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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Nürnberg
Urteil verkündet am 30.10.2000
Aktenzeichen: 5 U 319/00
Rechtsgebiete: BGB


Vorschriften:

BGB § 833
BGB § 847
Der grundsätzlich dem Arzt obliegende Nachweis des Verständnisses der erfolgten Aufklärung eines fremdsprachigen Patienten kann auch durch Art und Umfang dessen eigener Angaben zu Erkrankung und Vorerkrankungen geführt werden; die Qualität des Sprachverständnisses ist keine Tatsachenfeststellung, sondern eine Wertung und deshalb einem Zeugenbeweis nicht zugänglich.
Oberlandesgericht Nürnberg IM NAMEN DES VOLKES ENDURTEIL

5 U 319/00

Verkündet am 30. Oktober 2000

In Sachen

wegen Schadensersatzes,

hat der 5. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Nürnberg durch den Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht Klieber und die Richter am Oberlandesgericht Flach und Kuhbandner aufgrund der mündlichen Verhandlung vom 30. Oktober 2000

für Recht erkannt:

Tenor:

I. Die Berufung der Klägerin gegen das Endurteil des Landgerichts Nürnberg-Fürth vom 16. Dezember 1999, Az. 4 O 8004/97, wird zurückgewiesen.

II. Die Kosten des Berufungsverfahrens hat die Klägerin zu tragen.

III. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Die Klägerin kann die Vollstreckung gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 10.000,-- DM abwenden, falls nicht die Beklagten in gleicher Höhe Sicherheit leisten.

IV. Der Wert der Beschwer für die Klägerin beträgt 99.254,46 DM.

Beschluß:

Der Streitwert des Berufungsverfahrens wird auf 99.254,46 DM festgesetzt.

Tatbestand:

Die Klägerin macht wegen behaupteter Folgen einer im Klinikum der Beklagten zu 1) druchgeführten, nach ihrer Darstellung fehlerhaften ärztlichen Behandlung Schmerzensgeld- und Schadensersatzansprüche geltend.

Die Klägerin begab sich am 09.08.1994 in das Klinikum, um wegen gynäkologischer Beschwerden eine Laparoskopie vornehmen zu lassen. Nach eingehender Untersuchung am 11.08. fand am 12.08. ein Aufklärungsgespräch statt. Am Morgen des 15.08. wurde die Laparoskopie in Intubationsnarkose durchgeführt, jedoch auf eine Laparotomie ausgeweitet. Gegen 12.30 Uhr war der Eingriff beendet. Am Nachmittag des gleichen Tages kam es aufgrund starker innerer Blutungen zu einer Verschlechterung des Zustands der Klägerin, der die Ärzte veranlaßte, noch am Abend einen Revisionseingriff, ebenfalls in Intubationsnarkose, vorzunehmen. Am frühen Morgen des folgenden Tages wurde sie auf die Intensivstation zurückverlegt.

Als sich im weiteren Verlauf ein Halsemphysem entwickelte, kam es am 16.08. zu einem dritten in Intubationsnarkose durchgeführten Eingriff, bei dem der Hals geöffnet und mit Ösophagoskopie und Mediastinoskopie nach den Ursachen des Emphysems geforscht wurde, dies zunächst ohne Erfolg. Bei einer ebenfalls durchgeführten Tracheoskopie stellten die Ärzte jedoch einen ca. einen Zentimeter langen Schleimhauteinriß fest, dem mit einer Umtubierung begegnet wurde. Die Klägerin wurde danach wieder auf die Intensivstation zurückverlegt.

Dort kam es schließlich im Laufe der Intensivbehandlung zu einem ARDS (akutes Lungenversagen).

Die Beklagte zu 2) war als Anästhesistin bei dem Revisionseingriff am 15.08. beteiligt, der Beklagte zu 3) nahm die gynäkologischen Eingriffe vor und der Beklagte zu 4) den dritten Eingriff am 16.08. zum Zwecke des Auffindens der Ursache des Halsemphysems.

