Judicialis Rechtsprechung

Mit der integrierten Volltextsuche, die vom Suchmaschinenhersteller "Google" zur Verfügung gestellt wird, lassen sich alle Entscheidungen durchsuchen. Dabei können Sie Sonderzeichen und spezielle Wörter verwenden, um genauere Suchergebnisse zu erhalten:

Zurück

Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Nürnberg
Urteil verkündet am 29.05.2000
Aktenzeichen: 5 U 87/00
Rechtsgebiete: BGB


Vorschriften:

BGB § 823
BGB § 823 - ärztliche Aufklärungspflicht

1. Die Aufklärungsklärungspflicht über Risiken einer umfangreichen Operation gebietet im Regelfall keine Angabe der aus ihr resultierenden Sterblichkeitsrate.

2. Auf weniger belastende, risikoärmere Operationsmethoden muß nicht hingewiesen werden, wenn diese noch nicht hinreichend untersucht und erprobt sind und daher nicht als "verfahren der Wahl" gelten.


Oberlandesgericht Nürnberg IM NAMEN DES VOLKES ENDURTEIL

5 U 87/00 1 O 296/99 LG Weiden/Opf.

Verkündet am 29. Mai 2000

Justizangestellte als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle

wegen Schadensersatz und Feststellung,

hat der 5. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Nürnberg durch den Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht und die Richter am Oberlandesgericht und aufgrund der mündlichen Verhandlung vom 22. Mai 2000

für Recht erkannt:

Tenor:

I. Die Berufung der Klägerin gegen das Endurteil des Landgerichts Weiden vom 26. November 1999 wird zurückgewiesen.

II. Die Klägerin hat die Kosten des Berufungsverfahrens zu tragen.

III. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Die Klägerin kann die Vollstreckung dieses Urteils durch Sicherheitsleistung in Höhe von 20.000,-- DM abwenden, falls nicht die Beklagten vor der Vollstreckung in gleicher Höhe Sicherheit leisten.

IV. Der Wert der Beschwer für die Klägerin beträgt 90.449,96 DM.

Beschluß:

Der Streitwert für das Berufungsverfahren wird auf

40.000,-- DM (Ziffer II des Antrags)

35.449,96 DM (Ziffer III des Antrags)

15.000,-- DM (Ziffer IV des Antrags)

festgesetzt.

Tatbestand:

Die Klägerin, Ehefrau des am 24. Mai 1996 im Klinikum der Stadt W nach einer Bauchspeicheldrüsenoperation verstorbenen A B, macht gegen die Beklagten aus eigenem und übergegangenem Recht sowie abgetretenem Recht Schmerzensgeld in Höhe von 40.000,-- DM, entgangenen Unterhalt für den Zeitraum September 1996 bis März 1999 nebst restliche Beerdigungskosten in Höhe von insgesamt 35.449,96 DM geltend und begehrt die Feststellung, daß die Beklagten gesamtschuldnerisch verpflichtet sind, ihr den durch den Tod ihres Ehemanns seit 01.04.1999 entstehenden Unterhaltsschaden zu ersetzen. Zur Begründung trägt sie vor, daß A B über die - indizierte - Operationsmethode nach Whipple von der Beklagten zu 3) nicht ausreichend aufgeklärt worden sei, so daß dessen Einwilligung in die Operation unwirksam gewesen sei.

Bezüglich des unstreitigen Sachverhalts, des Parteivortrags in erster Instanz und der dort gestellten Anträge wird auf die Seiten 3 mit 9 des angefochtenen Urteils Bezug genommen (§ 543 Abs. 2 ZPO).

Das Landgericht Weiden hat die Klage am 26. November 1999 abgewiesen. Auf die Entscheidungsgründe dieses Urteils wird verwiesen.

