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Gericht: Oberlandesgericht Nürnberg
Beschluss verkündet am 17.05.2005
Aktenzeichen: 5 W 480/05
Rechtsgebiete: ZPO


Vorschriften:

ZPO § 91
Ein Unternehmen, das geschäftsmäßig zahnärztliche Honorarforderungen im Wege des echten Factoring ankauft und beitreibt, ist in der Regel ebenso wie ein Unternehmen mit eigener Rechtsabteilung in der Lage, einen Prozessbevollmächtigten am Sitz des Prozessgerichts schriftlich zu instruieren. Beauftragt ein solches Unternehmen dennoch einen auswärtigen Anwalt mit der Prozessführung, sind die durch die Einschaltung eines Unterbevollmächtigten entstandenen Mehrkosten daher auch nicht unter dem Gesichtspunkt ersparter Reisekosten erstattungsfähig.
5 W 480/05

Nürnberg, den 17.05.2005

In Sachen

erläßt das Oberlandesgericht Nürnberg, 5. Zivilsenat, durch die unterzeichneten Richter folgenden

Beschluss:

Tenor:

I. Die sofortige Beschwerde der Klägerin gegen den Kostenfestsetzungsbeschluss des Landgerichts Regensburg vom 12. Januar 2005 wird zurückgewiesen.

II. Die Klägerin trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.

III. Der Wert des Beschwerdegegenstandes wird auf 675,70 Euro festgesetzt.

IV. Die Rechtsbeschwerde wird zugelassen.

Gründe:

I.

Die Klägerin ist ein zahnärztliches Rechenzentrum, das geschäftsmäßig zahnärztliche Honorarforderungen im Wege des echten Factoring ankauft und beitreibt. Sie begehrt im vorliegenden Kostenfestsetzungsverfahren u.a. die Erstattung der Kosten eines Unterbevollmächtigten, der für sie die mündliche Verhandlung vor dem Erstgericht wahrgenommen hat. Die zuständige Rechtspflegerin hat dies mit der Begründung abgelehnt, der Klägerin sei es zuzumuten gewesen, einen Prozessbevollmächtigten am Sitz des Prozessgerichts schriftlich zu informieren.

II.

Die sofortige Beschwerde der Klägerin ist zulässig (§ 104 Abs. 3 Satz 1, § 567 Abs. 1 Nr. 1, Abs. 2 ZPO, § 11 Abs. 1 RPflG), hat aber in der Sache keinen Erfolg, da in Fällen wie dem vorliegenden die Kosten eines Unterbevollmächtigten nicht erstattungsfähig sind, weil eine persönliche Information des Prozessbevollmächtigten durch die Klägerin und damit Reisekosten der Klägerin selbst oder ihres Prozessbevollmächtigten nicht erforderlich erscheinen.

1. Der Beklagte ist nach § 91 Abs. 2 Satz 3 ZPO nur verpflichtet, diejenigen Kosten zu erstatten, die bei der Beauftragung eines Anwalts entstehen, auch wenn die Klägerin mehrere Anwälte nebeneinander mandatiert hat. Danach sind die Kosten eines Unterbevollmächtigten grundsätzlich nicht erstattungsfähig. Dies gilt lediglich insoweit nicht, als durch die Einschaltung des Unterbevollmächtigten notwendige Informationsreisen der Partei bzw. ihres Prozessbevollmächtigten erspart wurden. In solchen Fällen können die Kosten des Unterbevollmächtigten bis zur Höhe der fiktiven Reisekosten ebenso wie beim Verkehrsanwalt ersetzt verlangt werden (Musielak/Wolst, ZPO, 4. Auflage, § 91 Rdnr. 22 ff. m. w. N.).

Solche Reisekosten sind zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung im Sinne des § 91 Abs. 1 Satz 1 ZPO notwendig, soweit die betroffene Partei zum Zeitpunkt der Mandatserteilung davon ausgehen durfte, dass die Rechtsverfolgung nicht ohne ein persönliches mündliches Gespräch möglich sein wird, in dem sie dem Rechtsanwalt die für die Führung des Rechtsstreits erforderlichen Tatsachen übermittelt. Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes, wie sie zuletzt durch Karczewski (MDR 2005, 481) zusammengestellt wurde, ist ein solches persönliches Gespräch in aller Regel erforderlich, ohne dass es darauf ankommt, ob die jeweilige Partei geschäftlich bzw. rechtlich mehr oder weniger erfahren und gewandt ist. Der Senat schließt sich dieser Rechtsprechung ausdrücklich an, weil sie das Kostenfestsetzungsverfahren, das auf rasche Erledigung ausgerichtet ist, von den Nachteilen entlastet, die mit einer differenzierenden Einzelfallbetrachtung verbunden sind. Der damit erzielbare Gerechtigkeitsgewinn steht in keinem Verhältnis zu dem erforderlichen Aufwand (BGH NJW 2003, 901; BB 2005, 294).

