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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Nürnberg
Urteil verkündet am 16.07.2004
Aktenzeichen: 5 U 2383/03
Rechtsgebiete: BGB


Vorschriften:

BGB § 276
BGB § 611
1) Zu den Anforderungen an die ärztliche Aufklärung vor Einsetzen einer Hüftkopfendoprothese.

2) Eine unzureichende Risikoaufklärung lässt den Vergütungsanspruch des Arztes unberührt, wenn die Operation tatsächlich zum Erfolg geführt hat.


Oberlandesgericht Nürnberg IM NAMEN DES VOLKES ENDURTEIL

5 U 2383/03

Verkündet am 16. Juli 2004

In Sachen

hat der 5. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Nürnberg durch den Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht Klieber und die Richter am Oberlandesgericht Flach und Redel aufgrund der mündlichen Verhandlung vom 25.06.2004

für Recht erkannt:

Tenor:

I. Auf die Berufung des Beklagten wird das Endurteil des Landgerichts Nürnberg-Fürth vom 25. Juni 2003 aufgehoben, soweit es die Widerklage abgewiesen hat.

II. Es wird festgestellt, daß der Kläger verpflichtet ist, dem Beklagten sämtliche zukünftigen Schäden zu ersetzen, die diesem infolge der Operation vom 26. September 1996 im Krankenhaus ... noch entstehen, soweit diese nicht auf Sozialversicherungsträger oder sonstige Dritte übergegangen sind bzw. noch übergehen werden.

III. Der Kläger ist dem Grunde nach verpflichtet, dem Beklagten den durch diese Operation verursachten materiellen Schaden zu ersetzen und ihm ein angemessenes Schmerzensgeld zu zahlen.

IV. Im Umfang der Aufhebung wird der Rechtsstreit an das Landgericht Nürnberg-Fürth zur erneuten Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Berufungsverfahrens, zurückverwiesen.

V. Die weitergehende Berufung des Beklagten wird zurückgewiesen.

VI. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

VII. Die Revision wird nicht zugelassen.

Beschluß:

Der Streitwert des Berufungsverfahrens wird auf 56.404,47 Euro festgesetzt (Klage 3.707,23 Euro, Widerklage 52.019,38 Euro, davon Schmerzensgeldanspruch 7.669,38 Euro, Schadensersatzanspruch 34.802,02 Euro, Feststellungsantrag 10.225,84 Euro).

Gründe:

I.

Die Parteien streiten um Arzthonorar und um Ansprüche des Beklagten auf materiellen Schadensersatz und Schmerzensgeld im Zusammenhang mit der Implantation einer Hüftendoprothese.

Der Kläger, niedergelassener Facharzt für Orthopädie, setzte dem Beklagten, der an einer Huftkopfnekrose litt, am 26. September 1996 eine solche Prothese ein. Er rechnete am 16. Oktober 1996 für seine Tätigkeit 7.520,72 DM (entspricht: 3.707,23 Euro) ab. Der Beklagte verweigerte die Bezahlung unter Hinweis darauf, daß er vom Kläger fehlerhaft behandelt worden sei.

Der Kläger hat daher Zahlungsklage erhoben.

Der Beklagte hat sich dagegen mit der Behauptung verteidigt, bei der vom Kläger durchgeführten Operation sei es zu einer Schädigung des Nervus femoralis gekommen. Über dieses seltene aber typische Operationsrisiko sei er vom Kläger nicht aufgeklärt worden. Aufgrund dessen leide er unter einer Lähmung des Unterschenkelstreckers rechts sowie einer Kraftminderung im Hüftstrecker rechts. Auch sei die Empfindlichkeit an der gesamten Innenseite des rechten Beins deutlich herabgesetzt. Seine Gehfähigkeit sei dauerhaft eingeschränkt; er sei zu 50 Prozent schwerbehindert. Die fehlgeschlagene Operation habe zu dem Einkommensverluste und Mehrausgaben in Höhe von 66.741,06 DM (entspricht: 34.124,16 Euro) verursacht. Deswegen sei er nicht zur Zahlung des Honorars verpflichtet.

Der Beklagte hat zunächst hilfsweise mit einem Schmerzensgeldanspruch gegen die Klageforderung aufgerechnet. Bereits mit Schriftsatz vom 13.01.1999 hat er aber wegen seiner gesamten materiellen und immateriellen Ansprüche Widerklage gegen den Kläger und gegen zwei weitere an der Operation beteiligte Ärzte erhoben.

