Judicialis Rechtsprechung

Mit der integrierten Volltextsuche, die vom Suchmaschinenhersteller "Google" zur Verfügung gestellt wird, lassen sich alle Entscheidungen durchsuchen. Dabei können Sie Sonderzeichen und spezielle Wörter verwenden, um genauere Suchergebnisse zu erhalten:

Zurück

Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Nürnberg
Urteil verkündet am 12.12.2008
Aktenzeichen: 5 U 953/04
Rechtsgebiete: BGB


Vorschriften:

BGB § 254
BGB § 847 a. F.
1. Kann ein Geschädigter allein wegen eines durch einen Arztfehler verursachten Anfallsleidens nicht als Arzt approbiert werden, verstößt er nicht gegen seine Schadensminderungspflicht, wenn er ein rechtswissenschaftliches Studium beginnt statt sich um eine auch ohne Approbation zugängliche Arbeitsmöglichkeit zu bemühen.

2. Zur Bemessung des Schmerzensgeldes in einem solchen Fall


Oberlandesgericht Nürnberg IM NAMEN DES VOLKES

Az.: 5 U 953/04

Verkündet am 12.12.2008

In dem Rechtsstreit

wegen Schadensersatzes

erlässt das Oberlandesgericht Nürnberg -5. Zivilsenat- durch den Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht Braun, den Richter am Oberlandesgericht Kimpel und den Richter am Oberlandesgericht Redel auf Grund der mündlichen Verhandlung vom 17.10.2008 folgendes

Endurteil:

Tenor:

I. Auf die Berufung des Beklagten wird das Endurteil des Landgerichts Nürnberg-Fürth vom 25.02.2004 geändert.

II. 1. Der Beklagte wird verurteilt, an den Kläger über den bereits bezahlten Betrag von 50.000,00 € hinaus wertere 50.000,00 € Schmerzensgeld zu zahlen, zzgl. 6 % Zinsen hieraus seit 09.12.1995 sowie zzgl. 6 % Zinsen aus den bereits gezahlten 50.000,00 € für die Zeit vom 09.12.1995 bis 08.05.2003.

Der Beklagte wird weiter verurteilt, an den Kläger mit Wirkung ab 01.11.1998 eine monatliche Schmerzensgeldrente von 375,00 € zu zahlen. Die monatliche Geldrente ist ab 01.04.2003 jeweils vierteljährlich im Voraus zu zahlen und damit jeweils am 01.01., 01.04., 01.07. und 01.10. eines Jahres fällig.

2. Die in der Vergangenheit bis einschließlich 30.04.2000 fällig gewordenen Rentenzahlungen sind ab Fälligkeit jeweils mit 6 % zu verzinsen, die ab 01.05.2000 fälligen Zahlungen sind jeweils mit 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz zu verzinsen.

3. Der Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 179.421,19 € zu zahlen nebst Zinsen hieraus in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit 13.05.2003.

4. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

III. Die weitergehende Berufung des Beklagten wird zurückgewiesen

IV. Von den Kosten des Berufungsverfahrens tragen der Kläger 28 %, der Beklagte 72 %, von den Kosten des ersten Rechtszugs tragen der Kläger 30%, der Beklagte 70%.

V. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Beide Parteien können die Vollstreckung gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht der jeweilige Gläubiger vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

VI. Die Revision wird nicht zugelassen.

Beschluss:

Der Streitwert des Berufungsverfahrens wird auf 374.709,84 €, der des ersten Rechtszugs auf 452.697,34 € bis zur Teilerledigung und auf 402.697,84 € für die Zeit danach festgesetzt.

Gründe:

I.

Der Kläger begehrt vom beklagten Arzt Ersatz seines durch fehlerhafte Heilbehandlung und unzureichende Aufklärung entstandenen materiellen und immateriellen Schadens.

Bei dem am 1971 geborenen Kläger wurden im Juni 1980 erstmals Hinweise auf eine familiäre hämophagozytische Lymphohistiozytose (Morbus Farquhar; im Folgenden: FHL) diagnostiziert. Zwei seiner Brüder starben am 1972 und am 1981 an dieser Krankheit. Bei der FHL handelt es sich um eine sehr seltene (ca. 1 Fall pro 1.000.000 Geburten), rezessiv vererbte Krankheit. Sie ist durch Infiltration und schließlich Zerstörung aller Organe durch Histiozyten und Lymphozyten charakterisiert. Medikamentös ist der tödliche Verlauf der Krankheit nicht zu verhindern. Seit den 80er Jahren des letzten Jahrhunderts wurden Heilversuche mit Knochenmarktransplantationen unternommen. Seit 1991 war die kurative Wirksamkeit dieser Behandlungsmethode von Experten in Westeuropa einschließlich Deutschland allgemein akzeptiert. 1992 begann man auch in Deutschland damit, Knochenmarktransplantationen gegen die FHL einzusetzen. Das 1993 erschienene Lehrbuch der Kinderheilkunde von F. J. Schulte und J. Spranger schreibt auf Seite 440 zur FHL: "Die Knochenmarktransplantation scheint die einzige Heilungschance zu sein."

Der Beklagte war bis zu seiner Emeritierung im Jahre 2006 Universitätsprofessor und Vorstand des Instituts und der Poliklinik für klinische Immunologie und Rheumatologie der .... Er erkannte im Jahre 1985, dass der Kläger an FHL litt und betreute ihn von da an bis zum 12.05.1990 privatärztlich. Dabei setzte der Beklagte zur Behandlung von Krankheitsschüben u.a. Cortison ein. Erst mit Schreiben vom 22. Mai 1995 bezeichnete er die Knochenmarktransplantation als mögliches Therapiekonzept.

Im April 1994 traten beim Kläger starke Kopfschmerzen, Sehstörungen, Lähmungen und Bewusstseinsstörungen auf. Er wurde deshalb vom 29.04. bis 05.05.1994 vom Beklagten stationär u.a. mit hochdosiertem Cortison behandelt. Die Untersuchungen ergaben Veränderungen im Gehirn, die der Beklagte als Leucodystrophie einschätzte. In der Folgezeit traten weitere cerebrale Ausfallerscheinungen auf. Vom 23.09.1994 bis 25.01.1995 wurde der Kläger wegen epileptischer Anfälle stationär in der Neurologischen Universitätsklinik ... behandelt. Im Mai 1995 verschlechterte sich der Gesundheitszustand des Klägers rapide. Eine Kernspintomographie zeigte eine Gehirnblutung rechts. Am 26.05.1995 wurde er mit einem Rettungshubschrauber in die Universitätsklinik ... verlegt, wo es zu einer weiteren Gehirnblutung kam, die mit rechtsseitiger Lähmung, Sprachstörungen und generalisierenden Krampfanfällen verbunden war. Nach einer überraschenden Erholung wurde in ... am 19.06.1995 eine immunsuppressive Therapie begonnen und am 25.07.1995 erfolgreich eine Knochenmarktransplantation durchgeführt. Spender war der HLA-identische Bruder.

Seither sind keine Krankheitsschübe der FHL mehr aufgetreten. Es sind jedoch Schäden verblieben, die vor der Knochenmarktransplantation durch die FHL verursacht worden waren, insbesondere die Epilepsie sowie Einschränkungen der Sehfähigkeit.

Der Kläger legte trotz seiner Grunderkrankung im Jahre 1990 das Abitur mit Note 1,0 ab und studierte anschließend, unterstützt durch ein Hochbegabtenstipendium des Freistaates Bayern, Medizin. Sowohl das Physikum im Jahre 1993, wie das erste Staatsexamen am 14.04.1994 absolvierte er mit der Note "gut" und war damit unter den besten 10 % der Prüfungsteilnehmer. Nach der durch das oben geschilderte Übergreifen der FHL auf das Zentralnervensystem (im Folgenden: ZNS) erzwungenen Unterbrechung erreichte der Kläger beim zweiten Staatsexamen am 04.09.1996 nur noch die Note "ausreichend". Am 20./25.11.1997 legte er noch die Prüfung zum Arzt im Praktikum (AiP) ab, setzte die klinische Ausbildung aber im Hinblick auf seine gesundheitlichen Beeinträchtigungen nicht fort, sondern nahm im Sommersemester 1998 ein Jurastudium auf. Dieses schloss er nach zwei unfallbedingt abgebrochenen Versuchen im Termin 2006 I erfolgreich mit dem ersten Staatsexamen ab. Die anschließende Referendarzeit dauert noch an, weil der Kläger bei einem ersten Versuch, die Zweite Staatsprüfung abzulegen, aus gesundheitlichen Gründen nur einen Teil der Klausuren bearbeiten konnte.

Der Kläger hat dem Beklagten vorgeworfen, die FHL falsch mit Cortison behandelt und ihn insbesondere nicht spätestens 1993 über die Möglichkeit einer Heilung mit Hilfe einer Knochenmarktransplantation aufgeklärt zu haben. Er hätte sich dann früher für die Knochenmarktransplantation entschieden und es wäre gar nicht zu einer cerebralen Beteiligung gekommen.

Der Beklagte hat behauptet, überobligationsmäßig über die damals noch im Experimentierstadium befindliche Knochenmarktransplantation aufgeklärt zu haben. Einer Über die Cortisontherapie hinausgehenden immunsuppressiven Therapie hätten der Kläger und seine Eltern nicht zugestimmt.

Der Kläger hat zunächst mit seiner am 23.10.1996 zugestellten Klage ein angemessenes Schmerzensgeld, mindestens 50.000,00 DM, nebst Zinsen in Höhe von 4% hieraus seit 9.12.1995, sowie die Feststellung beantragt, der Beklagte sei verpflichtet, dem Kläger sämtliche materiellen und immateriellen Schäden - letztere, soweit sie nach dem 31.12.1996 entstehen - zu ersetzen, soweit die Ansprüche nicht auf Sozialversicherungsträger oder sonstige Dritte übergehen. Am 28.10.1998 hat er seine Schmerzensgeldvorstellung auf 200.000 DM erhöht, zusätzlich die Bezahlung einer monatlichen Schmerzensgeldrente von wenigstens 750 DM beantragt und zugleich den Feststellungsantrag auf die Zeit nach dem 31.12.1998 beschränkt.

Das Landgericht hat nach Beweisaufnahme durch Grundurteil vom 30.10.2000, auf das wegen der Einzelheiten der Begründung verwiesen wird, den Anspruch des Klägers auf Ersatz des Schadens und Festsetzung eines Schmerzensgeldes infolge ärztlicher Behandlungsfehler des Beklagten dem Grunde nach für gerechtfertigt erklärt.

