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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Nürnberg
Urteil verkündet am 06.11.2000
Aktenzeichen: 5 U 1116/00
Rechtsgebiete: BGB


Vorschriften:

BGB § 823
Ist die Erstellung, eines Computertomogramms nach durchschnittlichem ärztlichem Standard nicht geboten, muß der Patient nicht befragt werden, ob ein C.T. angefertigt werden soll, auch wenn dies von einem überdurchschnittlich sorgfältigen und gewissenhaften Arzt angeordnet worden wäre.
Oberlandesgericht Nürnberg IM NAMEN DES VOLKES ENDURTEIL

5 U 1116/00

Verkündet am 6. November 2000

In Sachen

hat der 5. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Nürnberg durch den Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht Klieber und die Richter am Oberlandesgericht Flach und Kuhbandner aufgrund der mündlichen Verhandlung vom 16. Oktober 2000

für Recht erkannt:

Tenor:

I. Auf die Berufung des Klägers und Widerbeklagten wird das Teilend- und Grundurteil des Landgerichts Nürnberg-Fürth vom 15. Februar 2000 abgeändert.

II. Der Beklagte und Widerkläger wird verurteilt, an den Kläger und Widerbeklagten 1.799,97 DM nebst 4 % Zinsen hieraus seit 20. März 1997 zu bezahlen.

III. Die Widerklage wird abgewiesen.

IV. Der Beklagte und Widerkläger trägt die Kosten des Rechtsstreits.

V. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Der Beklagte und Widerkläger kann die Vollstreckung dieses Urteils durch Sicherheitsleistung in Höhe von 25.000,-- DM, die auch durch selbstschuldnerische Bürgschaft einer deutschen Großbank oder Sparkasse erbracht werden kann, abwenden, falls nicht der Kläger und Widerbeklagte vor der Vollstreckung in gleicher Weise und Höhe Sicherheit leistet.

VI. Der Wert der Beschwer für den Beklagten und Widerkläger beträgt 244.062,61 DM.

Beschluß:

Der Streitwert für das Berufungsverfahren wird auf

1.799,97 DM (Ziffer I.) 32.262,64 DM (Ziffer II.) 200.000,-- DM (Ziffer III.) 10.000,-- DM (Ziffer IV.) 244.062,61 DM (insgesamt)

festgesetzt.

Tatbestand:

Der Kläger macht gegen den Beklagten aufgrund ärztlicher Behandlung in der Zeit vom 12.12. bis 20.12.1995 einen Resthonoraranspruch in Höhe von 1.799,97 DM gemäß Rechnung vom 26.11.1996 (Bl. 6 d. A.) geltend. Dieser Anspruch ist im Berufungsverfahren nach Grund und Höhe unstreitig. Der Beklagte möchte aber mit einer Schadensersatzforderung in Höhe von 34.062,61 DM und einem unbezifferten Schmerzensgeldanspruch, mindestens jedoch 200.000,-- DM, aufrechnen und begehrt den überschießenden Betrag in Form einer Widerklage. Außerdem verlangt er widerklagend die Feststellung, daß der Kläger ihm sämtliche materiellen und immateriellen Schäden, soweit sie nach dem 27.11.1997 entstanden sind, zu ersetzen hat. Als Grund gibt er Fehler bei der Befunderhebung im Rahmen obiger Behandlung durch den Kläger an, die am 20.12.1995 zu einer Bauchwanddehiszenz (Aufplatzen der Operationswunde) geführt hätten. Darüberhinaus behauptet er eine mangelhafte Aufklärung durch den Kläger.

Bezüglich des unstreitigen Sachverhalts, des Parteivortrags in erster Instanz und der dort gestellten Anträge wird auf die Seiten 3 mit 10 des angefochtenen Urteils Bezug genommen (§ 543 Abs. 2 ZPO).

Das Landgericht hat am 15. Februar 2000 folgendes Teilend- und Grundurteil erlassen:

I. Die Klage wird abgewiesen.

II. Auf die Widerklage wird festgestellt, daß der Kläger und Widerbeklagte verpflichtet ist, dem Beklagten allen materiellen Schaden, der als Folge des ärztlichen Fehlverhaltens während des stationären Aufenthalts vom 12.12. entstanden ist, zu ersetzen, soweit er den Betrag von 1.799,97 DM und 4 % Zinsen hieraus seit 20.03.1997 übersteigt.