Die Berufung der Klägerin wird damit begründet, daß die von der Beklagten zu 3) vorgenommene Aufklärung unzureichend gewesen sei. So lasse der Hinweis auf die Operationsrisiken in der schriftlichen Einwilligungserklärung nicht den Schluß zu, daß tatsächlich darauf hingewiesen worden sei. Mit dem von der Beklagten zu 3) verwendeten Begriff der Anastomoseninsuffizienz hätten A B und sie, die Klägerin, nichts anzufangen gewußt. Die vom Sachverständigen in erster Instanz getroffene Feststellung, A B sei mehr als ausreichend auf die möglichen Risiken der Operation hingewiesen worden, sei unzulässig, da diesem eine solche Festlegung nicht zustehe. Die von der Beklagten zu 3) in der mündlichen Verhandlung vor dem Erstgericht gemachten Angaben (Bl. 104 d.A.) seien unzutreffend, insbesondere weil nie behauptet worden sei, daß über ein postoperatives Letalitätsrisiko aufgeklärt worden sei und die Beklagte zu 3) ihre Angaben in der mündlichen Verhandlung in solcher Schnelligkeit gemacht habe, wie sie es wohl auch beim Aufklärungsgespräch getan habe. Eine hinreichende Erfahrung der Beklagten zu 3) mit dem bei A B vorliegenden Krankheitsbild und den Risiken der vorgenommenen Operation müsse bestritten werden. Vielmehr sei von ihren, der Klägerin, gemachten Angaben, wonach auf etwaige Risiken oder die Gefährlichkeit der Operation nicht hingewiesen worden sei; auszugehen.

Selbst wenn man die vom Erstgericht angenommenen Gründe für eine umfassende Aufklärung unterstellen würde, wäre die Aufklärung unzureichend gewesen. So sei A B nicht auf die hohe Sterblichkeitsquote von 10 % oder mehr als 1 % hingewiesen worden. Daran ändere auch die Tatsache nichts, daß bei einem Unterbleiben der Operation, A B ein Sterblichkeitsrisiko von 1 % bis 3 % eingegangen wäre. Bei der Operation werde nämlich das Sterblichkeitsrisiko sofort akut, während es bei einem Absehen von der Operation nur latent bestanden, hätte. Schließlich sei A B nicht darüber informiert worden, wie dringlich der Eingriff gewesen sei, obgleich er zu diesem Zeitpunkt beschwerdefrei gewesen sei. Vermutlich sei ihm die Operation "schmackhaft" gemacht worden.

Letztlich sei der Patient nicht auf andere mögliche Verfahren, wie die duodenumerhaltende Pankreaskopfresektion, hingewiesen worden. Ebenso sei ein Hinweis auf die Möglichkeiten zur Steinentfernung durch Spiegelung des Bauchspeicheldrüsenganges (ERCP) oder Verkleinerung der Steine durch Ultraschallstoßwellen (Lithotripsie) in einer Spezialklinik mit entsprechenden Geräten unterblieben.

Auf die Berufungsbegründung vom 17.03.2000 (Bl. 152 bis 161 d.A.) mit Nachtrag vom 17. Mai 2000 (Bl. 180 bis 184 d.A.) wird Bezug genommen.

Die Klägerin stellt folgenden Antrag:

I. Das Endurteil des Landgerichts Weiden vom 26.11.1999 wird abgeändert.

II. Die Beklagten werden als Gesamtschuldner verurteilt, an die Klägerin ein angemessenes Schmerzensgeld zu zahlen zuzüglich 4 % Zinsen hieraus seit Klagezustellung.

III. Die Beklagten werden als Gesamtschuldner verurteilt, an die Klägerin DM 35.449,96 zu zahlen zuzüglich 4 % Zinsen aus DM 7.456,96 seit Klagezustellung und aus DM 27.993,-- seit Zustellung des Schriftsatzes vom 19.11.1999.

IV. Es wird festgestellt, daß die Beklagten gesamtschuldnerisch verpflichtet sind, der Klägerin den durch den Tod ihres Ehemannes seit 01.04.1999 noch entstehenden Unterhaltsschaden zu ersetzen.

V. Die Beklagten tragen gesamtschuldnerisch die Kosten des Rechtsstreits.

Die Beklagten beantragen,

die Berufung der Klägerin kostenpflichtig zurückzuweisen.