Der Senat hat die hiergegen eingelegte Berufung des Beklagten durch Endurteil vom 27.05.2002, auf das wegen der Einzelheiten verwiesen wird, mit der Maßgabe zurückgewiesen, dass das Grundurteil auf das mit Leistungsantrag begehrte Schmerzensgeld beschränkt wird und im Übrigen festgestellt, dass der Beklagte verpflichtet ist, dem Kläger die materiellen und immateriellen Schäden - letztere soweit sie nach dem 31.12.1998 aufgetreten sind und noch auftreten - aus den ärztlichen Behandlungsfehlern von 1992 bis 12.05.1995 zu bezahlen, soweit sie nicht auf Sozialversicherungsträger oder sonstige Dritte übergegangen sind oder übergehen. Der Senat hat zur Begründung seines Urteils ausgeführt, der Beklagte habe - bei richtig gestellter Diagnose - den Kläger nicht im gebotenen Umfang auf die bereits ab 1992 auch in Deutschland mögliche Knochenmarktransplantation hingewiesen und so eine frühere Heilung der Krankheit vereitelt. Die ab April 1994 eingetretenen irreversiblen Schäden seien dadurch verursacht worden, weil auch eine frühere Transplantation Erfolg gehabt hätte. Bis zur im April 1994 aufgetretenen ZNS-Beteiligung sei der Kläger ein vorzüglicher Kandidat für die Knochenmarktransplantation gewesen. Er hätte sich daher bei ordnungsgemäßer Aufklärung für die Durchführung entschieden. Die zerebralen Schäden wären dann nicht entstanden. Der Beklagte hafte auch für die Folgen der Cortisontherapie, da die hierzu erteilte Einwilligung infolge der unzutreffenden Aufklärung unwirksam gewesen sei.

Die Nichtzulassungsbeschwerde des Beklagten hat der Bundesgerichtshof mit Beschluss vom 05.11.2002 zurückgewiesen.

Der Rechtsstreit ist dann vor dem Landgericht fortgesetzt worden. Mit Schriftsatz vom 03.06. bzw. 10.06.2003 haben die Parteien den Rechtsstreit im Hinblick auf eine am 08.05.2003 eingegangene Schmerzensgeldzahlung von 50.000,00 € übereinstimmend teilweise für erledigt erklärt. Der Kläger hat danach folgenden Antrag gestellt:

1) Der Beklagte wird verurteilt, dem Kläger über das gezahlte Schmerzensgeld von 50.000 € hinaus ein weiteres angemessenes Schmerzensgeld zu zahlen,, mindestens jedoch weitere 50.000 €, zuzüglich 6% Zinsen hieraus seit 9.12.1995, sowie zuzüglich 6% Zinsen aus den bereits gezahlten 50.000 € für die Zeit vom 9.12.1995 bis 8.5.2003.

2) Der Beklagte wird verurteilt, an den Kläger mit Wirkung ab 1.11.1998 eine angemessene monatliche Schmerzensgeldrente, mindestens jedoch 375 € zu zahlen. Die monatliche Geldrente ist ab 1.4.2003 im Voraus zu zahlen und damit jeweils am 1.1., 1.4., 1.7. und 1.10. eines Jahres. Die in der Vergangenheit bis einschließlich 30.4.2000 fällig gewordenen Zahlungen sind ab Fälligkeit jeweils mit 6% zu verzinsen und die ab 1.5.2000 fälligen Zahlungen jeweils mit 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz.

3) Der Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 311.627,10 € zu zahlen zuzüglich Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit Zustellung der Klageerweiterung.

4) Es wird festgestellt, dass der Beklagte verpflichtet ist, den Kläger von der auf die Ersatzleistung für Erwerbsschaden anfallenden Steuerverpflichtung gegenüber dem Finanzamt freizustellen.

Der Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

Das Landgericht hat Beweis erhoben durch Vernehmung des Klägers als Partei gemäß § 448 ZPO sowie durch uneidliche Vernehmung der Zeugen ... und ... . Wegen des Ergebnisses wird auf die Sitzungsniederschriften vom 15.09., 22.09., 16.10. und 08.12.2003 Bezug genommen.

Mit Endurteil vom 25.02.2004, auf das wegen der Einzelheiten verwiesen wird, hat es den Beklagten zur Zahlung eines weiteren Schmerzensgeldes von 100.000 € sowie einer Schmerzensgeldrente von monatlich 500 € und zum Ersatz von 226.139,10 € materiellen Schadens (hier ist ein Rechenfehler des Klägers korrigiert worden), im Übrigen antragsgemäß verurteilt.

Gegen dieses ihm am 02.03.2004 zugestellte Urteil hat der Beklagte am 19.03.2004 Berufung eingelegt und dieses Rechtmittel, nach Fristverlängerung bis 03.06.2004, mittels eines am 29.05.2004 beim Oberlandesgericht eingegangenen Schriftsatzes begründet.

Der Beklagte rügt, das Landgericht habe über die haftungsausfüllende Kausalität, d. h. die sogenannten Sekundärschäden, entschieden, ohne durch einen Sachverständigen die gesundheitlichen Beeinträchtigungen des Klägers anhand medizinischer Fakten bewerten zu lassen. Die Rechtskraft des Grundurteils erfasse lediglich die Feststellung der durch die unterlassene Aufklärung eingetretenen, durch die FHL vor der Knochenmarktransplantation verursachten Primärschäden, insbesondere der Epilepsie und der Einschränkung der Sehfähigkeit. Die Schmerzensgeldbemessung sei auch im Übrigen fehlerhaft. Der Genugtuungsfunktion komme heute keine Bedeutung mehr zu. Die kognitiven Beeinträchtigungen des Klägers könnten so gravierend nicht sein, wenn er Jura studieren könne. Im Übrigen gebe es neben der klinischen Tätigkeit eine Vielzahl von Möglichkeiten, den Arztberuf auszuüben. Letzteres betreffe auch den Erwerbsschaden. Der Kläger habe durch Aufnahme des Jurastudiums seine Schadensminderungspflicht verletzt. Auch der Umfang des Mehrbedarfs in Form von Betreuung sei nicht hinreichend festgestellt. Schließlich macht der Beklagte geltend, sämtliche Beeinträchtigungen des Klägers könnten durch ein Rezidiv der Grunderkrankung oder durch die Knochenmarktransplantation verursacht sein. Wegen des weiteren Vorbringens des Beklagten im zweiten Rechtszug wird auf die Berufungsbegründung vom 25.05.2002 sowie die weiteren Schriftsätze vom 11.10.2004, 18.01.2005, 21.11.2005, 03.02.2006, 01.02.2007, 12.02.2007, 15.09.2008 und 09.10.2008 Bezug genommen.

Der Beklagte stellt den Antrag,

das Endurteil des Landgerichts Nürnberg-Fürth vom 25.02.2004 aufzuheben und die Klage abzuweisen.

Der Kläger stellt den Antrag,

die Berufung zurückzuweisen.

Der Kläger meint, das Landgericht sei bei seiner Schadensschätzung nach den Regeln der Sorgfalt vorgegangen. Die Erholung eines Sachverständigengutachtens sei nicht erforderlich gewesen. Die Heilung der FHL sei rechtskräftig festgestellt, die Annahme eines Rezidivs damit ausgeschlossen. Er weist darauf hin, dass durch das Grundurteil auch die Haftung des Beklagten für die Nebenwirkungen und Langzeitfolgen der Cortisontherapie verbindlich festgestellt sei. Das Schmerzensgeld sei zutreffend bemessen. Ein Verstoß gegen die Schadensminderungspflicht liege nicht vor, weil auch nichtklinische ärztliche Tätigkeiten die Approbation bzw. die vorherige Ableistung der AiP-Zeit voraussetzten.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Klägervorbringens im zweiten Rechtszugs wird auf die Berufungserwiderung vom 22.07.2004 sowie die weiteren Schriftsätze vom 08.11.2004, 10.05.2005, 23.11.2005, 07.12.2005, 12.01.2006, 02.06.2006, 05.02.2007, 28.02.2007, 05.04.2007, 03.07.2007,17.09.2008, 10.10.2008 und 14.10.2008 Bezug genommen.

Der Senat hat Beweis erhoben gemäß den Beweisbeschlüssen vom 04.02.2005, 28.11.2005 und 11.06.2007, auf die verwiesen wird, durch Erholung von Gutachten der Sachverständigen Prof. Dr. S und Prof. Dr. S . Wegen des Ergebnisses wird auf die schriftlichen Gutachten vom 19.09.2005, 28.11.2006 und 20.08.2008 sowie die Niederschrift über die Anhörung von Prof. Dr. S am 09.03.2007 und von Prof. Dr. S am 17.10.2008 Bezug genommen.

Mit Teilurteil vom 11.09.2007 hat der Senat das angefochtene Urteil gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages für vorläufig vollstreckbar erklärt.

II.

Die zulässige Berufung hat in der Sache nur teilweise Erfolg. Die Beweisaufnahme hat die Behauptungen des Klägers zum Ausmaß seiner gesundheitlichen Beeinträchtigungen im Wesentlichen bestätigt. Das vom Landgericht ausgeurteilte Schmerzensgeld sowie die Schmerzensgeldrente erscheinen dem Senat jedoch überhöht. Auch der geltend gemachte materielle Schaden konnte nicht im geltend gemachten Umfang zugesprochen werden.

Der Kläger hat Anspruch auf ein Schmerzensgeldkapital von weiteren 50.000,00 € und eine Schmerzensgeldrente von 375,00 € monatlich, auf Ersatz von Verdienstausfall für die Zeit vom 1.1.1998 bis 31.3.2003 in Höhe von 115.886,77 € und auf Ersatz von 63.534,42 € für Heilbehandlungskosten (Arztbesuche) und vermehrte Bedürfnisse.

Hierfür maßgeblich sind die rechtskräftigen Feststellungen des Grundurteils in der Form der Entscheidung des Senats vom 27.05.2002 sowie der im jetzigen Betragsverfahren von Landgericht und Senat festgestellte Sachverhalt. Danach gilt Folgendes:

1.

a) Auf Grund der Rechtskraft des Grundurteils vom 30.10.2000 in der Fassung der Senatsentscheidung vom 27.05.2002 steht die Pflicht des Beklagten fest, dem Kläger die materiellen und immateriellen Schäden zu ersetzen, die dieser erlitten hat und erleidet, weil die Knochenmarktransplantation verspätet durchgeführt wurde und die FHL deshalb das zentrale Nervensystem des Klägers schädigen konnte. Es steht danach auch rechtskräftig fest, dass sich diese Schädigung in einer Epilepsieerkrankung und in Sehbeeinträchtigungen manifestiert und dass der Beklagte auch für die Folgen der vor 1995 durchgeführten Cortisonbehandlung einzustehen hat.

Ein Grundurteil bindet, soweit es das Vorhandensein des Klageanspruchs bejaht und soweit dessen Höhe durch den im Grundurteil genannten Klagegrund gerechtfertigt ist (BGH WM 1982, 1280). Der Umfang der Bindungswirkung richtet sich danach, worüber das Gericht wirklich entschieden hat. Dies ist durch Auslegung von Urteilsformel und Entscheidungsgründen zu ermitteln (BGH NJW 2002, 3478; 2004, 2526). Sie besteht also nur, soweit das Grundurteil bindende Feststeilungen und eine bindende Entscheidung von Streitpunkten treffen will und kann. Zum Grund des Anspruchs in diesem Sinne gehören aber nicht nur Fragen der haftungsbegründenden, sondern auch solche der haftungsausfüllenden Kausalität, soweit das Grundurteil letztere nicht dem Betragsverfahren vorbehalten hat (BGH NJW-RR 1997, 188; Zöller/Vollkommer, ZPO, 27. Auflage, § 304 Rdnrn. 14 f, 20 f je m. w. Nachw.).

