften müsse. Hinzu komme noch der Gesichtspunkt, dass bekanntlich jedes Motorboot, das auf öffentlichen Gewässern bewegt werde, versichert sei und es in Italien eine diesbezügliche Pflichtversicherung gebe, über die - wie üblich - auch der Bootsführer mitversichert sei.

Schließlich ist der Kläger der Auffassung, das Verhalten des Beklagten sei auch nicht als Augenblicksversagen zu werten. Der Beklagte habe den Unfall vermeiden können, indem er einfach den Motor des Bootes ausgeschaltet hätte.

Der Kläger beantragt im Berufungsverfahren,

unter Abänderung des landgerichtlichen Endurteils den Beklagten zu verurteilen, den Kläger von sämtlichen Schadensersatzansprüchen materieller und immaterieller Art, welche Frau Dr. A S gegen den Kläger aus dem Motorbootunfall vom 10.08.2001 auf dem Gardasee in Italien aufgrund des Feststellungsurteils des OLG München vom 14.09.2005 (Az. 27 U 65/05) künftig geltend machen wird und die die Sozialversicherungsträger derzeit geltend machen bzw. noch geltend machen werden, in einem Umfang von 80 % freizustellen.

Der Beklagte beantragt im Berufungsverfahren,

die Berufung des Klägers gegen das Endurteil des Landgerichts Regensburg vom 22.03.2007 zurückzuweisen.

Der Beklagte verteidigt das erstinstanzliche Urteil und wiederholt im Wesentlichen seinen in erster Instanz eingenommenen Rechtsstand. Der Beklagte erhebt die Einrede der Verjährung und ist der Auffassung, jedenfalls der Freistellungsanspruch hinsichtlich der Klageerweiterung in der mündlichen Verhandlung am 15.02.2007 in Bezug auf die Ansprüche der Sozialversicherunpsträger sei längst verjährt.

Hinsichtlich des weiteren Parteivorbringens im Berufungsverfahren wird auf die gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.

Der Senat hat mit Verfügung vom 05.07.2007 auf seine Bedenken hinsichtlich der Begründetheit der Berufung hingewiesen.

Eine Beweisaufnahme hat nicht stattgefunden. Dem Senat lagen die feigezogenen Akten des OLG München, Az. 27 U 65/05, vor.

II.

Der zulässigen Berufung des Klägers ist kein Erfolg beschieden. Das Landgericht hat in der Sache zutreffend einen Anspruch des Klägers gegen den Beklagten auf Freistellung von Schadensersatzansprüchen der Geschädigten und der Sozialversicherungsträger verneint. Die hiergegen vom Kläger in der Berufungsinstanz erhobenen Einwände vermögen dem Rechtsmittel nicht zum Erfolg zu verhelfen.

Die von der Klagepartei beantragte Freistellung von Schadensersatzansprüchen der Geschädigten (Frau Dr. A S) im Umfang von 80 Prozent setzt - wie in der Klageschrift richtig dargelegt - eine gesamtschuldnerische Haftung des Klägers und des Beklagten im Sinne der §§421, 426, 840 BGB voraus. Eine solche kann im vorliegenden Fall jedoch nicht angenommen werden.

1.) Die Haftung des Klägers gegenüber der Geschädigten wegen fahrlässiger Verletzung der ihm als Eigentümer des Motorbootes und auch als Begleitperson beim Wasserskifahren obliegenden Verkehrssicherungspflicht steht aufgrund des Endurteils des OLG München vom 14.09.2005 (Az. 27 U 65/05) rechtskräftig fest.

2.) Dagegen muss der Beklagte als Ehemann der Geschädigten aufgrund der hier anwendbaren Privilegierung nach §§ 1359, 277 BGB nicht für sein objektiv vorliegendes Fehlverhalten haften, so dass zwischen ihm und dem Kläger kein Gesamtschuldverhältnis besteht. Demzufolge kommen auch die Grundsätze des "gestörten Gesamtschuldnerausgleichs" nicht zur Anwendung. Der Bundesgerichtshof hat in seinem Urteil vom 1.03.1988 (VI ZR 190/87, NJW 1988, 2667) unter ausdrücklicher Aufgabe seiner früheren Rechtsprechung (BGHZ 35, 317) festgestellt, dass der privilegierte Mitschädiger "schon gar nicht in die Regelung des § 840 Abs. 1 BGB hineinwachse", so dass es auch nicht zu einer gesamtschuldnerischen Haftung mit einem nicht privilegierten Schädiger kommen könne. Dies sei eine Folge des Ausgleichssystems, die im Rahmen der Deliktshaftung grundsätzlich allen Schädigern zugemutet werde. In einer späteren Entscheidung (Urteil vom 15.06.2004, VI ZR 60/03, NJW 2004, 2392) hat der BGH diese Grundsätze auch unter Berücksichtigung der hiergegen in der Literatur erhobenen Bedenken nochmals bekräftigt.