Die Klägerin hat erstinstanzlich geltend gemacht, sie habe lediglich in eine Laparos6kopie, nicht jedoch in einen erweiterten Eingriff, eine Laparotomie eingewilligt und auch nicht in den dritten Eingriff am 16.08. Die Belehrung am 12.08. habe sie als Italienerin nicht verstanden. Bei der Intubation anläßlich des Revisonseingriffs sei es schließlich durch Verwendung eines nicht mehr gebräuchlichen Führungsstabes zu einer Perforation der Luftröhre und zu einer Fistelbildung zwischen Luft- und Speiseröhre gekommen, nach der anläßlich des dritten Eingriffs nicht ausreichend gesucht worden sei und die schließlich zu dem schwerwiegenden Lungenversagen geführt habe. Sie sei deswegen arbeitsunfähig geworden und leide heute noch an schweren körperlichen und psychischen Schäden.

Die Beklagten haben entgegnet, eine Verständigung mit der Klägerin sei durchaus gut möglich gewesen. Über eine u. U. notwendige Erweiterung des Eingriffs und einer möglichen Eierstocksentfernung sei sie aufgeklärt worden; sie sei hiermit einverstanden gewesen. Keinesfalls sei es auch zu einer Perforation der Luftröhre und dem Entstehen einer ösophago-trachealen Fistel gekommen; das Lungenversagen sei hierauf nicht zurückzuführen.

Wegen der weiteren Einzelheiten des beiderseitigen Parteivortrags wird auf die erstinstanzlich gewechselten Schriftsätze Bezug genommen.

Das Landgericht hat die Staatsanwaltschaftlichen Ermittlungsakten beigezogen und, sachverständig beraten, die Klage abgewiesen und hierzu im wesentlichen ausgeführt:

Die Klägerin sei, wie aus ihrer schriftlichen Einwilligungserklärung hervorgehe, über eine eventuell notwendige Ausweitung des vorgesehenen Eingriffs und die dabei vorgesehenen Maßnahmen und Risiken aufgeklärt worden. Der Sachverständige T habe überzeugend dargelegt, daß es (lediglich) zu einem Schleimhauteinriß, nicht aber zu einer ösophago-trachealen Fistel gekommen sei. Als Ursache des Lungenversagens komme ein durch die schwere Blutung nach dem ersten Eingriff bedingter Schockzustand in Betracht. Dieser sei rechtzeitig erkannt und adäquat behandelt worden.

Behandlungsfehler seien nicht nachgewiesen.

Wegen der Einzelheiten wird auf die Entscheidungsgründe Bezug genommen.

Mit ihrer Berufung verfolgt die Klägerin ihr ursprüngliches Klageziel weiter. Sie wiederholt zunächst die Aufklärungsrüge und verweist erneut auf gravierende Sprach- und Verständnisschwierigkeiten, die sie als Italienerin gehabt habe und die jedem Gesprächspartner evident sein mußten. Sie sei in keiner Weise von ihrer Sprachbildung her in der Lage, die komplizierte Begrifflichkeit des Aufklärungsbogens zu verstehen (Beweis: Sachverständigengutachten, E R als Zeuge). Auch werde bestritten, daß ihr postoperativer Bewußtseinszustand ein Verständnis in die Ausführungen des Einwilligungsbogens im Hinblick auf die Halsoperation überhaupt ermöglicht habe.

Was die behaupteten Behandlungsfehler betreffe, so müßte die verzögerte Vorlage der Behandlungsunterlagen in erster Instanz zu Beweiserleichterungen führen. Die Unterlagen enthielten auch einen Bronchoskopiebericht vom 19.08.1994, der gerade die von ihr behauptete Trachealperforation hervorhebe. Deshalb könne das Gutachten des Sachverständigen 1) nicht überzeugen und es sei ein weiteres, ein Obergutachten erforderlich, da der Sachverständige diese Fundstelle in den Behandlungsunterlagen nicht berücksichtigt habe. Auch in den Ausführungen zu den Verletzungsursachen und deren Feststellungsmöglichkeiten überzeuge das Gutachten nicht.

Die Klägerin beantragt:

I. Das unter dem 16.12.1999 verkündete Urteil des Landgerichts Nürnberg-Fürth, Az. 4 O 8004/97, wird abgeändert.

II. Die Beklagten werden verurteilt, an die Klägerin gesamtschuldnerisch ein angemessenes Schmerzensgeld nebst 10 % Zinsen hieraus seit Rechtshängigkeit zu bezahlen.