III. Der Widerbeklagte ist ferner dem Grunde nach verpflichtet, an den Beklagten wegen des ärztlichen Fehlverhaltens während des stationären Aufenthalts vom 12.12. bis 21.12.1995 ein angemessenes Schmerzensgeld zu bezahlen.

IV. Es wird festgestellt, daß der Widerbeklagte verpflichtet ist, dem Beklagten sämtliche materiellen und immateriellen Schäden, soweit sie nach Widerklageerhebung als Folge ärztlichen Fehlverhaltens während des stationären Aufenthaltes vom 12.12. bis 21.12.1995 in der F in K entstehen, zu ersetzen, soweit die Ansprüche nicht auf Sozialversicherungsträger oder sonstige Dritte übergehen.

V. Im übrigen wird die Widerklage abgewiesen.

VI. Die Kostenentscheidung bleibt der Endentscheidung vorbehalten.

Auf die Entscheidungsgründe dieses Urteils wird verwiesen.

Die Berufung des Klägers, mit der sein Begehren aus erster Instanz weiterverfolgt, wird damit begründet, daß die vom Landgericht vorgenommene Würdigung des schriftlichen Gutachtens des Sachverständigen Prof. Dr. S vom 08.07.1999 und dessen mündliche Ausführungen hierzu vom 21.12.1999 unzutreffend sei. So habe der Sachverständige keineswegs zu erkennen gegeben, daß eine weitere Untersuchung des Beklagten am 18.12.1995 durch Einsatz eines Computertomographen geboten gewesen wäre, deren Befund einen sofortigen weiteren operativen Eingriff erforderlich gemacht hätte. Vielmehr habe der Gutachter eine unterlassene Befunderhebung ausdrücklich verneint und das Ergebnis eines CT's als Spekulation bezeichnet. Schon gar nicht komme der vom Erstgericht angenommene grobe Behandlungsfehler in Betracht.

Die im Ermittlungsverfahren gegen den Kläger erholten Gutachten seien nicht verwertbar. Die dortigen Gutachter seien mit der vom Kläger vorgenommenen Operationsmethode nicht bzw. nicht mehr vertraue. Beide Gutachter seien außerdem von einem mechanischen Dünndarmverschluß ausgegangen, der tatsächlich nicht vorgelegen habe.

Im übrigen sei der Beklagte über die Operationsrisiken, insbesondere die Möglichkeit der Verletzung der Darmwand und der sich daraus ergebenden Komplikationen, umfänglich aufgeklärt worden.

Auf die Berufungsbegründung vom 19. Mai 2000 (Bl. 222 - 231 d. A.) mit Nachtrag vom 05.10.2000 (Bl. 256 - 259 d. A.) wird verwiesen.

Der Kläger stellt folgenden Antrag:

I. Das Teilend- und Grundurteil des Landgerichts Nürnberg-Fürth vom 15.02.2000, Geschäfts-Nr. 5 O 10945/97, wird abgeändert.

II. Der Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 1.799,97 DM und 4 % Zinsen hieraus seit 20.03.1997 zu bezahlen.

III. Die Widerklage wird abgewiesen.

IV. Der Beklagte/Widerkläger trägt die Kosten des Rechtsstreits.

Der Beklagte beantragt,

die Berufung kostenpflichtig zurückzuweisen.

Er bestreitet weiterhin eine ordnungsgemäße Aufklärung und macht sich im übrigen die Entscheidungsgründe des angefochtenen Urteils zu eigen.

Das Erstgericht habe keine Überraschungsentscheidung getroffen und nicht gegen § 278 Abs. 3 ZPO verstoßen. Die vorgenommene Beweiswürdigung sei zutreffend, so daß auch die vom Erstgericht bemühten Beweiserleichterungen Platz greifen würden.

Der Behandlungsfehler des Klägers bestehe darin, daß er nach der Operation am 13.12.1995 die im Zeitraum vom 18.12. bis 20.12.1995 beim Beklagten aufgetretenen Symptome verkannt und deshalb gebotene diagnostische Mittel, die eine sofortige Wiedereröffnung des Bauchraums erforderlich gemacht hätten, nicht eingesetzt habe.

