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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Nürnberg
Beschluss verkündet am 04.07.2008
Aktenzeichen: 4 W 590/08
Rechtsgebiete: InsO


Vorschriften:

InsO § 134
InsO § 143 Abs. 1
InsO § 145
1. Der Empfänger einer unentgeltlichen Zuwendung hat nach einer Anfechtung durch den Insolvenzverwalter auch bei zu vertretender Unmöglichkeit der Rückübertragung nur dann Wertersatz zu leisten, wenn eine Gläubigerbenachteiligung eingetreten ist. Diese liegt bei einer durch den neuen Eigentümer bewilligten Belastung einer Immobilie mit einer Grundschuld dann nicht vor, wenn deren Eintragung im Grundbuch zur Voraussetzung für die Sicherung der Rückzahlung eines dem Gemeinschuldner gewährten Darlehens gemacht wurde.

2. Auch der Gläubiger dieser durch die Grundschuld gesicherten Forderung, dem der Erlös aus der von ihm betriebenen Zwangsversteigerung zugeflossen ist, muss dann unabhängig von einer bestehenden Kenntnis über die Anfechtungsgründe wegen fehlender Benachteiligung der Massegläubiger keinen Wertersatz leisten.


4 W 590/08

Nürnberg, den 04.07.2008

In Sachen

wegen Prozesskostenhilfe,

hier: PKH-Beschwerde,

erläßt das Oberlandesgericht Nürnberg -4. Zivilsenat- durch Richter am Oberlandesgericht Bartsch als Einzelrichter folgenden

Beschluss:

Tenor:

Die sofortige Beschwerde des Antragstellers gegen den Beschluss des Landgerichts Nürnberg-Fürth vom 29.01.2008 wird zurückgewiesen.

Gründe:

I.

Der Antragsteller wurde durch Beschluss des Amtsgerichts Würzburg vom 01.04.2006 zum Insolvenzverwalter über das Vermögen des Herrn ... bestellt. Der Insolvenzschuldner hatte mit notariellem Überlassungsvertrag vom 06.03.2003 seinen Miteigentumsanteil an einem in ... gelegenen Grundstück an seine Ehefrau, die Antragsgegnerin zu 1), übertragen; die Eintragung im Grundbuch erfolgte am 14.03.2003. Das Grundeigentum war mit einer Grundschuld belastet, die zu diesem Zeitpunkt mit 17.000,00 € zu Gunsten der Sparkasse ... der Antragsgegnerin zu 2), valutiert war. Die Antragsgegnerin zu 1) gab unter dem 28.05.2003 eine Zweckerklärung für Grundschulden zu Gunsten der Antragsgegnerin zu 2) ab, wodurch ein Darlehen in Höhe von 76.693,78 € dinglich abgesichert werden sollte, welches an den Insolvenzschuldner ausbezahlt wurde.

Der Antragsteller hat am 25.10.2006 die Übereignung des Miteigentumsanteils an die Antragsgegnerin zu 1) angefochten und die Rückübertragung des Grundstücks an die Insolvenzmasse gefordert.

Ein Antrag auf Prozesskostenhilfe für eine darauf gerichtete Klage wurde zurückgewiesen, weil die Rückübertragung der Antragsgegnerin zu 1) unmöglich geworden ist. Die Antragsgegnerin zu 2) hatte mittlerweile aus der Grundschuld vollstreckt; in dem am 20.07.2006 angeordneten Zwangsvollstreckungsverfahrens erging am 13.06.2007 ein rechtskräftiger Zuschlagbeschluss zu Gunsten der Eheleute ... die ein Gebot in Höhe von 68.750,00 € abgegeben hatten.

Der Antragsteller beantragt nunmehr Prozesskostenhilfe für eine beabsichtigte Klage gegen die Antragsgegner auf Zahlung von 62.000,00 €. Die Antragsgegnerin zu 1) habe wegen der Unmöglichkeit der Rückübertragung nach § 143 InsO Wertersatz zu leisten, welcher sich aus dem geschätzten Verkehrswert von 79.000,00 € abzüglich der zum Zeitpunkt der Übertragung bestehenden Belastung in Höhe von 17.000,00 € ergebe. Auch gegenüber der Antragsgegnerin zu 2) stehe der Insolvenzmasse ein entsprechender Anspruch zu. Sie sei als Grundpfandgläubigerin Rechtsnachfolgerin der Antragsgegnerin zu 1) und zur Herausgabe verpflichtet, da sie zum Zeitpunkt der Sicherungszweckerklärungen die Anfechtbarkeit der Grundstücksübertragung kannte.