III. Die Beklagten werden verurteilt, an die Klägerin gesamtschuldnerisch Schadensersatz in Höhe von 44.254,46 DM nebst 10 % Zinsen seit Rechtshängigkeit zu bezahlen.

IV. Es wird festgestellt, daß die Beklagten gesamtschuldnerisch verpflichtet sind, der Klägerin sämtliche materiellen Schäden aus dem Vorfall vom 15.08.1994 im S, Klinikum zu bezahlen, soweit die Ansprüche nicht auf Sozialversicherungsträger oder sonstige Dritte übergehen.

Die Beklagten beantragen,

die Berufung zurückzuweisen.

Die Aufklärungsrüge, so tragen sie vor, gehe fehl. Allein die von der Klägerin beim Aufklärungsgespräch gemachten Angaben zu ihren Vorerkrankungen und ihrem körperlichen Zustand belegten deutlich, daß sie dem Gespräch und den Hinweisen des Arztes folgen konnte. Behandlungsfehler seien nicht nachgewiesen. Beweiserleichterungen wegen verspäteter Vorlage der Krankenunterlagen kämen nicht in Betracht. Die Unterlagen seien von der Staatsanwaltschaft beschlagnahmt gewesen und nach Herausgabe sofort vorgelegt worden, so daß die Klägerin sie noch ausreichend einsehen konnte.

Anlaß für die Erholung eines Obergutachtens bestünde nicht. Der Hinweis in dem Protokoll vom 19.08. auf eine "Perforation" bedeute nicht, daß der dokumentierende Arzt eine solche festgestellt habe.

Wegen der weiteren Einzelheiten wird auch hier auf die im Berufungsverfahren gewechselten Schriftsätze Bezug genommen.

Der Senat hat ergänzend Beweis erhoben durch schriftliche Einvernahme des Zeugen C H. Auf dessen Stellungnahme vom 22.08.2000 und seine frühere Stellungnahme vom 21.07.1999, auf die er Bezug nimmt, wird verwiesen.

Entscheidungsgründe:

I.

Die Berufung der Klägerin bleibt ohne Erfolg.

Das Landgericht hat zu Recht sowohl eine unzureichende Aufklärung als auch, dies mit zutreffenden Erwägungen, Behandlungsfehler der behandelnden Ärzte verneint; der Senat folgt insoweit den Gründen der angefochtenen Entscheidung und nimmt zur Vermeidung von Wiederholungen zunächst auf sie Bezug (§ 543 Abs. 1 ZPO).

Das Berufungsvorbringen veranlaßt lediglich die folgenden ergänzenden und zusammenfassenden Anmerkungen.

II.

Zur Aufklärungsrüge

1. Die Klägerin verweist zwar zutreffend darauf, daß gerade bei fremdsprachigen Patienten sicherzustellen sei, daß diese die Aufklärung auch verstehen (vgl. Laufs/Uhlenbruck, Handbuch des Arztrechts, 2. Aufl., S. 66, Rdn. 5; Frahm/Nixdorf, Arzthaftungsrecht, Rdn. 188). Auch der Senat hat jedoch keine Zweifel, daß dies hier der Fall war. Zu Recht weisen die Beklagten darauf hin, daß die detaillierten Angaben der Beklagten in dem dem Aufklärungsbogen beigefügten Anamnesebogen deutlich belegen, daß die Klägerin die gestellten Fragen auch verstanden hat. Auch die von ihr selbst im erstinstanzlichen Schriftsatz vom 09.12.1997 geschilderten Einzelheiten des Aufklärungsgesprächs ("zwar hat die Gynäkologin, glaublich Frau Dr. D, die Risiken einer Operation mit dem Beispiel heruntergespielt, der Mensch funktioniere wie eine Maschine. Der Schnitt in der Bauchdecke würde gleich wieder sozusagen zugeklebt. Die Klägerin entgegnete dem, sie wolle dies trotzdem nicht, sie sei keine Maschine", oder, "die Klägerin äußerte hier, daß sie schon mehrfach operiert wurde und daß niemals ihre Zähne in Mitleidenschaft gezogen worden wären. Sie sei nicht bereit, dieses Risiko auf sich zu nehmen") zeigen klar, daß die Klägerin die mündliche Aufklärung und damit auch den schriftlichen Text nicht nur deutlich verstand bzw. verstehen konnte, sondern sich damit auch kritisch auseinandersetzte. Somit wird auch die Aktennotiz des Beklagten zu 3) vom 11.08.1994 über das ausführliche Gespräch mit der Klägerin, dies ohne jeglichen Hinweis auf Verständigungsschwierigkeiten, zu einem gewichtigen Indiz für die Darstellung der Beklagten. Auch hierin sind so viele Detailangaben enthalten, die belegen, daß die Klägerin in der Lage war, über ihren körperlichen Zustand gezielt Auskunft zu geben und deshalb auch die Fragen und Hinweise der Ärzte verstanden hat.