Auf die Berufungserwiderung vom 20.07.2000 (Bl. 244 - 249 d. A.) mit Nachtrag vom 24.10.2000 (Bl. 269 - 270R. d. A.) wird Bezug genommen.

Der Senat hat Beweis erhoben durch erneute Anhörung des Sachverständigen Prof. Dr. S und Vernehmung der Zeugin F. Hinsichtlich des Ergebnisses wird auf die Sitzungsniederschrift vom 16. Oktober 2000 (Bl. 261 - 267 d. A.) verwiesen.

Auf die vorgelegten Urkunden wird Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

I.

Die statthafte und zulässige Berufung des Klägers (§§ 511ff ZPO) hat auch sachlich Erfolg. Der klägerische Honoraranspruch ist begründet und auch durch Aufrechnung nicht erloschen, während die Widerklage mangels Nachweises einer fehlerhaften ärztlichen Behandlung unbegründet ist.

II.

1. Der Honoraranspruch des Klägers:

Das Erstgericht hat diesen Anspruch mit zutreffenden Ausführungen für begründet erachtet. Darauf nimmt der Senat zur Vermeidung von Wiederholungen Bezug (Ziffer I. der Entscheidungsgründe; Bl. 196, 197 d. A.). Auch der Beklagte wendet sich im Berufungsverfahren nicht gegen die vom Erstgericht herangezogene Begründung.

Auf die Frage des Verlustes des Honoraranspruchs bei besonders groben Pflichtverletzungen braucht der Senat nicht einzugehen, weil dem Kläger ein ärztliches Fehlverhalten nach der Operation am 13.12.1995 nicht anzulasten ist (vgl. unten).

2. Die Aufklärung des Beklagten:

Das Erstgericht hat die Frage der vom Beklagten behaupteten unzureichenden Aufklärung offen gelassen. Der Senat ist aufgrund der durchgeführten Beweisaufnahme und der vorliegenden Urkunden der Ansicht, daß der Beklagte umfassend über die Operation und deren Risiken aufgeklärt wurde.

2.1 So hat der Beklagte in seiner Strafanzeige vom 10. März 1996 (Bl. 1 im Ermittlungsverfahren der Staatsanwaltschaft Coburg, Az: 5 Js 7343/96) und im Schriftsatz vom 20.11.1997 (Bl. 12 und 13 d. A.) eingeräumt, daß er vom Kläger Auskünfte über die Operationsmethode, über das operative "Restrisiko" und über eine eventuelle Bauchfellentzündung (die später tatsächlich aufgetreten ist; vgl. unten) erhalten hat. Weiterhin liegt der vom Beklagten unterzeichnete Aufklärungsbogen vom 12.12.1995 (Anlage B 1) vor, der sich umfassend mit der vom Kläger vorgenommenen Operation und deren Risiken und möglichen Komplikationen befaßt. Hinzu kommt, daß auf der im Aufklärungsbogen enthaltenen Skizze Einzeichnungen von Hand enthalten sind, was den Schluß zuläßt, daß der Kläger - wie er vorträgt - den Teil des Dickdarms, den es zu entfernen galt (Sigma), bezeichnet und die Operation erläutert hat.

Aufgrund dieser Umstände ist einiger Beweis für ein gewissenhaftes Aufklärungsgespräch erbracht. In einem derartigen Fall sollte aber dem Arzt im Zweifel geglaubt werden, daß die Aufklärung auch im Einzelfall in der gebotenen Weise erfolgt ist (BGH AHRS 6805/3).

2.2 Der Ansicht des Beklagten, der Kläger hätte darauf hinweisen müssen, daß der Eingriff nicht zwingend notwendig und keinesfalls dringlich war, kann der Senat nicht folgen. Der Sachverständige hält bei der im vorliegenden Fall bestandenen rezidivierenden Sigmadivertikulitis ein operatives Eingreifen für geboten (Bl. 121, 122 d. A.). Auch war der Zeitpunkt der Operation richtig gewählt. Man strebt eine Operation dieser Art im Intervall der Krankheit an und nicht im akuten Stadium (Bl. 167 d. A.).

Diese Feststellung wird vom Erstgutachter im Ermittlungsverfahren bestätigt (Bl. 134 der Ermittlungsakte).