Das Landgericht Nürnberg-Fürth hat mit Beschluss vom 29.01.2008 den Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe mangels Erfolgsaussicht zurückgewiesen. Zur Begründung wird ausgeführt, dass bei der Verwertung des Grundstücks kein Ursachenzusammenhang zwischen der anfechtbaren Rechtshandlung des Gemeinschuldners und der Gläubigerbenachteiligung vorliege.

Nach dem gewöhnlichen Lauf der Dinge hätte der Gemeinschuldner selbst noch vor dem Zeitpunkt einer möglichen Vollstreckung durch die Gläubiger unanfechtbar über das Grundstück verfügt. Ohne ausreichende Sicherheit hätte die Antragsgegnerin zu 2) das Darlehen an ihn nicht ausbezahlt, so dass mit an Sicherheit: grenzender Wahrscheinlichkeit die Absicherung ebenfalls über eine Valutierung der Grundschuld erfolgt wäre. Die Antragsgegnerin zu 2) hätte die Zwangsvollstreckung aufgrund ihres Absonderungsrechts nach § 49 InsO verlangen können, so dass die Gläubiger durch die jetzt verlangte Zahlung eine Besserstellung erreicht hätten. Mangels Ursächlichkeit zwischen Rechtshandlung und Gläubigerbenachteiligung scheide auch ein Anspruch gegen die Antragsgegnerin zu 2) aus, wobei es dahingestellt bleiben könne, ob sie im Sinne von § 145 Abs. 2 InsO Rechtsnachfolgerin der Antragsgegnerin zu 1) ist. Die Kenntnis der Antragsgegnerin zu 2) von der Anfechtbarkeit der Rechtshandlung des Insolvenzschuldners sei zudem nicht unter Beweis gestellt.

Der Antragsteller legte gegen den am 06.02.2008 zugestellten Beschluss mit Schriftsatz vom 18.02.2008, eingegangen am 05.03.2008, sofortige Beschwerde ein. Da das Grundeigentum innerhalb des 4-Jahreszeitraums unentgeltlich übertragen worden sei und eine Gläubigerbenachteiligung vorliege, sei die Anfechtung nach § 134 InsO möglich. Der Differenzbetrag zwischen dem Wert des Grundstücks und der Valutierung der Grundschuld im Grundbuch sei der Insolvenzmasse entzogen worden. Die Zweckerklärung vom Mai 2003 führe zu keinem Absonderungsrecht der Antragsgegnerin zu 2), da sie nach der erfolgten Anfechtung als von einem Nichtberechtigten abgegeben gelte und somit wirkungslos sei. Hypothetische Geschehensabläufe dürfte, anders als in der angefochtenen Entscheidung geschehen, nach der Rechtsprechung des BGH nicht berücksichtigt werden. Höchst vorsorglich erklärte er die insolvenzrechtliche Anfechtung der Zustimmungserklärungen "des Insolvenzschuldners zu den Zweckerklärungen der Antragsgegnerin zu 1) ... aus allen in Betracht kommenden Anfechtungsgründen, insbesondere gemäß § 133 InsO".

Die Antragsgegnerin zu 1) hält einen neuerlichen Antrag nach der endgültigen Zurückweisung des auf Rückübertragung gerichteten Prozesskostenhilfegesuchs für unzulässig. Sie bestreitet in der Sache die Unentgeltlichkeit der Grundstücksübertragung, da sie an den Gemeinschuldner in den Jahren 1992 bis 2003 zur Tilgung von Darlehensverbindlichkeiten Zahlungen in Höhe von knapp 40.000,00 € geleistet habe. Eine Bereicherung durch die angefochtene Handlung liege nicht vor, da ihr aus dem Versteigerungserlös nichts zugeflossen sei und im Übrigen kein Verschulden an der Unmöglichkeit der Rückübertragung vorliege. Diese sei nicht Folge einer freiwilligen Leistung der Antragsgegnerin zu 1). Wertersatz käme auch allenfalls in Höhe des durch die Verwertung erzielten Erlöses, nicht eines fiktiven Wertgutachtens in Betracht. Eine Anfechtung der Zweckerklärung gehe ins Leere, da diese nicht vom Insolvenzschuldner abgegeben worden sei.