Gerade auch im Zusammenhang mit diesem, bereits auf die in Betracht kommende Laparotomie verweisenden Gespräch sind Bedenken gegen eine unzureichende Aufklärung nicht begründet.

2. Gleiches gilt für die "dritte Operation". Auch hier liegt eine schriftliche Einverständniserklärung vor, wie sich aus den Behandlungsunterlagen ergibt und von der Klägerin auch eingeräumt wird. Im übrigen ist bei dieser Operation, die ja notwendig war, um die Ursachen des Emphysems aufzuspüren und ggf. zu beseitigen, ein Entscheidungskonflikt der Klägerin weder vorgetragen noch objektiv erkenntlich.

3. Es bedarf auch keiner zusätzlichen Beweisaufnahme zu den Sprachkenntnissen der Klägerin. Der Ehemann war bei dem Aufklärungsgespräch nicht anwesend. Die Qualität des Sprachverständnisses wäre im übrigen auch einem Zeugenbeweis nicht zugänglich, weil es sich um Wertung und nicht um eine Tatsachenfeststellung handelt.

4. Schließlich sei darauf hingewiesen, daß - auch und vor allem - ein hinreichender Nachweis einer kausalen Verbindung zwischen dem für unzulässig erachteten Eingriff und den beklagten Folgen nicht dargelegt ist. Die Möglichkeit der Haftung des Arztes wegen eines Aufklärungsmangels entbindet den Patienten nicht vom Nachweis der Ursächlichkeit der ärztlichen Behandlung für den eingetretenen Schaden (vgl. Frahm/Nixdorf, a. a. O., Rdn. 164). Die alle Folgeeingriffe (bei denen es erst zu den Behandlungsfehlern gekommen sein soll) auslösende Komplikation war der extrem starke Blutverlust nach einer Verletzung der Arteria epigastrica inferior. Daß diese Verletzung nicht auch schon bei der Laparoskopie entstanden sein konnte, sondern erst bei der dann folgenden Laparotomie entstanden sein mußte, ist schon nicht schlüssig dargelegt.

III.

Zu den Behandlungsfehlern

Der wesentliche den Beklagten zur Last gelegte Behandlungsfehler (der zweite Vorwurf, ihn nicht entdeckt zu haben, geht aus ihm hervor) ist der, durch unsachgemäßes Vorgehen beim Intubieren eine ösophago-tracheale Fistel verursacht zu haben, die Voraussetzung und Ursache sowohl des Halsemphysems als auch des aufgetretenen Lungenversagens gewesen sei. Der Klägerin ist dabei bewußt, daß keiner der sie je untersuchenden Ärzte - von der Diskussion des Bronchioskopieberichtes vom 19.08.1994 abgesehen - eine solche Fistel festgestellt oder bestätigt hat, ihre, der Klägerin Sicht der Ereignisse also nur Schlüsse aus dem dokumentierten postoperativen Verlauf sind, der, wie sie im Schriftsatz vom 27.02.1998 ausführt, "vernünftigerweise keine andere Erklärung zuläßt als die, daß die Beklagte zu 2) bei der Intubation am 15.08.1994 um 21.05 Uhr die nicht durch Knorpelspangen geschützte, millimeterdünne Hinterwand der Luftröhre samt der unmittelbar dahinterliegenden Speiseröhre mit der Spitze des Einführungsstabes perforiert hat" und dies zu einem - typischen - Aspirationssyndrom geführt habe.

