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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Nürnberg
Urteil verkündet am 11.01.2008
Aktenzeichen: 5 U 1617/07
Rechtsgebiete: ZPO


Vorschriften:

ZPO § 50
1. Wird in einer Klage offensichtlich irrtümlich eine - tatsächlich existierende - Partei als Beklagte bezeichnet (hier: eine einem Verbund von Versicherungen angehörende Versicherungsgesellschaft), so gilt die in Wirklichkeit gemeinte Partei (hier: Schwestergesellschaft) als verklagt.

Insoweit ist die Parteibezeichnung anhand des Klagevorbringens einschließlich der angegebenen Beweismittel auszulegen.

2. Nach Feststellung der Partei, die unzweifelhaft verklagt werden sollte, ist das Rubrum entsprechend von Amts wegen zu berichtigen.


Oberlandesgericht Nürnberg IM NAMEN DES VOLKES

Az.: 5 U 1617/07

Verkündet am 11.01.2008

In dem Rechtsstreit

wegen Schadensersatz

erlässt das Oberlandesgericht Nürnberg -5. Zivilsenat- durch Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht Braun, Richter am Oberlandesgericht Redel und Richter am Oberlandesgericht Kimpel auf Grund der mündlichen Verhandlung vom 23.11.2007 folgendes

Endurteil:

Tenor:

I. Auf die Berufung der Beklagten und die Klageerweiterung des Klägers hin wird Ziffer II des Endurteils des Landgerichts Nürnberg-Fürth vom 19.06.2007 wie folgt gefasst:

"Es wird festgestellt, dass die Beklagte verpflichtet ist, dem Kläger für die Zeit vom 01.04.2007 bis 27.05.2007 monatlich 609,87 Euro und ab 28.05.2007 monatlich - im Voraus - 1.032,27 Euro bis zum Erreichen der gesetzlichen Altersrentengrenze zu zahlen.

II. Im Übrigen wird die Berufung der Beklagten zurückgewiesen.

III. Die Beklagte trägt die Kosten des Berufungsverfahrens.

IV. Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des vollstreckbaren Betrages vorläufig vollstreckbar.

V. Die Revision wird hinsichtlich der Parteiberichtigung auf Beklagtenseite zugelassen.

Beschluss:

Der Streitwert für das Berufungsverfahren wird auf 54.466,60 Euro, der für die erste Instanz auf 35.843,03 Euro festgesetzt.

Gründe:

I.

Die Parteien streiten um Schadensersatzansprüche des Klägers nach einem Verkehrsunfall, hier speziell prozessual um die Möglichkeit der Parteiberichtigung und materiell um die Schadensminderungspflicht des Klägers.

Am 01.05.2001 kam es auf einer Verbindungsstelle im Raum ... zu einem Verkehrsunfall, bei dem der Kläger schwere Verletzungen am linken Bein erlitt, weswegen ihm der linke Unterschenkel amputiert werden musste. Der Unfallgegner des Klägers, dessen Alleinschuld am Verkehrsunfall unstreitig ist war bei der ... a.G. haftpflichtversichert

1. Dem prozessualen Problem liegt folgender Sachverhalt zugrunde: Die am 13.03.2007 erhobene Klage bezeichnete ursprünglich die ... AG, ... als Beklagte. Nachdem die ... AG ihre fehlende Passivlegitimation gerügt hatte, regte der Kläger eine Rubrumsberichtigung auf die ... a.G. an. Hilfsweise beantragte er, die Klage dieser Gesellschaft zuzustellen. Die Beklagtenseite widersetzte sich einer Parteiberichtigung.

Im Protokoll der mündlichen Verhandlung des Landgerichts vom 19.06.2007 sowie im Endurteil des Erstgerichts vom selben Tag wurde das Rubrum auf Beklagtenseite in ... a.G. berichtigt.

