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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Nürnberg
Urteil verkündet am 18.01.1999
Aktenzeichen: 5 U 2292/98
Rechtsgebiete: BGB


Vorschriften:

BGB § 675
§ 675 BGB - fehlerhafte Beratung einer Bank über Verwendungsmöglichkeit einer Versicherungsleistung

1. Tritt der Versicherungsnehmer seine Ansprüche aus einer Lebensversicherung als Sicherheit für einen Kredit an die Bank ab, widerruft er damit in Höhe des Kredits das Bezugsrecht des Begünstigten für die Dauer der Abtretung. Verstirbt er, fällt die Versicherungssumme mit dem Erbfall in Höhe des offenstehenden Kredits in den Nachlaß. Dies gilt auch dann, wenn die Bank ihre Sicherungsrechte nicht ausübt.

2. Da die Versicherungsleistung dem Nachlaß zuzurechnen ist, muß sie von der Bank zur Deckung der durch die Abtretung gesicherten Forderung verwendet werden.

3. Erteilt die Bank hinsichtlich der Vermögenszugehörigkeit der Versicherungsleistung und deren Verwendungsmöglichkeit falsche Auskünfte, haftet sie aus positiver Vertragsverletzung.

OLG Nürnberg Urteil 18.01.1999 - 5 U 2292/98 - (rechtskräftig nach Nichtannahmebeschluß des BGH vom 28.09.1999 - XI ZR 79/99) 10 O 8654/97 LG Nürnberg-Fürth


In Sachen hat der 5. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Nürnberg durch den Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht ... und die Richter am Oberlandesgericht ... und ... aufgrund der mündlichen Verhandlung vom 30.11.1998 für Recht erkannt:

Tenor:

I. Auf die Berufung der Kläger wird das Endurteil des Landgerichts Nürnberg-Fürth vom 12. Juni 1998 aufgehoben.

II. Die - bezifferte - Leistungsklage ist dem Grunde nach gerechtfertigt.

III. Zur Entscheidung über die Höhe des geltend gemachten Schadensersatzanspruches wird der Rechtsstreit an das Landgericht Nürnberg-Fürth zurückverwiesen.

IV. Es wird festgestellt, daß die Beklagte verpflichtet ist, den Klägern alle weiteren Schäden, die ihnen in Zukunft aus der fehlerhaften Beratung im Zusammenhang mit der Auszahlung der Lebensversicherungsleistungen des Herrn D. W. entstanden sind, zu ersetzen.

V. Die Entscheidung über die Kosten des Berufungsverfahrens obliegt dem Landgericht Nürnberg-Fürth.

VI. Die Beschwer beträgt 169.390,62 DM.

Gründe:

Die Kläger - Miterben nach dem Tode des Vaters bzw. Ehemanns D. W. - machen gegen die Beklagte einen Schadensersatzanspruch in Höhe von 159.390,62 DM nebst Feststellung zum Ersatz weiterer Schäden geltend mit der Begründung, diese habe sie im Zusammenhang mit der Auszahlung der Leistungen von vier vom Erblasser abgeschlossenen Lebensversicherungen falsch beraten und auf diese Weise erreicht, daß die Auszahlungsbeträge nicht zur Tilgung der die Leistungen der Lebensversicherungen übersteigenden Nachlaßschulden verwandt worden seien.

Bezüglich des unstreitigen Sachverhalts, des Parteivortrags in erster Instanz und der dort gestellten Anträge wird auf die Seiten 3 mit 8 des angefochtenen Urteils Bezug genommen (§ 543 Abs. 2 ZPO).

Das Landgericht Nürnberg-Fürth hat die Klage am 12. Juni 1998 abgewiesen. Auf die Entscheidungsgründe dieses Urteils wird verwiesen.

Im Berufungsverfahren verfolgen die Kläger ihren ursprünglichen Antrag weiter. Zur Begründung tragen sie unter Hinweis auf die Rechtsprechung und Literatur vor, daß die Versicherungsleistungen mit dem Eintritt des Erbfalles dem Nachlaß zuzuordnen gewesen seien. Eine davon abweichende Anweisung sei der Beklagten von den Miterben (= Klägern) nicht erteilt worden.

Im übrigen habe der Erblasser mit der Beklagten eine Tilgungsvereinbarung geschlossen, wonach die Kreditschulden mit den Versicherungsleistungen hätten getilgt werden sollen. Auch diese Vereinbarung sei nach dem Tod des Erblassers zwischen den Parteien nicht geändert worden.