Aus dem oben auszugsweise wiedergegebenen Urteil des Senats vom 27.05.2002 ergibt sich, dass über die eingangs genannten Fragen entschieden werden sollte und entschieden worden ist. Die Bindungswirkung des Grundurteils erstreckt sich also nicht nur darauf, dass die Aufklärungspflichtverletzung des Beklagten zu irgendeiner Gesundheitsbeeinträchtigung geführt hat, sondern sie erfasst zulässigerweise auch die Art der Beeinträchtigung des zentralen Nervensystems sowie die nicht näher festgelegten Folgen der Cortisonbehandlung. Lediglich die Schwere der Epilepsieerkrankung bzw. der Sehstörungen und damit die Frage, welche Körperfunktionen mit welchen Folgen für das private und berufliche Leben des Klägers infolge der ZNS-Schädigung beeinträchtigt oder gänzlich ausgefallen sind, bleibt dem hier zu entscheidenden Betragsverfahren überlassen. Gleiches gilt für die im Grundurteil nicht näher bezeichneten Folgen der Cortisonbehandlung. Auch die Berufungsbegründung rechnet die Epilepsie und die Einschränkung der Sehfähigkeit ohne Weiteres dem rechtskräftig festgestellten Primärschaden zu.

Ein Rezidiv der Grunderkrankung des Klägers kann als alternative Ursache nach allem lediglich insoweit Bedeutung erlangen, als es nach Schluss der letzten mündlichen Verhandlung, auf der das Grundurteil vom 27.05.2002 beruht, aufgetreten ist. Wäre die FHL schon vorher wieder ausgebrochen, dürfte dieser Umstand wegen der Bindungswirkung des Grundurteils nicht mehr berücksichtigt werden. Da die Bindungswirkung aber nicht weiterreichen kann als die Erkenntnismöglichkeiten des Gerichts bei Erlass des Grundurteils, steht sie der Berücksichtigung eines späteren Wiederaufflammens der Grunderkrankung nicht entgegen. Gleiches gilt für die Frage, ob bestimmte Gesundheitsstörungen Folgen der Knochenmarktransplantation sind (Zöller/Vollkommer, a. a O., Rdnr. 24 m. w. Nachw.). Hierauf hat der Senat bereits mit Beschluss vom 04.02.2005 hingewiesen.

b) Der Kläger war durch die im Senatsurteil vom 27.05.2002 enthaltenen, materiell rechtskräftig gewordenen Feststellungen zur Pflicht des Beklagten, ihm allen materiellen und immateriellen Schaden - letzteren auch soweit er nach dem 31.12.1998 entstanden ist und noch entstehen wird - zu ersetzen, nicht gehindert, seinen Schaden noch im selben Prozess zu beziffern und sich zur Begründung seines Schmerzensgeldanspruchs auch auf Beeinträchtigungen zu berufen, die nach dem 31.12.1998 entstanden sind. Die hierin liegende Klageerweiterung ist nach § 264 Nr.2 ZPO zulässig, obwohl gegen das Feststellungsurteil des Senats kein Rechtsmittel mehr möglich ist. Denn dieses Urteil hat den Rechtsstreit nicht insgesamt beendet, der Feststellungsantrag war daher noch rechtshängig (BGH NJW 1992, 2296).

Hilfsweise hält der Senat die bereits in erster Instanz vorgenommene Klageänderung für sachdienlich im Sinne des § 263 ZPO.

2.

Die vom Senat durchgeführte Beweisaufnahme hat zum Ausmaß der Schäden am zentralen Nervensystem des Klägers Folgendes ergeben:

a) Der Kläger leidet nach den Feststellungen des Sachverständigen Prof. Dr. S unter einer pharmakoresistent verlaufenden symptomatischen fokalen Epilepsie, die trotz Einsatzes zahlreicher antiepileptischer medikamentöser Optionen auch heute noch mit rezidivierenden epileptischen Anfällen einhergeht. Es handelt sich hierbei um die schwerste Art der Epilepsie. Im Vordergrund stehen dabei parietal generierte, sich pathophysiologisch nach frontal ausbreitende epileptische Anfälle mit sensomotorischer Symptomatik und optionaler sekundärer Generalisierung. Zusätzlich kommt es seltener zu einfach fokalen, visuellen Anfällen, die von occipital generiert werden.

Infolge der 1994 eingetretenen cerebralen Schädigung besteht eine Hirnleistungsminderung, deren Symptomatik auf eine komplexe kortikale Netzwerkstörung zurückzuführen ist. Die Nebenwirkungen der aufgrund der Behandlungsbedürftigkeit der Epilepsie unvermeidlichen antiepileptischen Medikation wirken sich zusätzlich negativ aus.

Kernspintomographisch ist ein Verlust an Hirnsubstanz nachgewiesen. Die geistigen Fähigkeiten, die Lernfähigkeit, die Auffassungsgabe und das Gedächtnis sind beeinträchtigt.

Die zwei- bis dreimal im Monat auftretenden Anfälle lösen zusätzlich Kopfschmerzen aus.

Die antiepileptische Medikation führt, zumal wenn sie wie hier hoch dosiert werden muss, zu Schwindel und Müdigkeit.

Vor allem wegen der unvorhersehbaren Anfälle kommt eine Approbation als Arzt aus gesundheitlichen Gründen nicht in Betracht.

Aus demselben Grund kann der Kläger auf keinen Fall selbst Autofahren.

Die diesbezüglichen Feststellungen wurden vom Beklagten nicht in Zweifel gezogen.

b) Als Folge wiederholter Verletzungen im Rahmen epileptischer Anfälle ist es zu einer Schädigung des rechten Kniegelenks gekommen.

Der Senat ist vom Vorhandensein auch dieser Schädigung und ihrer Verursachung durch epileptische Anfälle überzeugt, obwohl kein orthopädisches Fachgutachten eines gerichtlich beauftragten Sachverständigen vorliegt. Diese Überzeugung beruht auf den vom Kläger vorgelegten Unterlagen und deren Bewertung durch den Sachverständigen Prof. Dr. S . Der Kläger hat Kemspintomographien des rechten Knies vom 19.06.2000, 25.06.2001 und 15.11.2004 vorgelegt sowie Arztbriefe der ... vom 12.09.2000, der Universitätsklinik ... vom 18.12.2001 und des Instituts für Bildgebende Diagnostik und Therapie ... vom 26.10.2004. Diese Urkunden belegen ausreichend das Vorhandensein der Knieschäden. Prof. Dr. bezeichnet diese Schäden als typische Folgen epileptischer Anfälle. Auch sei denkbar, dass Antiepileptika den Zustand der Kniee negativ beeinflussen, weil sie zu einem für die Knorpelmassen ungünstigen Vitaminmangel führten. Insoweit hält er sich innerhalb seines Fachgebiets. Da der Beklagte mit Ausnahme der Cortisonbehandlung, für deren Folgen er in gleicher Weise wie für die Folgen der Epilepsie einzustehen hat, keine vernünftigerweise in Betracht zu ziehende Alternativursache aufzeigt, genügt dies dem Senat für seine Überzeugungsbildung. Für diese ist selbst im Bereich des § 286 ZPO ein Grad von Gewissheit ausreichend, der Zweifeln eines besonnenen, gewissenhaften und lebenserfahrenen Beurteilers Schweigen gebietet; Zweifel, die sich auf lediglich theoretische Möglichkeiten gründen, für die tatsächliche Anhaltspunkte nicht bestehen, sind hierbei nicht von Bedeutung (BGH NJW 2008, 2846}. Dies gilt erst recht im Rahmen des hier maßgeblichen § 287 ZPO. Die rein theoretische Möglichkeit, dass die Knieschäden andere Ursachen als die Therapie des Beklagten haben, ändert an der Überzeugungsbildung des Senats nichts.

c) Weitere Folgen der 1994/1995 verursachten neurologischen Konstellation sind neben der Epilepsie die sowohl von Prof. Dr. S wie von Prof. Dr. S festgestellten anhaltenden Funktionsstörungen der Augen, die sich vor allem in einer Quadrantenanopsie nach rechts unten und einer Visusminderung zeigen.

Die von Prof. Dr. S gemessenen testpsychologischen Beeinträchtigungen traten besonders ausgeprägt bei der Verarbeitung visueller Reize auf. Sie sind aber auch in Bezug auf das kognitive Arbeitstempo, die kognitive Flexibilität, exekutive Denkaufgaben und visuelle Gedächtnisleistungen feststellbar.

aa) Zur Visusminderung konnte Prof. Dr. S auf der Grundlage der ihm vorgelegten, von Prof. Dr. M , dem Leiter der Universitätsaugenklinik ..., und von Dr. O , dem behandelnden Augenarzt des Klägers, stammenden Befundungen bzw. Arztbriefe vom 05.09.2007, 28.03.2007, 27.05.2003, 24.02.2003 und 15.10.2008 feststellen, dass erstmals 1995 kurz vor der Knochenmarktransplantation eine reduzierte Sehschärfe bestand, die von einer Hirnblutung verursacht war. Mittlerweile ist die Sehschärfe rechts auf 0,2 und links auf 0,4 vermindert. Dazu passt nach Aussage des Gutachters der beim Kläger vorliegende gleichnamige Gesichtsfeldausfall, der den rechten unteren Quadranten nahezu vollständig erfasst und bis ins Zentrum des Gesichtsfeldes reicht. Darüber hinaus sind in den Gesichtsfeldern beider Augen in der Peripherie und im rechten oberen Quadranten weitere, nicht eindeutig zuordnungsfähige Gesichtsfeldausfälle vorhanden. Sowohl die Reduktion des Visus wie die Gesichtsfeldausfälle sind nach Aussage von Prof. Dr. S mit einem Zustand nach mehrfachen zerebralen Blutungen im Bereich der Sehbahn bzw. der Sehrinde am Hinterhaupt vereinbar.

Im Hinblick darauf, dass durch das Grundurteil Sehbeeinträchtigungen als Folge der Untätigkeit des Beklagten bindend festgestellt sind, hat der Senat keine Bedenken, die gesamte vom Gutachter beschriebene Sehstörung dem vom Beklagten zu verantwortenden Geschehen zuzuordnen (§ 287 ZPO). Der Beklagte trägt keine anderen, vernünftigerweise in Betracht zu ziehenden Ursachen vor. Die von ihm insoweit als Ursache benannte Grunderkrankung wäre bei rechtzeitiger Knochenmarktransplantation im Jahre 1995 bereits geheilt gewesen, hätte also die Sehstörung nicht verursachen können.