2. Materiell rechtlich ging und geht der Streit darum, ob dem Kläger Verdienstausfallentschädigung zusteht.

Der Kläger hat hierzu vorgetragen, dass er nach der unfallbedingt erforderlichen Umschulung zum Bürokaufmann von dem Ausbildungsbetrieb, der Fa. ... nicht übernommen worden sei und auch seine sonstigen Bemühungen um einen Arbeitsplatz erfolglos geblieben seien. Zwischen den Parteien sei unstreitig, dass dem Kläger dem Grunde und der Höhe nach ab 08.07.2006 ein monatliches Einkommen von 1.032,27 Euro entgangen sei. Hiervon sei ein monatlichen Arbeitslosengeld von 422,40 Euro abzuziehen weshalb dem Kläger ab August 2006 ein monatlicher Schaden von 609,87 Euro an Verdienstausfall entstanden sei. Zusammen mit weiterhin unstreitigen Haushaltsführungsschäden und sonstigen materiellen Schäden sei bis März 2007 ein Rückstand in Höhe von 6.569,27 Euro entstanden. Ab 01.04,2007 verlange er den monatlichen Verdienstausfall in Höhe von 609,87 Euro. Die Beklagte hat lediglich eingewandt, dem Kläger stünde kein Anspruch wegen Verdienstausfalls zu. Der Kläger habe nämlich seine Schadensminderungspflicht verletzt, da er von dem Ausbildungsbetrieb bei ordentlicher Arbeit und loyalem Verhalten übernommen worden wäre. Der Kläger habe aber nach Ablauf der Probezeit nur "Dienst nach Vorschrift gemacht", die ihm übertragenen Aufgaben nur mangelhaft erledigt und sich gegenüber Kollegen und Vorgesetzten illoyal und unhöflich verhalten.

Im Übrigen hat die Beklagte ausreichende Bemühungen des Klägers um eine Arbeitsstelle bestritten.

3. Nach Einvernahme des Ausbilders des Klägers bei der Fa. ..., des Zeugen ... hat das Landgericht Nürnberg-Fürth mit Endurteil vom 19.06.2007 die Beklagte verurteilt, an den Kläger 6.569,27 Euro nebst Zinsen hieraus in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit 01.03.2007 zu zahlen und festgestellt, dass die Beklagte verpflichtet ist, dem Kläger monatlich im Voraus beginnend ab 01.04.2007 609,87 Euro zu zahlen.

Zur Begründung hat es unter anderem ausgeführt, dass der Beklagten allein schon aufgrund der Angabe der Schadensnummer klar sein musste, an welcher Stelle im Unternehmensverbund die Klage angesiedelt sein sollte. Aus der Aussage des Zeugen ... ergebe sich, dass dem Kläger kein Verschulden an der Nichteinstellung bei der Fa. ... anzulasten sei. Ein relevantes Fehlverhalten des Klägers habe der Zeuge nämlich gerade nicht benennen können. Im Übrigen obliege der Beklagten auch die Darlegungs- und Beweislast dafür, dass der Kläger seiner Schadensminderungspflicht nicht nachgekommen sei.

Wegen der Einzelheiten wird auf die Entscheidungsgründe des erstinstanzlichen Urteils verwiesen.

4. Mit ihrer hiergegen form- und fristgerecht eingelegten Berufung rügt die Beklagte die vom Erstgericht vorgenommene Parteiberichtigung auf Beklagtenseite. Der Kläger habe unberechtigt die ... AG verklagt, die gerade nicht die Haftpflichtversicherung des Unfallgegners war. Wie die ... a.G. sei auch die ... AG eine selbstständige Gesellschaft, die auch Kfz-Haftpflichtversicherungen anbiete. Zwar traten sämtliche im ... Verbund tätigen Gesellschaften unter dem Briefkopf "..." auf, jedoch habe im Streitfall die Korrespondenz mit dem Kläger ausschließlich die ... a.G. geführt und dies auch jeweils durch ihren bei der Unterschrift aufgeführten exakten Namen und ihrer Gesellschaftsform deutlich gemacht. Eine für den Kläger unübersichtliche Situation hinsichtlich des zuständigen Versicherers habe demgemäß nie bestanden. Der Kläger hätte deshalb seine ursprüngliche Klage mit der entsprechenden Kostenfolge zurücknehmen müssen. Ansonsten hätte die Klage mangels Passivlegitimation der fälschlich verklagten ... AG abgewiesen werden müssen.

Materiell-rechtlich erneuert und vertieft die Beklagte ihre Ansicht, der Kläger habe gegen seine Schadens minderungspflicht verstoßen. Aus der Aussage des Zeugen ... ergebe sich, dass der Kläger die Nichtübernahme bei der Fa. ... selbst verursacht und verschuldet habe. Im Übrigen habe der Kläger nicht ausreichend dargelegt, dass er sich nach der Nichtübernahme anderweitig um eine Arbeitsstelle bemüht habe. Es habe auch nicht ausgereicht, dass der Kläger bei der zuständigen Arbeitsagentur als arbeitslos gemeldet war. Er hätte sich vielmehr an einen freien Arbeitsvermittler wenden müssen. Soweit er sich selbst bei Unternehmen beworben habe, hätte er durch seinen Hinweis in dem jeweiligen Bewerbungsschreiben auf seine fehlende körperliche Belastbarkeit eine Chance auf Einstellung von vorneherein zunichte gemacht.