Dagegen sei die alleinige Zustimmung der Klägerin zu 2) zur vorgenommenen Anlage der Versicherungsleistungen ohne Bedeutung, weil

die Auskunft der Beklagten, das Geld stünde ausschließlich der Klägerin zu 2) zu, unzutreffend gewesen sei,

die Klägerin zu 2) nach dem Tode ihres Ehemanns psychisch nicht in der Lage gewesen sei, einen komplizierten Sachverhalt zu erfassen und

der Klägerin zu 2) die Abtretung der Ansprüche aus den Lebensversicherungen an die Beklagte nicht bekannt gewesen sei.

Letztendlich sei die vom Erstgericht vorgenommene Beweiswürdigung unzutreffend.

Im übrigen wird auf die Berufungserwiderung vom 24.09.1998 mit Nachträgen vom 31. Dezember 1998 und 07. Januar 1999 verwiesen.

Die Kläger stellen den Antrag:

I. Unter Abänderung des am 12.06.1998 verkündeten Endurteils des Landgerichtes Nürnberg-Fürth, Az. 10 O 8654/97, die Beklagte zu verurteilen, an die Kläger DM 159.390,62 nebst 12,75 % Zinsen aus DM 146.939,36 vom 01.07.1997 bis 16.11.1997, aus DM 152.545,44 vom 17.11.1997 bis 01.04.1998 und aus DM 159.390,62 seit dem 02.04.1998 zu bezahlen.

II. Es wird festgestellt, daß die Beklagte verpflichtet ist, den Klägern alle weiteren Schäden, die ihnen in Zukunft aus der fehlerhaften Beratung im Zusammenhang mit der Auszahlung der Lebensversicherungsbeträge des Herrn D. W. entstanden sind, zu ersetzen.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung kostenpflichtig zurückzuweisen.

Sie ist der Ansicht, daß die von den Klägern zur Begründung herangezogene Rechtsprechung auf den vorliegenden Fall keine Anwendung finde.

Selbst wenn man jedoch davon ausginge, die Versicherungsleistungen wären in den Nachlaß gefallen, hätten die Kläger sie - die Beklagte - angewiesen, diese Leistungen als Alterssicherung für die Klägerin zu 2) anzulegen. Diesen Weisungen sei sie pflichtgemäß nachgekommen.

Eine Tilgungsvereinbarung in dem von den Klägern behaupteten Umfang sei nicht geschlossen worden. Vorsorglich werde eine solche wegen Irrtums angefochten.

Die von den Klägern vorgenommene Berechnung des Schadensersatzanspruches könne von ihr nicht nachvollzogen werden und werde bestritten.

Auf die Berufungserwiderung vom 10.11.1998 mit Nachträgen vom 27. (30.)11. und 16.12.1998 wird Bezug genommen.

Beweis wurde vom Berufungsgericht nicht erhoben. Auf die vorliegenden Urkunden und die Sitzungsniederschrift vom 30. November 1998 wird verwiesen.

I.

Die statthafte und zulässige Berufung der Kläger (§§ 511ff. ZPO) führt zu einer Verurteilung der Beklagten dem Grunde nach (§ 304 ZPO) bzw. zur Feststellung der Verpflichtung zum Ersatz weiteren Schadens.

II.

Die Auskunft der Beklagten, die Versicherungsleistungen stünden ausschließlich der Klägerin zu 2) zu und ihre in der Folgezeit im Einverständnis mit der Klägerin zu 2) vorgenommene Anlage dieser Gelder war unzutreffend, so daß den Klägern unter dem Gesichtspunkt der positiven Vertragsverletzung ein Schadensersatzanspruch zusteht.

1. Die Zugehörigkeit der Versicherungsleistungen zum Nachlaß:

1.1 Der Erblasser und Versicherungsnehmer D. W. hatte seine Ansprüche aus den streitgegenständlichen Lebensversicherungen (... Nr. ..., ... Nr. ..., ... Nr. ..., Nr. ...) als Sicherheit für die Kreditgewährung anläßlich einer Baufinanzierung sowie zur Finanzierung von Betriebsmitteln an die Beklagte abgetreten und zu diesem Zweck das zugunsten der Klägerin zu 2) vereinbarte Bezugsrecht für die Dauer der Abtretung widerrufen (Ziffer 4 der Abtretungsvereinbarungen). Weiter war vereinbart, daß Verwertungserlöse, die die Beklagte aus den abgetretenen Rechten erzielt, zur Deckung der durch die Abtretung gesicherten Forderungen zu verwenden sind. Die nicht benötigte Versicherungssumme war im Falle des Todes des Versicherungsnehmers an den bisherigen Bezugsberechtigten herauszugeben (Ziffer 7. der Abtretungsvereinbarung).