Die duodenumerhaltende Pankreaskopfresektion sei deshalb nicht besprochen worden, weil diese Methode seinerzeit noch in Erprobung gewesen und nur von wenigen Autoren empfohlen worden sei. Die ERCP-Methode und die Lithotripsie hätten auch in anderen Kliniken nicht erfolgversprechend angewandt werden können. Im übrigen sei die Aufklärung durch die Beklagte zu 3) umfassend gewesen. So seien die im Aufklärungsbogen enthaltenen Hinweise und Risiken ausführlich und anhand einer extra gefertigten Zeichnung besprochen und Fremdwörter auf deutsch erläutert worden. Auf das Risiko einer tödlichen Bauchfellentzündung sei ausdrücklich hingewiesen worden, während über genaue Prozentzahlen der Sterblichkeitsraten, wegen deren Ungenauigkeit und Aus Rücksichtnahme auf die psychische Ausnahmesituation des Patienten vor einer Operation, nicht gesprochen worden sei. Die Beklagte zu 3) verfügte über hinreichende Erfahrung.

Auf die Berufungserwiderung vom 04. Mai 2000 (Bl. 166 bis 179 d.A.) wird verwiesen.

Der Senat hat nicht Beweis erhoben. Auf die vorgelegten Urkunden und die Sitzungsniederschrift vom 22. Mai 2000 wird Bezug genommen:

Entscheidungsgründe:

I.

Die Berufung der Klägerin ist statthaft und zulässig (§§ 511 ff. ZPO). In der Sache hat sie keinen Erfolg.

II.

Der Senat folgt aus Vereinfachungsgründen der von der Klägerin in der Berufungsbegründung gewählten Gliederung.

1. Die Aufklärung des A B durch die Beklagte, zu 3) am Vortag der Operation bezog sich - auch - auf die Whipplesche Operation. Dies ergibt sich aus den Angaben der Klägerin in der mündlichen Verhandlung vom 26. November 1999 (Bl. 104 d.A.) und dem vom A B unterzeichneten Aufklärungsbogen vom 19. März 1996. Weiter steht fest, daß die Beklagte zu 3) anhand einer von ihr vorgefertigten Zeichnung oder anhand während des Gesprächs mit A B gefertigter Zeichnungen den Operationsverlauf erläutert hat. Die in Betracht kommenden Operationsmethoden und möglichen Komplikationen sind in dem vorgedruckten Aufklärungsbogen handschriftlich stichwortartig aufgeführt (Sachverständigengutachten vom 07. September 1999, S. 18; Bl. 68 d.A.).

Gerade die Tatsache, daß die allgemein gehaltenen vorgedruckten Hinweise des Aufklärungsbogens durch die von der Beklagten zu 3) gefertigten handschriftlichen Zusätze ergänzt worden sind und der Operationsverlauf anhand von Zeichnungen erläutert wurde, sprechen für eine Aufklärung des Patienten über die aufgeführten Risiken. Diese Hinweise auf denkbare Komplikationen sind von der Unterschrift des A B unter dem Aufklärungsbogen gedeckt. Für die Behauptung der Klägerin, ein Gespräch über etwaige Risiken oder, die Gefährlichkeit der Operation habe nie stattgefunden (mündliche Verhandlung vom 26. November 1999; Bl. 103 d.A.) gibt es keine Anhaltspunkte (vgl. hierzu OLG Köln, AHRS, Teil II, 5350/113 und OLG München, AHRS, Teil I, 5350/21).

2. Aufgrund des auf dem Aufklärungsbogen für Ergänzungen zur Verfügung stehenden freien Raumes und der Fülle der handschriftlich aufgeführten Komplikationsmöglichkeiten ist es naheliegend, daß die Beklagte zu 3) auf dem Formular den Fachausdruck der Anastomoseninsuffizienz gewählt hat. Für den Senat besteht jedoch kein Zweifel, daß sie ihm Gespräch mit dem Patienten diesen Fachausdruck in für ihn nachvollziehbarer Weise erläutert hat. Außer medizinisch vorgebildeten Personen dürfte es kaum Patienten geben, die mit einem solchen Fachausdruck etwas anfangen könnten. Um ein Aufklärungsgespräch erfolgreich durchzuführen - diese Absicht unterstellt der Senat jedem verantwortlichen Arzt -, ist daher eine Erläuterung der medizinischen Fachsprache erforderlich. Anhaltspunkte dafür, daß es sich bei der Beklagten zu 3) nicht um eine um Aufklärung bemühte verantwortungsvolle Ärztin handeln könnte, ergeben sich nicht aus dem Akteninhalt und werden von der Klägerin auch nicht behauptet.