Die Rentenzahlungspflicht hätte zeitlich beschränkt werden müssen. Angesichts der unfallunabhängigen gesundheitlichen Konstitution des Klägers und der allgemeinen Situation auf dem Arbeitsmarkt sei davon auszugehen, dass der Kläger allenfalls bis zum 50. Lebensjahr beschäftigt worden wäre. Seine vergeblichen Bewerbungen zeigten im Übrigen, dass er nicht wegen der bei dem Verkehrsunfall vom 01.05.2001 erlittenen Verletzungen sondern wegen der allgemeinen Verhältnisse auf dem Arbeitsmarkt arbeitslos sei.

Wegen der Einzelheiten des Beklagtenvorbringens wird auf die Schriftsätze vom 09.09.2007, 01.10.2007,19.11.2007 und 23.11.2007 verwiesen.

Die Beklagte beantragt,

das Endurteil des Landgerichts Nürnberg-Fürth vom 19.06.2007 aufzuheben und die Klage abzuweisen.

Der Kläger hat die Klage in der Berufungsinstanz erweitert. Er beantragt nunmehr,

die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Landgerichts Nürnberg-Fürth vom 19.06.2007 mit der Maßgabe zurückzuweisen, dass festgestellt wird, dass die Beklagte verpflichtet ist dem Kläger monatlich im Voraus, beginnend ab 01.04.2007 bis 27.05.2007 609,87 Euro und ab 28.05.2007 monatlich 1.032,27 Euro bis zum Erreichen der gesetzlichen Altersrentengrenze zu bezahlen.

Der Kläger vertritt die Ansicht, die Beklagte habe die irrtümliche Falschbezeichnung des Haftpflichterversicherers allein aufgrund der in der Klage angegebenen Schadensnummer erkannt und gewusst, dass sie als zuständiger Versicherer verklagt sein sollte. Die Rubrumsberichtigung sei deshalb zulässig gewesen.

In der Sache habe die Beklagte eine schuldhafte Verletzung der Schadensminderungspflicht des Klägers nicht nachgewiesen. Er sei nicht nur arbeitslos gemeldet, sondern habe sich selbst bis zur Klageerhebung mit insgesamt 81 Schreiben vergeblich um eine Anstellung bemüht.

Der Feststellungsantrag werde nunmehr der veränderten Sachlage angepasst, nachdem am 27.05.2007 das Arbeitslosengeld I ausgelaufen sei.

Hinsichtlich der weiteren Ausführungen des Klägers wird auf den Anwaltsschriftsatz vom 04.10.2007 verwiesen.

II.

Die zulässige Berufung der Beklagten ist im Wesentlichen unbegründet.

1. Die Parteiberichtigung auf Beklagtenseite war zulässig. Wie das Landgericht zutreffend ausführt, sind auch die in einer Klageschrift enthaltenen Parteibezeichnungen als prozessuale Willenserklärungen auslegungsfähig. Entscheidend ist dabei, inwieweit sich aus der Klageschrift nach deren objetivem Sinn aus der Sicht des Empfängers (des Gegners) die tatsächlich angesprochene Partei ergibt. Ist aus den Gesamtumständen zweifelsfrei ersichtlich, dass irrtümlich nur ein falscher Name gewählt wurde, so ist die Parteibezeichnung zu berichtigen (BGH NJW 87,1946). Ein solcher Fall liegt hier vor.

Zwar sind die Beklagte und die ursprünglich in der Klageschrift bezeichnete ... AG jeweils eigene juristische Personen innerhalb des Versicherungsverbundes. Im Rahmen des vorprozessualen Schriftverkehrs ist die Beklagte auch jeweils als die Haftpflichtversicherung des Unfallverursachers aufgetreten und hat dies bei der Unterschriftenleistung auch hinlänglich deutlich gemacht. Obwohl offenbar alle Einzelgesellschaften unter dem ... Dach denselben Briefbogen mit der Überschrift ... verwenden, kann ein auch nur einigermaßen aufmerksamer Briefempfänger erkennen, welche der Gesellschaften im Rechtsverkehr jeweils auftritt. Eine spezielle Verwechslungsgefahr wurde hierdurch nicht hervorgerufen.