1.2 Der Bundesgerichtshof hat in seiner Entscheidung vom 8. Mai 1996 (NJW 1996, 2230) ausgeführt, daß in einem derart gelagerten Fall die Versicherungssumme im Zeitpunkt des Erbfalls in Höhe der dann bestehenden Schulden des Erblassers zu deren Deckung im Sicherungsfall diente und deshalb in den Nachlaß fällt.

Im vorliegenden Fall betrugen die Verbindlichkeiten des Erblassers bei der Beklagten im Zeitpunkt seines Todes - unstreitig - über 500.000,-- DM, während sich die ausbezahlten Versicherungsleistungen auf insgesamt 363.522,76 DM belaufen haben.

Die Versicherungsleistungen sind daher in voller Höhe in den Nachlaß gefallen. Eine Verfügungsbefugnis der Beklagten auf Grund der Abtretungen bestand nicht, auch wenn sie ihre Rechte als Sicherungsnehmerin nicht in Anspruch genommen hat.

1.3 Die Beklagte trägt vor, sie habe die Klägerin zu 2) "als die allein in dieser Angelegenheit Betroffene über die Auszahlung der Versicherungssumme, die konkrete Höhe der Summen und die Tatsache, daß die Beklagte die Sicherheit nicht verwerten würde, informiert" (Klageerwiderung vom 15.10.1997, S. 6; Bl. 22 d. A.). In der Folgezeit habe sie die Gelder in Absprache mit der Klägerin zu 2) zu deren Gunsten angelegt.

Diese Information der Klägerin zu 2), ihr stehe als Bezugsberechtigter das ausschließliche Verfügungsrecht über die eingegangenen Versicherungsleistungen zu und die weitere Anlage der Gelder auf Grund bloßer Absprache mit der Klägerin zu 2) war - wie unter Ziffer 1.2 ausgeführt - unzutreffend. Die Versicherungsleistungen sind in voller Höhe dem Nachlaß zuzurechnen und die Beklagte war auf Grund der Abtretungen verpflichtet ("sind"), diese Beträge zur Deckung der durch die Abtretung gesicherten Forderungen zu verwenden, weil der Versicherungsfall eingetreten war und die ausbezahlten Versicherungsleistungen wie ein Verwertungserlös zu behandeln waren (vgl. unten Ziffer 2.3).

1.4 Unter dem Gesichtspunkt der Wirtschaftlichkeit geht der Senat davon aus, daß die Kläger bei zutreffender Beratung die Versicherungsleistungen zur Schuldentilgung und damit zur Vermeidung höherer Sollzinsen verwandt hätten, als sie der Klägerin zu 2) bei vergleichsweise geringen Habenzinsen zu überlassen.

1.5 Eine anderweitige Auseinandersetzung unter den Miterben hinsichtlich dieses Nachlaßvermögens zu Gunsten der Klägerin zu 2) ist nicht nachgewiesen (vgl. Ziffer 3.).

2. Die Tilgungsvereinbarung:

2.1 Die Beklagte räumt ein, daß gemäß dem Kreditantrag vom 26.06.1989 (Anlage 1) "eine Tilgung - zumindest teilweise - durch die Lebensversicherungen vorgesehen war" (Schriftsatz vom 27.11.1998, S. 2; Bl. 182 d. A.).

Dies ergibt sich aus Seite 3 Buchstabe F des vorgenannten Antrags in Verbindung mit dem Aktenvermerk der Kreditabteilung der Beklagten, wonach die vier Lebensversicherungen "zur Rückführung der beiden BVK (= Bankvorauskredit) vorgesehen" seien (Anlage 2). Hinsichtlich der Einzelheiten wird auf die Berufungsbegründung vom 24. September 1998, Ziffer 4. (Bl. 163, 164 d. A.) Bezug genommen.