a.) Das Haftungsprivileg des § 1359 BGB kommt dem Beklagten im vorliegenden Fall zugute.

Der Beklagte und die Geschädigte sind Eheleute. Der Unfall ereignete sich bei gemeinsamer sportlicher Betätigung in der Freizeit. Nach herrschender Meinung, der sich der Senat anschließt, gilt die Haftungserleichterung des § 1359 BGB für die Erfüllung (einschließlich Nichterfüllung und Schlechterfüllung) aller "sich aus dem ehelichen Verhältnis ergebenden Verpflichtungen", also - über die §§ 1353 bis 1362 BGB hinaus - grundsätzlich für den Gesamtbereich des ehelichen Pflichtenkreises, auch für die damit etwa konkurrierende Deliktshaftung (BGH, VI ZR 190/87 = NJW 1988, 2667 zu § 1664 BGB; OLG Hamm, Urt. v. 21.02.2001, 13 U 208/00, BeckRS 2001, 30163419; KG, Urt. v. 6.04.2001, MDR 2002, 35; Münchener Kommentar zum BGB, Wacke, 4. Aufl. 2000, § 1359 Rdn. 10; Staudinger/Heinz, BGB, Neubearbeitung 2000, § 1359 Rdn. 15; RGRK zum BGB, 12. Aufl., Roth/Stielow, § 1359 Rdn.3; Soergel-Lange, BGB, 12. Aufl., § 1359 Rdn.2).

Sollen Haftungserleichterungen ihren gesetzgeberischen Zweck erfüllen, müssen sie generell und unabhängig von ihrer jeweiligen Anspruchsgrundlage wirksam sein (RGRK zum BGB, 12. Aufl., Adelmann, § 1664 Rdn.11) und dürfen nicht durch Nichtanwendung im Deliktsrecht praktisch weitgehend außer Kraft gesetzt werden (BGHZ 46, 313).

Im vorliegenden Fall gehörte es zum ehelichen Pflichtenkreis des Beklagten, gemäß § 1353 Abs.1 BGB bei der gemeinsamen Freizeitbetätigung des Wasserskilaufens die körperliche Unversehrtheit seiner Ehefrau zu schützen und vor Schäden zu bewahren. Für einen Unfall bei gemeinsamer Freizeitbetätigung der Eheleute können keine anderen Grundsätze gelten, als für einen Unfall in der gemeinsamen Ehewohnung (so auch OLG Hamm, Urt v. 21.02.2001, 13 U 208/00, BeckRS 2001, 30163419). Deshalb bestimmt sich bei gemeinsamer sportlicher Betätigung als Teil der ehelichen Lebensgemeinschaft gemäß § 1353 Abs.1 S.2 BGB der wechselseitige Haftungsmaßstab aus § 1359 BGB (vgl. RGRK zum BGB, 12. Aufl., Roth/Stielow, § 1359 Rdn.10 zum gemeinsamen Sportfliegen).

Die gemeinsame sportliche Betätigung erhöht die Wahrscheinlichkeit der Verletzung von Rechtsgütern des Partners. Der Fahrlässigkeitsmaßstab des § 276 BGB würde die eheliche Gemeinschaft auf Dauer über Gebühr belasten (Staudinger, a.a.O., § 1359 Rdn.6,7).