Gleichwohl wurde im Streitfall nicht irrtümlich die falsche Partei verklagt. Der Senat hält insoweit nicht mehr an seiner im Hinweis vom 18.09.2007 geäußerten Meinung fest. Es lag vielmehr eine für sämtliche Beteiligte offensichtliche fehlerhafte Parteibezeichnung vor: In der Klage wurde die Schadensnummer genannt unter der die Beklagte den Sachverhalt bearbeitete. Als Anlage legte der Kläger auch ein Schreiben der Beklagten vom 28.11.2006 vor. Es lag deshalb auf der Hand, dass der Kläger nicht fehlerhaft von einer tatsächlich nicht "zuständigen" Haftpflichtversicherung ausging, sondern versehentlich "in die falsche Zeile" bei den einzelnen Gesellschaften des ... Verbunds gerutscht ist Es gibt auch sonst keinerlei objektiven Hinweis, dass der Kläger irrtümlich die ... AG für die richtige und damit passiv legitimierte Partei hielt (so wohl im Fall OLG Koblenz, NZV 2007, 198). Trotz fehlerhafter Parteibezeichnung - ... AG - ist deshalb die richtige Person - ... a.G. - Partei geworden (so auch OLG Hamm NJW-RR 96, 469; 94,1508; 91,188).

2. Dem Kläger steht der geltend gemachte Betrag zum Ausgleich materieller Schäden bis 31.03.2007 sowie die Verdienstausfallsrente ab 01.04.2007 zu.

a) Die Beklagte haftet als Kfz-Haftpflichtversicherer des unstreitig alleinigen Unfallverursachers gem. § 3 PflVG, § 7 StVG dem Kläger als Unfallgegner für sämtliche Unfallfolgen. Zu diesen Unfallfolgen gehört der Verdienstausfall des Klägers. Unstreitig beträgt der monatliche Verdienstentgang des Klägers 1.032,27 Euro. Solange der Kläger Arbeitslosengeld I bezog, hat er sich dieses Entgelt (ab August 2006 422,40 Euro) anrechnen zu lassen, die entsprechenden Schadensersatzansprüche sind auf den Sozialversicherungsträger gem. § 116 SGB X übergegangen.

b) Der monatliche Verdienstentgang ist einer der Summanden im Rechenwerk des Klägers hinsichtlich seines bis Ende März 2007 entstandenen und noch nicht ausgeglichenen materiellen Schadens. Die übrigen Positionen in diesem Rechenwerk sind von der Beklagten nicht qualifiziert bestritten. Dem Kläger steht deshalb der ausgeurteilte Betrag von 6.569,27 Euro für Rückstände bis einschließlich März 2007 zu; denn ihn trifft an seiner Arbeitslosigkeit und damit an dem entgangenen Verdienst kein Mitverschulden (vgl. unten d).

c) Die Leistungspflicht der Beklagten ab April 2007 konnte der Kläger auch betragsmäßig feststellen lassen. Zwar hat der Kläger die monatlich zu zahlende Rente wegen Verdienstausfalls beziffert, weshalb ihm insoweit auch die Leistungsklage zur Verfügung gestanden hätte. Doch ist bei einer Versicherung zu erwarten, dass sie nach rechtskräftiger Feststellung ihrer Leistungspflicht auch ohne vollstreckungsfähigen Titel die entsprechenden Zahlungen erbringen wird. In einem solchen Fall entfällt das Feststellungsinteresse nicht automatisch, es besteht insoweit keine allgemeine Subsidiarität der Feststellungsklage gegenüber der Leistungsklage (BGH NJW 06, 2548, 2549; 99, 3774, 3775).

d) Der Kläger hat nicht gegen seine Schadensminderungspflicht verstoßen. Zumindest hat die Beklagte den ihr insoweit obliegenden Beweis nicht geführt.