Der Kläger hat bestritten, daß es anläßlich der Operation vom 26. September 1996 zu einer Verletzung des Nervus femoralis gekommen sei. Die Beschwerden des Beklagten rührten von einer Inaktivitätsatrophie her. Der Beklagte sei im übrigen auch ausführlich über mögliche Risiken der Operation, darunter auch über die Gefahr von Nervenverletzungen aufgeklärt worden.

Das Erstgericht hat nach Beweisaufnahme durch Endurteil vom 25. Juni 2003, auf das wegen der Einzelheiten Bezug genommen wird, den Beklagten zur Zahlung des Arzthonorars verurteilt und seine Widerklage abgewiesen. Zur Begründung hat es im wesentlichen ausgeführt, der Beklagte leide zwar infolge der Operation unter einer Verletzung des Nervus femoralis, es könne jedoch nicht festgestellt werden, daß dem Kläger ein Behandlungsfehler unterlaufen sei. Der Beklagte sei auch ausreichend auf das Risiko einer Nervenschädigung hingewiesen worden.

Gegen dieses ihm am 26. Juni 2003 zugestellte Urteil hat der Beklagte, beschränkt auf den Kläger, am 25. Juli 2003 Berufung eingelegt und dieses Rechtsmittel nach entsprechender Fristverlängerung am 27. Oktober 2003 begründet.

Der Beklagte macht in der Berufungsinstanz nur noch geltend, er sei vor der streitgegenständlichen Operation nicht ausreichend aufgeklärt worden. Zwar enthalte das vom Kläger verwendete Aufklärungsformular auch einen Hinweis auf Nervenläsionen als mit dem Eingriff möglicherweise verbundene Komplikationen. Der Kläger habe jedoch den Inhalt des Formulars mit ihm nicht näher besprochen, habe ihn insbesondere nicht darauf hingewiesen, daß eine Nervenverletzung zu einer dauerhaften Beeinträchtigung führen könne. Der Kläger habe nicht erwähnt, daß es sich dabei um eine typische Folge der streitgegenständlichen Operation handele. Für ihn habe sich der Eingriff nach dem Gespräch mit dem Kläger als problemloser Routineeingriff dargestellt. Der Kläger habe ihm sogar in Aussicht gestellt, er werde nach der Operation "hüpfen wie eine Gazelle". Er habe, wie auch die Zeugin bestätigt habe, erklärt, es könne nichts schieflaufen. Bei ordnungsgemäßer Aufklärung über das in Rede stehende Risiko hätte er sich nicht - jedenfalls nicht zum konkreten Zeitpunkt 26. September 1996 - zu einer Operation entschlossen. Er hätte zunächst weitere Ärzte konsultiert, um die Möglichkeit von Alternativbehandlungen prüfen zu lassen. Daran ändere auch der Umstand nichts, daß er wenige Monate vor dem streitgegenständlichen Eingriff vom Kläger eine entsprechende Operation an der linken Hüfte habe vornehmen lassen. Denn auch vor diesem, glücklicherweise erfolgreichen Eingriff sei er nicht ordnungsgemäß aufgeklärt worden.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Berufungsvorbringens des Beklagten wird auf die Berufungsbegründung vom 27. Oktober 2003 und den weiteren Schriftsatz vom 18. Juni 2004 Bezug genommen.

Der Beklagte stellt folgenden Antrag:

I. Das Endurteil des Landgerichts Nürnberg-Fürth vom 25. Juni 2003 Az.: 3 O 917/99 wird abgeändert.

II. Die Klage wird abgewiesen.

III. Der Kläger, Widerbeklagte und Berufungsbeklagte (im weiteren nur noch Kläger) wird verurteilt, an den Beklagten ein angemessenes Schmerzensgeld in Höhe von 7.669,38 Euro nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten seit Rechtshängigkeit zu bezahlen.

IV. Der Kläger wird verurteilt, an den Beklagten einen weiteren Betrag in Höhe von 34.802,02 Euro nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten seit Rechtshängigkeit zu bezahlen.

V. Es wird festgestellt, daß der Kläger verpflichtet ist, dem Beklagten sämtliche zukünftigen Schäden zu ersetzen, die diesem anläßlich der fehlgeschlagenen Operation vom 26. September 1996 im Krankenhaus ... noch entstehen, soweit diese nicht auf Sozialversicherungsträger oder sonstige Dritte übergegangen sind oder noch übergehen werden.