Etwas anderes gilt nach herrschender Meinung jedoch bei Unfällen im Straßenverkehr (a.A. z.B. Staudinger, a.a.O., § 1359 Rdn. 22). Dort soll der Geschädigte durch eine Anwendung des § 1359 BGB die Ansprüche gegen die Kfz-Haftpflichtversicherung des Ehegatten, der den Unfall schuldhaft verursacht hat, nicht verlieren. Darüber hinaus beruht die Ausnahme auf dem Gedanken, dass sich niemand angesichts der Normendichte und des ausdifferenzierten Vorschriftengefüges der Straßenverkehrsregelungen darauf berufen können soll, er beachte die Verkehrsregeln weniger genau, als vorgeschrieben (vgl. BGH, Urt. v. 11.03.1970, IV ZR 772/68 = BHG2 53, 352; BGH, Urt. v. 10.7.1974, IV ZR 212/72, BGHZ 63, 51 = NJW 1974, 2124).

Im vorliegenden Fall handelt es sich nicht um einen Unfall im Straßenverkehr, sondern um einen Unfall bei der gemeinsamen Freizeitgestaltung. Zwar gibt es auch für das Betreiben von Wasserski in Binnengewässern allgemeine Regelungen, hier insbesondere den Ministerialerlass Nr. 550 vom 20. Juli 1994, der als örtliche Verhaltensregel zur Vermeidung von Unfällen unabhängig von der Anknüpfung des Deliktsstatuts auch im vorliegenden Fall heranzuziehen ist (vgl. Palandt/Heldrich, 67. Aufl., Art. 40 EGBGB Rdn. 8 m.w.N.). Das dort in Art.1 Abs.1 lit. h) niedergelegte Gebot, "alle erforderlichen Vorkehrungen zur Vermeidung von Unfällen in den genutzten Bereichen zu treffen", ist jedoch recht allgemein gehalten und mit den Detailregelungen des Straßenverkehrs nicht vergleichbar, die für einen individuellen Sorgfaltsmaßstab keinen Raum lassen. Gerade die "Erforderlichkeit" der Vorkehrungen zur Unfallvermeidung wird subjektiv von einem eher nachlässigen Menschen sicherlich anders beurteilt, als von einem besonders korrekten oder gar ängstlichen, so dass hier - anders als im allgemeinen Straßenverkehr - der für die Anwendbarkeit des § 1359 BGB erforderliche Rahmen der individuellen Sorgfalt eröffnet ist.

Auch der von der Klagepartei in der Berufungsbegründung gezogene Vergleich mit der Entscheidung des Bundesgerichtshofs (BGH, NJW 2001, 2092) greift aus diesem Grunde nicht. Während der Beklagte dort gegen § 12 Abs. 1 Nr.3, 5 UVV, also gegen eine ganz konkrete Verhaltensaufforderung verstoßen hat, steht Art.1 Abs.1 lit. h) des Ministerialerlasses Nr. 550 letztlich nur eine Umschreibung der allgemeinen Verkehrssicherungspflicht dar.

Die Anwendbarkeit des Haftungsmaßstabes des § 1359 BGB auf den vorliegenden Unfall führt auch nicht deshalb zu einem unangemessenen Ergebnis, weil der Geschädigten dadurch etwa Ansprüche gegen eine Haftpflichtversicherung entzogen würden. Zur Frage des Versicherungsschutzes trägt der Kläger in der Berufungsinstanz vor, es gebe "bekanntlich" in Italien eine Pflichtversicherung für jedes Motorboot, das auf öffentlichen Gewässern bewegt werde, über die "wie üblich" auch der Bootsführer mitversichert sei. Da der Beklagte unter Zugrundelegung dieses Vortrags nur über die vom Kläger als Bootseigner abgeschlossene Pflichtversicherung mitversichert wäre und diese Versicherung aufgrund der rechtskräftigen Verurteilung des Klägers durch das Oberlandesgericht München ohnehin in der Haftung steht, entsteht der Geschädigten durch die Anwendung des §1359 BGB auch kein wirtschaftlicher Nachteil. Hierdurch unterscheidet sich der vorliegende Fall von der Fallkonstellation, die dem Urteil des BGH vom 10.07.1974 (a.a.O.) zur Nichtanwendbarkeit des § 1359 BGB bei Unfällen im Straßenverkehr zugrunde lag. Dort war der Ehemann der Geschädigten, der den Unfall verursacht hat, zugleich Halter und Fahrer des verunglückten Kraftwagens. Die Anwendung des § 1359 BGB hätte in jenem Fall dazu geführt, dass die Geschädigte keine Ansprüche gegen die für den Pkw abgeschlossene Haftpflichtversicherung hätte geltend machen können.

b.) Nach §§ 1359, 277 BGB hat der Beklagte nur für die Sorgfalt einzustehen, die er in eigenen Angelegenheiten anzuwenden pflegt. Bei Anlegung dieses Sorgfaltsmaßstabs ist der Beklagte hier von einer Haftung für die Folgen des Unfalles befreit.