Für ein nach 2002 aufgetretenes Rezidiv als Ursache fehlt jeder Hinweis. Die Sehbeeinträchtigungen waren durchgehend von 1995 bis heute vorhanden. Die auslösenden Gehirnblutungen wurden nach dem eigenen Vortrag des Beklagten bei Kernspinaufnahmen im Mai 1995 auf dem Höhepunkt des FHL-Schubs festgestellt, der ohne den Wechsel des Klägers vom Beklagten zu den Hamburger Ärzten tödlich verlaufen wäre. Wie die eine Ursache - die alte durch die Knochenmarktransplantation geheilte FHL - nach 2002 durch eine neue Ursache -das vom Beklagten hartnäckig postulierte Rezidiv - ersetzt worden sein soll, kann der Senat schon logisch nicht nachvollziehen.

bb) Nach den überzeugenden Ausführungen des Sachverständigen Prof. Dr. S hat die festgestellte Sehbehinderung eine funktionelle Beeinträchtigung zur Folge, die nicht nur das Fehlen des Sehraums auf der rechten bzw. rechten unteren Seite, sondern auch eine ausgeprägte Lesestörung beinhaltet. Patienten mit einem Gesichtsfeldausfall, wie er beim Kläger gegeben ist, nehmen Objekte, die von rechts kommen, nicht oder nur verspätet war, was zum Beispiel beim Überqueren einer Straße ein großes Gefahrenmoment darstellt. Sie stoßen häufig an Gegenstände an, die sich auf der rechten Seite befinden. Beim Lesen wird lediglich der fixierte Buchstabe erkannt, wegen der herabgesetzten Sehschärfe noch dazu nur undeutlich oder schlecht Die sich rechts davon befindenden Buchstaben, die bei intaktem Gesichtsfeld sofort mitgescannt und damit erfasst werden können, müssen mehr oder weniger einzeln fixiert und zu einem Wort zusammengesetzt werden. Jedes visuelles Erfassen eines Textes erfordert so eine weitaus größere Anstrengung wie eine erheblich längere Zeitspanne.

cc) Eine Verbesserung der Gesichtsfeldausfälle und der reduzierten Sehschärfe wird mit höchster Wahrscheinlichkeit nicht eintreten, da diese, wie ausgeführt, nach Überzeugung des Senats durch die 1995 erfolgten Gehirnblutungen im Bereich von Sehbahn und Sehrinde verursacht wurden. Für diesen Fall hat Prof. Dr. S eindeutig ausgeführt, dass eine Korrektur nicht möglich ist. Gegen die Möglichkeit einer Korrektur spricht auch der Umstand, dass in der langen Zeit seit 1995 noch kein Arzt, auch nicht die Ärzte in der Universitätsaugenklinik ..., die Sehstörungen des Klägers bessern konnten.

d) Eine weitere Folge der Epilepsie ist nach den überzeugenden Ausführungen von Prof. Dr. S eine ausgeprägte Angststörung, wie sie sich als Komorbiditätsfaktor bei vielen Epilepsiepatienten manifestiert, die, wie der Kläger, unter einer schwer behandelbaren Epilepsie leiden.

Zur Überzeugung des Senats ist deshalb erwiesen, dass - wie der Kläger glaubhaft ausgesagt hat - die Angst vor den unvorhersehbar auftretenden Anfällen und den sozialen Folgen eines Anfalls in der Öffentlichkeit beim Kläger zu einem weitgehenden Rückzug in soziale Isolation führte und Kontakte außerhalb der Familie kaum mehr gepflegt werden konnten und auch in Zukunft nicht gepflegt werden können. Durch diese Erkrankung ist die Stressfähigkeit ebenso eingeschränkt wie die Dialog-, Mitteilungs-, Kontakt- und Abstimmungsfähigkeit sowie die soziale Funktionstüchtigkeit.

Da Anfälle wiederholt bei Arbeiten am Bildschirm, beim Lesen oder in Prüfungssituationen auftraten, was zwar vom Gutachter aufgrund eigener Untersuchungen nicht bestätigt werden konnte, aber vom Kläger glaubhaft geschildert wurde, neigt der Kläger jetzt zu Vermeidungsstrategien bzw. wendet in solchen Situationen zusätzliche Anfallsprotektive, aber auch angstlösende Medikamente (Clonazeptam) an. Die Regelmäßigkeit und Häufigkeit dieser zusätzlichen Applikationen reflektiert nach der Aussage von Prof. Dr. S bereits eine Abhängigkeit im psychischen Sinne.

In den Kontext der generalisierenden Angststörung und der damit und mit der Epilepsie selbst im Zusammenhang stehenden Medikation gehören aus der Sicht des Senats auch die glaubhaften Beschwerden des Klägers über eine erektile Dysfunktion.

Die Feststellungen rechtfertigen nach Überzeugung des Senats auch die Annahme, dass der Kläger nicht im Stande ist, eine Beziehung zu einer Frau aufzubauen und auf herkömmlichem Wege Kinder zu zeugen.

Die Frage einer darüber hinaus bestehenden Unfruchtbarkeit bleibt im Hinblick auf die Erklärung des Klägervertreters im Termin vom 17.10.2008 offen und wurde deshalb für die Bemessung des Schmerzensgeldes auch nicht berücksichtigt.

Die Angsterkrankung zusammen mit dem realen Anfallsrisiko und den oben beschriebenen Folgen seiner Sehstörungen lassen es als gut nachvollziehbar erscheinen, dass sich der Kläger nicht in der Lage sieht, öffentliche Verkehrsmittel zu benutzen.

e) Daneben stellte der Sachverständige Prof. Dr. S noch eine postzosterische Neuralgie fest, die zwar nicht Folge der ZNS-Schädigung ist, sich aber nach Prof. Dr. S als Begleiterscheinung der vom Beklagten zu verantwortenden immunmodulatorischen Therapie einordnen lässt.

Diese äußert sich in Form chronischer Nervenschmerzen in den Hauptbereichen der rechten Seite, entlang des Rippenbogens von der Bauchwand ringförmig an den zwei Rippen entlang bis zur Wirbelsäule. Da auch der Beklagte andere Ursachen für diese Beschwerden nicht aufzeigt, hat der Senat keine begründeten Zweifel, dass Ursache für die Gürtelrose allein die unzureichende Therapie des Beklagten war.

f) Prof. Dr. S stellte beim Kläger daneben noch eine Unsicherheit mit einer Koordinationsstörung in der rechten Hand und im rechten Unterarm fest. Die Feinmotorik ist dadurch beeinträchtigt, was u. a. dazu führt, dass er nur mit großen Schwierigkeiten schreiben kann. Zumindest zeitweise kann der Kläger seinen rechten Arm nicht kontrollieren.

g) Aufgrund seiner neuropsychologischen objektivierbaren Defizite ist der Kläger überdies nur eingeschränkt in der Lage, Gedanken in Worte zu fassen und der Umwelt mitzuteilen (Dysarthrophonie).

Diese nach wie vor bestehenden Beeinträchtigungen hat der Kläger dem Senat glaubhaft geschildert. Darüber hinaus konnten sie von den Sachverständigen Prof. Dr. S und Prof. Dr. S anhand persönlicher Untersuchung, testpsycholgischer Verfahren und /oder der Auswertung der Krankenunterlagen weitestgehend verifiziert werden.

3.

Wie verschiedentlich schon angesprochen sind die beschriebenen gesundheitlichen Beeinträchtigungen des Klägers Folge der vor der Knochmarktransplantation durch die FHL verursachten ZNS-Beeinträchtigungen und nicht die einer Reexacerbation der Grunderkrankung oder der Knochenmarktransplantation.

Der Sachverständige Prof. Dr. S stellt klar heraus, dass sämtliche ärztliche Stellungnahmen zum Verlauf nach der Knochenmarktransplantation - Schreiben der Medizinischen Klinik der Universität ... vom 13.09.1995, von Prof. Dr. S (Universitätsklinikum ...) vom 21.02.2005, Gutachten von Prof. Dr. Dr. Z (Universitätsklinikum ...) vom 02.03.2005 sowie Stellungnahmen des Instituts für medizinische Onkologie und Hämatologie des Klinikums ... (Privatdozent Dr. W ) vom 08.03.2005, 27.03.1997, 17.02.1998, 11.11.1998,08.06.1998 und 07.01.2004 - ebenso wie der kernspintomographisch sowie positronenemissionstomographisch dokumentierte Verlauf keine gegenteiligen Anhaltspunkte erkennen lassen. Als anerkannter Experte für Epilepsieerkrankungen kann der Sachverständige diese Stellungnahmen nicht nur in einen Kontext zu dem vom Kläger geschilderten und objektivierten Beschwerden bringen, sondern auch Aussagen zu möglichen anderen Ursachen treffen. Über die zitierten Stellungnahmen aus der Universitätsklinik ... und dem Klinikum der Stadt ... ist soviel hämatoonkologischer Sachverstand in das Gutachten von Prof. Dr. S eingeflossen, dass die Erholung eines vom Beklagten beantragten besonderen Gutachtens zu dieser Thematik nicht erforderlich ist.

Der Senat hält das Gutachten von Prof. Dr. S für überzeugend und schließt sich deshalb seinen Schlussfolgerungen an. Der Sachverständige stellt sowohl die Grundlagen seiner Feststellungen wie die von ihm gezogenen wissenschaftlichen Schlussfolgerungen gut nachvollziehbar und widerspruchsfrei dar. Dem Beklagten gelang es weder in seinen schriftlichen Stellungnahmen noch bei der mündlichen Befragung des Gutachters im Senatstermin vom 09.03.2007, irgendwelche Mängel oder Unstimmigkeiten in der Argumentation des Sachverständigen aufzuzeigen. Da der Beklagte immerhin bis vor kurzem Leiter einer Universitätsklinik war und entweder selbst über den zur Beurteilung der gutachtlichen Aussagen erforderlichen Sachverstand verfügt oder sich ohne Mühe sachkundig beraten lassen könnte, besteht keinerlei Anlass an den Ergebnissen von Prof. Dr. S zu zweifeln.

Der Antrag des Beklagten, die epileptologische Begutachtung zu wiederholen, weil eine zwischenzeitliche Besserung nicht auszuschließen sei, dient lediglich der Prozessverschleppung und ist daher zurückzuweisen. Umfangreichere Prozesse könnten andernfalls nie zu Ende geführt werden, da immer irgendwelche Veränderungen denkbar sind, die eine wiederholte Begutachtung nötig machen. Der Beklagte zeigt auch keine Umstände auf, die eine wesentliche Zustandsbesserung beim Kläger erwarten ließen.

4.

Der Senat sieht in der Aufnahme des Jurastudiums durch den Kläger keinen Verstoß gegen dessen Schadensminderungspflicht (§ 254 BGB).

Die erzwungene Aufgabe des Berufsziels Arzt muss daher sowohl bei der Bemessung des Schmerzensgeldes wie bei der Berechnung des Erwerbschadens zu Grunde gelegt werden.