Zu Recht sieht das Landgericht beim Kläger kein Verschulden für seine Nichtübernahme durch die Fa. ... nach Beendigung der Ausbildungszeit. Die entsprechende Beweiswürdigung des Erstgerichts ist nicht zu beanstanden. Der Senat verweist insoweit auf die Ausführungen im Urteil des Landgerichts, denen er sich anschließt Zusammenfassend ist nochmals auf Folgendes hinzuweisen: Zwar hat der Zeuge ... den Kläger - nach Ablauf der Probezeit - als unzuverlässig und anderen Mitarbeitern gegenüber distanziert bezeichnet. Die hierfür angeführten Umstände sind aber dem Zeugen teilweise nur zugetragen worden (z. B. angeblich zu geringer Arbeitseinsatz). Soweit der Zeuge im Übrigen Versäumnisse des Klägers im Zusammenhang mit Krankmeldungen bemängelt konnte er nicht darlegen, dass dem Kläger das in dem Unternehmen geübte spezielle Verfahren überhaupt bekannt gegeben worden war. Die angebliche Distanziertheit des Klägers gegenüber anderen Mitarbeitern kann im Rahmen eines etwaigen Mitverschuldens des Klägers schon deshalb nicht berücksichtigt werden, weil dem Kläger auch nach der Aussage des Zeugen ... zu keinem Zeitpunkt bedeutet wurde, dass er sich unkollegial verhalte und sein Verhalten ändern müsse, um eine Weiterbeschäftigung sicher zu stellen. Ebenso wenig wurde dem Kläger jemals klar gemacht, dass man mit seinen Leistungen nicht zufrieden sei. Vielmehr teilte die Fa. ... sogar der Fa. ... die sich um die Wiedereingliederung des Klägers in den Arbeitsmarkt bemühte, mit, dass man mit den Leistungen des Klägers zufrieden sei und diesen nur "in Anbetracht der wirtschaftlichen Verhältnisse" des Betriebs nicht übernehmen könne. Ohne entsprechende Hinweise seitens des Ausbildungsbetriebs war dem Kläger aber die Möglichkeit genommen, Vorwürfen entgegen zu treten, Missverständnisse auszuräumen oder auch sein Verhalten zu ändern. Da die Beklagte auch nicht nachgewiesen hat, dass dem Kläger aus sonstigen Umständen heraus klar sein musste, dass der Betrieb mit seinen Leistungen und seinem Verhalten nicht zufrieden war, ist dem Kläger jedenfalls kein Vorwurf zu machen, dass er nicht übernommen wurde.

Ebenso wenig ist dem Kläger vorzuwerfen, sich nach Abschluss seiner Ausbildung bei der Fa. ... zum Bürokaufmann nicht anderweitig genügend um eine Arbeitsstelle bemüht zu haben. Der Berufung ist insoweit einzuräumen, dass den Kläger die Darlegungslast für solche Bemühungen trifft, das Ersturteil hierzu aber keine ausreichende Feststellungen getroffen hat. Auf Hinweis des Senats hat der Kläger aber nunmehr durch Vorlage von mittlerweile 144 Bewerbungsschreiben seine entsprechenden umfangreichen Bemühungen seit Juni 2006 dokumentiert und nachgewiesen. Zum Zeitpunkt der Klageerhebung hatte sich der Kläger bereits in 79 Bewerbungsschreiben um eine Anstellung bemüht. Soweit der Kläger in diesen Bewerbungsschreiben auf seine Einschränkung in Bezug auf schwere körperliche Arbeiten hinwies, ist dies nicht zu beanstanden. Spätestens bei einem Vorstellungsgespräch wäre die auf den Unfall zurückzuführende körperliche Behinderung nämlich ohnehin zu Tage getreten. Aus dem sonstigen Inhalt seiner Schreiben wird umgekehrt gerade deutlich, dass die Bewerbungen nicht nur pro forma abgegeben werden und der Kläger an einer Arbeitsaufnahme interessiert und auch einsatzfähig ist. Der Kläger gibt den Grund für seine Umschulung (Verkehrsunfall) an und weist im Übrigen darauf hin, dass er nicht nur zum Bürokaufmann ausgebildet wurde, sondern auch Dank der früheren Ausbildung zum IT-Systemelektroniker über gute Hard- und Softwarekenntnisse verfüge, den Führerschein und ein eigenes Auto besitze und trotz Schwerbeschädigung seinen Beruf ausüben könne und engagiert sei. Die sauberen, maschinenschriftlichen, gut gegliederten und orthographisch fehlerfreien sowie mit Lebenslauf und Lichtbild versehenen Schreiben wirken in keinem Punkt "abschreckend". Dass dem Kläger auch inhaltlich kein Vorwurf gemacht werden kann, ergibt sich insbesondere auch daraus, dass der Kläger bei seiner Anhörung vor dem Senat glaubhaft und unwidersprochen angab, die Formulierungen in den Bewerbungsschreiben entsprächen einem Vorschlag der Fa. R die wiederum vom ... Versicherungsverbund zu seiner beruflichen Wiedereingliederung eingeschaltet worden sei.

Der Kläger hat auch dargelegt, dass er sich sowohl auf Anzeigen wie "auf Verdacht hin" bei möglichen Arbeitgebern einschließlich Zeitarbeitsfirmen beworben hat und das nicht nur in seiner näheren Umgebung, sondern in ganz Unter-, Ober- und Mittelfranken.

