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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Nürnberg
Beschluss verkündet am 03.04.2006
Aktenzeichen: 4 W 137/06
Rechtsgebiete: ZPO


Vorschriften:

ZPO § 3
Der Gebührenstreitwert in Bezug auf einen Streithelfer ist nach § 3 ZPO nach dessen wirtschaftlichem Interesse zu bestimmen und kann daher von dem Streitwert abweichen, der im Verhältnis der Hauptparteien festzusetzen ist.

Das Interesse ist auf die Abwehr von denjenigen Ansprüchen gerichtet, wegen derer der Streithelfer im Falle des Unterliegens im Hauptprozess einen Rückgriff seitens der von ihm unterstützten Partei erwarten muss.


4 W 137/06

Nürnberg, den 3.4.2006

In Sachen

erläßt das Oberlandesgericht Nürnberg, 4. Zivilsenat, durch den unterzeichneten Einzelrichter folgenden

Beschluß:

Tenor:

Auf die Beschwerde des Klägers wird der Streitwertbeschluß des Landgerichts Nürnberg-Fürth vom 18.11.2005 dahingehend abgeändert, daß der Streitwert in Richtung auf den Streithelfer ... auf 81.806,70 Euro festgesetzt wird.

Gründe:

I.

Mit ihrer Klage vom 30.12.1994 hat die damalige Klägerin einen Zahlungsanspruch in Höhe von 6.273.969,03 DM gegen die Beklagte geltend gemacht. Im Laufe des Rechtsstreits hat die Beklagte u.a. dem Streithelfer ... mit Schriftsatz vom 22.09.1997 den Streit verkündet. Mit Schriftsatz vom 29.08.2000 hat dieser den Beitritt auf Beklagtenseite erklärt und beantragt im folgenden, die Klage abzuweisen. Am 21.03.2005 ist ein Teilurteil ergangen, mit welchem das Landgericht Nürnberg-Fürth die Klage hinsichtlich einer Forderung in Höhe von 2.584.720,70 Euro abgewiesen hat. Mit Schriftsatz vom 27.07.2005 ist die Klage insgesamt zurückgenommen worden. Das Landgericht Nürnberg-Fürth hat mit Beschluß vom 18.11.2005 eine Kostengrundentscheidung zu Lasten der Klagepartei getroffen und den Streitwert auch hinsichtlich der beigetretenen Streithelfer ... und ... auf 3.207.829,43 Euro festgesetzt.

Die Klagepartei wendet sich mit ihrer Beschwerde vom 05.12.2005 gegen die Festsetzung des Streitwertes in Richtung des Streithelfers .... Sie ist der Auffassung, daß das wirtschaftliche Interesse des Streithelfers auf die Abwehr möglicher Regreßansprüche gegen ihn beschränkt war; ein solcher Regreßanspruch wäre allenfalls in Höhe von 50.000 Euro denkbar gewesen.

Der Streithelfer ... trägt vor, daß er in den gesamten Prozeß integriert gewesen sei und in vollem Umfang den Klageabweisungsantrag unterstützt habe. Der Streitwert sei daher auch in seine Richtung auf den Gesamtstreitwert festzusetzen, wobei die Schwierigkeit des Festsetzungsverfahrens schon darin erkennbar sei, daß zunächst von einem Rückgriffsanspruch in Höhe von 50.000 bis 200.000 DM die Rede war und im Beschwerdeverfahren nunmehr von 50.000 Euro ausgegangen würde.

II.

Die Beschwerde ist zulässig; insbesondere ist der Beschwerdewert (§ 68 Abs. 1 S. 1 GKG) überschritten; die Frist (§ 68 Abs. 3 S. 3, § 63 Abs. 3 S. 2 GKG) ist eingehalten.

Sie erweist sich auch in der Sache zum überwiegenden Teil als begründet.

Der Streitwert ist nach § 3 ZPO grundsätzlich nach freiem Ermessen festzusetzen, wobei das wirtschaftliche Interesse der jeweiligen Partei am Ausgang des Rechtsstreits maßgeblich ist, also hier des Streithelfers.

1. Die in der Entscheidung des BGH vom 30.10.1959 vertretene Rechtsauffassung, wonach grundsätzlich der Streitwert der Hauptsache für die Streitwertbemessung der Nebenintervention maßgeblich ist (BGHZ 31, 144) wird von der überwiegenden Meinung in Rechtsprechung und Literatur nicht mehr vertreten (vgl. Zöller-Herget, 25. Auflage, § 3, Rn 16 - "Nebenintervention"; Thomas/Putzo-Hüßtege, 27. Auflage, § 3, Rn 108, jeweils m.w.N.; Schneider/Herget, Streitwertkommentar für den Zivilprozeß, 11. Auflage, Rn 3356 ff); sie findet nur noch vereinzelt Zustimmung (so OLG München NJW-RR 98, 420; OLG Karlsruhe MDR 03, 357).

2. Der Senat folgt der mittlerweile herrschenden Meinung.

a) Das Interesse des Streithelfers kann von demjenigen der Hauptpartei abweichen, ohne daß dies zwingend in der jeweiligen Antragstellung zum Ausdruck kommen muß.