Die Beklagte hatte daher mit dem Erblasser im Rahmen ihrer Allgemeinen Geschäftsbedingungen eine Vereinbarung getroffen, wonach sie verpflichtet war, die Versicherungsleistungen zur Tilgung der Verbindlichkeiten zu verwenden.

2.2 Die Beklagte trägt vor, die Bedeutung dieser Vereinbarung habe nur darin bestanden, daß die Darlehen nicht durch monatliche Raten getilgt werden sollten, sondern am Ende der Laufzeit in einer Summe, z. B. mit den Beträgen aus den Lebensversicherungen zurückgeführt werden. Eine Verpflichtung der Beklagten, die Versicherungsleistungen zur Tilgung der Verbindlichkeiten zu verwenden habe auf Grund des Kreditvertrages nicht bestanden.

Der Senat kann dieser Auffassung nicht beitreten.

2.2.1 Das von der Beklagten verwendete Formular ist insoweit eindeutig und entspricht im übrigen ihrer in der Abtretungsvereinbarung übernommenen Verpflichtung (vgl. oben Ziffer 1.3). Ihre Kreditabteilung hat gleichfalls die Ansicht vertreten (Aktenvermerk ohne Datum; Anlage 2), daß die Lebensversicherungen zur Schuldentilgung vorgesehen sind.

2.2.2 Die gegenteilige Ansicht der Beklagten kann nicht durch die beantragte Einvernahme ihrer Mitarbeiter begründet werden. Eine Regelungslücke als Voraussetzung für eine ergänzende Vertragsauslegung ist weder ersichtlich noch wird eine solche von der Beklagten aufgezeigt. Die Beklagte hat den Kreditantrag vom 26.06.1989, wonach die Tilgung "über LV" erfolgen sollte, mit Schreiben vom 20. Juli 1989 (Anlage K2) uneingeschränkt angenommen.

2.3 Die von der Beklagten vorsorglich erklärte Anfechtung der Tilgungsvereinbarung wegen Irrtums greift nicht durch. Ein Irrtum über den Erklärungsinhalt, auf den sich die Beklagte ersichtlich berufen möchte, liegt nicht vor. Die Beklagte hat nicht dargetan, daß sie sich über die Bedeutung und Tragweite der Tilgungsvereinbarung geirrt hätte.

Über den Umfang der Versicherungsleistungen im Verhältnis zu den beantragten Krediten bestand ebenso Klarheit wie hinsichtlich der Fälligkeitszeitpunkte. Auch die Tatsache, daß es sich um eine Sicherungsabtretung gehandelt hat, spricht nicht für die Annahme eines Inhaltsirrtums. Die Vereinbarung der Tilgung "über LV" besagt, daß die Darlehenstilgung mit der Auszahlung der Versicherungsleistungen im Todesfall oder durch Zeitablauf zur erfolgen habe. Somit besteht keine Diskrepanz zur Abtretungsvereinbarung, weil die bei Eintritt des Versicherungsfalles ausgezahlten Versicherungsleistungen wirtschaftlich mit dem Begriff Verwertungserlöse in Ziffer 7. der Vereinbarung gleichzustellen sind. Der Kreditvertrag mit der Tilgungsvereinbarung ist daher mit den Abtretungsvereinbarungen durchaus in Übereinstimmung zu bringen. Ein zur Anfechtung berechtigender Inhaltsirrtum liegt nicht vor.

2.4 Es mag sein, daß wegen fester Kreditlaufzeiten bei Rückzahlung Vorfälligkeitszinsen entstanden wären. Dies ändert aber an der getroffenen Tilgungsvereinbarung nichts, sondern wäre allenfalls bei der Höhe des Schadensersatzanspruches zu berücksichtigen.

2.5 Im übrigen würde eine wirksame Anfechtung der Tilgungsvereinbarung gemäß § 139 BGB auch die Nichtigkeit des gesamten Kreditvertrages herbeiführen, weil nicht anzunehmen ist, daß die Beklagte ohne die Tilgungsvereinbarung den Kreditvertrag geschlossen hätte. Dies würde aber dazu führen, daß der Anspruch der Beklagten auf die vertraglich vereinbarten Zinsen entfallen würde.

2.6 Die Abtretung der Ansprüche aus der "C." Lebensversicherung spielt hinsichtlich der Tilgungsvereinbarung keine Rolle. Gemäß Schreiben der Beklagten ohne Datum (Anlage 28) war versicherte Person dieser Versicherung der Kläger zu 1), während der Erblasser Versicherungsnehmer war. Der Tod des letzteren hat daher den Versicherungsfall nicht herbeigeführt, so daß eine Tilgung von Verbindlichkeiten durch Auszahlung von Versicherungsleistungen ausscheidet (§ 159 VVG).