Grundsätzlich ist der Verletzte, der in seinem alten Beruf nicht mehr arbeiten kann, verpflichtet, seine verbliebene Arbeitskraft in den Grenzen des Möglichen und Zumutbaren nutzbringend einzusetzen. Kann er auf seinem Arbeitsplatz nicht mehr weiter arbeiten, hat er sich im Rahmen der Schadensminderungspflicht um eine andere mögliche und zumutbare Erwerbstätigkeit zu bemühen. Er muss sich auch einer geeigneten Umschulung unterziehen, um einen anderen, trotz seiner Behinderung erreichbaren Beruf ausüben zu können.

Bei der Prüfung der Möglichkeit und Zumutbarkeit einer gewinnbringenden Erwerbstätigkeit sind der Gesundheitszustand des Verletzten, dessen Persönlichkeit, soziale Lage, bisheriger Lebenskreis, Begabung und Veranlagung, Bildungsgang, Kenntnisse und Fähigkeiten, bisherige Erwerbsstellung, Alter, seelische Anpassungsfähigkeit, Familie und Wohnort zu berücksichtigen (Küppersbusch, Ersatzansprüche bei Personenschäden, 9. Auflage, Rdnr. 54 ff m. zahlreichen Nachw.).

Nach diesen Kriterien war der Kläger nicht verpflichtet, einen Beruf anzustreben, bei dem er sein medizinisches Wissen ungeachtet seiner erheblichen Behinderung anwenden konnte. Wie oben festgestellt, ist ihm die Approbation als Arzt aus gesundheitlichen Gründen unzugänglich. Die für ihn dann noch erreichbaren Berufe, etwa im Bereich medizinischer Fachverlage o. ä. wären dem Arztberuf nicht gleichwertig gewesen. Dazu kommt, dass es infolge der gravierenden Sehstörungen und der gegebenen eingeschränkten Artikulationsfähigkeit (Dysarthophonie) sehr fraglich scheint, ob dieses vom Beklagten in den Raum gestellte Berufsfeld für den Kläger überhaupt zugänglich wäre. Eine Arbeit, die mit deutlich weniger Verantwortung und Verdienstmöglichkeiten verbunden ist, muss der Verletzte grundsätzlich nicht übernehmen (OLG Hamm r+s 1994, 417; OLG Frankfurt, NZV 1991, 188).

Der Kläger verstieß nicht gegen Treu und Glauben, indem er anstelle einer nicht mehr im vollen Umfang möglichen Tätigkeit auf medizinischem Gebiet einen juristischen Beruf anstrebte, in dem er hoffen kann, ähnlich anspruchsvolle Aufgaben erfüllen zu können wie es ihm ohne die Erkrankung als Arzt möglich gewesen wäre.

Im Rahmen der Zumutbarkeitsprüfung sind auch die familiären Verhältnisse zu berücksichtigen: Nicht nur der Vater des Klägers, sondern auch sein Bruder sind Juristen. Letzterer arbeitet mittlerweile als Rechtsanwalt. Der Kläger konnte insoweit durchaus mit der Hilfe seiner Verwandten bei der Bewältigung mancher Probleme der juristischen Ausbildung rechnen. Es ist dem Kläger nicht im Sinne eines Mitverschuldens vorzuwerfen, wenn er in diesen Gegebenheiten einen Ansatzpunkt für eine mögliche spätere berufliche Tätigkeit sah und sich deswegen um eine juristische Ausbitdung bemühte und bemüht Seine kognitiven Fähigkeiten reichen offensichtlich für die Bewältigung juristischer Aufgaben aus. Im beruflichen Umfeld eines Juristen wirkt sich auch das Anfallsleiden nicht so gravierend aus.

Im Übrigen sind die von beiden Sachverständigen bestätigten Gesundheitsbeeinträchtigungen des Klägers - Epilepsie in schwerster Form, gravierende Sehbeeinträchtigungen, Angststörung, Artikulationsbehinderung - zusammen genommen derart gewichtig, dass dem Kläger auch dann kaum eine Verletzung seiner Schadensminderungspflicht nachgewiesen werden könnte, wenn er gar keine Erwerbstätigkeit mehr anstrebte und sich ganz auf den Bezug von Sozialleistungen beschränkte. Der Beklagte hat ihm ein solches Verhalten allen Ernstes schriftsätzlich angesonnen.

Gelingt es dem Kläger letztlich, als examinierter Jurist zu arbeiten, wird der Beklagte ganz wesentlich von weiteren Schadensersatzleistungen entlastet werden. Der Beklagte stellte sich insoweit also deutlich besser, als wenn der Kläger - mutlos - keine weiteren Anstrengungen mehr unternommen hätte. Dass das juristische Studium trotz der Behinderungen des Klägers mit Aussicht auf Erfolg aufgenommen wurde, zeigt sich schon darin, dass der Kläger mittlerweile nicht nur das erste Examen bestanden hat, sondern sich gegenwärtig dem Zweiten Juristischen Staatsexamen unterzieht.

Sein Streben nach einer Berufstätigkeit als Jurist stellt deshalb alles andere als einen Verstoß gegen die §§ 254, 242 BGB dar.

5.

Dem Kläger ist danach als Teil seines materiellen Schadens zunächst Verdienstausfall Höhe von 115.886,77 € zu ersetzen.

a) Der Kläger hätte, wenn die Knochenmarktransplantation rechtzeitig durchgeführt worden wäre, als Arzt im Praktikum arbeiten können. Angesichts seiner bis 1994 erzielten überdurchschnittlichen Prüfungsergebnisse unterliegt es keinem ernsthaften Zweifel, dass er eine seiner Schadensberechnung zu Grunde gelegte nach BAT bezahlte AiP-Stelle erhalten und auch die mit ihr üblicherweise verbundenen Mehrvergütungen für zusätzliche Dienste zur Nachtzeit, an Wochenenden und Feiertagen erzielen hätte können und erzielt hätte. Der Umfang dieser Zusatzeinkünfte kann auf der Grundlage des unbestrittenen Klägervortrags auf 7,5% des Grundgehalts geschätzt werden (§ 287 ZPO). Der in diesem Zusammenhang erfolgte Hinweis des Beklagten auf die Grunderkrankung befremdet. Denn die Grunderkrankung wäre, wie rechtskräftig festgestellt, bereits 1995 geheilt gewesen, hätte den Kläger also weder bei seinen abschließenden Examen noch bei der Suche nach oder der Ausfüllung einer AiP-Stelle behindert.

Dies zu Grunde gelegt, hätte der Kläger als Arzt im Praktikum nach der dann unbestritten maßgeblichen Vergütungstabelle für Angestellte im Bundes- und Landesdienst in der Zeit vom 01.01.1998 bis 31.12.1998 brutto monatlich ein Grundgehalt von 2.060,87 DM, Vergütungen für zusätzliche Dienste in Höhe von durchschnittlich 154,57 DM sowie als vermögenswirksame Leistung 13,00 DM ausbezahlt bekommen. Daraus errechnet sich unter Berücksichtigung eines Urlaubsgeldanspruchs von 500 DM pro Jahr ein entgangenes Bruttojahresgehalt in Höhe von 27.241,28 DM.

Für die Zeit vom 01.01.1999 bis 30.06.1999 ergeben sich auf derselben Grundlage brutto monatlich ein entgangenes Grundgehalt von 2 421,06 DM, ausgebliebene Vergütungen für zusätzliche Dienste in Höhe von 181,58 DM und vermögenswirksame Leistungen von 13 DM - zusammen 15.693,84 DM; verlorenes Urlaubsgeld von 500 DM brutto kann hier nicht berücksichtigt werden, da dieses erst mit dem Juligehalt ausgezahlt wurde, der Kläger aber in diesem Monat bereits Assistenzarzt gewesen wäre.

Da der Kläger seinen Schaden zulässigerweise (BGH NJW 1995, 389) nach der Nettolohnmethode berechnet, müssen hiervon Abzüge für Steuer und Sozialversicherung gemacht werden. Der insoweit vom Kläger vorgenommene pauschale Abzug von 30 % erscheint gerechtfertigt, zumindest benachteiligt er den Beklagten nicht. Nach den bei Schulz-Borck/Hofmann, Schadensersatz bei Ausfall von Hausfrauen und Müttern im Haushalt, 6. Auflage, abgedruckten Tabellen fielen in der fraglichen Zeit Abzüge in Höhe von mehr als 30% erst bei einem Monatseinkommen in der Größenordnung von 2.621,00 DM an. Das vom Kläger für seine AiP-Zeit angesetzte Monatseinkommen lag darunter.

Der sich nach diesem Abzug von 8.172,39 DM bzw. 4.708,15 DM ergebende Nettobetrag von zusammen 30.054,58 DM bzw. 15.366,66 € ist zu ersetzen.

b) In den folgenden Jahren bis zum 31.03.2003 hätte der Kläger als Assistenzarzt netto 100.520,11 € verdient.

Im Hinblick auf das vor 1994 bewiesene Leistungsvermögen des Klägers hätte dieser nach dem gewöhnlichen Lauf der Dinge (§ 252 BGB) nach Abschluss seiner AiP-Zeit eine nach BAT II a bezahlte Assistenzarztstelle erreicht. Seine Grunderkrankung hätte ihn weder hieran noch an der Wahrnehmung zusätzlicher Dienste gehindert, weil sie bei rechtmäßigem Verhalten des Beklagten längst geheilt gewesen wäre. Den Umfang der durch die zusätzlichen Dienste zu erzielenden Einnahmen schätzt der Senat auf der Grundlage des unwidersprochen gebliebenen Klägervortrags auf 15% des Bruttogehalts ohne Weihnachts- und Urlaubsgeld (§ 287 ZPO).

aa) Als Assistenzarzt hätte er in der Zeit vom 1. Juli 1999 bis 31. Dezember 1999 (Lebensalter 28 Jahre) brutto monatlich ein Grundgehalt von 4.409,56 DM, eine Aligemeine Stellenzulage von 209,56 DM, einen Ortszuschlag von 1.033,58 DM, vermögenswirksame Leistungen in Höhe von 13,00 DM sowie Vergütungen für zusätzliche Dienste von 849,86 DM erhalten. Dies hätte unter Berücksichtigung des Urlaubsgelds von brutto 500 DM und der Jahressonderzahlung von brutto 3.924,51 DM für die sechs Monate zu einem Gesamtverdienst von brutto 43.517,87 DM geführt.

bb) In der Zeit vom 1. Januar 2000 bis 31. Juli 2000 hätte er - Lebensalter jetzt 29 Jahre - brutto monatlich ein Grundgehalt von 4.614,37 DM, eine Allgemeine Stellenzulage von 209,56 DM, einen Ortszuschlag von 1.033,58 DM, vermögenswirksame Leistungen von 13,00 DM sowie Vergütungen für zusätzliche Dienste von 880,58 DM erhalten. Dies hätte unter Berücksichtigung des Urlaubsgelds von brutto 500 DM Gesamteinnahmen in Höhe von 47.757,63 DM brutto ergeben.