Die Klagepartei weist in der Berufungsbegründung zutreffend darauf hin, dass die Darlegungs- und Beweislast für das Maß der Sorgfalt, welche er in eigenen Angelegenheiten anzuwenden pflegt, beim Beklagten liegt und dass hierzu ein substantiierter Sachvortrag des Beklagten fehlt.

Dennoch kommt dem Beklagten die Haftungsprivilegierung hier zugute, da sich der Unfall bei einer nicht alltäglichen Tätigkeit (gemeinsames Wasserskilaufen) aufgrund besonderer Umstände (Nichtvertrautsein des Beklagten mit dem Boot des Klägers; schreckbedingte Fehlreaktion des Beklagten) ereignet hat, und es deshalb an einem geeigneten Vergleichsmaßstab fehlt. Wo aber vergleichbare eigene Angelegenheiten fehlen, ist auf die persönlich zumutbare Sorgfalt abzustellen (vgl. OLG Hamm, a. a. O., m.w.N.). Die persönlich zumutbare Sorgfalt kann hier aufgrund des weitgehend unstreitigen Geschehensablaufes bestimmt werden. § 1359 BGB mildert im Hinblick auf die partnerschaftliche Solidarität den strengen Haftungsmaßstab des § 276 BGB.

Nach Überzeugung des Senats lässt sich der Unfallbeitrag des Beklagten nur durch ein Augenblicksversagen erklären.

Der Beklagte hatte die Zeichen seiner Ehefrau, mit dem Wasserskifahren aufhören zu wollen, nicht richtig verstanden und bemerkte - anders als der Kläger - zunächst nicht, dass sie auf das Heck des Motorbootes zuschwamm. Der sehr späte Warnschrei des Klägers, der auf dem Boot die Aufgabe der Beobachtung der Wasserskifahrerin im Sinne des Art.1 Abs.1 lit. b) des Ministerialerlasses Nr. 550 übernommen hatte, der aber erst reagierte, als sich die Geschädigte bereits nahe beim Boot befand, verursachte eine Schreckreaktion des Beklagten. Dieser hatte aufgrund des Nichtvertrautseins mit dem Boot des Klägers nicht bemerkt, dass die Fahrhebel nicht - wie er dachte - auf Neutralstellung standen, sondern tatsächlich auf "Rückwärtsfahrt" eingestellt waren. Durch den Warnschrei des Klägers zu einer sofortigen Reaktion veranlasst, drückte der Beklagte beide Gashebel nach vorne, eine Reaktion, die bei einfacheren Motorbooten wie seinem eigenen möglicherweise richtig gewesen wäre, da ein nach vorne gedrückter Gashebel bei Booten ohne separate Fahrhebel Vorwärtsfahrt bedeutet und das Boot mit schneller Vorwärtsfahrt vielleicht noch rechtzeitig aus dem Gefahrbereich hätte manövriert werden können.

Aufgrund der Bauweise des Bootes des Klägers, dessen separate Fahrhebel auf "Rückwärtsfahrt" standen, setzte der Beklagte jedoch durch das Umlegen der Gashebel nach vorne die eigentliche Unfallursache, da das Boot mit hoher Geschwindigkeit rückwärts auf die Geschädigte zuschoss und diese erheblich verletzte. Dass sich die Fahrhebel nicht - wie der Beklagte dachte - in Neutralposition befanden, sondern tatsächlich auf "Rückwärtsfahrt" standen, bemerkte der Beklagte vorher nicht, da das Boot sich bis kurz vor dem Unfall noch in Vorwärtsfahrt befand und diese Vorwärtsgeschwindigkeit noch nicht ganz aufgezehrt war.