Diese Beurteilung durch die Klägerin ist jedoch durch die verschiedenen Gutachten nicht erwiesen.

1. Vorweg ist klarzustellen, daß die Klägerin keine Beweiserleichterungen beanspruchen kann, weil die Krankenunterlagen erst mit Verzögerung zur Verfügung standen. In beiden Instanzen erhielt die Klägerin ausreichend Gelegenheit, eventuelle Informationsdefizite auszugleichen.

2. Keiner der von den Ermittlungsbehörden und vom Erstgericht beauftragten Sachverständigen ging vom Vorliegen einer Fistel aus. Zwar benutzt Prof. W, Erstgutachter im Ermittlungsverfahren, in seinem Gutachten vom 26.04.1995 den Begriff "Perforation", nicht jedoch im Sinne einer Durchstoßung von Luft- und Speiseröhre. Der Landgerichtsarzt nimmt in seinem Gutachten vom 17.08.1997 (dort S. 9) bewußt von der Verwendung des Begriffs "Perforation" Abstand, weil er "zu sehr auf eine zugrundeliegende mechanische Durchstoßung abzielt" und benutzt stattdessen die Bezeichnung Einriß.

Zu Recht weist er auch darauf hin, daß für die Annahme einer Fistel im Gutachten von Prof. S vom 25.03.1996 "nachvollziehbare Grundlagen" fehlen. Prof. S hat in seinem Gutachten vom 25.03.1996 aus insgesamt drei Literaturstellen, die als mögliche Verletzungsursachen die Benutzung eines Führungsstabes anführen, geschlossen, daß "offensichtlich (ein) Führungsstab benutzt" wurde (Gutachten S. 14), und so Luftröhrenhinterwand samt Speiseröhre durchstoßen wurden.

Daß ein Führungsstab verwendet wurde, wird von der Beklagten zu 2) nachträglich zwar bestätigt. Dies ist jedoch grundsätzlich kein Fehler. Dafür, daß sie einen heute ungebräuchlichen, an der Spitze nicht geschützten Führungsstab verwendet hat, fehlt jeder Anhaltspunkt.

Vor allem aber steht nicht fest, daß die eingetretene Verletzung oder gar das Entstehen einer Fistel tatsächlich auf die Verwendung des Führungsstabes zurückzuführen seien.

3. Für die Behauptung, es sei zu einer Fistelbildung zwischen Luft- und Speiseröhre gekommen, fehlt in den Ausführungen von Prof. S jede überzeugende Begründung. Auch sein Gutachten vom 25.08.1998 vermag insoweit nicht zu überzeugen, denn es schließt vor allem aus dem folgenden ARDS auf die Fistelbildung.

Eine Begründung für die Perforation kann auch nicht dem Bronchioskopieprotokoll Vom 19.08.1994 entnommen werden. Der Zeuge H hat dargestellt, daß es nicht seine Aufgabe war, die Diagnose "Perforation" zu bestätigen und die von ihm durchgeführte Untersuchung auch weder geeignet noch dazu gedacht war, diese Diagnose zu bestätigen oder auszuschließen.

Auch vom zeitlichen Ablauf spricht viel dafür, daß der Kollege oder die Kollegin, die die Diagnose "Perforation" vorgaben, dies im Sinne und im Umfang verstanden, wie sie Prof. W und der Landgerichtsarzt, dieser mit der geschilderten Modifizierung, verwendeten, also nicht im Sinne einer ösophago-trachealen Fistel.

4. Die Ausführungen des gerichtlichen Sachverständigen Prof. T insbesondere auch seine Ausführungen zur Erkennbarkeit einer möglichen Fistel anläßlich der dritten Operation zur Auffindung der Ursachen des Emphysems und den dabei vorgenommenen Untersuchungen überzeugen. Sie sind ausführlich und schlüssig begründet. Darüberhinaus bringt der Sachverständige, auch insoweit unterstützt durch das Gutachten des Landgerichtsarztes, eine auch für den Senat absolut überzeugende Begründung für das aufgetretene Lungenversagen (Da-Nang-Lunge), die die Schlußfolgerung von Prof. S keineswegs mehr als zwingend erscheinen läßt.