Die vom Beklagten geforderte Aufklärung wäre unzutreffend gewesen.

Der Sachvortrag des Beklagten, bei seiner Aufklärung sei das endoskopische Operationsrisiko verharmlost worden, ist nicht nachvollziehbar. Nach den Erkenntnissen des Gutachters ist das Verletzungsrisiko innerer Organe bei Laparoskopie und offener Chirurgie gleich (Bl. 123 und 169 d. A.). Der mögliche Umstieg auf das offene Operationsverfahren während des Eingriffs wurde erläutert.

Ein Hinweis auf ein angebliches numerisches Sterblichkeitsrisiko von 90 % bei einer Bauchfellentzündung war nicht erforderlich, wobei offen bleiben kann, ob dieser statistische Wert zutreffend ist. Dem Senat ist aufgrund einer Vielzahl von Arzthaftungsverfahren bekannt, daß in der Bauchchirurgie sich die konkrete Situation und die bestehenden Risiken erst während der Operation im Bauchraum einschätzen und darstellen lassen. Zum anderen ist die streßbelastete Situation bei der Aufklärung zu berücksichtigen. Entscheidend ist, daß der Kläger die bevorstehende Operation nicht verharmlost, sondern die möglichen und auch lebensbedrohlichen Komplikationen offenbart hat. Unstreitig hat der Kläger auf die Möglichkeit einer Bauchfellentzündung hingewiesen. Das Erfordernis einer Nachoperation ist im Aufklärungsbogen für diesen Fall ausdrücklich erwähnt. Eines weitergehenden Hinweises bedurfte es nicht.

2.3 Hinzu kommt, daß der Beklagte bereits am 29.11.1995 (der Zeitpunkt ist zwischen den Parteien unstreitig) operiert werden sollte. Diese vorgesehene Operation sollte nach Aussage des Zeugen Dr. K von diesem durchgeführt werden. Es ist daher nachvollziehbar, daß der vorgesehene Operateur am Vorabend der Operation (28.11.1995) das Aufklärungsgespräch führt, wie der Zeuge Dr. K in der Sitzung des Landgerichts Nürnberg-Fürth vom 21.12.1999 (El. 163 - 166 d. A.) berichtet hat. Danach ist der Beklagte bereits von diesem Zeugen zwei Wochen vor der tatsächlich vorgenommenen Operation umfassend aufgeklärt worden. Erst als sich am Ende des Gesprächs herausgestellt hat, daß die Operation wegen der Aspirineinnahme durch den Beklagten nicht am nächsten Tag erfolgen kann, wurde das Gespräch abgebrochen und der Aufklärungsbogen vom Zeugen Dr. K nicht unterschrieben.

Der Senat bezweifelt die Richtigkeit dieser Aussage nicht, auch wenn der Zeuge Dr. K von einer angeblichen Äußerung der Ehefrau des Beklagten berichtet hat, wonach dieser aufgrund der Aufklärung nunmehr verunsichert sei, während die Zeugin F den Zeugen Dr. K erstmals am 20.12.1995 gesprochen haben will (Bl. 266 d. A.). Es ist durchaus denkbar, daß der Zeuge Dr. K, die von ihm geschilderte Äußerung irrtümlich der Zeugin F zugeordnet hat, während sie in Wirklichkeit von einer anderen Person stammt. Der Zeuge Dr. K ist hinsichtlich der Person, die diese Äußerung gemacht hat, davon ausgegangen, daß es sich um die Ehefrau des Beklagten handeln würde. Die jetzige Ehefrau des Beklagten war aber seinerzeit mit diesem noch nicht verheiratet.

2.4 Die von beiden Parteien jeweils beantragte eigene Vernehmung gemäß § 447 ZPO scheidet aus, weil die jeweilige gegnerische Partei damit nicht einverstanden ist. Eine Parteivernehmung des Beklagten gemäß § 448 ZPO kommt nicht in Betracht, weil aufgrund der Ausführungen unter Ziffer 2.1, 2.2 und 2.3 eine Anfangswahrscheinlichkeit für die vom Beklagten behauptete unzulängliche Aufklärung nicht besteht.