3. Nachträgliche Vereinbarungen zwischen den Parteien:

Die Beklagte behauptet, sie habe bezüglich der Versicherungsleistungen die Entscheidungen der Kläger abgewartet und danach auftragsgemäß Verfügungen getätigt. Für diese von der Tilgungsvereinbarung abweichende Behauptung ist sie beweispflichtig. Der Beweis wurde nicht geführt, weil eine Zustimmung aller Miterben zu der von der Beklagten veranlaßten Geldanlage nicht nachgewiesen ist.

3.1 Der Zeuge J. B. hat ausgesagt, daß seitens der Zeugin C. W. telefonisch an ihn der Wunsch herangetragen worden sei, die Versicherungsleistungen nicht zur Verringerung der Nachlaßschulden zu verwenden, sondern zur Alterssicherung der Klägerin zu 2) (Bl. 96 d. A.). Am 5. Mai 1994 sei es zu einer Unterredung mit allen Beteiligten gekommen. Eine endgültige Entscheidung über die Verwendung dieser Gelder sei jedoch an diesem Tag nicht getroffen worden. Zu diesem Zeitpunkt sei das Geld auf Festgeldkonten "zwischengeparkt" gewesen. Etwa zwei Wochen nach diesem Gespräch sei er von der Zeugin W. angewiesen worden, das Geld für ein Jahr fest anzulegen. Diese Geldanlage sei auf Weisung der genannten Zeugin um weitere zwei Jahre verlängert worden. Mit den Klägern selbst habe er über die Verwendung der Gelder nach der Unterredung vom 5. Mai 1994 nicht gesprochen.

Diese Aussage wird bestätigt durch die Angaben der Zeugin M. H.. Sie habe vom Zeugen B. die Information gehabt, daß die Klägerin zu 2) die Versicherungsleistungen zur Alterssicherung verwenden wolle. Auch die Klägerin zu 2) sei nicht bereit gewesen, das Geld in das Geschäft zu stecken. Bei dem Gespräch am 5. Mai 1994 sei man so verblieben, daß eine Entscheidung über die Verwendung der Gelder aus den Lebensversicherungen später erfolgen solle. Allerdings sei es zwischen den Klägern zu einer kontroversen Diskussion gekommen, daß dieses Geld nicht für gewerbliche Zwecke als Sicherheit verwendet werden solle (Bl. 92ff. d. A.).

3.2 Dagegen hat die Zeugin C. W. bekundet, sie habe gegenüber dem Zeugen B. vor dem Treffen vom 5. Mai 1994 geäußert, daß sie über die Verwendung der Gelder aus den Lebensversicherungen keine Angaben machen könne. Keinesfalls habe sie gesagt, daß diese Gelder der Klägerin zu 2) zu deren Alterssicherung erhalten bleiben sollten. Am 5. Mai 1994 sei über die Verwendung der Versicherungsgelder nicht gesprochen worden. Es sei nur geklärt worden, daß die Klägerin zu 2) nicht darüber verfügen dürfe. Eine Diskussion zwischen den Klägern habe es in der Tat gegeben. Anlaß sei aber nicht gewesen, daß die strittigen Gelder nicht zur Rückführung der Schulden dienen sollten (Bl. 89 und 100 d. A.).

3.3 Im Ergebnis bleibt festzuhalten, daß der Zeuge B. von der Zeugin W. gebeten worden sein will, die Versicherungsleistungen nicht zur Verringerung der Nachlaßschulden, sondern zur Altersicherung der Klägerin zu 2) zu verwenden. Eine derartige Äußerung wird von der Zeugin W. in Abrede gestellt. Sie habe den Zeugen B. darauf hingewiesen, daß sie über die Verwendung der Gelder keine Angaben machen könne.

Der Senat ist nicht der in Lage einer dieser Aussagen den Vorzug zu geben. Beide Zeugen sind am Ausgang des Rechtsstreits nicht uninteressiert. Der Zeuge B. ist Mitarbeiter der Beklagten, die Zeugin W. die Ehefrau des Klägers zu 1) und Schwiegertochter der Klägerin zu 2).