3. Die von der Klägerin erhobene Rüge, der Sachverständige habe unzulässigerweise in seinem schriftlichen Gutachten die Feststellung getroffen, A B sei mehr als ausreichend auf die möglichen Risiken der Operation hingewiesen worden, ist unzutreffend. Der Sachverständige hat lediglich festgestellt, daß die für die Whipplesche Operation in Betracht kommenden Komplikationen im Aufklärungsbogen aufgeführt sind. Insoweit handelt es sich um die Beantwortung einer medizinischen Frage und nicht um eine dem Gericht vorbehaltene Feststellung.

4. Wenig hilfreich ist auch die klägerische Behauptung, die Beklagte zu 3) habe nicht auf ein postoperatives Letalitätsrisiko hingewiesen. Zutreffend ist allerdings, daß die Möglichkeit eines tödlichen Ausgangs - die bei der Operation nach Whipple nicht ausgeschlossen werden kann - einen aufklärenden Hinweis gebietet, um das Selbstbestimmungsrecht des Patienten zu wahren (BGH VersR 1990; 1010, 101.1; OLG Zweibrücken, AHRS, Teil I, 4570/100).

Im vorliegenden Fall ergibt sich jedoch aus den im Aufklärungsbogen aufgeführten Risiken, insbesondere den Hinweisen auf Nachblutung, Thrombose, Bauchfellentzündung, Verletzung von Nachbarorganen, wie Hauptschlagader und Leber, daß A B auf ein großes Operationsrisiko hingewiesen wurde. Dazu kann als allgemein bekannt vorausgesetzt werden, daß bei größeren Operationen immer Gefahren bestehen, die in unglücklichen Fällen zu schweren Gesundheitsschäden, ja sogar zum Tode führen können (BGH NJW 1986, 780; OLG Zweibrücken, a.a.O.). Dieses Operationsrisiko hat sich bei A B verwirklicht. Eine Verletzung der diesbezüglichen Aufklärungspflicht liegt nicht vor.

5. Selbst wenn die Beklagte zu 3) in der mündlichen Verhandlung vom 26. November 1999 ihre Angaben "mit einer Schnelligkeit getan (haben sollte), die es dem Unterzeichner kaum möglich machte, zu folgen", läßt dies nicht den Schluß zu, sie habe auch das Aufklärungsgespräch in dieser Weise geführt. Die Klägerin, die ja beim Aufklärungsgespräch zugegen war, hat anläßlich ihrer Anhörung am gleichen Tag nichts derartiges berichtet. Vielmehr hat sie ihren Angaben zufolge auch Fragen an die Beklagte zu 3) gerichtet, die von dieser beantwortet wurden. Es gibt daher insoweit keinen Anhaltspunkt dafür, daß A B "in Eile" und damit für ihn unverständlich und unzureichend aufgeklärt wurde.

6. Die klägerische Behauptung, die Beklagte zu 3) sei für eine wirksame Aufklärung nicht erfahren genug gewesen, ist eine bloße Vermutung. Die Beklagte zu 3) war seinerzeit Stationsärztin auf der chirurgischen Abteilung, was vermuten läßt, daß sie über eine ausreichende Erfahrung verfügt hat. Auch die Klägerin kann Tatsachen oder Indizien für unzulängliche Kenntnisse der Beklagten zu 3) zum vorliegenden Krankheitsbild des A B und zu den Risiken der durchgeführten Operation nicht benennen. Ihr bloßes Bestreiten "mit Nichtwissen" genügt nicht.

7. Aufgrund der gutachterlichen Feststellungen (Anhörung des Sachverständigen am 25. November 1999; Bl. 99 d.A.) steht fest, daß das Letalitätsrisiko bei A B deutlich unter 1 zu 10 gelegen hat. Zu berücksichtigen ist nämlich, daß, es sich bei der genannten Sterblichkeitsrate von 10 % um einen allgemeinen statistischen Wert handelt. Im konkreten Fall kann jedoch nicht außer Betracht gelassen werden, daß sich A B in relativ guter Verfassung befand, was zu einer Verringerung des statistischen Wertes führt.