Die Antragsgegnerin zu 2) hat sich nicht geäußert.

Das Landgericht hat der sofortigen Beschwerde mit Beschluss vom 18.03.2008 nicht abgeholfen. Die Annahme eines hypothetischen Geschehensablaufs sei nicht grundsätzlich ausgeschlossen; zudem sei bei der Beurteilung der Frage nach dem Vorliegen einer Gläubigerbenachteiligung ein reales Geschehen zugrunde gelegt worden.

II.

Die sofortige Beschwerde ist zulässig, in der Sache aber nicht begründet. Von der Antragsgegnerin zu 1) kann der Antragsteller keine Zahlung verlangen, da diese nicht bereichert ist und die Unmöglichkeit der Rückgewähr nicht von ihr verschuldet wurde. Die Antragsgegnerin zu 2) haftet nicht, weil der von ihr erzielte Erlös nicht auf einer die Gläubiger benachteiligenden Handlung beruht.

1. Die sofortige Beschwerde ist formgerecht und innerhalb der Frist des § 127 Abs. 2 S. 3 ZPO eingegangen. Die Zurückweisung der Beschwerde im Verfahren wegen der ursprünglich beabsichtigten Klage auf Rückübertragung des Grundeigentums hindert den Antragsteller nicht, einen erneuten Prozesskostenhilfeantrag für eine Zahlungsklage zu stellen. Beschlüsse im summarischen PKH-Verfahren sind grundsätzlich nicht rechtskraftfähig (vgl. Zöller, ZPO, 26. Aufl., § 127 Rn 31); zudem soll aufgrund eines neuen Lebenssachverhaltes ein abweichender Klageantrag gestellt werden. Ob das Verfahren ggf. unter einem anderen erstinstanzlichen Aktenzeichen hätte geführt werden müssen, ist für die Beurteilung des Rechtsschutzbedürfnisses ohne Belang.

2. Zu Recht hat das Landgericht die Erfolgsaussicht der beabsichtigten Zahlungsklage hinsichtlich beider Antragsgegner verneint.

a)

Die Antragsgegnerin zu 1) haftet nicht nach § 143 Abs. 1 InsO, da sie kein Verschulden an der Unmöglichkeit der Rückgewähr trifft.

aa) Es kann zu Gunsten des Antragstellers als zutreffend unterstellt werden, dass die Übertragung des Miteigentumsanteils an der streitgegenständlichen Immobilie unentgeltlich erfolgt ist. und er deswegen die Rechtshandlung nach § 134 InsO anfechten konnte. Nach § 143 ADS. 1 Satz 2 InsO gelten entsprechend die Bestimmungen der ungerechtfertigten Bereicherung, bei der dem Empfänger der Leistung der Mangel des rechtlichen Grundes bekannt ist; die Antragsgegnerin zu 1) wurde somit nach 819 Abs. 1, 818 Abs. 4, 292, 989 BGB haften, was ein Verschulden voraussetzt (vgl. Mü-Ko/Kirchhof, Komm, zur InsO, 2. Aufl., § 143, Rdnr. 78).

bb) Die Unmöglichkeit der Ruckgewähr beruht auf dem nach § 91 Abs. 1 ZVG eintretenden Rechtsverlust nach der rechtskräftigen Zuschlagsentscheidung des Amtsgerichts Fürth zu Gunsten der Eheleute .... Auf die Durchführung des Zwangsvollstreckungsverfahrens hatte die Antragsgegnerin zu 2) keinen eigenen Einfluss. Ein schuldhaftes Verhalten ist insoweit nicht dargelegt oder ersichtlich.

