Judicialis Rechtsprechung

Mit der integrierten Volltextsuche, die vom Suchmaschinenhersteller "Google" zur Verfügung gestellt wird, lassen sich alle Entscheidungen durchsuchen. Dabei können Sie Sonderzeichen und spezielle Wörter verwenden, um genauere Suchergebnisse zu erhalten:

Zurück

Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Nürnberg
Beschluss verkündet am 23.07.2004
Aktenzeichen: 5 W 2374/04
Rechtsgebiete: BRAGO


Vorschriften:

BRAGO § 32 Abs. 2
Werden in einem Prozessvergleich Ansprüche aus einem anderen Rechtsstreit mitverglichen und vertritt der Rechtsanwalt die Partei in beiden Prozessen, erhält dieser nur in dem mitverglichenen Rechtsstreit eine volle Prozessgebühr (§ 31 Abs. 1 Nr. 1 BRAGO) sowie insgesamt eine Vergleichsgebühr aus dem addierten Geschäftswert aller mitverglichenen Prozesse (§ 23 Abs. 1 BRAGO), aber keine (weitere) halbe Differenzprozessgebühr nach § 32 Abs. 2 BRAGO.
5 W 2374/04

Nürnberg, den 23.07.2004

In Sachen

erläßt das Oberlandesgericht Nürnberg, 5. Zivilsenat, durch die unterzeichneten Richter folgenden

Beschluß:

Tenor:

I. Die sofortige Beschwerde des Klägers gegen den Beschluss des Landgerichts Regensburg vom 24.05.2004 wird, soweit ihr nicht durch Beschluss vom 30.06.2004 abgeholfen worden ist, zurückgewiesen.

II. Der Kläger trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.

III. Die Rechtsbeschwerde wird zugelassen.

IV. Der Wert des Beschwerdeverfahrens wird auf 413,00 EUR festgesetzt.

Gründe:

I.

Der Kläger führte neben dem vorliegenden Rechtsstreit noch weitere Verfahren vor dem Landgericht Regensburg (HK O 1467/03) gegen den Geschäftsführer der Beklagten zu 2), U und vor dem Landgericht Landshut (HK O 146/03) gegen diesen und Herrn K. Diese wurden in dem hier geschlossenen Vergleich vom 24.03.2004 miteinbezogen.

Der Kläger hat beantragt, aus dem Wert der mitverglichenen Ansprüche eine halbe Prozessgebühr nach § 32 Abs. 2 BRAGO zu seinen Gunsten festzusetzen. Das Landgericht hat den Kostenfestsetzungsantrag insoweit, als er sich auf die anderweitig anhängigen Ansprüche bezogen hat, mit der Begründung zurückgewiesen, die diesbezügliche Tätigkeit des Prozessbevollmächtigten sei von dem Prozessauftrag in den anderen Verfahren mit umfasst und von den dort verdienten Prozessgebühren abgegolten.

Hiergegen richtet sich die als- sofortige Beschwerde zu behandelnde Erinnerung des Klägers.

II.

Die sofortige Beschwerde ist zulässig (§ 11 Abs. 1 RPflG, § 104 Abs. 3 S. 1, § 567 Abs. 1 Nr. 1, Abs. 2 S. 2 ZPO), hat aber in der Sache keinen Erfolg.

1. Es ist im einzelnen umstritten, ob eine weitere halbe Prozessgebühr nach § 32 Abs. 2 BRAGO auch dann entsteht, wenn streitige Ansprüche in einem Rechtsstreit verglichen werden, die bereits Gegenstand eines anderen Rechtsstreits waren, für die derselbe Prozessbevollmächtigte aufgrund des dortigen Prozessauftrages bereits die volle Prozessgebühr aus § 31 Abs. 1 Nr. 1. BRAGO beanspruchen kann.

Dies wird zum Teil mit der Begründung bejaht, dass es sich bei den verschiedenen Verfahren um gebührenrechtlich selbständige Angelegenheiten im Sinne von § 13 Abs. 2 S. 2 BRA-GO handele und eine Anrechnung der halben Prozessgebühr des § 32 Abs. 2 BRAGO auf die volle Prozessgebühr gesetzlich nicht vorgesehen sei (OLG München, MDR 1999, 704; KGR 2001, 54; Gerold/Schmidt/von Eicken, BRAGO, 15. Aufl., § 32 Rdnr. 8.22; Göttlich/Mümmler, BRAGO, 20. Aufl., Stichwort: "Vergleichsgebühr" Anm. 3.6.2.; Hansens, BRAGO, 8. Aufl., § 32 Rdnr. 25).