Hilfsweise beantragt der Beklagte,

das Endurteil des Landgerichts Nürnberg-Fürth aufzuheben und den Rechtsstreit an das Gericht des ersten Rechtszugs zurückzuverweisen.

Der Kläger stellt den Antrag,

die Berufung des Beklagten gegen das Endurteil des Landgerichts Nürnberg-Fürth vom 25. Juni 2003 zurückzuweisen.

Zur Begründung trägt er vor, das Erstgericht sei zu Recht davon ausgegangen, daß der Beklagte ordnungsgemäß aufgeklärt worden sei. Dies ergebe sich schon daraus, daß der Beklagte die entsprechenden Aufklärungsbögen unterzeichnet habe. Der Kläger sei nicht verpflichtet gewesen, die Auswirkungen einer etwaigen Nervenläsion bis in die kleinste Verästelung darzustellen. Im übrigen könne als sicher unterstellt werden, daß der Beklagte auch im Falle einer intensiveren Aufklärung in die Operation eingewilligt hätte.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Berufungsvorbringens des Klägers wird auf die Berufungserwiderung vom 17. Dezember 2003 verwiesen.

II.

Die zulässige Berufung hat auch in der Sache teilweise Erfolg. Sie führt zur Aufhebung des angefochtenen Urteils, soweit dieses die Widerklage abgewiesen hat, zur Verurteilung des Klägers nach dem Feststellungsantrag zu Nr. in der Widerklage, im übrigen, bezüglich der Zahlungsanträge in Nr. I und II, zum Erlaß eines Grundurteils (§ 304 ZPO) und zur Zurückverweisung dieses Teils des Rechtsstreits an das Erstgericht (§ 538 Abs. 2 Nr. 4 ZPO).

Der Beklagte hat nach Auffassung des Senats dem Grunde nach einen Anspruch auf Schadensersatz, weil er vor dem Eingriff nicht hinreichend aufgeklärt wurde. Er ist aber gleichwohl verpflichtet, das eingeklagte Honorar zu bezahlen.

1. Der Beklagte wurde nach dem vom Erstgericht festgestellten Sachverhalt nicht ausreichend über die mit dem streitgegenständlichen Eingriff verbundenen Risiken aufgeklärt.

a) Die ärztliche Aufklärung hat den Zweck, dem Patienten eine zutreffende Vorstellung davon zu verschaffen, worauf er sich einläßt, wenn er in die ärztliche Behandlung, welche im Falle eines operativen Eingriffs eine Körperverletzung darstellt, einwilligt. Er soll sein Selbstbestimmungsrecht sinnvoll wahrnehmen und über die Inkaufnahme der damit verbundenen Risiken frei entscheiden können (BGHZ 107, 222; Wussow VersR 2002, 1337).

Die Risikoaufklärung muß den Patienten über die Gefahren des ärztlichen Eingriffs informieren. Die Risiken brauchen nicht medizinisch exakt und in allen denkbaren Erscheinungsformen dargestellt werden. Ein allgemeines Bild von der Schwere und Richtung des Risikospektrums genügt, ist aber auch erforderlich (BGH NJW 1992, 2351; Geigel/Wellner, Der Haftpflichtprozeß, 24. Auflage, Kap. 14 Rdnr. 217). Wichtig ist vor allem, dem Patienten einen zutreffenden Eindruck von der Schwere des Eingriffs und von der Art der Belastungen zu vermitteln, die für seine körperliche Integrität und Lebensführung auf ihn zukommen können (BGH VersR 2001, 592; NJW 1996, 777). Eine Grundaufklärung ist in aller Regel nur dann erfolgt, wenn der Patient auch einen Hinweis auf das schwerste möglicherweise in Betracht kommende Risiko erhalten hat. Nicht ausreichend ist es, wenn der Arzt nur allgemein auf mögliche Komplikationen als Folge des Eingriffs hinweist. Erforderlich ist vielmehr, daß der Arzt den Patienten über alle wesentlichen Punkte informiert.