2. Von dieser Regel sind aber nach der BGH-Rechtsprechung in zwei Fällen Ausnahmen anerkannt. Eine schriftliche Information eines Prozessbevollmächtigten am Ort des Prozessgerichts wird zum einen dann als zumutbar angesehen, wenn die Partei selbst eine Rechtsabteilung unterhält, die den Streitfall schon vor der Mandatserteilung bearbeitet hat (BGHR 2004, 780; MDR 2005, 178), und zum anderen dann, wenn der Geschäftszweck der Partei in der Besorgung bestimmter Rechtsangelegenheiten besteht. Eine solche Partei muss ohnehin Mitarbeiter beschäftigen, die über ein gewisses Maß an rechtlichen Kenntnissen und Fähigkeiten verfügen. Diese sind dann auch auf ihrem Spezialgebiet in der Lage, einen Prozessbevollmächtigten am Sitz des Prozessgerichts schriftlich und fernmündlich über die für die Prozessführung erforderlichen Tatsachen zu informieren. Dies hat der BGH im Falle eines Verbandes zur Verfolgung gewerblicher Interessen i. S. d. § 13 Abs. 2 Nr. 2 UWG entschieden (BGHR 2004, 637). Die dort angeführten Überlegungen sind auf die Klägerin übertragbar. Ein Unternehmen wie die Klägerin muss personell und sachlich so ausgestattet sein, dass sie die Rechtsentwicklung auf dem Gebiet des zahnärztlichen Honorarrechts beobachten kann. Es muss auch ohne anwaltlichen Rat in der Lage sein, typische Einwendungen von Patienten zu erkennen und zu bewerten, um in Durchschnittsfällen selbst mit diesen korrespondieren zu können, wie dies auch im Streitfall geschehen ist. Ein Unternehmen, das über eine diesen Anforderungen genügende personelle Ausstattung verfügt, ist ebenso wie ein Unternehmen mit eigener Rechtsabteilung regelmäßig in der Lage, einen Prozessbevollmächtigten am Sitz des Prozessgerichts schriftlich zu instruieren.

Anders als das OLG Oldenburg (RVGreport 2004, 119) hält der Senat eine weitere Differenzierung danach, ob sich der Patient bereits vorgerichtlich auf die Mangelhaftigkeit der ärztlichen Leistung berufen hat, nicht für sachgerecht. Denn hierdurch ergeben sich für die Frage, ob ein eingehendes persönliches Gespräch zwischen Partei und Prozessbevollmächtigtem zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung notwendig ist, keine Veränderungen. Das persönliche Gespräch, das infolge solcher Einwendungen des Patienten erforderlich werden kann, wäre eines zwischen dem behandelnden Zahnarzt und dem Prozessbevollmächtigten, nicht zwischen der hier klagenden Abrechnungsstelle und dem Anwalt. Der behandelnde Zahnarzt hat seine Praxis aber allenfalls zufällig am Sitz eines Unternehmens wie der Klägerin.

Auch der Umstand, dass die Klägerin aus abgetretenem Recht vorgeht, zeigt, dass es sich bei ihr um ein Unternehmen handelt, bei dem typischerweise das direkte persönliche Gespräch mit dem Prozessbevollmächtigten über den Tatsachenstoff des zu führenden Rechtsstreits keine Rolle spielt. Mag auch die Annahme, die Kostenerstattungspflicht i. S. d. § 91 Abs. 1 ZPO sei gegenüber dem Abtretungsempfänger auf den Betrag begrenzt, der im Falle einer Klage des Abtretenden entstanden wäre, in dieser Allgemeinheit fragwürdig erscheinen (OLG Schleswig JurBüro 1997, 202 gegen KG Rpfleger 1962, 158; Zöller/Herget, ZPO, 25. Auflage, § 9l Rdnr. 13 "Forderungsabtretung"), so ist einem Zessionar die schriftliche Information des Prozessbevollmächtigten doch eher zuzumuten als der Partei, in deren Person der Anspruch ursprünglich entstanden ist. Denn der Abtretungsempfänger verfügt i. d. R. ohnehin nicht über eigene Informationen über den dem Prozess zugrundeliegenden Sachverhalt. Er musss sich diese vom Zedenten beschaffen. Dieser wird sie ihm meist in Schriftform erteilen. Unter diesen Umständen ist nicht ersichtlich, warum der Zedent nicht in der Lage sein sollte, auch seinerseits den Prozessbevollmächtigten schriftlich zu informieren. Dies alles trifft bei der Art des Geschäftsbetriebs der Klägerin in besonderem Maße zu. Sie muss sich sowohl über Art und Umfang der für die Gebührenberechnung maßgeblichen ärztlichen Tätigkeit wie über die fachliche Berechtigung der Einwendungen des Patienten in aller Regel von den behandelnden Ärzten unterrichten lassen. Da diese Information schon im Interesse einer rationellen Geschäftsabwicklung schriftlich erteilt werden muss, kann sie auch schriftlich an einen Prozessbevollmächtigten am Sitz des Prozessgerichts weitergeleitet werden.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO.

Der Senat lässt im Hinblick auf den Beschluss des OLG Oldenburg vom 08.04.2003 (RVGreport 2004, 119) zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung die Rechtsbeschwerde zu (§ 574 Abs. 3, Abs. 2 Nr. 2 ZPO).

Ende der Entscheidung

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