cc) In der Zeit vom 1. August 2000 bis 31. August 2001 (neue Vergütungstabelle) hätte der Kläger als Assistenzarzt brutto monatlich ein Grundgehalt von 4.614,67 DM, eine Allgemeine Stellenzulage von 209,56 DM, einen Ortszuschlag von 1.033,58 DM, vermögenswirksame Leistungen von 13,00 DM sowie Vergütungen für zusätzliche Dienste von 880,63 DM erhalten. Dies hätte unter Berücksichtigung der Jahressonderzahlung von brutto 4.107,06 DM und des Urlaubsgelds von brutto 500 DM Gesamteinnahmen von 92.371,23 DM brutto ergeben.

dd) In der Zeit vom 1. September 2001 bis 31. Dezember 2001 (neue Vergütungstabelle) hätte der Kläger brutto monatlich ein Grundgehalt von 2.415,91 €, eine Allgemeine Stellenzulage von 109,00 €, einen Ortszuschlag von 541,15 €, vermögenswirksame Leistungen von 6,50 € sowie Vergütungen für zusätzliche Dienste von 460,89 € erhalten. Unter Berücksichtigung der Jahressonderzahlung von 2.150,16€ hätte dies zu einem Gesamtverdienst für die vier Monate von 16.283,96 € brutto geführt

ee) In der Zeit vom 1. Januar 2002 bis 31. März 2003 hätte der Kläger (Lebensalter nunmehr 31 Jahre) brutto monatlich ein Grundgehalt von 2.523,16 €, eine Allgemeine Stellenzulage von 109,00 €, einen Ortszuschlag von 541,15 €, vermögenswirksame Leistungen von 6,50 €, sowie Vergütungen für zusätzliche Dienste von 476,98 € erhalten. Unter Berücksichtigung des Urlaubsgelds von brutto 255,00 € und der Jahressonderzahlung von brutto 2.245,62 € hätte dies zu Gesamteinnahmen von brutto 57.352,47 € geführt.

Daraus errechnet sich bis 31. August 2001 ein entgangener Bruttoverdienst von 183.646,73 DM oder 93.897,08 €, für die Zeit danach bis 31. März 2003 ein solcher von 73.636,43 €, zusammen also 167.533,51 €.

Von diesem Bruttobetrag sind vom Kläger ersparte Aufwendungen für Steuern und Sozialversicherungsbeiträge in Höhe von 40%, also 67.013,40 € abzuziehen. Den verbleibenden Nettobetrag von 100.520,11 € hat der Beklagte zu ersetzen.

Der Senat hält den vom Kläger zugrunde gelegten pauschalen Abzug von hier 40% aus den oben erörterten Gründen für gerechtfertigt (§ 287 ZPO). Nach den bereits zitierten, von Schulz-Borck/Hofmann veröffentlichten Tabellen lagen in den fraglichen Jahren die gesetzlichen Abzüge einschließlich aller Sozialversicherungsbeiträge überwiegend erst bei höheren Monatsbruttoeinkommen oberhalb von 40%. Da der Kläger unwidersprochen darauf hinweist, dass er wie die allermeisten Arzte aus der gesetzlichen Krankenversicherung ausgeschieden wäre, hätten die tatsächlich anfallenden Abzüge die Quote von 40 % zu keiner Zeit überschritten.

c) Da der Erwerbsschaden netto berechnet wird, muss der Beklagte den Kläger von der auf die Zahlung entfallenden Steuerlast freistellen (OLG Frankfurt NZV 1991, 188). Dies bezweifelt auch der Beklagte nicht.

6.

Der Beklagte ist daneben verpflichtet, dem Kläger Aufwendungen und Kosten in Höhe von insgesamt 63.534,42 € zu erstatten, weil dieser infolge seiner gesundheitlichen Beeinträchtigungen von seiner Mutter umfassend betreut werden musste. Zu den Betreuungsleistungen zählten neben umfassenden hauswirtschaftlichen Leistungen auch Fahrten zu Ärzten und zum Studium zunächst der Medizin und dann der Rechtswissenschaften nach ... Rechtsgrundlage für diesen Ersatzanspruch ist, soweit es um vermehrte Bedürfnisse - also die häusliche Betreuung und die Fahrten zum Studium nach Erlangen - geht, § 843 BGB, soweit es um Arztbesuche geht, § 249 BGB.

a) Art und Umfang der Betreuung durch die Mutter des Klägers hob sich angesichts seines Alters so deutlich aus dem selbstverständlichen originären Aufgabenbereich von Eltern heraus, dass der entgeltliche Einsatz einer fremden Pflegekraft bei vernünftiger Betrachtung als praktische Alternative ernsthaft in Betracht gekommen wäre (BGH NJW 1999, 2819). Die Höhe der danach geschuldeten Geldrente ist am Nettolohn einer entgeltlichen Hilfskraft auszurichten (BGH NJW 1999, 421).

Die Betreuungsbedürftigkeit des Klägers ist durch die oben erörterten Sachverständigengutachten nachgewiesen. Der Kläger ist infolge der Störungen seiner Sehfähigkeit und Feinmotorik wie auch der Wirkung der hoch dosierten Antiepileptika, auf die er angewiesen ist, auch in der anfallsfreien Zeit nicht in der Lage, alle im Haushalt anfallenden Arbeiten so zu verrichten wie dies ein Gesunder könnte. Er bedarf daher schon insoweit ständiger Unterstützung. Beim Kläger kommt aber noch hinzu, dass er unter einer erheblichen Angststörung mit Krankheitswert leidet und deshalb aus psychischen Gründen kaum zu Hause allein sein kann, keinesfalls aber in der Lage ist, ohne Begleitung öffentliche Verkehrsmittel zu benutzen. Die Ängste des Klägers und sein Wunsch, von einer vertrauten Person zu Vorlesungen nach Erlangen oder zu Arztbesuchen gebracht zu werden, haben nach den Feststellungen von Prof. Dr. S einen ganz realen Hintergrund. Epileptische Anfälle können wegen der mit ihnen verbundenen Verletzungsgefahr zum Tode führen. Da die Anfälle nicht vorhersehbar sind, kann der Kläger nicht dafür sorgen, dass er sich im Zeitpunkt eines Anfalls immer an einem für ihn gefahrlosen Ort aufhält. Das vorübergehend in Erlangen angemietete Zimmer spielt daher für die Schadensberechnung keine Rolle. Die Anwesenheit einer Betreuungsperson senkt nach den Ausführungen des Sachverständigen das mit jedem Anfall verbundene Morbiditäts- und Mortalitätsrisiko- Davon profitiert letztlich auch der Beklagte, da er für etwaige durch anfallsbedingte Verletzungen verursachte Behandlungskosten aufzukommen hätte.

b) Allerdings ist der geltend gemachte Zeitaufwand nicht im vollen Umfang nachgewiesen. Er kann nicht für die gesamte Zeit vom 01.01.1996 bis 31.03.2003 auf 104 Stunden pro Monat geschätzt werden. Da es im Wesentlichen um den Aufwand für den Besuch von Vorlesungen und anderen Ausbildungsveranstaltungen an der Erlanger Universität geht, muss einerseits der Unterschied von Vorlesungs- und vorlesungsfreier Zeit berücksichtigt werden. Andererseits muss der Senat den Umstand berücksichtigen, dass der Kläger bei der Berechnung seiner Fahrtkosten erst mit dem Sommersemester 1998 beginnt. Zur Fortsetzung seiner medizinischen Ausbildung nach der Knochenmarktransplantation musste der Kläger offenbar nicht nach Erlangen fahren. Dies muss sich auf die Zahl der notwendigen Betreuungsstunden auswirken.

Der Senat schätzt den Umfang der notwendigen Betreuung des Klägers durch seine Mutter, der unabhängig von Vorlesungen oder anderen Ausbildungsnotwendigkeiten anfällt, auf sieben Stunden wöchentlich, während des letzten Abschnitts des Medizinstudiums auf 12 Stunden und während der Vorlesungsmonate des Jurastudiums auf 22 Stunden. Hierfür sind folgende Überlegungen maßgeblich:

aa) Eine Stunde pro Tag muss schon für die alltägliche Betreuung im Haushalt einschließlich notwendiger Arztbesuche angesetzt werden. Die oben erörterten Feststellungen beider Sachverständiger zu den gesundheitlichen Beeinträchtigungen des Klägers bieten hierfür eine hinreichende Grundlage, obwohl der Kläger nicht im Einzelnen vorträgt, bei welchen Ärzten er wie oft in ... oder anderen Orten war. Sowohl Arztbesuche wie hauswirtschaftliche Tätigkeiten fallen über das ganze Jahr mehr oder weniger gleichmäßig an .... Die verbleibende Ungewissheit wird durch den bescheidenen Stundenansatz hinreichend ausgeglichen.

bb) In der Zeit von der Wiederaufnahme des Medizinstudiums im Sommersemester 1996 bis zur letzten medizinischen Prüfung am 20./25.11.1997 musste der Kläger offenbar keine Vorlesungen in ... mehr besuchen. Er macht insoweit, wie gesagt, keine Fahrtkosten geltend. Dies dürfte die Zeit des sogenannten "praktischen Jahrs" gewesen sein.

Der Kläger musste wegen seiner oben erörterten Beeinträchtigungen aber zu seinen jeweiligen Einsatzstellen begleitet werden. Da er nicht vorträgt, wo sich diese befanden, hält der Senat für diese Periode lediglich den Ansatz einer weiteren Stunde je Werktag für gerechtfertigt. Zusammen mit den sieben studienunabhängig anfallenden Wochenstunden ergibt das 12 Wochenstunden.

cc) Während der Vorlesungszeit des Jurastudiums ist dagegen der geltend gemachte zusätzliche Aufwand von täglich drei Stunden für Fahrten zwischen ... und ... nachvollziehbar.

So zweifelt der Senat nicht daran, dass die Mutter des Klägers während der Semester werktäglich damit beschäftigt war, das Studium des Klägers zu ermöglichen. Wenn sie in ... auf das Vorlesungsende wartete, um den Kläger anschließend mit nach Hause nehmen zu können, benötigte sie mehr als drei Stunden. Kehrte sie zwischenzeitlich nach ... zurück, war der Zeitbedarf infolge der doppelten Fahrzeit nicht unter zwei Stunden. Der Ansatz von durchschnittlich drei Stunden ist daher gerechtfertigt.