Unstreitig hat die Beklagte zu 3) A B nicht auf dieses numerische Sterblichkeitsrisiko hingewiesen. Dennoch führt dies nicht zur Verletzung der ärztlichen Aufklärungspflicht, weil ein derartiger Hinweis nicht erforderlich war. Zum einen schwanken die Angaben in der Literatur sehr. Nach Angabe des gerichtlich bestellten Sachverständigen liegt die Sterblichkeitsrate zwischen 1 % und 10 %, nach der von der Klägerin vorgelegten Veröffentlichung (Lierse, Schreiber) zwischen 5 % und 15 %. Nach den gutachtlichen Erläuterungen ist es gerade bei der Bauchspeicheldrüsenchirurgie so, daß sich die konkrete Situation und die bestehenden Risiken erst während der Operation im Bauchraum lassen einschätzen und darstellen (mündliche Verhandlung vom 25.11.1999, Bl. 100 d.A.). Zum anderen ist die stressbelastete Situation bei der Aufklärung zu berücksichtigen. Entscheidend ist, daß die Beklagte die bevorstehende Operation nicht verharmlost, sondern die möglichen und auch lebensbedrohlichen Komplikationen offenbart hat. Bei dieser Sachlage bedürfte es nicht des Hinweises, "daß jeder zehnte Patient stirbt".

Daran ändert auch die Tatsache nichts, daß die bei A B vorgelegene Krankheit eine latente Lebensbedrohung darstellt und bei der Operation akute Lebensbedrohung besteht (mündliche Verhandlung vom 5. November 1999; Bl. 99 d.A.). Der von der Klägerin hieraus gezogene Schluß, daß A B ohne Operation noch 20 Jahre hätte leben können, ist nicht nachvollziehbar. Zwar hat der Sachverständige ausgeführt, daß es vorstellbar wäre, "daß beispielsweise auf 20 Jahre hinaus im Jahr durchschnittlich drei Schübe eingetreten wären" (mündliche Verhandlung vom 25. November 1999; Bl. 98 d.A.). Entscheidend für den weiteren Verlauf ist aber nicht die Zeit in der es dem Patienten gut geht, sondern die jeweilige Krankheitsperiode, die aufgrund der vorhandenen Pankreassteine zu einer Sterblichkeitsrate von 1 % bis 3 % führt (mündliche Verhandlung vom 25. November 1999; Bl. 98 d.A.).

Richtig ist zwar, daß zur ordnungsgemäßen Aufklärung auch die zutreffende Information darüber gehört, wie dringlich der Eingriff ist (BGH NJW 1990, 2928). Die Bedeutung dieser Entscheidung liegt aber in dem Begriff der "zutreffenden" Information. In jenem Fall ist nämlich geäußert worden, daß die Patientin ohne Operation nur noch drei Wochen zu leben habe, was unzutreffend war. Mit dem vorliegenden Fall kann dies nicht verglichen werden, denn es gibt keinerlei Anhaltspunkte dafür, daß die Beklagte zu 3) A B eine akute Lebensgefahr vorgespiegelt und ihm so die Operation "schmackhaft" gemacht hätte. Im Gegenteil hat die Klägerin bekundet, daß ihr Mann bereits fest entschlossen war, die Operation durchzuführen, bevor die Beklagte zu 3) das Aufklärungsgespräch geführt hat (mündliche Verhandlung vom 26. November 1999; Bl. 103 d.A.). Das gleiche gilt für den Zeitraum vor diesem Aufklärungsgespräch.

9. Auf die duodenumerhaltende Pankreaskopfresektion mußte nicht hingewiesen werden. Zwar handelt es sich dabei um eine weniger große Operation mit geringerem operativen Risiko und wäre heute wohl das ehe gewählte Verfahren. Im Jahr 1996 war diese Operationsmethode in ihrer Bedeutung allerdings noch nicht so ausreichend untersucht, als daß sie als Standardverfahren von allen Autoren empfohlen wurde (Gutachten vom 07. September 1999, S. 15; Bl. 65 d.A.). An deutschen Kliniken war sie zu diesem Zeitpunkt noch nicht das Verfahren der Wahl, im Gegensatz zur Operation nach Whipple (mündliche Verhandlung vom 25. November 1999; Bl. 100 d.A.).