3. Die Operation am 13.12.1995:

Der Senat geht mit dem Erstgericht davon aus, daß die am 13.12.1995 vom Kläger vorgenommene Operation medizinisch indiziert war und fehlerfrei durchgeführt wurde. Insoweit wird auf die Ziffer II. 2. der Entscheidungsgründe des angefochtenen Urteils (Bl. 198, 199 d. A.) Bezug genommen. Der Beklagte hat bezüglich dieser Ausführungen keine Einwendungen im Berufungsverfahren erhoben. Zur Frage der Notwendigkeit und Dringlichkeit der Operation und die Aufklärung hierzu wird auf Ziffer 2.2 verwiesen.

4. Der Zeitraum vom 18.12.1995 bis zur Notoperation am 20.12.1995:

Das Erstgericht und der Beklagte sehen einen ärztlichen Behandlungsfehler für diesen Zeitraum darin, daß es der Kläger unterlassen habe, ein CT vom Bauchraum des Beklagten zu fertigen, bei dem die bestehende Bauchfellentzündung bemerkt worden wäre, was einen sofortigen operativen Eingriff unumgänglich gemacht hätte.

Der Senat vermag dieser Auffassung nicht zu folgen. Weder war angesichts der tatsächlich bestehenden Störungen im Heilungsverlauf die Anfertigung eines CT's angezeigt noch ist der Beweis geführt, daß ein CT mit hinreichender Wahrscheinlichkeit die Bauchfellentzündung aufgezeigt hätte. Ebensowenig mußte der Beklagte befragt werden, ob er die Erstellung eines CT's wünsche.

Dabei geht der Senat zugunsten des Beklagten davon aus, daß die anläßlich der Notoperation festgestellte lokale Peritonitis (Anlage B 7) bereits vor dem Aufplatzen der Operationswunde vorhanden war und nicht erst durch das Aufplatzen entstanden ist. Der Sachverständige Prof. Dr. S hält beide Möglichkeiten als "Denkmodell" für möglich, jedoch die erste Alternative für wahrscheinlicher (Niederschrift vom 16.10.2000, S. 5; Bl. 264 d. A.).

4.1 Der Sachverständige hat ausgeführt, daß im vorliegenden Fall ein CT nur von einem überdurchschnittlich sorgfältigen und gewissenhaften Arzt angeordnet worden wäre, während nach durchschnittlichem ärztlichen Standard eine solche Anordnung nicht zweifelsfrei geboten war.

Zu diesem Ergebnis ist der Sachverständige aufgrund folgender Umstände gelangt:

Ab dem dritten postoperativen Tag wurden beim Beklagten folgende Störungen im Heilungsverlauf festgestellt:

Temperaturerhöhungen, der klinische Befund eines gespannten Bauches und eine immer deutlicher werdende Störung der Darmtätigkeit.

Darüberhinaus lag nach Auffassung des Sachverständigen ein Wundinfekt vor (Bl. 126 d. A.), der wiederum als Ursache der Temperaturerhöhung gelten konnte (Bl. 168 d. A.).

Die vorangegangene Operation und die vorliegenden Störungen (gespannter Bauch, Störung der Darmtätigkeit) ließen laut Sachverständigengutachten an eine Anastomoseninsuffizienz denken (Bl. 262 d. A.). Aus diesem Grund wurde am 18.12.1995 "als absolut richtige und gebotene Maßnahme" ein Kolonkontrasteinlauf lege artis (Bl. 263 d. A.) durchgeführt (Bl. 126 d. A.). Das Ergebnis war - von der auffälligen Dünndarmparalyse und als deren Folge dem massiv geblähten Bauch abgesehen - unauffällig (Bl. 126 d. A.). Der auf den Röntgenbildern vom 18.12.1995 erkennbare paralytisch aufgeblähte Dünndarm ist für die beim Beklagten vorhandene infizierte Wunde typisich (Bl. 168 und 262 d. A.). Eine Undichtigkeit der Operationsnahtstelle lag nicht vor. Da sich für einen mechanischen Ileus keine Anzeichen fanden (Bl. 168 d. A.), ist es nicht zu beanstanden, daß der paralytische Heus mittels medikamentös abführender Maßnahmen behandelt wurde (Bl. 127 d. A.).

Hinzu kommt, daß der Pflegebericht für die Nacht vom 18.12.1995 auf den 19.12.1995, dem der Sachverständige einen besonderen Informationswert beimißt, unauffällig ist (Bl. 127 d. A.).