cc) Auch die Abgabe der Zweckerklärung im Mai 2003 stellt kein Verschulden dar, auf das sich der Antragsteller berufen konnte. Zwar ist hierdurch eine Ursache für das Zwangsversteigerungsverfahren gesetzt worden. Die Erhöhung der Valutierung der Grundschuld steht aber in unmittelbarem Zusammenhang mit der Auszahlung eines Darlehens an den späteren Gemeinschuldner. Dieser Belastung des Vermögens des Gemeinschuldners steht als Korrelat dessen Erhöhung durch die zufließenden Barmittel gegenüber. Eine Fflichtverletzung zu Lasten der Gläubiger stellt die Abgabe der Willenserklärung somit nicht dar.

b)

Die Antragsgegnerin zu 2) haftet nicht, weil sie als möglicher Rechtsnachfolger i.S.v. § 145 InsO ihre bessere Rechtsstellung nicht zu Lasten der Gläubiger erworben hat.

Zutreffend führt die Beschwerde zunächst aus, dass Rechtsnachfolge grundsätzlich auch in einer Einzelrechtsnachfolge zu sehen sein kann, hier der Erwerb der (höher valutierten) Grundschuld.

Weitere Voraussetzung ist jedoch, dass die Wertübertragung des anfechtbar Erlangten auf einen Rechtsnachfolger die Gläubiger benachteiligen muss (Mü-Ko, a.a.O., § 145, Rn 24). Dies ist jedoch hier - wie bereits dargestellt - nicht der Fall, da der durch die Erhöhung der Valutierung erweiterten dinglichen Belastung des Immobiliarvermögens durch die Auszahlung des Darlehensbetrages an den Gemeinschuldner ein Zufluss liquider Mittel in gleicher Höhe gegenüber steht. Damit ist der Aktivmasse zum damaligen Zeitpunkt nichts entzogen worden, was ihr nicht in anderer Form wieder zugute kam. Eine Verkürzung der Aktivmasse liegt somit nicht vor.

c)

Eine hypothetische Betrachtungsweise kommt nicht zum Tragen, da für den Vergleich reale Vorgänge gegenüber gestellt werden. Auf die Frage, ob der Gemeinschuldner in eigener Person die Erhöhung der Valutierung der Grundschuld vorgenommen hätte, kommt es somit nicht entscheidend an, wobei die von ihm im Zweckerklärungsformular abgegebene Zustimmungserklärung sogar auf eine enstprechende Willensrichtung hindeutet.

3. Das Ergebnis hält auch einer Gesamtbetrachtung stand. Wie das Landgericht in der Nichtabhilfeentscheidung zutreffend ausführt, würde die vom Antragsteller begehrte Zahlung eine ungerechtfertigte Besserstellung der Insolvenzmasse gegenüber den Zustand darstellen, den sie ohne die angefochtene Übereignung des Wohnungseigentumsanteils hatte. Der Antragsgegnerin zu 2) hatte durch die dingliche Sicherung ein Absonderungsrecht nach § 49 InsO zugestanden und ihr eine Verwertung in der tatsächlich geschehenen Art und Weise ermöglicht.

Die insolvenzrechtliche Anfechtung lässt das zugrunde liegende Rechtsgeschäft - anders als eine Anfechtung nach §§ 119, 2078 BGB - in seinem Bestand unberührt (vgl. Mü-Ko, a.a.O., vor § 129, Rn 40 m.w.N.). Dies bedeutet, dass zwischenzeitlich durchgeführte Verfügungen nicht unwirksam werden, sondern nach § 143 InsO nur zu Rückgewähransprüchen führen. Deren Voraussetzungen liegen hier aber nicht vor.

III.

Eine Kostenentscheidung ist nicht veranlasst. Die Gerichtskosten trägt der Antragsteller kraft Gesetzes (§ 22 Abs. 1 GKG). Außergerichtliche Kosten sind nicht erstattungsfähig (§ 127 Abs. 4 ZPO).

Gründe für die Zulassung der Rechtsbeschwerde (§ 574 ZPO) liegen nicht vor.

Ende der Entscheidung

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