Auch die ausführliche Erörterung der Fragen, ob und welcher Führungsstab oder welcher Tubus verwendet wurden und worauf sonst die festgestellte Läsion der Luftröhre zurückgeführt werden könnte, bringt keinen sicheren Nachweis eines Behandlungsfehlers. Es ist unbestritten, daß es durch die Verwendung eines Führungsstabes oder beim Einführen des Tubus zu Verletzungen der Luftröhre kommen kann. Der Sachverständige hat aber in seiner mündlichen Anhörung vom 18.03.1999 auch nochmals deutlich herausgestellt, daß es nicht nur in der wissenschaftlichen Diskussion, sondern auch in der von ihm beobachteten Praxis Fälle von Luftröhrenverletzungen unklarer Genese gibt bzw. gab, die fast immer mit einem Hautemphysem einhergehen. Gegen diese Aussage hat auch Prof. S keine Einwendungen (Gutachten vom 16.04.1999, S. 2). Wenn dann der gerichtliche Sachverständige weiter ausführt, daß es als sehr wahrscheinlich angesehen werden könne, daß die festgestellte schlitzförmige Verletzung der Luftröhre Ausgangspunkt für das Hautemphysem war (was von Prof. S ebenfalls nicht in Zweifel gezogen wird; er erachtet lediglich den Zusatz: "als bewiesen kann ich es gleichwohl nicht ansehen" als das "typische non liquet eines Entlastungsgutachters"), so liefert er eine schlüssige Begründung für die mögliche Ursache des Halsemphysems, die nicht nur gegen die Annahme eines Behandlungsfehlers spricht, sondern auch, wie Prof. T nochmals hervorhebt, als Ursache keine Fistel erfordert.

Mit dem Erstgericht folgt auch der Senat den mündlichen Ausführungen des Sachverständigen Prof. T wonach eine Fistel bei der Untersuchung anläßlich der Öffnung des Halses hätte entdeckt werden müssen, da ja gezielt nach einer solchen oder einer ähnlichen Verletzung gesucht wurde.

Schließlich besteht auch kein Anlaß zur Annahme, der gerichtliche Sachverständige, dem alle Unterlagen zur Verfügung standen, habe bei seiner Beurteilung die medikamentöse Behandlung der Klägerin unberücksichtigt gelassen.

5. Die jeweils ergänzenden Stellungnahmen von Prof. S zu den Ausführungen des Landgerichtsarztes im Ermittlungsverfahren und den Ausführungen des gerichtlichen Sachverständigen und schließlich den Angaben des Zeugen H (vom 25.02.1998, 04.11.1998, 16.04.1999, 08.09.1999 und 05.09.2000) vermögen, weil sie, im wesentlichen Wiederholungen enthaltend, auf der völlig unbewiesenen Annahme einer Aspirationspneumonie basieren, die zutreffende Beweiswürdigung des Erstgerichts nicht zu erschüttern. Eine neue Begutachtung ist, wie das Landgericht ebenfalls zutreffend hervorgehoben hat, nicht geboten, denn weder sind die Ausführungen des gerichtlichen Sachverständigen mangelhaft, d. h. unvollständig, widersprüchlich oder nicht überzeugend noch geht er von falschen Voraussetzungen aus; ihm fehlt auch nicht die notwendige Sachkunde und es ist weder vorgetragen noch ersichtlich, daß ein anderer Sachverständiger über überlegene Forschungsmittel oder Erfahrungen verfüge.

Zusammenfassend kann somit festgestellt werden, daß der Nachweis eines die von der Klägerin beklagten Beschwerden im Hals- und Brustbereich verursachenden Behandlungsfehlers nicht geführt ist.

IV.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO, der Ausspruch zur vorläufigen Vollstreckbarkeit auf den §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO.

Der Wert der Beschwer wurde gemäß § 546 Abs. 2 S. 1 ZPO festgesetzt.

Ende der Entscheidung

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