Dabei ist zu bedenken, daß der Patient als medizinischer Laie, komplizierte medizinische Einzelheiten ohnehin nicht wird beurteilen können. Grundsätzlich ist daher, unabhängig von der Risikohäufigkeit und der Risikodichte, über alle Risiken aufzuklären, die dem Eingriff spezifisch anhaften und bei ihrer Verwirklichung die Lebensführung des Patienten besonders belasten (BGHZ 126, 386; VersR 2000, 725; 1996, 330).

b) Die vom Kläger behauptete und vom Erstgericht seiner Entscheidung zugrunde gelegte Aufklärung genügt diesen Anforderungen nicht, da sie dem Beklagten nicht die erforderliche Kenntnis von der Stoßrichtung und der Dimension des unstreitig mit der Operation verbundenen Risikos vermittelte.

aa) Der Kläger hat stets vorgetragen, und das Erstgericht ist ihm darin gefolgt, daß er entsprechend dem vorliegenden, vom Beklagten unterzeichneten Aufklärungsbogen aufgeklärt habe. Dieser Aufklärungsbogen enthält jedoch zur Risikoaufklärung lediglich folgenden Satz: "Besondere Probleme bei mir kamen ausführlich zur Sprache, insbesondere Mißerfolg (rezidiv. bzw. erneutes Auftreten) Nachblutung, Infektion, Gefäß- und Nervenverletzung, Thrombose, Embolie, Morbus Sudeck, Implantatlockerung und Bruch, (Re-OP erforderlich), anhaltende Schmerzen insbesondere des Oberschenkels, Beinlängendifferenz." Eine derartige Aufzählung ist eher geeignet Risiken zu verschleiern als über sie zu informieren. Für den medizinischen Laien läßt sich daraus wegen der Vielzahl der unkommentiert aneinandergereihten medizinischen Begriffe lediglich entnehmen, daß die Operation mit Komplikationen verbunden sein kann. Dies stellt aber gerade keine ausreichende Information dar. Zum Inhalt einer ordnungsgemäßen Aufklärung z.B. über das hier relevante Risiko von Nervenverletzungen hatte es dagegen gehört, daß dem Patienten gesagt worden wäre, daß zu den seltenen, aber typischen Folgen der beabsichtigten Operation auch dauerhafte Lähmungen infolge von Nervenverletzungen gehören. Dann wäre es Sache des Patienten gewesen, zu entscheiden, ob er dieses Risiko eingehen will oder ob er noch eine Zeit lang mit seiner Hüftkopfnekrose leben will oder ob er den Eingriff vielleicht statt beim Kläger in einer auf derartige Eingriffe spezialisierten Klinik durchführen lassen möchte.

Der insoweit darlegungspflichtige Kläger hat weder im ersten noch im zweiten Rechtszug vorgetragen, daß er dem Beklagten in dieser Weise das mit dem Begriff "Nervenverletzung" verbundene Risiko verdeutlicht habe. Die Tatsache allein, daß im Streitfall unstreitig zwei Gespräche über den beabsichtigten Eingriff stattfanden, genügt nicht. Es geht um den "richtigen" Inhalt dieses Gesprächs.

bb) Es spricht hingegen einiges dafür, daß der Kläger die mit dem streitgegenständlichen Eingriff verbundenen Risiken hier verharmloste und herunterspielte.

So bekundete die Zeugin ... der Kläger habe bei dem Aufklärungsgespräch vor dem ersten Eingriff erklärt, "es könne nichts schieflaufen". Das Erstgericht hat gegen die Glaubwürdigkeit dieser Aussage keine Bedenken erhoben. Es sah sich an der Feststellung ordnungsgemäßer Aufklärung nur deshalb nicht gehindert, weil die Zeugin nicht bei allen Gesprächen und auch bei dem einen Gespräch nicht ohne Unterbrechung anwesend war. Danach muß der Senat davon ausgehen, daß der Kläger tatsächlich eine derartige beschönigende Äußerung tat. Für diese Annahme spricht im übrigen auch der Umstand, daß sich der Kläger in keiner Weise gegen die Richtigkeit der Aussage der Zeugin verwahrt hat.

Gleiches gilt für die Behauptung des Beklagten, der Kläger habe ihm versprochen, er würde nach der Operation wieder "hüpfen wie eine Gazelle". Auch diese Aussage hat eine verharmlosende Tendenz. Auch insoweit muß der Senat davon ausgehen, daß die Aussage wörtlich oder sinngemäß gefallen ist, da der Kläger der entsprechenden Behauptung nicht widersprochen hat (§ 138 Abs. 3 ZPO).

2. Der Kläger kann sich nicht mit Erfolg darauf berufen, der Beklagte hätte auch bei ordnungsgemäßer Aufklärung dem Eingriff zugestimmt. Der Senat ist von einem entsprechenden hypothetischen Verhalten des Beklagten nicht überzeugt.