Soweit der Kläger hierzu vorträgt, der Beklagte hätte besonnener reagieren müssen, indem er "einfach den Motor des Bootes ausgeschaltet hätte", so mag dies zwar bei rückblickender, objektiver Betrachtungsweise zutreffen. Gerade weil der Beklagte jedoch mit dem Boot des Klägers nicht vertraut war, kann es ihm unter Zugrundelegung des Haftungsmaßstabes der §§ 1359, 277 BGB nicht zum Vorwurf gemacht werden, in der Stresssituation nach dem Warnschrei des Klägers nicht sofort an diese Möglichkeit gedacht, sondern gewissermaßen reflexartig beide Gashebel nach vorne gedrückt zu haben, um vermeintlich das Boot aus dem Gefahrenbereich zu steuern.

Der Kläger dagegen kannte die technischen Vorrichtungen seines eigenen Bootes. Da er sich in unmittelbarer Nähe zum Beklagten befand, wäre es für ihn ohne weiteres möglich gewesen, den Motor abzuschalten, als er erkannte, dass die Geschädigte auf das Boot zuschwamm. Seine Aufgabe als Begleitperson im Sinne des Art.1 Abs.1 lit. b) des Ministerialerlasses Nr. 550 wäre es gewesen, die Ehefrau des Beklagten im Auge zu behalten und den Beklagten als Bootsführer rechtzeitig darüber zu informieren, dass seine Ehefrau das Wasserskilaufen beendet hatte und auf das Boot zuschwamm. Zu diesem Zeitpunkt hätte der Kläger auch durch eigene Handlung oder durch klare Anweisung an den Beklagten dafür Sorge tragen müssen, dass die Bootsmotoren abgeschaltet würden.

Im Gegensatz zu Fällen, in denen der Handelnde beispielsweise aufgrund einer einfachen, kurzzeitigen Unachtsamkeit das Rotlicht einer Ampel übersieht und in denen die Rechtsprechung in vielen Fällen dennoch von grober Fahrlässigkeit ausgeht, steht im vorliegenden Fall nicht ein kurzzeitiges "Nichtaufpassen" des Beklagten, sondern das unheilvolle Zusammenwirken einer ganzen Reihe von Umständen im Vordergrund, welches die persönliche Schuld des Beklagten in einem milderen Licht erscheinen lässt.

Der gesamte, insoweit unstreitige Geschehensablauf lässt sich bei natürlicher Betrachtungsweise im Hinblick auf das Verhalten des Beklagten nur als Augenblicksversagen qualifizieren, das üblicherweise als folgenschwere, aber dennoch typisch menschliche Fehleinschätzung oder Fehlreaktion definiert wird, die jedem, auch dem im Allgemeinen sorgfältigen und verantwortungsbewussten Menschen, einmal unterlaufen kann.

Der Sorgfaltsverstoß des Beklagten überschreitet somit nicht die Schwelle des §277 BGB, so dass eine Haftung des Beklagten gemäß § 1359 BGB ausscheidet. Für den beantragten Gesamtschuldnerausgleich ist demzufolge kein Raum.

3.) Da somit bereits eine Haftung des Beklagten dem Grunde nach ausscheidet, kann dahinstehen, ob die Hemmung der Verjährung nach § 204 Abs.1 Nr.6 BGB dadurch, dass der Kläger dem Beklagten im Rechtsstreit vor dem Landgericht Augsburg (Az.1 O 239/04) mit Schriftsatz vom 9.07.2004 (Bl. 54 d. Beiakte) den Streit verkündet hat, auch den erweiterten Antrag erfasst, den der Kläger im Verhandlungstermin am 15.02.2007 (Bl. 27 d.A.) gestellt hat.

III.

1. Die Entscheidung über die Kosten beruht auf § 97 Abs.1 ZPO.

2. Der Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit liegen die §§ 708 Nr. 11, 711 ZPO zugrunde.

3. Gemäß § 543 Abs.1, Abs.2 Nr.2 ZPO wird die Revision zum Bundesgerichtshof zur Fortbildung des Rechts zugelassen.

Der Rechtsstreit wirft die Frage des Anwendungsbereiches und des Umfangs des Haftungsprivilegs des § 1359 BGB auf und gibt Veranlassung, Leitsätze für die Auslegung der Bestimmung aufzustellen. Die Rechtsfragen stellen sich aller Voraussicht nach in einer Vielzahl ähnlich gelagerter Fälle.

Ende der Entscheidung

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