Hierzu ändern auch die Angaben der Zeugin F (Bl. 266, 267 d. A.) nichts. Die vom Beklagten geschilderten Schmerzen und die daraufhin erfolgte Medikation (Dolantin) waren postoperativ bedingt (Bl. 171, 172 d. A.). Der aufgeblähte Bauch ist berücksichtigt worden (vgl. oben).

Es besteht daher Einklang zwischen den Ergebnissen der am 18.12.1995 durchgeführten Untersuchungen und dem festgestellten körperlichen Zustand des Beklagten. In diesem Fall bestand aber nach Auffassung des Sachverständigen keine Indikation für ein CT (Bl. 172, 173 d. A.).

Insoweit besteht auch kein Widerspruch zu den Äußerungen des Sachverständigen in 2. Instanz (El. 262 d. A.) Von einer den Kläger "schonenden" Aussage im Berufungsverfahren kann nicht die Rede sein. Die Voraussetzungen für die Erholung eines Obergutachtens (§ 412 ZPO) liegen nicht vor.

Da die Erstellung eines CT's nicht geboten war, mußte der Beklagte auch nicht befragt werden, ob ein CT gefertigt werden solle.

Das Erstgericht hat zur Unterstützung seiner Auffassung die im Ermittlungsverfahren der Staatsanwaltschaft Coburg, Az.: 5 Js 7343/96 erholten Gutachten herangezogen. Nach Auffassung des Senats sind diese Gutachten nicht geeignet, eine von den Feststellungen und Schlußfolgerungen des Sachverständigen Prof. Dr. S abweichende Ansicht zu vertreten.

So kommt der Sachverständige Prof. Dr. S zu dem Ergebnis, daß eine Dünndarmschlinge im mittleren Drittel des Dünndarmverlaufes abgeknickt sei und unter dem hohen Druck des Darminhaltes oder durch Einklemmung eingerissen wäre. Dieser Darmverschluß sei bereits auf den Röntgenbildern vom 18.12.1995 sichtbar gewesen (Bl. 70 der Ermittlungsakten).

Diese Einschätzung, ist unzutreffend. Ein mechanischer Darmverschluß lag, wie sich auch später herausgestellt hat, nicht vor (Bl. 168 d. A.). Ebensowenig ist auf den Röntgenbildern vom 18.12.1995 ein derartiger Verschluß zu erkennen.

Nur am Rande sei angemerkt, daß auch der Beklagte dem Sachverständigen Prof. Dr. S die Fachkompetenz für die bei ihm angewandte Operationsmethode abgesprochen hat (Bl. 87 der Ermittlungsakte).

Der Zweitgutachter Prof. Dr. B hat insoweit lediglich die Erkenntnisse des Vorgutachters übernommen und ist deshalb von "eindeutigen Zeichen einer Dünndarmlähmung" ausgegangen (Bl. 140 der Ermittlungsakte). Bei seinen weiteren Ausführungen unterstellt er daher einen mechanischen Ileus, der - wie ausgeführt - nicht vorlag.

Da sich die ärztliche Sorgfaltspflicht nach den durchschnittlichen medizinischen Standard des jeweiligen Fachgebietes richtet (BGH NJW 1995, 776; MDR 1999, - 676), kann das Unterbleiben eines CT's im genannten Zeitraum nicht als Verstoß gegen die Befunderhebungspflicht gewertet werden. Nur bei einer nach durchschnittlichem medizinischen Standard bestehenden Pflicht zur Erhebung eines medizinisch gebotenen Befundes stellt das Unterbleiben ein ärztliches Fehlverhalten dar (BGH NJW 1999, 3408; MDR 1999, 36).

4.2 Als weitere diagnostische Maßnahme wäre im fraglichen Zeitraum ein Sonogramm in Betracht zu ziehen gewesen. Jedoch gelten für die Frage, ob eine derartige diagnostische Maßnahme zweifelsfrei geboten war, die gleichen Gründe, wie für die Anfertigung eines CT's (Bl. 263 d. A.). Nach normalem medizinischen Standard war ein Sonogramm nach Auffassung des Sachverständigen nicht geboten.

4.3 Das Erstgericht gelangt in seinem Urteil zum weiteren Ergebnis, daß ein CT den Befund einer bestehenden Bauchfellentzündung erbracht hätte.