Da es sich insoweit um den Einwand rechtmäßigen Alternativverhaltens bzw. hypothetischer Kausalität handelt, trägt auch insoweit der Arzt die Darlegungs- und Beweislast dafür, daß der Patient sich auch bei ordnungsgemäßer Aufklärung zu dem Eingriff gerade bei ihm, dem behandelnden Arzt, entschlossen hätte (BGH NJW 1996, 3074; 1994, 2414). An den Nachweis dieser Behauptung sind strenge Anforderungen zu stellen, damit nicht auf diesem Wege das Aufklärungsrecht des Patienten unterlaufen wird (Geigel/Wellner, a.a.O., Rdnr. 221). Allerdings trifft den Arzt diese Beweislast erst dann, wenn der Patient zur Überzeugung des Gerichts plausibel macht, daß er - wären ihm die Risiken des Eingriffs verdeutlicht worden - vor einem echten Entscheidungskonflikt gestanden hätte. Die Substantiierungspflicht des Patienten beschränkt sich allerdings auf die Darlegung des Entscheidungskonflikts, in den er bei erfolgter Aufklärung geraten wäre. Er braucht nicht etwa darzulegen, wie er sich tatsächlich entschieden hätte.

Das Erstgericht überspannt die an die Darlegung des Patienten zu stellenden Anforderungen. Dessen im ersten Rechtszug vorgetragene Behauptung, er hätte sich bei gehöriger Aufklärung nach anderen Behandlungsmethoden erkundigt, genügt grundsätzlich den zu stellenden Anforderungen. Es ist plausibel, daß ein Patient, dem eröffnet wird, mit der ihm vorgeschlagenen Operation sei u.a. das Risiko dauerhafter Lähmungserscheinungen verbunden, sich erkundigt hätte, ob es nicht andere Therapien für seine Hüftkopfnekrose gibt, die risikoärmer sind.

3. Da der Kläger nach alledem ohne wirksame Einwilligung operiert hat, muß der mit der Widerklage gestellte Feststellungsantrag Erfolg haben. Wegen der bezifferten Zanlungsanträge ergeht ein Grundurteil (§ 304 ZPO). Wegen der Höhe der Schadensersatzansprüche des Beklagten verweist der Senat die Sache zur weiteren Verhandlung und Entscheidung an das Erstgericht zurück (§ 538 Abs. 2 Nr. 4 ZPO).

a) Die Ansprüche des Beklagten waren bereits im ersten Rechtszug nach Grund und Betrag streitig. Das Erstgericht hat die Widerklage abgewiesen und sich deshalb mit der Anspruchshöhe noch in keiner Weise befaßt. Die einzelnen Positionen des vom Beklagten geltend gemachten Vermögensschadens sind ebenso umstritten wie das für die Höhe des Schmerzensgeldanspruchs entscheidende Ausmaß der dem Beklagten infolge des streitgegenständlichen Eingriffs treffenden Beeinträchtigungen. Der Beklagte hat die Zurückverweisung beantragt.

Da zur Höhe des Anspruchs demnach eine umfangreiche Beweisaufnahme erforderlich ist, hält es der Senat für sachdienlich, die weitere Aufklärung dem Erstgericht zu überlassen. Das Interesse an einer schnelleren Erledigung macht in einem solchen Fall den Verlust einer Tatsacheninstanz nicht wett (BGH NJW 2000, 2024; Zöller/Gummer/Heßler, ZPO, 24. Auflage, § 538 Rdnr. 7).

b) Da der Senat den Anspruchsgrund entgegen dem Erstrichter bejaht, muß über den Grund des Anspruchs insgesamt im Berufungsurteil selbst entschieden werden (BGH NJW 1975, 1785; 1991, 1893).

aa) Die Voraussetzungen für ein Grundurteil nach § 304 ZPO liegen vor.

Es besteht insbesondere eine hohe Wahrscheinlichkeit, daß im Betragsverfahren noch etwas zuerkannt wird (Zöller/Gummer/Heßler, a.a.O., Rdnr. 45).

bb) Hinsichtlich des Feststellungsanspruchs kommt eine Zurückverweisung schon nach dem Wortlaut des § 538 Abs. 1 Nr. 4 ZPO nicht in Betracht, da dieser Anspruch nicht nach Grund und Höhe streitig sein kann (BGH NJW 1988, 1984). Auch insoweit ist daher im Berufungsurteil selbst zu entscheiden.

Der Feststellungsantrag ist zulässig, insbesondere besteht ein Feststellungsinteresse, da ein auf das Verhalten des Klägers zurückzuführender Schaden hinreichend wahrscheinlich ist.