Diese Gegebenheiten lassen sich nicht mit der von der Klägerin zitierten Entscheidung (BGH VersR 1996, 233) vergleichen. In jener Entscheidung ging es darum, ob die Gefahr der Thromboseentstehung bei der Verordnung eines Gehgipses in ärztlichen Kreisen seinerzeit hinreichend bekannt war. Es ging somit um ein "Risiko" einer Behandlungsmethode, auf welches ernsthafte Stimmen in der medizinischen Wissenschaft bereits hingewiesen hatten. In einem derartigen Fall muß auf diese mit einer Behandlung verbundenen Gefahren hingewiesen werden.

Im vorliegenden Fall geht es um die Frage, ob der Patient, auf ein Operationsverfahren, welches nicht ausreichend untersucht und deshalb an deutschen Kliniken nicht das Verfahren der Wahl war, hätte hingewiesen werden müssen, wenn andererseits die in Betracht kommende Operationsmethode (Whipple) das an deutschen Kliniken praktizierte Verfahren war. Der Senat vertritt die Auffassung, daß in diesem Fall über die duodenumerhaltende Pankreaskopfresektion nicht aufgeklärt werden mußte.

10. Die Entfernung der vorhandenen Steine mittels Spiegelung und Erweiterung des Bauchspeicheldrüsenganges (ERCP) war am 11. Januar 1996 und erneut am 15. Januar 1996 sowie am 18. Januar 1996 erfolglos versucht worden. Grund waren die anatomischen Verhältnisse bei A B, nämlich eine Krümmung des Bauchspeicheldrrüsenganges (Arztbrief vom 22. Januar 1996 und mündliche Verhandlung vom 25. November 1999; Bl. 98 d.A.). So konnte auch beim letzten Versuch wegen eines stark sifonartigen Verlaufs des Pankreasganges der Ballon nicht entsprechend plaziert werden, um die Pankreassteine zu entfernen (Arztbrief vom 02. Februar 1996).

Eine Verkleinerung der Steine mittels Ultraschallstoßwellen (Lithotripsie) wurde erwogen, konnte aber gemäß Sachverständigengutachten nicht durchgeführt werden, weil die Pankreassteine im Ultraschall nicht dargestellt und deshalb diese Methode nicht angewandt werden konnte.

Angesichts dieser bei A B vorhandenen Gegebenheiten gibt es keinen Anhaltspunkt für eine erfolgreiche Entfernung oder Zertrümmerung der Steine in einer Spezialklinik, z.B. einer Universitätsklinik. Ob die Universitätsklinik Regensburg im Jahr 1996 bereits umfangreichere Erfahrungen auf dem Gebiet der Pankreaserkrankungen hatte, kann dahinstehen. Für die Beklagte zu 3) bestand wegen der tatsächlich bestehenden Verhältnisse bei A B kein Grund, die fehlgeschlagenen Versuche in der internistischen Abteilung der Beklagten zu 1) zum Anlaß zu nehmen, auf weitere Versuche dieser Art in andere Kliniken hinzuweisen.

11. Abschließend verweist der Senat auf die Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes, wonach dem Arzt im Zweifel geglaubt werden sollte, daß die Aufklärung auch im Einzelfall in der gebotenen Weise geschehen ist, wenn einiger Beweis für ein gewissenhaftes Aufklärungsgespräch erbracht ist (BGH AHRS 6805/3). Dies ist, wie unter Ziffer 1. mit 10. dargestellt, geschehen. Es ist daher von den Angaben der Beklagten zu 3) in der mündlichen Verhandlung vom 26. November 1999 auszugehen. Danach ist A B umfassend über die bevorstehende Operation aufgeklärt worden.

III.

Nebenentscheidungen:

Kosten: § 97 Abs. 1 ZPO.

Vorläufige Vollstreckbarkeit: §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO.

Beschwer: § 546 Abs. 2 ZPO.

Ende der Entscheidung

Zurück