Dies gilt insbesondere beim Beitritt eines Streithelfers auf Beklagtenseite, der eine teilweise Klageabweisung nicht beantragen kann, selbst wenn ihn ein Teil des Streitgegenstandes nicht betrifft. Dadurch wird deutlich, daß der Antrag als solcher kein zwingendes Entscheidungskriterium für die Streitwertfestsetzung nach § 3 ZPO sein kann.

b) Das daneben im wesentlichen für die Gegenmeinung ins Feld geführte Argument, daß die Bestimmung des wirtschaftlicher Interesses" eines Streithelfers zu tatsächlichen Schwierigkeiten und Abgrenzungsproblemen führen kann, stellt ebenfalls keine überzeugende Begründung dafür dar, von vornherein überhaupt keine entsprechenden dahingehenden Überlegungen anzustellen. Auch schwierige Fragen müssen im Rahmen der gesetzlich gebotenen Möglichkeiten entschieden werden. Der Gesetzgeber geht, wie sich aus § 64 GKG ergibt, sogar davon aus, daß für die Wertschätzung ein Sachverständigengutachten erforderlich sein kann.

c) Das konkrete wirtschaftliche Interesse des Streithelfers ist somit grundsätzlich danach zu bemessen, welche Regreßansprüche er bei einem Unterliegen der Prozeßpartei, der er beigetreten ist, erwarten muß (OLG Köln MDR 90, 251 und MDR 04, 1025; OLG Bamberg OLGR 99, 100). Entscheidend ist dabei die für den Nebenintervenienten erkennbare Vorstellung der Hauptpartei von der Höhe der Rückgriffsforderung, da diese sie bei einer Inanspruchnahme bestimmen muß und kann. Nicht maßgeblich ist dagegen, welche Ansprüche der Streithelfer aus seiner eigenen subjektiven Sicht für gerechtfertigt hält.

d) Dem Umstand, daß dennoch regelmäßig der Hauptsachewert auch für den Nebenintervenienten maßgeblich ist, wird dadurch Rechnung zu tragen sein, daß die Partei, die ein abweichendes (also geringeres) Interesse des Streithelfers gegenüber dem zwischen den Hauptparteien maßgeblichen Streitgegenstand behauptet, hierfür darlegungs- und im Zweifel auch beweispflichtig ist.

3. Im vorliegenden Fall ergibt sich aus dem Streitverkündungsschriftsatz vom 22.09.1997 keine Beschränkung der in den Raum gestellten Rückgriffsansprüche. Allerdings hat die Klagepartei im Schriftwechsel, der dem Streitwertbeschluß des Landgerichts vorausging, erklärt, daß Rückgriffsansprüche allenfalls in Höhe von 200.000 DM im Raum gestanden wären. Dieser Summe ist der Streithelfer nicht entgegengetreten. Im Schriftsatz vom 23.12.2005 wurde lediglich auf die Schwierigkeiten des Wertfestsetzungsverfahrens hingewiesen und dabei die Divergenz zwischen den Vorstellungen der Klagepartei aufgezeigt, die zwischen 50.000 DM und 200.000 DM einerseits und dem im Beschwerdeantrag formulierten 50.000 Euro andererseits lag; die Vorstellungen seien somit schon nach eigenem Bekunden deutlich voneinander abgewichen. Auch im letzten Schriftsatz vom 23.03.2006 wird nicht substantiiert dargestellt, daß ein nennenswert höherer Rückgriffsanspruch (gar in Höhe des gesamten Klagevolumens) denkbar gewesen wäre.

4. Es ist daher davon auszugehen, daß die von der Klagepartei genannte maximale Regreßforderung 200.000 DM betragen konnte und ein höheres Risiko auch aus Sicht des Streithelfers ... nicht bestand.

Bei der Festsetzung des Streitwerts ist darüber hinaus zu berücksichtigen, daß das Wertinteresse des Streithelfers auf die Abwehr von Regreßansprüchen gerichtet ist. Unterliegt die von ihm unterstützte Hauptpartei, so stehen aber Rückgriffsansprüche noch nicht sicher fest. Es gelten gemäß § 68 ZPO in einem möglichen Rückgriffsverfahren lediglich die Tatsachen als bindend, die im Urteil zwischen den Hauptparteien festgestellt wurden. Zwischen der unterliegenden Hauptpartei und dem Beigetretenen können aber weitere Streitpunkte existieren, die einen Ersatzanspruch ausschließen oder einschränken. Entsprechend den zu Feststellungsklagen herausgearbeiteten Bemessungsgrundsätzen ist daher in aller Regel ein Abschlag von 20 % des im Ausgangsverfahren bestehenden wirtschaftlichen Interesses vorzunehmen (vgl. Schneider/Herget a.a.O. Rn 3365 m.w.N.).

Unter Berücksichtigung dieses Umstandes war der Streitwert auf 81.806,70 Euro festzusetzen. Dies entspricht dem Gegenwert von 200.000 DM abzüglich 20 %.

III.

Eine Kostenentscheidung war nicht zu treffen (§ 68 Abs. 3 GKG).

Eine weitere Beschwerde bzw. die Rechtsbeschwerde findet nicht statt (§ 68 Abs. 1 S. 5, § 66 Abs. 3 S. 3 GKG).

Ende der Entscheidung

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