Im Arzthaftungsprozess sind an die Darlegung der Wahrscheinlichkeit, daß spätere Schadensfolgen eintreten können, vor allem mit Rücksicht auf das Interesse des Patienten am Schutz vor der Verjährung seiner Ersatzansprüche, nur maßvolle Anforderungen zu stellen. Es genügt, daß der Patient die aus seiner Sicht bei verständiger Würdigung die nicht eben fernliegende Möglichkeit künftiger Verwirklichung der Schadensersatzpflicht durch das Auftreten weiterer Folgeschäden aufzeigt (BGH NJW 1998, 160; Geiß/Greiner, Arzthaftpflichtrecht, 4. Auflage, E 27).

Der Sachvortrag des Beklagten genügt in Verbindung mit den Feststellungen des Erstgerichts diesen Anforderungen. Denn danach hat der Beklagte infolge des Eingriffs eine dauerhafte komplette Verletzung des Nervus femoralis erlitten. Die Folge ist eine Abschwächung der Kraft im rechten Bein, der Verlust des Patellasehnenreflexes auf der rechten Seite sowie Sensibilitätsstörungen rechts. Es liegt nahe, daß sich hieraus auch in Zukunft weitere Schäden ergeben können.

Dies gilt auch für immaterielle Zukunftsschäden.

Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs, der sich der Senat anschließt, kann ein rechtliches Interesse an der Feststellung der Ersatzpflicht für immaterielle Zukunftsschaden auch dann gegeben sein, wenn der Schmerzensgeldanspruch dem Grunde nach bereits für gerechtfertigt erklärt worden ist (BGH VersR 2001, 876 m.w.N.). Zwar trifft es grundsätzlich zu, daß wegen des Grundsatzes der Einheitlichkeit des Schmerzensgeldes, der eine ganzheitliche Betrachtung und Bemessung gebietet, die künftige Entwicklung des Schadensbildes in die Bemessung des Schmerzensgeldes miteinbezogen werden muß. Dieser Grundsatz schließt für den Streitfall ein Interesse des Beklagten an der Feststellung der Ersatzpflicht für immaterielle Schäden aber nicht aus. Denn derzeit läßt sich eine Aussage darüber, ob in der Zukunft noch Spätfolgen der vom Beklagten infolge des Eingriffs erlittenen Verletzungen auftreten können, nicht mit Gewißheit treffen. Solange der Eintritt derartiger Schäden nicht ausgeschlossen werden kann, ist die Möglichkeit von Spätschäden gegeben. Besteht aber die Möglichkeit eines weiteren Schadenseintritts, so reicht dies für das nach § 256 Abs. 1 ZPO erforderliche Feststellungsinteresse grundsätzlich aus. Letzteres kann nur dann verneint werden, wenn aus der Sicht des Feststellungsklägers bei verständiger Würdigung kein Grund besteht, mit dem Eintritt des Schadens wenigstens zu rechnen. Von der Möglichkeit derartiger Spätfolgen kann hier aber schon deshalb ausgegangen werden, weil der erstinstanzlich gehörte Sachverständige Beeinträchtigungen der Stand- und Gehsicherheit des Beklagten als Folge seiner Nervenverletzung wenigstens für möglich hält. Diese Unsicherheiten können jederzeit etwa zu Stürzen und damit zu weiteren schmerzensgeldpflichtigen Schädigungen des Beklagten führen.

Das Feststellungsinteresse entfällt auch nicht deshalb, weil der Schmerzensgeldanspruch des Klägers dem Grunde nach für gerechtfertigt erklärt worden ist und in dem anschließenden Betragsverfahren ein umfassendes Schmerzensgeld festgesetzt werden wird. Denn mit diesem Schmerzensgeld werden lediglich alle bereits eingetretenen oder erkennbaren sowie alle objektiv vorhersehbaren unfallbedingten Verletzungsfolgen abgegolten (BGH VersR 1995, 471).

Nicht erfaßt werden solche Verletzungsfolgen, die im Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung noch nicht eingetreten und deren Eintritt objektiv nicht vorhersehbar war, d.h. mit denen nicht ernstlich zu rechnen war.

Der Beklagte kann für den Fall, daß es in Zukunft beim Eintritt nicht vorhersehbarer Schäden zu einer Schmerzensgeldnachforderung kommt, durchaus ein Interesse daran haben, schon jetzt in einem eingriffsnahen Zeitpunkt eine rechtskräftige Entscheidung über den Haftungsgrund herbeizuführen, um diesen für die Zukunft dem Streit der Parteien zu entziehen (BGH NJW 1978, 544). Ein solches Anliegen muß als ein rechtliches Interesse im Sinne des § 256 Abs. 1 ZPO für die Erhebung einer Feststellungsklage im Bezug auf nicht vorhersehbare Verletzungsfolgen anerkannt werden; dies gilt auch im Hinblick auf die andernfalls in Betracht kommende Verjährung.