Auch insoweit kann dem nicht gefolgt werden.

Der Sachverständige hat anläßlich seiner mündlichen Anhörung am 21.12.1999 das Ergebnis eines CT's als Spekulation bezeichnet (Bl. 174 d. A.). In der Senatssitzung vom 16.10.2000 hat er dies näher erläutert. Ein CT hätte voraussichtlich Anzeichen einer generalisierten Peritonitis, nämlich die dann bestehende Flüssigkeitsansammlung, erbracht. Bei der beim Beklagten am 20.12.1995 diagnostizierten lokalen Peritonitis ist es dagegen völlig offen, ob diese im CT zur Darstellung hätte gebracht werden können. Nach Auffassung des Sachverständigen ist diese Möglichkeit "sehr unwahrscheinlich" (Bl. 264 d. A.). Damit fehlt es an der weiteren Haftungsvoraussetzung, daß nämlich der zweifelsfrei gebotene Befund mit "hinreichender Wahrscheinlichkeit" ein reaktionspflichtiges positives Ergebnis erbracht hätte (BGH MDR 1999, 36).

Gleiches gilt für ein Sonogramm. Möglicherweise hätte man dabei eine unphysiologische Flüssigkeitsansammlung im Bauchraum erkennen können. Die Aussagekraft eines Sonogramms ist jedoch durch sehr viel Luft im Untersuchungsgebiet, die durch den aufgeblähten Dünndarm bedingt ist, stark eingeschränkt (Bl. 263 d. A.). Der Sachverständige mißt einer Ultraschalluntersuchung im vorliegenden Fall "wenig Erkenntnis" bei.

4.4 Der Beklagte ist der Ansicht, der Kläger hätte an eine Darmperforation und damit an eine Bauchfellentzündung ungeachtet weitergehender apparativ diagnostischer Maßnahmen bereits deshalb denken und entsprechend handeln müssen, weil er auf diese Möglichkeit einer Komplikation beim Aufklärungsgespräch hingewiesen habe.

Der Sachverständige hat hierzu ausgeführt, daß es völlig ausgeschlossen ist, alle denkbaren postoperativen Komplikationsmöglichkeiten stets mit Sicherheit abzuklären. Die nach seiner Auffassung bei der Operation am 13.12.1995 erfolgte Dünndarmverletzung mit nach und nach eintretender Perforation geschieht extrem selten. Eine gezielte Suche nach der Leckage ist sehr aufwendig, nimmt mehrere Stunden in Anspruch und ist für den frisch operierten Patienten sehr belastend (Bl. 264 d. A.). Es bestand kein Zustand, der zu diesem Zeitpunkt (18. - 20.12.1995) einen erneuten operativen Eingriff zwingend geboten hätte (Bl. 127 d. A.).

5. Die Dokumentation:

Der Beklagte trägt schriftsätzlich vor, eine zugesagte Videoaufnahme der Operation vom 13.12.1995 sei unterblieben (Bl. 249 d. A.).

Dieser Sachvortrag steht im Widerspruch zu seiner Erklärung in der mündlichen Verhandlung vom 03.03.1998, wonach ihm am Tag nach der Operation gesagt worden sei, eine Videoaufnahme sei gemacht worden, sie sei jedoch unbrauchbar gewesen (Bl. 83 d. A.). Die beiden vernommenen Zeugen P und Dr. G konnten dies nicht bestätigen (Bl. 92 - 94 d. A. und Bl. 97, 98 d. A.).

Der Einsatz einer Videokamera bei laparoskopischen Eingriffen ist laut Sachverständigengutachten unüblich (Bl. 124 d. A.). Im übrigen wird vom Beklagten ein ärztlicher Fehler bei der Operation am 13.12.1995, die seiner Behauptung zufolge dokumentiert wurde oder dokumentiert werden sollte, nicht geltend gemacht. Schließlich würde auch ein bloßer Dokumentationsmangel einen Ersatzanspruch nicht begründen.

III.

Nebenentscheidungen:

Kosten: § 91 Abs. 1 ZPO.

Vorläufige Vollstreckbarkeit: §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO.

Beschwer: § 546 Abs. 2 ZPO.

Ende der Entscheidung

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