Weitere Angaben über die Verwendung der Versicherungsleistungen stehen nicht zur Verfügung. Am 5. Mai 1994 ist darüber nicht gesprochen worden. Die Zeugin H. hatte ihre Informationen nur vom Zeugen B. und der Klägerin zu 2).

Nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme hat die Beklagte den ihr obliegenden Beweis, sie habe mit den Klägern eine von der mit dem Erblasser getroffenen Tilgungsvereinbarung abweichende Regelung - Verwendung der Versicherungsleistungen zu Gunsten der Klägerin zu 2) zu deren Alterssicherung - vereinbart, nicht geführt.

4. Ergebnis:

4.1 Die Beklagte hat die Kläger unzutreffend dahingehend beraten, daß die Klägerin zu 2) allein verfügungsbefugt über die Versicherungsleistungen sei und daher auch nur von dieser entsprechende Weisungen bezüglich der Geldanlage entgegengenommen.

4.2 Sie hat weiterhin - gegen die mit dem Erblasser geschlossene Tilgungsvereinbarung verstoßen und die streitgegenständlichen Gelder nicht mit den bei ihr vorhandenen Nachlaßschulden verrechnet.

Den Klägern ist aufgrund dieses Verhaltens ein Schaden dadurch entstanden, daß sie auch in Höhe der Versicherungsleistungen Kredit in Anspruch nehmen und dafür Kreditkosten bezahlen mußten. Für diesen Schaden haftet die Beklagte unter dem Gesichtspunkt der positiven Vertragsverletzung.

4.3 Ein Mitverschulden der Kläger liegt nicht vor. Die Beklagte behauptet, die Kläger hätten bereits 1995 "andere finanzielle Entscheidungen" treffen können. Stattdessen hätten sie bis April 1997 zugewartet.

Die Beklagte hat noch im April 1997 (Anlage K12) dem Kläger zu 1) mitgeteilt, daß die abgetretenen Lebensversicherungen nicht in den Nachlaß gefallen seien und deshalb auch nicht den Erben zustünden. Verfügungsberechtigt sei ausschließlich die Klägerin zu 2) als Bezugsberechtigte der Lebensversicherungen. Diese Auffassung hat sie im Schreiben vom 18. Juni 1997 (Anlage K15) nochmals bestätigt. Die - unzutreffende - Beratung war die Ursache der unterbliebenen klägerischen Dispositionen über diese Versicherungsleistungen. Die Beklagte kann sich daher nicht darauf berufen, die Kläger hätten schon zwei Jahre früher diese Gelder zur Rückführung der Nachlaßverbindlichkeiten verwenden können.

5. Grundurteil:

Der Senat entscheidet gemäß § 304 ZPO durch Teilgrundurteil bezüglich der Leistungsklage auf bezifferten Schadensersatz. Aufgrund der Ausführungen unter Ziffer 1.4 besteht eine hohe Wahrscheinlichkeit dafür, daß irgend ein Schaden - gleichgültig in welcher Höhe - entstanden ist.

Da das Erstgericht die Klage als dem Grunde nach unbegründet abgewiesen und daher - folgerichtig - über den Umfang und die Höhe des bezifferten Schadensersatzanspruches keinen Beweis erhoben hat, muß der Senat den Rechtsstreit zur Entscheidung über die Schadenshöhe an das Landgericht Nürnberg-Fürth zurückverweisen (§ 538 Abs. 1 Ziff. 3 ZPO).

Da mit dem Antrag auf bezifferten Schadensersatz zugleich ein Antrag auf Feststellung der Verpflichtung zum Ersatz allen weiteren Schadens verbunden ist, kann kein umfassendes Grundurteil ergehen, sondern die Entscheidung erfolgt durch ein Teilgrundurteil hinsichtlich der bezifferten Leistungsklage und ein (stattgebendes) Teilendurteil bezüglich der Feststellungsklage (vgl. Zöller-Vollkommer, ZPO, 21. Aufl., Rdn. 3 zu § 304).

Dem Erstgericht obliegt auch die Entscheidung über die Kosten des Berufungsverfahrens.

OLG Nürnberg Beschluß 18.01.1999 5 U 2292/98

Der Streitwert für das Berufungsverfahren wird auf

159.390,62 DM (Leistungsklage)

10.000,-- DM (Feststellungsklage)

169.390,62 DM festgesetzt.

Ende der Entscheidung

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