4. Die Berufung hat keinen Erfolg, soweit sich der Beklagte gegen seine Verurteilung zur Zahlung des eingeklagten Arzthonorars wendet. Der Kläger behält seinen Honoraranspruch, obwohl die diesem Anspruch zugrundeliegende Operation in rechtlicher Hinsicht als rechtswidrige Körperverletzung zu werten ist, weil die Einwilligung des Beklagten mangels ausreichender Aufklärung unwirksam war. Der entscheidende Grund hierfür liegt darin, daß die vom Kläger vorgenommene Operation unbestritten erfolgreich in dem Sinne war, daß die Hüftendoprothese einwandfrei sitzt und funktioniert.

a) Der Honoraranspruch ist dem Grunde nach mit dem unstreitig wirksamen Abschluß des Arztvertrages entstanden. Da es sich bei dem Vertrag zwischen Arzt und Patient um einen Dienstvertrag handelt, erlangt der Arzt nicht erst dann einen Honoraranspruch, wenn er erfolgreich tätig wird, sondern er verdient sein Honorar bereits durch sein Tätigwerden als solches.

Beruht der Behandlungsmißerfolg auf einer schuldhaften Fehlleistung des Arztes, so liegt eine vertragliche Pflichtverletzung vor mit der Folge, daß dem Patienten ein Schadensersatzanspruch zusteht, mit dem er gegen den Honoraranspruch aufrechnen kann. Nur bei besonders groben, in der Regel vorsätzlichen und strafbaren Pflichtverletzungen kommt der Verlust des Honoraranspruchs in Betracht, weil in solchen Fällen die Geltendmachung des Honorars als unzulässige Rechtsausübung anzusehen ist (§ 242 BGB; Laufs/Uhlenbruck/Kern, Handbuch des Arztrechts, 3. Auflage, § 82 Rdnr. 15 m.w.N.). Im Streitfall kann von einem derart groben Verstoß gegen elementare Regeln und Erkenntnisse der Medizin nicht die Rede sein.

b) Die Überlegungen zu den Auswirkungen eines Behandlungsfehlers auf den ärztlichen Honoraranspruch können allerdings nicht ohne weiteres auf einen Aufklärungsfehler, wie er hier vorliegt, übertragen werden (so aber: OLG München VersR 1996, 233). Denn hier besteht zumindest die Möglichkeit, daß schon der Abschluß des auf den Eingriff bezogenen Arztvertrages als Schaden anzusehen ist, von dem der Patient zu befreien ist, weil es zu ihm nur gekommen ist, weil der Arzt pflichtwidrig unzureichend aufgeklärt hat. Der Honoraranspruch entfällt aber auch bei einer Verletzung der Aufklärungspflicht nur dann, wenn die Dienstleistung wegen unzureichender Bemühung um den Heilerfolg unbrauchbar war (OLG Köln NJW-RR 1999, 674; OLG Stuttgart VersR 2002, 1286; KGR 1996, 195; Laufs/Uhlenbruck/Kern a.a.O. Rdnr. 16 m.w.N.).

Der Patient hat in den Fällen unzureichender Risikoaufklärung zwar regelmäßig einen Schadensersatzanspruch aus positiver Vertragsverletzung des in der Regel bereits vor der Entscheidung über den Eingriff zustandegekommenen Arztvertrages (Jaspersen VersR 1992, 1431/1434).

Dies gilt jedenfalls dann, wenn man unterstellt, daß er sich bei ordnungsgemäßer Aufklärung gegen den Eingriff entschieden hätte.

Es fehlt im vorliegenden Fall aber beim Beklagten an einem materiellen Schaden. Sein Vermögen wurde zwar wegen des Aufklärungsmangels letztlich zu Unrecht mit dem Honoraranspruch des Klägers belastet; dieser Belastung steht aber der Wert der vom Kläger erfolgreich eingesetzten Hüftendoprothese gegenüber.