Bei fünf Werktagen pro Woche ergibt das wöchentlich 15 Stunden studienbedingten Betreuungsaufwand, zusammen mit dem oben erörterten studienunabhängigen Aufwand von wöchentlich 7 Stunden errechnet sich für die Vorlesungszeit eine Gesamtbetreuungsaufwand von 22 Stunden pro Woche.

c) Da allgemein bekannt ist, dass nur in sieben von zwölf Monaten Vorlesungen gehalten werden (15. Oktober bzw. 1. November bis Mitte bzw. Ende Februar des Folgejahres sowie 15. April bzw. 1. Mai bis 15. bzw. Ende Juli) lässt sich der für den Ersatzanspruch des Klägers maßgebliche Nettolohn mit Hilfe der bereits erwähnten Tabellenwerke wie folgt berechnen, wobei der Senat die Gehaltsgruppe IX b des BAT zugrundelegt:

aa) Nach BAT IX b lagen bis Ende Juli 2000 die Monatsnettovergütungen für sieben Wochenstunden bei 603,52 DM, für 12 Wochenstunden bei 820,96 DM, und für 22 Wochenstunden bei 1.453,09 DM (Stundenvergütung 18,15 DM). Diese Beträge erhöhten sich ab 01.08.2000 auf 614,47 DM, 835,85 DM bzw. 1.472,79 DM {Stundenvergütung 18,51 DM), ab 01.01.2001 wegen neuer Steuertabellen auf 614,47 DM, 836,90 DM bzw. 1.491,72 DM (Stundenvergütung unverändert 18,51 DM), ab 01.09.2001 auf 627,85 DM, 855,13 DM bzw. 1.518,24 DM (Stundenvergütung 18,95 DM) und ab 01.01.2003 auf 258,83 €, 443,70 € bzw. 784,56 € (Stundenvergütung 9,92 €).

bb) Für die Zeit zwischen dem 01. Januar 1996 und dem 30. April 1996 (das Medizinstudium konnte noch nicht fortgesetzt werden) errechnet sich danach ein Aufwand von 2.414,08 DM (4 x 603,52 DM), für die folgende Zeit bis einschließlich November 1997 (Fortsetzung der medizinischen Ausbildung) ein solcher von 15.598,24 DM (19 x 820,96 DM), für die Zeit vom 1. Dezember 1997 bis 30. April 1998 (zwischen Medizin- und Jurastudium) ein solcher von 3.017,60 DM (5 x 603,52 DM).

Für die folgende Zeit des rechtswissenschaftlichen Studiums ergibt sich bis zum 31. Juli 2000 bei 17 Vorlesungsmonaten und 10 Monaten vorlesungsfreier Zeit ein Aufwand in Höhe von 30.737,73 DM (10 x 603,52 DM + 17 x 1.453,09 DM), für die Zeit vom 01.08. bis 31.12.2000 bei 3 vorlesungsfreien und 2 Vorlesungsmonaten ein solcher in Höhe von 4.788,99 DM (3 x 614,47 DM + 2 x 1.472,79 DM), für die Zeit vom 01.01. bis 31.08.2001 bei 3 vorlesungsfreien und 5 Vorlesungsmonaten einer in Höhe von 9.302,01 DM (3 x 614,47 DM + 5 x 1491,72 DM), für die Zeit vom 01.09.2001 bis 31.12.2002 bei 7 vorlesungsfreien und 9 Vorlesungsmonaten ein solcher in Höhe von 18.059,11 DM (7 x 627,85 DM + 9 x 1518,24 DM) und für die Zeit vom 01.01. bis 31.03.2003 bei einem vorlesungsfreien und zwei Vorlesungsmonaten ein Anspruch in Höhe von 1.827,95 € (1 x 258,83 € + 2 x 784,56 €).

Dem Kläger steht daher wegen der Betreuung durch seine Mutter in der Zeit vom 1. Januar 1996 bis 31. März 2003 ein Gesamtbetrag von 83.917,76 DM und 1.827,95 €, umgerechnet also 44.734,42 € zu.

d) Daneben kann der Kläger Ersatz für die ihm erwachsenen Fahrtkosten verlangen. Auch hier kann die geltend gemachte Gesamtfahrleistung dem Urteil jedoch nicht in vollem Umfang zugrunde gelegt werden.

In Fortführung der oben zum Betreuungsaufwand angestellten Überlegungen schätzt der Senat die Fahrleistung für die vorlesungsfreie Zeit lediglich auf 100 Km pro Woche, für die Vorlesungszeit wegen der Fahrten nach ... auf 600 km. In den 60 Monaten vom Beginn des Sommersemesters 1998 bis zum Ende des Wintersemesters 2002/2003 gab es 35 Vorlesungsmonate und 25 vorlesungsfreie Monate. Die infolge der vermehrten Bedürfnisse bzw. die Heilbehandlung des Klägers notwendige Fahrleistung ist danach auf 94.000 km zu schätzen (35 x 4 x 600 km + 25 x 4 x 100 km).

Pro Kilometer kann ohne näheren Vortrag lediglich von Kosten in Höhe von 0,20 € ausgegangen werden (Palandt/Heinrichs, 68. Aufl., § 249 Rdnr. 9; 61. Aufl., Rdnr. 11 m. w. Nachw.).

Hieraus errechnet sich ein Anspruch in Höhe von 18.800 €

7.

Schließlich hat der Kläger auf Grund seiner oben erörterten gesundheitlichen Beeinträchtigungen und ihrer Folgen für seine private und berufliche Lebensführung, wie sie sich bis heute dargestellt haben und für die Zukunft vorhersehbar sind, nach § 847 BGB a. F. Anspruch auf Zuerkennung eines Schmerzensgeldkapitals von insgesamt 100.000 € nebst einer Schmerzensgeldrente von 375 € monatlich. Kapitalisiert man die Schmerzensgeldrente mit einem Zinsfuß von 5 % ergibt sich bei dem Alter des Klägers zu Rentenbeginn ein Betrag von 85.653,00 €.

a) Bei der Festlegung dieser Beträge berücksichtigt der Senat sämtliche bis zum Schluss der mündlichen Verhandlung im vorliegenden Verfahren eingetretene Beeinträchtigungen des Klägers, wie sie oben im Einzelnen erörtert sind, einschließlich der vorhersehbaren Entwicklung in der Zukunft.

Ein Schmerzensgeldbetrag umfasst regelmäßig die in der Vergangenheit liegenden und die vorhersehbaren und zwangsläufigen künftigen Beeinträchtigungen. Künftige Entwicklungen, insbesondere Verschlechterungen des Gesundheitszustandes werden nur dann nicht erfasst, wenn sie nicht - auch nicht durch einen Mediziner -vorhersehbar sind. Wollte man sich bei der Bemessung des Schmerzensgeldes auf die bis zum Schluss der mündlichen Verhandlung bereits eingetretenen immateriellen Schäden beschränken und daneben das Feststellungsurteil aufrechterhalten, würde die Rechtslage nur unnötig kompliziert. Der Kläger wäre auf jeden Fall gezwungen einen weiteren Prozess zu führen (Jaeger/ Luckey, Schmerzensgeld, 4.Aufl., Rdnr. 1410 f).

b) Bei der Bemessung des Schmerzensgeldes kommt es in erster Linie auf den Umfang des Schadens und das Ausmaß der konkreten Beeinträchtigung an (BGH Z 7, 223/225). Beeinträchtigungen sind nicht nur Körperschäden im eigentlichen Sinne, sondern auch subjektive Empfindungen und die Beeinträchtigung der sozialen und beruflichen Stellung, die nicht selbstständig Krankheitswert erreichen müssen, solange eine Verletzung von Körper und/oder Gesundheit vorliegt (Jaeger/Luckey, a. a. O., 4. Auflage, Rdnr. 909). Daneben spielt die Genugtuungsfunktion nur in besonderen Fällen, vor allem bei Straftaten und in gewisser Weise bei zögerlichem Regulierungsverhalten eine Rolle (BGH NJW 1995, 781; Jaeger/Luckey, a. a. O., Rdnr. 917 ff).

c) Im Streitfall sind daher zunächst die Schmerzen zu berücksichtigen, die der Kläger von April 1994 bis Mai 1995 erleiden musste. Dabei handelte es sich u.a. um Lähmungserscheinungen, die von Sehstörungen, vergleichbar dem "Verblitzen eines Auges" eingeleitet wurden, verbunden mit schweren Empfindungsstörungen, starken andauernden Kopfschmerzen und neurologischen Attacken bis hin zu epileptischen Anfällen. Der Kläger hatte zunehmend Angst um sein Leben.

Die Todesangst verstärkte sich durch die im Mai 1995 erlittenen Gehirnblutungen, die schließlich zum Transport per Rettungshubschrauber in die Universitätsklinik ... führten, weil der Beklagte den Kläger nicht mehr behandelte. Dort musste der Kläger zunächst erfahren, dass er für eine Knochenmarktransplantation schon in einem zu schlechten Allgemeinzustand war. Erst eine Überraschende Besserung machte die Knochenmarktransplantation dann doch möglich, wenn auch mit schlechter Prognose.

d) Weiter ist für die Bemessung des Schmerzensgeldes der Umstand wesentlich, dass der Kläger trotz erfolgreicher Knochenmarktransplantation unter zahlreichen Gesundheitsschäden leidet, die seine Lebensführung ganz erheblich beeinträchtigen und die irreparabel sind.

Insoweit kann auf die obigen Feststellungen auf der Basis der Sachverständigengutachten verwiesen werden. Besonders fallen als körperliche Schäden die schwere Epilepsie, die gravierende Sehbeeinträchtigung und die als Folge der Gürtelrose verbliebenen Dauerschmerzen sowie als seelischer Schaden die Angsterkrankung ins Gewicht.

e) Daneben ist zu berücksichtigen, dass der Kläger vor der Verschlimmerung seiner Erkrankungen im Jahre 1994 mit einem Hochbegabtenstipendium Medizin studierte und eine sehr gute Aussicht hatte, nach erfolgreichem Studienabschluss in dem Wunschberuf als Arzt arbeiten zu können. Der dramatische Krankheitsschub der Jahre 1994/1995 machte alle diesbezüglichen Hoffnungen zunichte.

Der Kläger sah sich nicht nur gezwungen, das Studienfach zu wechseln - das würde für sich betrachtet kein Schmerzensgeld rechtfertigen -, sondern er musste sich durch das neue Studium anders als vor 1994 unter Aufbietung aller Willenskraft regelrecht durchkämpfen, weil er durch die Sehstörungen und die ständige Angst vor einem Anfall bzw. die dagegen eingenommenen Medikamente ebenso behindert war wie durch den von Prof. Dr. S bestätigten Verlust an Hirnsubstanz. Dies muss sich auch deshalb schmerzensgelderhöhend auswirken, weil der Kläger weiß, dass er trotz aller Mühen, anders als früher, nicht in der Spitzengruppe seiner Kommilitonen landen wird, sondern damit zufrieden sein muss, beide juristische Examen mit durchschnittlichem Erfolg abzulegen.

f) Auch die Notwendigkeit, sich ständig von der Mutter betreuen zu lassen, wirkt sich schmerzensgeldsteigernd aus.

Angesichts des oben erörterten Krankheitsbildes ist der Kläger zu einer selbstständigen Lebensführung außer Stande. Er kann die elterliche Wohnung nicht allein verlassen, kann schon gar keinen eigenen Hausstand oder eine eigene Familie gründen. Es mag sein, dass weder die Epilepsie noch die Sehbeeinträchtigungen allein zwingend zu dieser Unselbständigkeit führen müssten. Zusammen mit der zusätzlich vorhandenen Angststörung haben sie jedenfalls beim Kläger zu diesem Ergebnis geführt wie der Sachverständige Prof. Dr. S glaubhaft bestätigt hat.