Demgegenüber wird vom überwiegenden Teil der Rechtsprechung ein derartiger Anspruch verneint und dies im wesentlichen damit begründet, dass unter Berücksichtigung des Normzwecks kein Raum für die Entstehung der halben Differenzprozessgebühr bestehe, wenn der Prozessbevollmächtigte in dem anderweit anhängigen Rechtsstreit bereits eine volle Prozessgebühr verdient habe (OLG Zweibrücken, RPfleger 2003, 323; OLG München, MDR 2000, 228; OLG R 1993, 252; OLG Dresden ZfSch 1997, 112; OLG Karlsruhe JuRBüro 1994, 672; KG NJW-RR 1999, 294; OLG Stuttgart JurBüro 1982, 394; OLG Bamberg JurBüro 1986, 1529; LAG Düsseldorf JurBüro 1994, 672; MDR 2004, 75; LAG Nürnberg MDR 2001, 1079; LAG Sachsen-Anhalt JurBüro 1997, 191; Thüringisches LAG MDR 1997, 1167; Mümmler JurBüro 1988, 703; JurBüro 1981, 179; Riedel/Sußbauer-Keller, BRAGO, 8. Aufl., § 32 Rdnr. 23; Hartmann, Kostengesetze, 33. Aufl., § 32 BRAGO Rdnr. 64).

2. Der Senat schliesst sich der zuletzt genannten Ansicht an.

Wie insbesondere Mümmler zutreffend ausgeführt hat, sollte mit der durch, das Kostenrechtsänderungsgesetz 1957 eingeführten Regelung des § 32 Abs. 2 BRAGO dem Rechtsanwalt, neben der Vergleichsgebühr nach § 23 BRAGO, dann eine weitere Gebühr in Form einer halben Prozessgebühr zustehen, wenn und soweit Ansprüche aus § 31 Abs. 1 Nr. 1 BRAGO noch nicht entstanden waren. § 32 Abs. 2 BRAGO entschädigt den Rechtsanwalt also mit einer halben Prozessgebühr dafür, dass ihm mangels Prozessauftrags neben der Vergleichsgebühr an sich keine Prozessgebühr zusteht. Keinesfalls sollte dem Rechtsanwalt, soweit er für rechtshängige Ansprüche in einem anderen Verfahren bereits einen Anspruch auf die dort entstandene volle Prozessgebühr hat, mit dem Vergleichsabschluss zusätzlich eine halbe Prozessgebühr zukommen. Für die Annahme, der Gesetzgeber habe dem Rechtsanwalt in Fällen der vorliegenden Art eine 1 1/2-fache Prozessgebühr verschaffen wollen, fehlen jegliche Anhaltspunkte.

Ein gegenteiliges Ergebnis widerspräche auch dem Prozessauftrag. War nämlich einem Rechtsanwalt für bestimmte streitige Ansprüche bereits ein Prozessauftrag erteilt, umfasste dieser auch Vergleichsverhandlungen und einen etwaigen Vergleichsschluss (§ 81 ZPO) und zwar unabhängig davon, in welchem Verfahren ein Vergleich denn abgeschlossen wird. § 32 Abs. 2 BRAGO bezieht sich aber nur auf Angelegenheiten, die vom Prozessauftrag noch nicht umfasst waren (Riedel/Sußbauer-Keller a.a.O., n.w.N.). In diesem Fall soll der Rechtsanwalt in Ermangelung der Prozessgebühr nach § 31 Abs. 1 Nr. 1 BRAGO neben der Vergleichsgebühr nach § 23 BRAGO mit der halben Prozessgebühr nach § 32 Abs. 2 BRAGO entschädigt werden, nicht aber mit einer 1 1/2-fachen Prozessgebühr.

Im übrigen würde es jeder Rechtfertigung entbehren, wenn eine schon entstandene Prozessgebühr sich nachträglich dadurch noch erhöhen könnte, dass der bereits rechtshängige Anspruch in einem anderen Rechtsstreit mitverglichen wird (OVG Berlin JurBüro 2000, 303). Genau dies wäre jedoch der Fall, wenn man der Ansicht des Beschwerdeführers folgen wollte.

3. Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO.

4. Der Senat lässt im Hinblick auf die abweichenden Entscheidungen des Kammergerichts und des OLG München die Rechtsbeschwerde zur Sicherung einer einheitlichen Rechtssprechung zu (§ 574 Abs. 2 Nr. 2, Abs. 3 ZPO).

Ende der Entscheidung

Zurück