Auch das Rechtsinstitut des Verschuldens bei Vertrags-Verhandlungen (c.i.c.) führt zu keiner anderen Beurteilung des Honoraranspruchs. Der Kläger wirkte zwar durch die unvollständige Aufklärung fahrlässig pflichtwidrig auf die Willensbildung des Beklagten ein. Darin liegt ein Verschulden bei Vertragsverhandlungen (Palandt/Heinrichs, BGB, 63. Auflage, § 311 Rdnr. 42 m.w.N.). Dies hat aber nur zur Folge, daß der Beklagte nach § 249 Abs. 1 BGB verlangen kann, so gestellt zu werden, wie er ohne das schädigende Verhalten des Klägers gestanden hätte.

Ist in Folge des pflichtwidrigen Verhaltens des anderen Teils ein Vertrag zustandegekommen, hat der Geschädigte grundsätzlich Anspruch auf Rückgängigmachung des Vertrages (Palandt/Heinrichs, a.a.O., Rdnr. 57). Dieser Anspruch setzt aber nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs, der sich der Senat anschließt, voraus, daß auf Seiten des nur fahrlässig zum Vertragsschluß Verleiteten ein Vermögensschaden entstanden ist (BGH NJW 1998, 302, 899). Denn die Rückgängigmachung eines Vertrages nach c.i.e. - Grundsätzen oder aufgrund deliktsrechtlicher Normen verlangt auf der Tatbestandsseite anders als die Anfechtung, die die freie Selbstbestimmung auf rechtsgeschäftlichem Gebiet gegen unerlaubte Mittel der Willensbeeinflussung schützt, den Eintritt eines Schadens (BGH NJW 1979, 1983/1984). An einem Schaden fehlt es im vorliegenden Fall aber gerade, da das Einsetzen der Hüftkopfendoprothese das geltend gemachte ärztliche Honorar wert war.

Das gefundene Ergebnis wird schließlich noch durch die Überlegung bestätigt, daß selbst die Nichtigkeit eines Dienstvertrages nicht für die Vergangenheit geltend gemacht werden kann (Palandt/Putzo, a.a.O., § 611 Rdnr. 23 a m.w.N.) und der Honoraranspruch selbst nach Bereicherungsrecht (§ 812 Abs. 1 S. 1, erste Alternative, § 818 Abs. 2 BGB) in der geltend gemachten Höhe begründet wäre. Denn bei Dienstleistungen bemißt sich der Wertersatz nach der üblichen vom Vertragspartner ersparten Vergütung (Palandt/Sprau a.a.O., § 818 Rdnr. 22 m.w.N.).

c) Die Bestätigung der Verurteilung des Beklagten zur Zahlung des geltend gemachten Arzthonorares wird nicht dadurch gehindert, daß der Beklagte gegen den Honoraranspruch mit seinen Schmerzensgeldansprüchen aufrechnete. In der Klageerwiderung vom 17.11.1998 hatte der Beklagte zwar zunächst hilfsweise eine solche Aufrechnung erklärt. Bereits mit der Duplik vom 13.01.1999 erhob er jedoch Widerklage wegen seiner gesamten gegen den Kläger gerichteten Schadensersatzansprüche, ohne diese auf den durch die Aufrechnung verbrauchten Teil dieser Ansprüche zu beschränken. Dieses Prozeßverhalten kann nur dahin verstanden werden, daß der Beklagte, was ihm freistand, von der ursprünglich erklärten Hilfsaufrechnung wieder Abstand nahm.

Dem steht auch der Inhalt der Berufungsbegründung nicht entgegen. Denn diese enthält keinerlei eigenständige Ausführungen zum Honoraranspruch des Klägers. Der Antrag auf Abweisung der diesbezüglichen Klage wird lediglich durch eine pauschale Bezugnahme auf den erstinstanzlichen Sachvortrag begründet. Dies mag zwar den Anforderungen an eine zulässige Berufungsbegründung im Streitfall gerade noch genügen, da das Erstgericht die Frage der Auswirkungen des Aufklärungsfehlers auf den Honoraranspruch aus seiner Sicht folgerichtig nicht behandelt hat (BGH WM 1985, 1361/1364; Zöller/Gummer/Heßler, a.a.O., § 520 Rdnr. 40), genügt aber nicht, um davon ausgehen zu können, daß der Beklagte sich wieder auf den Aufrechnungseinwand berufen wolle.

5. Eine Kostenentscheidung ist nicht veranlaßt.

Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf §§ 708 Nr. 10, 775 Nr. 1 ZPO.

Die Voraussetzungen für die Zulassung der Revision lagen nicht, vor, da die Sache weder grundsätzliche Bedeutung hat noch die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Revisionsgerichts erfordert.

Ende der Entscheidung

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