Angesichts solcher Bemühungen kann keinesfalls von einer Verletzung der Schadensminderungspflicht durch den Kläger die Rede sein.

Neben den Vermittlungsbemühungen der Bundesagentur für Arbeit und der eigenen Arbeitssuche war der Kläger nicht verpflichtet, sich auch noch an einen privaten Arbeitsvermittler zu wenden.

e) Nach dem gewöhnlichen Lauf der Dinge (§ 252 BGB) ist davon auszugehen, dass der Kläger ohne die erst durch den Unfall bedingten körperlichen Einschränkungen nach Abschluss seiner 8-jährigen Bundeswehrzeit, der zum Unfallzeitpunkt kurz bevorstand, eine Anstellung erhalten hätte.

Es gibt keinen Erfahrungssatz, dass ehemaligen lang gedienten Bundeswehrangehörigen auf dem Arbeitsmarkt generell nur schlechte Chancen einzuräumen sind.

Der Kläger hat sich noch zu Bundeswehrzeiten zum IT-Systemelektroniker ausbilden lasse. Es handelt sich insoweit nach wie vor um eine Wachstumsbranche. Dass der Kläger nach dem Unfall bislang weder als IT-Systemelektroniker noch - nach Umschulung - als Bürokaufmann eine Stelle bekommen hat, sagt nichts darüber aus, dass er unfallunabhängig ohne Anstellung geblieben wäre. Selbst bei Langzeitarbeitslosen ist in der Regel nicht davon auszugehen, dass sie auf Dauer ohne Entgelte geblieben wären (BGH NJW-RR 99, 1039).

Auch aufgrund des persönlichen Eindrucks, den der Senat von dem Kläger gewonnen hat, ist davon auszugehen, dass der Kläger - noch dazu in Bayern mit einer relativ niedrigen Arbeitslosenzahl - eine entsprechend honorierte Arbeitsstelle gefunden hätte. Der Kläger war offen, geistig flexibel und sprachgewandt. Gemäß § 287 ZPO ist der Senat daher davon überzeugt, dass nur die jetzigen körperlichen Beeinträchtigungen bislang eine Wiedereingliederung des Klägers in das Arbeitsleben verhindert haben. Die volle körperliche Belastbarkeit eines Mitarbeiters ist offenbar immer noch wesentliches Kriterium für Einstellungen.

f) Es gibt auch keine Hinweise darauf, dass der Kläger - ohne Unfallfolge - allenfalls bis zum 50. Lebensjahr eine Arbeitsstelle hätte ausfüllen können. Das Renteneintrittsalter ist mittlerweile auf 67 Jahre hinaufgesetzt worden. Dass der Kläger vor dem Unfall besonders krankheitsanfällig war, ist nicht dargetan.

Andererseits rügt die Berufung zu Recht, dass das Urteil des Landgerichts keinen Endpunkt für den Bezug des Verdienstentgangs nennt. Mangels anderweitiger Hinweise ist deshalb die Leistungspflicht des Klägers bis zum Eintritt des gesetzlichen Rentenalters festzustellen.

g) Aufgrund der zulässigen Klageerweiterung in zweiter Instanz (Wegfall des bisherigen Arbeitslosengeldes I ist der Tenor wie geschehen neu zu fassen. Der Kläger hat nicht gegen seine Schadensminderungspflicht verstoßen, indem er bislang kein Arbeitslosengeld II beantragte. Beim Arbeitslosengeld II handelt es sich nämlich nicht um Versicherungs-, sondern um sog. Auffangleistungen, auf die kein Anspruch besteht, so lange anderweitige Forderungen - hier die streitgegenständlichen Schadensersatzförderungen - realisierbar sind (§§ 11, 12 SGB II).

3. Die Kostenentscheidung beruht auf § 92 Abs. 2 Satz 1 ZPO. Die fehlende Beschränkung auf das gesetzliche Renteneintritts alter im Klageantrag erster Instanz wirkt sich angesichts des Alters des Klägers nicht streitwerterhöhend aus.

4. Der Senat lässt die Revision zur Frage der Zulässigkeit der Parteiberichtigung gem. § 543 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 ZPO zu, weil insoweit widersprechende Entscheidungen verschiedener Oberlandesgerichte vorliegen. Im Übrigen liegen die Voraussetzungen für eine Revisionszulassung nicht vor.

Ende der Entscheidung

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