Eine wesentliche Besserungsmöglichkeit besteht nach den Aussagen beider Sachverständiger nicht, jedenfalls nicht ohne weitere risikobehaftete Operationen, zu denen der Kläger nicht verpflichtet ist.

Der Senat folgt insbesondere nicht der Auffassung des Beklagten, der Kläger müsse sich einer Operation zur Besserung seiner Epilepsieerkrankung unterziehen. Ein Geschädigter ist zur Duldung einer Operation nur verpflichtet, sofern sie gefahrlos und nicht mit besonderen Schmerzen verbunden ist, sichere Aussicht auf Heilung oder wesentliche Besserung bietet und der Schädiger für eine geeignete kostenlose Vornahme einsteht. Bei risikoreichen Operationen besteht ebenso wenig eine Duldungspflicht wie bei zweifelhafter Aussicht auf Besserung und bei sonstigen Nachteilen (Palandt/Heinrichs BGB, 67. Auflage, § 254 Rdnr. 39 m. w. Nachw.). Dem Vorbringen des Beklagten lässt sich weder entnehmen, dass die von ihm für nötig gehaltene Operation risikolos, noch dass sie sicher erfolgversprechend ist, von einer Bereitschaft, deren Kosten zu übernehmen, ganz zu schweigen.

Der Sachverständige Prof. Dr. S führte zwar in seinem schriftlichen Gutachten vom 28.11.2006 aus, er halte angesichts der Schwere der Epilepsie und ihrer Auswirkungen die nochmalige Diskussion der Möglichkeit eines epilepsiechirurgischen Eingriffs für sinnvoll. Eine solche Maßnahme könnte aus seiner Sicht eine entscheidende Besserung des bestehenden Leidens erbringen. Bei seiner Anhörung am 9.03.2007 stellte der Gutachter aber klar, dass er damit nur eine erneute Diskussion aller therapeutischen Möglichkeiten empfehlen, nicht in jedem Fall zu einer Operation raten wollte. Der Kläger ist danach keinesfalls rechtlich verpflichtet, sich einer derartigen Operation zu unterziehen

g) Auch das Regulierungsverhalten des Beklagten bzw. seiner Haftpflichtversicherung muss bei der Bemessung des Schmerzensgeldes in Rechnung gestellt werden (Jaeger/Luckey, a.a.O., Rdnr. 925 ff; Senat NZV 2007, 301 je m. w. Nachw..).

Zumindest seit der mit der Entscheidung des Bundesgerichtshofs vom 05.11.2002 eingetretenen Rechtskraft des Grundurteils vom 30.10.2000 hätte der Beklagte mit der Regulierung der immensen Schäden beginnen müssen, die er verursacht hat. Die Überweisung von 50.000,00 € im Mai 2003 steht in keinem Verhältnis zu dem für jeden absehbaren Umfang der materiellen und immateriellen Schäden des Klägers.

Das Bestreiten der Gesundheitsbeeinträchtigungen ist zwar generell nicht zu beanstanden. Gleichwohl lag darin in der konkreten Prozesslage ein Verstoß gegen Treu und Glauben. Denn der Kläger befand sich wegen seiner Epilepsieerkrankung in derselben Universitätsklinik ... in Dauerbehandlung, in der der Beklagte in leitender Position tätig war. Es leuchtet nicht ein, warum unter solchen Umständen die von den behandelnden Ärzten ausgestellten Zeugnisse nicht ausreichten, um den Beklagten als Fachmann davon zu überzeugen, in welch schlechtem Gesundheitszustand der Kläger war und ist. Gleiches gilt für die Sehbeeinträchtigungen, die u. a. in der Universitätsaugenklinik ... befundet worden waren. Der Gutachten der Prof. Dr. S und Prof. Dr. S hätte es insoweit nicht bedurft. Der Umstand, dass der Beklagte den Kläger trotzdem zu einer langen und ausführlichen Beweisaufnahme zwang und dabei sogar wiederholt vortragen ließ, dessen Zustand sei auf ein Rezidiv der Grunderkrankung oder die Knochenmarktransplantation zurückzuführen, stellt einen Verstoß gegen Treu und Glauben dar. Denn keiner der vielen hochqualifizierten Ärzte, die sich nach der Knochenmarktransplantation mit dem Kläger befassten, konnte irgendeinen Hinweis für ein Wiederaufflammen der FHL oder für negative Folgen der Knochenmarktransplantation entdecken. Auch der Beklagte nennt kein einziges derartiges Indiz. Die angesprochenen Behauptungen des Beklagten dürften daher ins Blaue hinein aufgestellt worden sein. Sie verzögerten den Prozess erheblich, änderten aber nichts am Ergebnis der krankheitsbedingten Beeinträchtigungen.

h) Bei der Bemessung des Schmerzensgeldes übersieht der Senat nicht, dass die kognitiven Fähigkeiten des Klägers zwar durch die FHL erheblich beeinträchtigt wurden, aber immer noch über dem Durchschnitt der Bevölkerung liegen dürften. Anders ist es nicht zu erklären, dass der Kläger das erste juristische Staatsexamen bestanden hat, obwohl er durch eine Reihe von Beeinträchtigungen gehindert war, die ihm verbliebenen kognitiven Fähigkeiten voll zur Geltung zu bringen.

Das Leben des Klägers ist glücklicherweise nicht völlig zerstört. Er ist zwar schwerst beeinträchtigt, aber Immer noch in der Lage, mit seinen Mitmenschen zu kommunizieren, und er wird aller Voraussicht nach den anspruchsvollen Beruf des Rechtsanwalts ausüben können.

i) Auch die Voraussetzungen für die Zuerkennung einer Schmerzensgeldrente liegen vor.

Eine solche kommt bei schweren und schwersten Dauerschäden in Betracht, wenn die Beeinträchtigungen des Verletzten sich immer wieder erneuern und immer wieder als schmerzlich empfunden werden. Solange der Verletzte unter den Verletzungen leidet, soll er eine immer wiederkehrende Entschädigung für immer wiederkehrende Lebensbeeinträchtigungen erhalten (BGH NJW 1994, 1592; Jaeger/Luckey, a.a.O., Rdnr. 125).

Dies ist hier der Fall. Der Kläger muss sämtliche oben erörterten Gesundheitsbeeinträchtigungen ein Leben lang ertragen. Er spürt täglich die von der Gürtelrose verursachten Schmerzen, erlebt täglich seine durch Sehstörungen und die ständige Angst vor epileptischen Anfällen verursachte Betreuungsbedürftigkeit.

j) Der Senat bewegt sich mit seiner Schmerzensgeldbemessung auch nicht außerhalb des Rahmens der bisherigen Rechtsprechung:

So hat das OLG München durch Urteil vom 06.06.1991 - 24 U 590/69 - einem Mädchen ein Schmerzensgeld von 105.000 DM sowie eine Schmerzensgeldrente von 300 DM monatlich zugesprochen, da es infolge eines Arztfehlers nach einer Meningitis an Epilepsie litt (ausgeprägtes psychoorganisches Syndrom mit Hirnleistungsschwäche, mentale Behinderung, kognitive Störungen, leichte Bewegungsstörungen mit Ataxie, erhöhte Krampfbereitschaft). Das OLG Stuttgart hat mit Urteil vom 11.01.2002 (VersR 2003, 376) einem Kind ein Schmerzensgeld von 153.387,56 € zugesprochen, das infolge einer Überbeatmung nach Sauerstoffmangel während der Geburt an Krampfanfällen litt. Das OLG Oldenburg hat einem Kind, das infolge eines Arztfehlers unter Epilepsie mit mild ausgeprägter Körperbehinderung mit Einschränkungen der Grob- und Feinmotorik, kognitiven Einschränkungen sowie Verhaltensauffälligkeiten litt, durch Urteil vom 20.01.1999 (VersR 1999, 1423) ein Schmerzensgeld in Höhe von 116.000 DM zugesprochen. Das Landgericht Koblenz hat einem jungen Mann wegen einer Epilepsie (schwere hirnorganische Wesensänderung verbunden mit einer mittelgradigen Hirnleistungsstörung, nicht hinreichend kontrollierbare epileptische Anfälle) durch Urteil vom 04.11.1993 -50 721/82 - ein Schmerzensgeld von 90.000 DM bei einer Haftungsquote von nur 50 % zuerkannt. Schließlich hat das OLG Bamberg einer zwölfjährigen Schülerin mit Urteil vom 07.05.1991 (ZfS 1991, 260), die nach einem schweren Unfall mit Schädelhirntrauma unter einer spastischen Hemiparese, Erblindung eines Auges sowie einem posttraumatischen Psychosyndrom mit allgemeiner Verlangsamung, Unkonzentriertheit und vermehrten Kopfschmerzen litt, ein Schmerzensgeld von 150.000 DM nebst einer Rente von 250,00 DM zuerkannt.

Die den zitierten Urteilen zu Grunde liegenden Fallgestaltungen ähneln der hier streitgegenständlichen Fallgestaltung insoweit als es auch dort um die Bewertung von Anfallsleiden ging, die allerdings teilweise zu schwereren Beeinträchtigungen geführt hatten als beim Kläger. Das zugesprochene Schmerzensgeld ist gleichwohl in voller Höhe notwendig, um seiner Funktion als gerechter Ausgleich für die vielfältigen, gravierenden immateriellen Schäden des Klägers gerecht werden zu können. Denn beim Kläger kommen zum Anfallsleiden als solchem noch die Sehbeeinträchtigung, die postzosterischen Dauerschmerzen, die Angsterkrankung und auch das Regulierungsverhalten hinzu.

8.

a) Die Entscheidung über die Zinsen beruht auf §§ 284, 286, 288 BGB. Die neue für den Anspruchsinhaber günstigere Regelung des gesetzlichen Zinssatzes in § 288 BGB konnte, wie beantragt, nur für einen Teil des Urteilsbetrages angewandt werden, da sie nur solche Ansprüche betrifft, die nach dem 01.05.2000 fällig geworden sind.

b) Die Kostenentscheidung beruht auf § 92 Abs. 1 ZPO. Bei der Festsetzung des insoweit maßgeblichen Gebührenstreitwerts hat der Senat für beide Instanzen den Streitwert des Feststellungsantrag auf 80% des Steuerbetrages bemessen, der sich bei einem geschätzten Durchschnittssteuersatz von 20% für den geltend gemachten bzw. zugesprochenen Verdienstausfall ergibt. Dies vorausgesetzt ist der Prozesserfolg des Klägers für die erste Instanz mit 320.463,07 €, für die zweite nur mit 270.463,07 € zu bewerten, weil sich die Zahlung des Beklagten hier nicht mehr auswirkt.

c) Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit ergibt sich aus § 708 Nr. 10 i. V. m. § 711 ZPO.

d) Die Voraussetzungen für die Zulassung der Revision liegen nicht vor. Die Rechtssache hat weder grundsätzliche Bedeutung über den Einzelfall hinaus noch erfordert die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtssprechung eine Entscheidung des Revisionsgericht (§ 543 Abs. 2 ZPO).

Ende der Entscheidung

Zurück